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Im Labyrinth des Vertrauens: Eine philosophische Expedition
Im Labyrinth des Vertrauens: Eine philosophische Expedition
Im Labyrinth des Vertrauens: Eine philosophische Expedition
eBook251 Seiten3 Stunden

Im Labyrinth des Vertrauens: Eine philosophische Expedition

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Über dieses E-Book

Das Labyrinth des Vertrauens ist eine fesselnde Erkundung der rätselhaften Welt des Vertrauens, die alltäglich und doch so schwer greifbar ist. In diesem einzigartigen Werk entführt der Autor die Leser auf eine philosophische Expedition, die tief in das Herz des menschlichen Vertrauens vordringt.
Vertrauen, oft als Zauberwort bezeichnet, umwebt wie Nebel unsere alltägliche Existenz, verbirgt und verändert Wahrnehmungen. Aber was geschieht, wenn dieser Nebel sich lüftet? Das Buch beleuchtet die düstere Wahrheit, dass dort, wo Vertrauen ist, oft auch der Verrat nicht weit ist. Es durchquert die Geschichte der Philosophie, um zu zeigen, wie Vertrauen und Treue sich im Laufe der Zeit voneinander gelöst und ihre Bedeutungen gewandelt haben.
Die Leser begleiten historische und literarische Größen auf ihrer Reise durch dieses Labyrinth. Sie sitzen neben Thomas Hobbes, tauchen in den Naturzustand ein, hören Gretchen aus Goethes Faust in einer hitzigen Debatte mit Immanuel Kant und erleben eine wilde Fahrt auf einer Harley-Davidson durch den Irrgarten der Komplexitätsforschung.
Die Leser begeben sich auf eine spannende philosophische Entdeckungsreise, taucht ein in die Welt des Vertrauens und wird überrascht sein, was am Ende des Labyrinthes auf ihn wartet.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum24. Jan. 2024
ISBN9783384127365
Im Labyrinth des Vertrauens: Eine philosophische Expedition
Autor

Daniel Schaup

Daniel Schaup lebt an der schönen Elbe in Magdeburg. In seinen Romanen und Erzählungen gelingt es ihm, im Kopf des Lesers einen mitreißenden Film entstehen zu lassen - er ist mitten im Geschehen und doch Beobachter. Die Lektüre ist kurzweilig und gleichzeitig ein Bildungserlebnis. Wer seine Romane und Erzählungen liest, lernt etwas über die Welt und über sich selbst. Anfragen für Lesungen bitte unter: danielschaup(at)icloud.com

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    Buchvorschau

    Im Labyrinth des Vertrauens - Daniel Schaup

    Von Müttern und Nebelmaschinen

    Haben wir das Glück, in einem Theater eine der seltenen Aufführungen des Faust II zu erleben, wabert spätestens beim Abstieg Fausts in die Welt der Mütter Nebel über die Bühne: Faust und Mephisto hatten den Kaiser zuvor mit einem „Flammengaukelspiel entzückt, jetzt aber will er Helena und Paris vor sich sehn, „das Musterbild der Männer so der Frauen / In deutlichen Gestalten will er schauen. Da hat Mephisto ein Problem, denn das Heidenvolk der Griechen geht ihn nichts an: „Es haust in seiner eignen Hölle; / Doch gibt’s ein Mittel. Aber: „Ungern entdeck’ ich höheres Geheimnis. / Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit, / Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit; / Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. / Die Mütter sind es!

    Mütter? Das klingt nicht nur wunderlich! Jeder mag das eine oder andere mit dem Wort assoziieren. Faust jedenfalls ist alarmiert. Aufgeschreckt und irritiert fragt er nach dem Weg zu den Müttern. Aber da ist kein Weg! „Ins Unbetretene, nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene, nicht zu Erbittende. Spätestens jetzt beginnen die Nebelmaschinen zu zischen! Mit einem kleinen Schlüssel als Navigationsgerät ausgestattet macht sich Faust auf zu den Müttern: „Dein Wesen strebe nieder; / Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder. Fausts Füße sind nun von Nebel eingehüllt, er stampft und - versinkt.

