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Und dämlich grinst das Dromedar: Kurzgeschichten
Und dämlich grinst das Dromedar: Kurzgeschichten
Und dämlich grinst das Dromedar: Kurzgeschichten
eBook202 Seiten2 Stunden

Und dämlich grinst das Dromedar: Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Wer täglich seinen Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen muss, vor dem Einschlafen noch eine interessante Geschichte lesen will, oder nur zehn Minuten Zeit für Literatur hat, für den ist die Kurzgeschichte das Richtige.
Sie hat einen Anfang und ein Ende. Es kommen wenige Personen vor. Die Geschichte beleuchtet ein winziges Stück aus dem Leben. Manchmal nimmt sie eine nicht erwartete Wendung oder endet mit einer Überraschung.
38 Geschichten stehen zur Auswahl.
SpracheDeutsch
HerausgeberMedimont
Erscheinungsdatum22. Mai 2024
ISBN9783911172707
Und dämlich grinst das Dromedar: Kurzgeschichten
Autor

Gerhard Appelshäuser

Gerhard Appelshäuser, dessen Lebensmittelpunkt in Wien liegt, wurde durch diese facettenreiche Stadt zum Schreiben inspiriert. Viele Reisen, erworbene Erfahrungen und seine Neugier sind die Stützen seiner Fantasie. Mit Kurzgeschichten begann sein schriftstellerischer Weg. Inzwischen verfasst er auch Romane und Erzählungen. Bislang wurden sieben Kriminalromane und ein Roman aus seiner Feder veröffentlicht: • Der Tote auf Bahn 4 • Der Maler der zwei Mal starb • Auch der Tod arbeitet im Weinberg • Tod in der Puszta“, • Das versperrte Paradies • Als der Renoir aus dem Rahmen fiel • Mord beim letzten Akkord • Das Geheimnis der Mozartova Nr. 4

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    Buchvorschau

    Und dämlich grinst das Dromedar - Gerhard Appelshäuser

    Theatralisches

    Schweißtreibende Theatervorstellung

    Die Stadt ist klein, alt und ohne Geld; so auch das Theater. Es spielt aber immer ein volles Programm. Heute geben sie Schiller: die Räuber. Mitten im ersten Akt bricht ein Ventil in der Klimaanlage im Keller, das die Kälte- und Wärmeversorgung des Theaters steuert. Niemand bemerkt den Unfall. Der zuständige Techniker pokert mit den Kulissenmalern in der Kantine. Keiner achtet auf das rot blinkende Signal im Raum des technischen Direktors, den man aus Kostengründen eingespart hat. In voller Stärke wird heißes Wasser statt gekühlter Luft durch den Kreislauf gepumpt und die Heizkörper werden allmählich immer wärmer. Zuerst in den Garderoben der Schauspieler. Nur dort stört es niemand, denn alle sind entweder auf der Bühne oder in den Kulissen.

    Zu Beginn des zweiten Aktes bläst die Heizung nur noch heiße Luft in den Zuschauerraum. Die ersten männlichen Besucher lockern ihre Krawatten und öffnen den obersten Hemdknopf; einige Damen fächeln sich mit dem Programmheft Luft ins Dekolleté.

    Vereinzelt zeigen sich Schweißperlen auf der Stirn der Souffleuse. Was sie nicht weiß: unter ihrem Sitz im Souffleurkasten ist ein Heizkörper montiert. Sie bemerkt zunächst nicht, dass ihr warm geworden ist, glaubt vielmehr, es liegt an der Schwierigkeit des Textes. Sie hat den Eindruck, heute bleiben die Darsteller öfter hängen als sonst.

    Ihr wird immer wärmer und ihre Stimme immer lauter. In der ersten Reihe kichern einige Zuschauer, als sie ungewollt Mithörer werden.

    Sie bemerkt das aber nicht, nur »der alte Moor« auf der Bühne. Er schaut irritiert zuerst in den Zuschauerraum und dann zum Souffleurkasten. Normalerweise sieht er dort nur das fahle Gesicht der Souffleuse, ein ältliches Fräulein mit einer Brille. Inzwischen rinnen kleine Sturzbäche von Schweiß über ihr Gesicht, und die Brille beschlägt sich. Sie nimmt sie ab und legt sie vor sich auf den Bühnenrand. Sie braucht den Text nicht zu lesen, sie kennt ihn auswendig; so oft wurde das Stück hier schon gespielt.