    Was will Goethe uns mit der Welt der Mütter zu verstehen geben? Das ist nicht nur schwer zu sagen, es bleibt nebulös. Deshalb die Nebelmaschinen! Auf der Bühne wabert Nebel, der sich langsam aber stetig bis zu den ersten Reihen des Zuschauerraums ausbreitet. Die nebulösen Worte verweben sich mit dem Maschinennebel. Die finstere Galerie, in der Mephisto die Geheimnisse der Mütter offenbarte und von wo aus sich Faust hinab zu diesen Nebelgestalten macht, verwandelt sich in einen hell erleuchteten Saal; der Nebel verfliegt und das ungeduldige Publikum des Hofes wartet auf die prunkvolle Geisterszene: den Auftritt von Helena und Paris. Die Geschichte von Faust geht weiter, die Nebelmaschinen sind aus.

    Eine Nebelmaschine verdampft Nebelfluid zu Nebel. Das ganze ist nicht billig, aber die Wirkungen sind bei Regisseuren und Publikum beliebt. Am Häufigsten brummen diese Maschinen, wenn wie im zweiten Teil der Fausttragödie mythische, unbegreifliche Elemente einer Szene illustriert werden sollen - der Zuschauer weiß dann: Aha, jetzt wird es undurchsichtig!

    Gern werden solche Maschinen auch bei Rock- oder Popkonzerten eingesetzt, um dem Treiben auf der Bühne eine gewisse Undurchschaubarkeit, eine Atmosphäre des Fernen, Verschwommenen zu verleihen. Oder um einen komplizierten Umbau auf der Bühne zu verhüllen! Die mühsam errichtete Illusion soll durch das Wuseln und Werkeln der Bühnentechniker nicht zerstört werden. All das Technische, die vor Schweiß triefende Realität, die hinter der Illusion lauert, sollen wir nicht sehen! Und wir lassen uns gern einnebeln, nicht wahr?

    Nebelmaschinen gibt es nicht nur auf dem Theater oder bei Bühnenshows - sie sind unsere täglichen Begleiter! Wir sind Meister im Produzieren von Nebel. Wir wollen uns nicht mit der harten Realität auseinandersetzen. Da wird versucht, ein peinliches Erlebnis schön zu reden oder es ironisch zu brechen, eine reale Bedrohung ins Unwahrscheinliche zu verschieben. Wir vernebeln täglich uns und die Anderen. Die Königin unter den Nebelmaschinen unseres Alltags ist das Wort ,Vertrauen‘!

    Von Vertrauen wird überall und oft geredet. Beobachten wir uns selbst, so vergeht wohl kein Tag, an dem wir entweder selbst das Wort ,Vertrauen‘ im Munde führen oder es uns von irgendwoher in die Ohren fliegt. Denken wir nur an die Werbung und all die Dinge, denen wir unser Vertrauen schenken sollen: angefangen von der Kopfschmerztablette, der Scheibe Wurst bis hin zum Auto. Bleiben wir bei der Werbung - wo hören wir dort am häufigsten das Wort ,Vertrauen‘? Bei Versicherungen („Vertrauen Sie nicht nur Ihrem Talent) oder bei Banken („Wir sind die Bank Ihres Vertrauens).

    Schlagen wir die Zeitung auf, so lesen wir mindestens auf jeder Seite einmal, dass wir hier oder da vertrauen müssen, sollen, können - ob im Politikteil, dem Wirtschaftsteil, dem Sportbericht oder im Feuilleton. Machen wir den Test, schlagen wir eine beliebige Zeitung auf.

    Das Wort ,Vertrauen‘ scheint ein wirklicher Alleskönner zu sein - quer durch alle Lebenswelten verwenden wir es, rücken es bewusst in den Vordergrund, ziehen es heran als Argument und Entscheidungshilfe. Ein richtiges Zauberwort! Wir sollen der Gesundheitsreform vertrauen, dem Markt, der Aktie, den Banken, den Politikern, den Managern - dem Chef, dem Betriebsratsvorsitzenden, der des Dopings bezichtigten Sportlerin, dem von der Wettmafia bedrohten Fussballspiel. Allem und jedem können oder sollen wir vertrauen!

    Ziehen wir unseren Beobachtungsfokus enger - schalten also Fernseher und Computer aus, legen die Zeitung beiseite - dann sitzen wir da und … wir vertrauen unserer Alarmanlage, dem Zugfahrplan (zugegeben, das fällt schwer), wir vertrauen unserem Auto, dass es uns täglich zur Arbeit und zurück bringt. Last but not least: vertrauen wir unserem Partner, unseren Kindern, unserer Familie, unseren Freunden, den Kollegen und schließlich: uns selbst!

    Haben wir uns jemals gefragt, was die Werbung, die Politik, die Wirtschaft oder unsere Familie da eigentlich von uns verlangen, wenn sie sagen, „vertrau mir bzw. uns"? Was tun wir da eigentlich, wenn wir vertrauen?

    Schwere Frage - leichte Antwort? Was anstellen mit dem Alleskönner der Worte, dem Zauberwort ,Vertrauen‘, der ultimativen Nebelmaschine?

    Wir wollen gemeinsam hinter die Kulissen schauen - uns fragen, wie wir vertrauen. Wir schalten die Nebelmaschinen aus und stellen uns der Realität.

    Verraten und Vertraut

    Landläufig meinen wir, dass Vertrauen etwas ist, das wir haben im Sinne von etwas besitzen. Wir fragen uns ja auch, ob wir zu diesem oder jenem Vertrauen haben. Was besitzen wir also, wenn wir vertrauen?

    Eine Ehe zum Beispiel, so sind wir überzeugt, basiert auf Vertrauen. Nehmen wir aber an, dass unser Ehepartner eine Affäre hat. Worin bestand unser voriges Vertrauen? Was hatten wir einst besessen und nun verloren? Wir könnten antworten, dass wir uns vor dem Entdecken der Affäre in einem bestimmten mentalen Zustand befanden - einer geistigen Einschätzung unserer Lebenslage.

    Handelte es sich beim Vertrauen um einen mentalen Zustand würde die Situation so aussehen: Wir sind überzeugt davon, dass ein bestimmter Mensch keine Affäre hat. Da es sich dabei nicht um unseren Nachbarn handelt, sondern um unseren Ehepartner, bleibt die Frage, was diesen Menschen als den ‚unsrigen’ auszeichnet: Eben keine Affäre zu haben und damit unser Vertrauen zu ihm zu enttäuschen. Ich vertraue ihm also, weil es mein Ehepartner ist. Das ist ein Zirkel, die Katze beißt sich in den Schwanz!

    Eine andere Möglichkeit: Vertrauen ist ein Gefühl. Schließlich zeichnen sich intime Zweierbeziehungen durch ganz viel Gefühl aus! Wenn wir unserem Ehepartner über viele Jahre hinweg vertraut haben, so waren wir uns aber während der ganzen Zeit unseres konstanten Gefühls nicht bewusst! Erst dann, wenn die Affäre ans Licht kommt, sprechen wir von Vertrauen. Das heißt also, dass es sich beim Vertrauen um ein Gefühl handeln würde, dass wir nur dann wahrnehmen, wenn es uns fehlt! Somit könnten wir das Gefühl ‚Vertrauen’ nur negativ definieren. Wollten wir es positiv beschreiben, hat es doch sehr große Ähnlichkeit mit dem Gefühl der Liebe. Denken wir an die paradoxe Situation, dass wir einen Menschen unendlich lieben, er oder sie aber unser Vertrauen enttäuscht hat. Hört die Liebe mit der Enttäuschung abrupt auf?