    In der kleinen Kabine nimmt die Wärme zu. Ohne es zu merken, öffnet sie den obersten Knopf ihrer Bluse. Ihre Stimme hat jetzt einen krächzenden Klang angenommen, ihr ist unerträglich heiß. Rasch öffnet sie noch einen Knopf und bald darauf einen Dritten. Haarsträhnen kleben auf ihrer Stirn und verdecken ihre Augen. Sie wischt sie achtlos zur Seite.

    Am Ende der zweiten Szene im zweiten Akt ist der ›alte Moor‹ mit ›Amalia‹ allein auf der Bühne.

    ›Amalia‹ schaut mit aufgerissenen Augen zum Souffleurkasten statt in die Bibel, aus der sie dem ›alten Moor‹ vorlesen soll. Das, was sie dort sieht, lässt sie den Text vergessen. Sie stockt und die Souffleuse flüstert heißer »Ich werde mit Leid hinunterfahren.« Eine Sekunde lang starrt Amalia sie mit offenem Mund an. Die Souffleuse wiederholt: »Ich werde mit Leid hinunterfahren« jetzt etwas lauter und insistierender. Nachdem Amalia noch immer schweigt, wird auch der ›alte Moor‹ aufmerksam und blickt ebenfalls zum Souffleurkasten.

    Während dieser wenigen Sekunden hat sich die Souffleuse aus Verzweiflung, die Szene noch zu retten, von ihrem Sitz erhoben und sich mit dem Oberkörper aus dem Kasten gezwängt. Dabei bleibt sie mit ihrem BH am Bühnenrand hängen. Durch den Ruck der Bewegung quellen ihre beiden Brüste aus der Halterung und präsentieren sich in voller Pracht vor den Augen des ›alten Moor‹. Der schreit, obwohl noch gar nicht dran, wie es sein Text befiehlt, »Hör auf, hör auf! Mir wird sehr übel«, und ›Amalia‹ erwidert automatisch und textkonform, ohne ihren Blick vom Oberkörper der Souffleuse zu wenden »Hilf Himmel! Was ist das?«, wobei sie die Bibel in der Hand behält, statt sie fallen zu lassen, wie es das Regiebuch vorschreibt.

    Jetzt schaut der Spielleiter auf die Bühne, denn er vermisst das Geräusch des zu Boden fallenden Buches.

    Nach einer Sekunde der Verblüffung, ob des ungewohnten Bildes, das sich ihm bietet, setzt er zu seinem gefürchteten, sonoren Lachen an, das den Trompeten von Jericho gleichend, in den Zuschauerraum dröhnt. Dort wird die Änderung der gewohnten Inszenierung mit lautem Applaus quittiert.

    Nur die wenigen Zuschauer in der Loge, direkt über der Bühne, können die Souffleuse sehen, die noch immer schweißgebadet mit dem Oberkörper aus ihrem Kasten hängt. Sie stimmen in das Gelächter des Spielleiters ein, beugen sich über der Brüstung, um besser sehen zu können und deuten mit den Händen auf die Bühne.

    Jetzt erst begreifen die anderen Zuschauer, dass dort etwas im Verborgenen geschehen sein musste. Zuerst stimmen einige, dann aber immer mehr in das Lachen ein, ohne den Grund ihrer Heiterkeit zu kennen.

    In der Zwischenzeit hat die Wärme im Zuschauerraum noch mehr zugenommen. Die meisten Herren haben das Jackett ausgezogen und ihre Krawatte abgenommen. Die Damen leiden still vor sich hin. Die Vorstellung scheint zu entgleiten.

    Da lässt der Spielleiter den Vorhang fallen und die Darsteller erhalten stehenden Applaus. Am nächsten Tag wird der ›Stadtanzeiger‹, die lokale Kleinzeitung, schreiben: »Gestern Abend lief unser verschlafenes Theater zur Höchstleistung auf. Die Inszenierung von Schillers Räuber erntete stehende Ovationen.«

    Ein gelungener Theaterabend

    Endlich passten wieder einmal drei Dinge zusammen: Ich fand eine Operette im Programm, die ich noch nie gesehen hatte, bekam noch eine Karte auf meinem Lieblingsplatz in Baden und hatte für diesen Termin keine anderen Verpflichtungen. Die besten Voraussetzungen für einen schönen Abend. Dachte ich.