    Wenden wir uns einem anderen Beispiel zu: Wir lassen einen Freund bei uns übernachten. Weder denken wir darüber nach, noch stellt sich uns die Frage, ob unser Freund in der Nacht plötzlich vor uns steht und uns erstechen will, weil er Zugang zu den Messern in der Küche hat. Heißt das, wir vertrauen ihm? Dass ein Freund bei uns übernachtet, ist eine alltägliche, normale Situation – sie zeichnet sich dadurch aus, dass wir bestimmte Verdachtsmomente, wie den Zugang zu den Küchenmessern, nicht ernst nehmen. Täten wir es, würden wir uns in einer anormalen psychischen Situation befinden, z.B. an Paranoia leiden.

    Die Situation ist für uns normal, das heißt, die Frage des Vertrauens stand schlicht und ergreifend nicht im Raum. Verändern wir das Beispiel und nehmen wir anstelle des Freundes einen Fremden bei uns als Gast auf, sehen wir sofort, dass die vormalige unreflektierte Selbstverständlichkeit zusammenbricht. Neue Fragen stellen sich plötzlich: Ist es vernünftig, diesem Menschen zu vertrauen? Ist er uns wohl gesonnen? Ist er gesund? Jetzt tritt das Wort ‚Vertrauen’ auf den Plan!

    An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Begriff Vertrauen an vorstellbare Gründe des Misstrauens gekoppelt ist. Wer die Möglichkeit eines Verdachts in Erwägung zieht, fordert die Frage des Vertrauens heraus. Über Vertrauen zu sprechen heißt, die Möglichkeit des Verrats aufzuwerfen!

    Wir vertrauen also entweder, wenn wir die Möglichkeit eines Verrats zwar in Betracht ziehen, ihn aber für unwahrscheinlich halten – eine Situation kommt uns zwar verdächtig vor, schätzen aber unser persönliches Risiko als sehr gering ein. Oder aber wir meinen mit Vertrauen eine zunehmende Vertrautheit, schließlich kennen wir unseren Freund schon über viele Jahre.

    Kehren wir noch einmal zur ersten Interpretation zurück. Warum kann uns eine Situation als verdächtig erscheinen? Weil wir zum Beispiel in ihr ein persönliches Risiko für uns entdecken. Um nicht erneut den bei uns nächtigenden Fremden zu bemühen, ein anderes Beispiel: Wir wollen uns mit unserem Partner einen schönen Abend zu zweit machen und brauchen einen Babysitter. Wir wollen also unsere Kinder jemandem anvertrauen. Was tun wir?

    Entweder suchen wir wahllos eine Nummer heraus und machen einen Termin oder aber wir wägen sorgfältig ab, wen wir anrufen. Da es um das Wertvollste in unserem Leben geht, um unseren Nachwuchs, werden wir die zweite Variante wählen. Wir rufen zum Beispiel ein befreundetes Paar an und fragen, ob sie uns einen Babysitter empfehlen können, einen, mit dem sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben. Wir wollen uns so viel wie möglich informieren über jenen Menschen, dem wir unsere Kinder anvertrauen. Das heißt, wir wollen alles in unserer Macht stehende tun, um das Risiko zu minimieren, dass wir einen Menschen auswählen, der unsere Kinder entweder nicht gut genug betreut in der Zeit unserer Abwesenheit oder ihnen sogar etwas Böses will.

    Wovon wir hier sprechen ist kein Vertrauen! Wir sagten bereits, dass wir Vertrauen erst dann wahrnehmen, wenn es fehlt. Womit wir diese Situation beschreiben können, ist Anvertrauen. Gleiches tun wir, wenn wir zum Arzt oder einem Psychotherapeuten gehen. Wir vertrauen uns ihm an. Dabei gehen wir ein Risiko ein! Da er uns noch nicht vertraut ist, schätzen wir das Risiko sehr hoch ein. Wahrscheinlich haben wir es dadurch zu reduzieren versucht, dass wir uns gründlich über ihn informierten. Wir lasen alles über ihn im Internet, tauschten uns mit Freunden aus oder sprachen mit Personen, die bereits Erfahrungen mit diesem Arzt gemacht haben. Dennoch, wir ganz persönlich gehen ein Risiko ein! Anders ausgedrückt: Wir sind unheimlich mutig. Wir trauen uns, nicht nur uns, sondern auch dem Arzt etwas zu.

    Wäre es da nicht hilfreich, wenn eine Liste existierte, die alle möglichen Varianten enthält, wie jemand anderes unser Vertrauen missbrauchen könnte? Wir vertrauen dem Arzt, was heißt, dass wir schlechte Absichten seinerseits ausschließen; zumindest halten wir sie für unwahrscheinlich, entweder aufgrund unserer eigenen Erfahrungen oder der von Bekannten oder Freunden. Neuerdings können wir uns auch an Ranking-Tabellen im Internet orientieren.

    Vertrauen steht damit für die Mitte eines Kontinuums von Möglichkeiten, an dessen einem Ende das Wissen steht, am anderen bloßes Raten. Je nachdem, wo wir uns bei der Einschätzung der Situation befinden, gehen wir ein großes bzw. kleines Risiko ein, dass unser Vertrauen enttäuscht wird. Das heißt aber, dass sich hinter dem Vertrauen immer Unsicherheit versteckt! Wir wissen zwar, dass ein Betrug möglich ist, verhalten uns aber nicht dementsprechend – wir betrügen uns selbst! Unser Selbstbetrug ist um so größer je höher das Risiko ist, das wir eingehen.

    Der Ehemann weiß, dass seine Frau ihm treu bleiben wird, wenn er sich am Morgen von ihr verabschiedet. Würde er sagen, er ginge damit ein Risiko ein, entstünde der Eindruck des Misstrauens. Täglich bestimmte Situationen als verdächtig anzusehen, bedeutet, eine permanente Verletzbarkeit zu akzeptieren. So gesehen wäre Vertrauen eine ‚akzeptierte Verletzbarkeit’. Im Falle des Ehemanns gibt es aber nichts, was er akzeptiert hätte. Aus seiner Sicht wird die Treue seiner Frau nicht thematisiert!

    Vertrauen kann also weder eine Art akzeptierter Verletzbarkeit sein noch das Eingehen eines Risikos. Das Beispiel des bei uns übernachtenden Freundes weist in eine andere Richtung: Wir schließen aus, besser es kommt uns gar nicht erst in den Sinn, dass unser Freund des nachts mit einem Messer vor unserem Bett stehen könnte. Gehen wir vielleicht unbewusst doch ein Risiko ein? Nein, wir ziehen die Möglichkeit, dass unser Freund uns ersticht, gar nicht erst in Erwägung.

    Aber sollten wir nicht einräumen, dass die Möglichkeit besteht? Damit stellt sich die Frage, was es heißt, ein Ereignis als „möglich" zu bezeichnen. Der englische Philosoph David Hume (1711-1776) würde sagen: Alles, was vorstellbar ist, können wir für möglich halten, wenn es nicht durch logische Widersprüche ausgeschlossen werden kann. Für jede Situation müsste es demnach Kriterien geben, um ein Szenario als möglich bzw. unmöglich einzustufen. Eine Möglichkeit anzunehmen hieße damit, sich eine Verbindung innerhalb eines Gesamtzusammenhanges vorzustellen, der unverändert bleibt. Was uns sinnvoller Weise als möglich erscheint, hängt aber von unterschiedlichen Variablen ab: Welche wir davon berücksichtigen, ist keinesfalls festgelegt! Die Entscheidung hängt allein davon ab, welche Ereignisse wir als vernünftig, akzeptabel oder wünschenswert betrachten. Unser Gast hat die Möglichkeit, uns zu erstechen. Dass wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, heißt, wir vermuten, er könne dies wollen! Es liegt an unserem Standpunkt, ob wir bestimmte Möglichkeiten als vernünftige bzw. unvernünftige einstufen!

    Eine Frau könnte es für absolut ausgeschlossen halten, dass ihr Mann einen anderen Menschen brutal ermordet haben soll. Natürlich ist der Fall vorstellbar, dass ein Mann einen Mord begeht und er die Tat vor seiner Frau verheimlicht. Die Ehefrau hält es aber für unmöglich, dass ihr Mann zu so etwas fähig sei. Wir könnten nun einwenden, dass sie sich schlicht weigert, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Aus der Sicht der Frau gibt es aber keine weiteren Möglichkeiten, die in Betracht zu ziehen sind! Im Gegensatz zu ihr aber kann die Polizei es sehr wohl für möglich halten, dass ihr Mann ein Mörder ist.