    Am Theaterabend, es war ein Samstag, wollte ich früher in Baden ankommen. Ich könnte den Operettenbesuch mit einem Essen bei meinem Lieblings-Italiener einläuten. Gute Idee fand ich. Den ganzen Tag über blies ein kalter Jännerwind. Als ich gegen siebzehn Uhr meinen Wagen starten wollte, verabschiedete sich der Anlasser mit drei jämmerlichen Jaultönen. Gerade heute, wo ich den Wagen brauchte und keine Chance auf ein öffentliches Transportmittel hatte, musste mir das passieren. Dabei hatte ich das Vehikel erst vor zwei Wochen beim Service gehabt.

    Aber wozu bin ich seit Jahren Mitglied bei einem Automobilklub, dessen Service ich bisher noch nie beansprucht hatte. Ich hatte Glück. Die Dame am Telefon versprach mir in der nächsten halben Stunde einen Helfer vorbeizuschicken, der mein Malheur beseitigen könnte. Gut, dachte ich, dann schaff ich es zwar nicht mehr zu meinem Italiener, bei dem musste man Zeit mitbringen, aber im Casino-Restaurant ging sich ein kleines Dinner noch immer aus.

    Wie versprochen, der Klub ließ mich nicht im Stich. Die Batterie war sechs Jahre alt und leer. Das sei der Grund für das Gebrechen belehrte mich der Techniker. Warum man das vor zwei Wochen beim Service nicht feststellen konnte, wollte ich wissen. Er begann mir einen Vortrag über Batterien im Allgemeinen und meine im Speziellen zu halten, aber dafür fehlte mir heute die Zeit und es interessierte mich auch nur peripher. Ich war auf Paganini, so hieß die Operette, die ich heute noch genießen wollte, eingestellt. Er hatte eine passende Neue dabei, die ich unwillig kaufte, nachdem er mich gewarnt hatte. Mit der Alten und mittels Starterkabel wieder in Betrieb gesetzten, käme ich sicherlich nach Baden, aber ob auch zurück, da hätte er seine Zweifel.

    Die Batterie kostete mich so viel, wie drei Besuche bei meinem Lieblings-Italiener.

    Ich kam wohlbehalten nach Baden, aber es war schon Viertel vor sieben. Keine Zeit mehr für einen Besuch im Casino-Restaurant. Auch zu spät für einen Parkplatz in Theaternähe. Blieb nur noch die Parkgarage. Langsam wurde es ein teuerer Theaterbesuch.

    Die Oper erreichte ich immerhin zehn Minuten vor Vorstellungsbeginn. Abgehetzt, verschwitzt und stinksauer. Wahrscheinlich stank ich wie ein Iltis, aber das konnte ich unter meinem Mantel nicht riechen. War mir mittlerweile auch egal.

    Mit dem letzten Klingelton saß ich endlich auf meinem Lieblingsplatz. Normalerweise sehe ich von dort ganz gut, was auf der Bühne passiert. Normalerweise sitzen auch normal gewachsene Mitteleuropäer vor mir. Nur die Dame, hinter der ich heute saß, war mindestens ein Meter neunzig groß oder ein Sitzriese. Hätte ich noch akzeptiert, aber die Frisur, die ihren Kopf zierte, die akzeptierte ich nicht. Ich weiß nicht, welcher Kretin von Friseur ihr die modelliert hat, aber sie ließ ihren Kopf auf die doppelte Höhe anwachsen. Brünette Locken, Ziernadeln, Ohrringe alles konnte ich sehen, nur keine Bühne.

    Das Einzige, was ich ungestört genießen konnte, war die Musik. Aber dafür hätte ich nicht nach Baden fahren müssen. Da hätte mir auch eine CD zu Hause, bei einem Glas Rotwein genügt. Um wenigstens bruchstückweise dem Geschehen auf der Bühne zu folgen, pendelte ich mit meinem Kopf nach rechts und dann nach links. Beides passte weder dem Herrn rechts neben mir noch der Dame links von mir. Was ich verstehen konnte, denn ich landete fast jedes Mal an der Schulter meiner Nachbarn. Unangenehm, ich entschuldigte mich auch und wies auf meine Vorderfrau, bis der Herr rechts neben mir nicht gerade leise sagte, wenn ich schon im Theater pendeln wollte, dann hätte ich mich vorher waschen sollen.