    Allgemein lässt sich anhand dieses Beispiels zeigen, dass wir im Falle eines Zweifels alle vernünftigen Möglichkeiten berücksichtigen und alle unvernünftigen ausschließen. Es liegt jedoch an unserem Standpunkt, wie wir die Möglichkeiten sortieren! Die Ehefrau ordnet die Täterschaft ihres Mannes auf der Seite ‚unmöglich’ ein, wohingegen die Polizei genau das Gegenteil tut. Es kommt also auf den Standpunkt an, den wir gegenüber einer Situation einnehmen.

    Bisher haben wir gezeigt, dass Vertrauen weder eine geistige Aktivität (mentaler oder emotionaler Zustand) noch ein Vorhaben, wie etwa das Eingehen eines Risikos ist. Dann erkannten wir, Vertrauen hängt vom Standpunkt ab: Es existiert nur in der Unterscheidung der Perspektive eines Handelnden und der eines Beobachters. Der Handelnde nimmt seine Haltung nicht als eine des Vertrauens wahr. Etwas als Vertrauen wahrzunehmen heißt, die Möglichkeit eines Verrats zu erwägen; zu vertrauen heißt aber gerade, von dieser Möglichkeit abzusehen. Das heißt: Vertrauen liegt im Auge des Betrachters, es ist nicht ‚da’ wie ein neutral erkennbarer und analysierbarer Zustand.

    Kehren wir noch einmal zu der Frau zurück, dessen Mann des Mordes beschuldigt wird: Vor diesem Ereignis hätte niemand gesagt, „sie vertraue darauf, dass ihr Mann keinen Mord begeht. Sie „vertraut ebenso wenig darauf, dass ihre Kinder in der Nacht nicht das Haus anzünden! Plötzlich aber ist sie mit Menschen konfrontiert, die ihren Mann in einem anderen Licht sehen. Erst an dieser Stelle gewinnt der Vertrauensbegriff Kontur! Erst in dem Moment als die Polizei sie befragt, vertraut sie ihrem Mann. Ebenso bürgen wir für unseren bei uns übernachtenden Freund, wenn ein Verdacht gegen ihn aufkommt. In diesem Sinne gibt es nichts ‚Objektives’, das wir als Vertrauen bezeichnen können, da die Beschreibung von der Perspektive abhängt. Der Handelnde nimmt typischerweise seine Haltung nicht als eine des Vertrauens wahr. Etwas als Vertrauen wahrzunehmen heißt, die Möglichkeit eines Verrats in Erwägung ziehen; tatsächlich zu vertrauen heißt aber gerade, von der Möglichkeit eines Verrats abzusehen.

    Wir trauen dem Arzt beispielsweise zu, unsere Gesundheit wieder herzustellen. Erst wenn jemand auftaucht, der dies massiv bezweifelt und er jemand ist, den wir schätzen, entstehen die oben aufgezeigten zwei Perspektiven: Die des Handelnden, also unsere und die des Beobachters. Der Beobachter fragt uns, warum wir zu diesem Quacksalber gehen, es wisse doch jeder, dass der keine Ahnung habe. Wir antworten: „Ich vertraue darauf, dass seine Methoden mir helfen. Wenn wir die Formulierung verwenden „Ich vertraue …, also uns bewusst wird, dass wir vertrauen, dann tun wir dies immer, wenn durch eine andere Person, also eine andere Perspektive auf die Situation, ein möglicher Verrat ins Spiel kommt oder zumindest ein Verdacht laut wird. Erst jetzt benutzen wir die Formulierung „Ich vertraue …" und sind uns damit unserer speziellen Perspektive auf die Situation bewusst geworden.

    Das heißt, dass das, was wir üblicherweise als ‚Vertrauen’ bezeichnen immer nur im

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