    Als auch noch die hinter mir Sitzenden mir rüde auf die Schulter tippten, ob ich nicht endlich ruhig sitzen könnte, sie seinen schließlich in der Oper und nicht auf der Hochschaubahn, war ich völlig frustriert, und nicht mehr fähig, mich zu bewegen. Dafür hatte ich jetzt Muse, zuerst die Haarsträhnen und dann die einzelnen Haare pro Strähne meiner Vorderfrau zu zählen. Während der Tenor auf der Bühne sang: »Gern hab ich die Frauen geküsst«, war mir selbst die Lust an der Vorstellung dieser an sich angenehmen Beschäftigung vergangen. Aber ich fand heraus, nach welchem System der Friseur die Strähnen meiner Vorderfrau, die ich nicht gerne geküsst, allenfalls gerne geköpft hätte, gelegt hatte. Dann fing mir auch noch der Magen an, zu knurren, was bei den leiseren Passagen der Operette in meiner Umgebung deutlich zu hören war.

    In der Pause plünderte ich das Theaterbüffet und als ich drei Sandwich verdrückt hatte, mehr waren nicht da, schob ich mir noch zwei Schokoriegel hinterher. Jetzt war ich rundherum satt. Nur einen anderen Platz konnten mir die Platzanweiser nicht verschaffen. Das Theater war ausverkauft. Selbst der letzte Stehplatz war besetzt. Also musste ich notgedrungen wieder hinter meiner ondulierten Vorderfrau Platz nehmen. Nur sah ich sie mir jetzt einmal von vorne an. Gern hätte ich sie nicht geküsst. Das Interessanteste an ihr war die Frisur. Aber sie störte mich jetzt auch nicht mehr, denn nach all dem Stress und dem vollen Magen, schlief ich ein. Leise Schnarchtöne gingen in der Musik unter. Nur der Zwischenapplaus ließ mich jäh aufwachen und erschrocken schaffte ich es wieder, zehn Minuten zuzuhören. In Wachschlafsequenzen überstand ich den zweiten Teil.

    Beim Warten auf meinen Mantel dachte ich, hak den Abend ab, kauf dir übermorgen eine CD und fahr jetzt schnell nach Hause. Nach Hause gefahren bin ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück. Ich hatte eine Parkgarage erwischt, die um zweiundzwanzig Uhr schließt.

    Der gute Geist des Kellertheaters

    Kellertheater gibt es heute fast keine mehr. Teilweise sind sie den öffentlichen Subventionseinsparungen zum Opfer gefallen, aber zu einem größeren Teil sind sie am Qualitätsanspruch des Publikums gescheitert. Aus welchem Grund auch immer, es ist schade, dass sie geschlossen haben. Als es sie noch häufiger gab, besuchte ich ein ganz bestimmtes Theater mindestens einmal während einer Programmsaison. Es spielte in meiner Nähe, hatte höchstens Platz für vierzig Leute und ich kannte alle, die Schauspieler, die wenigen Leute vom Bühnenpersonal und die Dame, welche die Getränke verkaufte. Wenn ich ehrlich bin, meistens kam ich wegen ihr. Wir saßen dann in der letzten Stuhlreihe, plauderten ganz leise miteinander. Sie sah das Stück gezwungenermaßen bei jeder Vorstellung und ich fand es nicht besonders aufregend.

    Deshalb weiß ich auch nicht mehr, wie das Stück hieß, bei dem dann diese komische Sache mit dem Geist passierte. Das Einzige, an das ich mich erinnern kann, es war ein Boulevardstück ohne besondere Gags, denn es lachte fast niemand im Zuschauerraum. Ein Mann und eine Frau standen auf der Bühne und stritten sich. Er schrie sie an: »Wer hat gestern in meinem Bett geschlafen?« In den drei Sekunden, in denen sie etwas hätte erwidern sollen, war ein lautes »Miau« zu hören. Es kam von irgendwoher auf der Bühne. Die Zuschauer wurden munter. Die Akteure stutzen einen Moment und genau in dieser Stille war ein erneutes »Miau« zu hören. Geistesgegenwärtig sagte sie zu ihm: »Du hörst es ja, es war die Katze.« Dabei grinste sie ihn an. Und er erwiderte, auch nicht besonders ernst: »Ach so, ich dachte schon, es war des Nachbarn Kater.« Den beiden Schauspielern und allen, die das Stück schon einmal gesehen hatten, war bewusst, dass die beiden da oben improvisierten. Nur die meisten Zuschauer nahmen das als zum Stück gehörend

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