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Gewittermacht
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eBook346 Seiten4 Stunden

Gewittermacht

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Über dieses E-Book

Finale der Nacht der Lichter

Noch ist die Gefahr durch Oreun nicht gebannt, das bekommt Leisa recht bald zu spüren, als Timon wichtige Erinnerungen fehlen.

Leseprobe:

Eine beleibte Krankenschwester platzt zur Tür herein.
»Die Besuchszeit ist beendet! Die Patientin muss sich ausruhen!«, bestimmt die Pflegekraft. Laura fährt herum.
Ihr Blick bleibt, genau wie meiner, an der aufgezogenen Spritze in der fleischigen Hand der Schwester hängen.
Zusammen mit ihrem ausdruckslosen Blick hat die Szene etwas Bedrohliches. Mein Herzschlag nimmt ordentlich Fahrt auf.
»Was ist das?«, frage ich mit rauer Kehle.
»Ein Beruhigungsmittel.«
»Das brauche ich nicht, ich bin ganz ruhig«, beteuere ich.
»Aber haben Sie nicht eben über Schlafstörungen geklagt?«
Irritiert mustert die Frau das Blatt auf dem Spannbrett, das sie in der anderen Hand hält.
»Ach, das war Zimmer 233«, erkennt sie glücklicherweise. »Dennoch müssen Sie jetzt gehen«, sagt sie zu Laura, die sich widerwillig erhebt.
»Wir haben hier einen frisch operierten Blinddarm.« Die Schwester deutet zum Bett
gegenüber.

Anmerkung der Autorin:

In einer Zeit, in der die Welt mehr denn je gespalten ist, gehen auch die Meinungen meiner Testleser zu diesem Buch so weit auseinander wie nie zuvor. Bei all den brisanten Ereignissen konnte ich es mir schlichtweg nicht verkniefen, aktuelle Themen mit einzubringen. Doch es handelt sich noch immer um Fantasy /Science Fiction, deshalb entscheidet selbst, was ihr glauben wollt und was nicht.

Weitere Bücher der Autorin

Fabolon

Band I – FarbelFarben
Band II – Goldenes Glück
Band III – StaubNebelNacht

In der gleichen Welt: Romantasy

 

Seelenfeuer
Ein fantastisch-feuriger Liebesroman

 

Lichtertanz
Band I  – Die Magie der Glanzlichter
Band II – Die Magie der Goldwinde
Band III – Die Magie der Lichtkristalle (Finale)

Flammentanz
Band I   – Funken
Band II  – Flammen
Band III – Feuer
Band IV – Brand
Band V  – Glut (Finale)

WandelTräume

 

 

 

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum30. Aug. 2020
ISBN9783748755692
Gewittermacht

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    Buchvorschau

    Gewittermacht - Isabella Mey

    NACHT DER LICHTER - GEWITTERMACHT

    NACHT DER LICHTER

    GEWITTERMACHT

    Isabella Mey

    Trilogie, Band 3

    Tyrannei lebt von der Angst der anderen.

    Schattenherrscher

    Niemals trete ich in Erscheinung, daher nennen mich Eingeweihte den Schattenherrscher. Sämtliche Fäden des Weltgeschehens halte ich in meinen Händen, zahllose Erfüllungsgehilfen unterliegen meinem Befehl. Die Welt ist so wie sie ist, weil ich es so will. Kaum jemand durchschaut dieses Spiel der Macht und das ist gut so, denn wenn die Menschen verstünden, wer die Verantwortung trägt für Elend, Kriege, Verschmutzung, Zerstörung, Krankheit und die schleichende Etablierung der absoluten Kontrolle, würden sie sich gegen mich verbünden und meine Macht wäre gebrochen. Aus diesem Grunde gilt mein stetes Bestreben, der Verschleierung der wahren Machtverhältnisse. Gesunde, kreative, eigenständig denkende Menschen, denen Zeit bleibt, sich mit dem System, Sinnfragen oder der Welt zu befassen, sind mir ein Gräuel, denn sie stellen eine unkalkulierbare Gefahr für mich dar. Meine Strategien sind mannigfaltig, um diese Gruppierungen in den Griff zu bekommen: hypnotisieren, chemisch beeinflussen, manipulieren, ablenken, in oberflächlichen Vergnügungen gefangen halten, mit Krankheit oder energieraubender Arbeit beschäftigen. Durch das Verkomplizieren jeglicher Systeme werden diese so undurchsichtig, dass der einfache Mensch kaum mehr in der Lage ist, sie zu durchschauen und zu verstehen. Das gilt für Wissenschaft, Gesetzgebung, Steuer- und Finanzsystem sowie die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft.

    Meine Erfüllungsgehilfen besetzen die zentralen Machtpositionen. Damit sie mir in absoluter Loyalität ergeben sind, müssen sie durch ein dunkles Geheimnis erpressbar sein. Personen, die sadistische Verbrechen begangen haben, bieten beste Voraussetzungen hierzu. Falls erforderlich, werden Menschen in Schlüsselpositionen zu verwerflichen Taten genötigt. Die Angst vor Gesichtsverlust, gepaart mit massivem Druck, generieren aus ihnen perfekte Werkzeuge für mein Machtsystem.

    Mein Ziel? Die absolute Kontrolle. Noch ist sie nicht erreicht, denn jederzeit könnte sich eine Welle der Bewusstwerdung ausbreiten, die Massen würden sich gegen mich erheben und mein Spiel wäre beendet. Doch wenn die absolute Kontrolle erst installiert ist, wird es ihnen kaum mehr möglich sein, sich gegen mich zu verbünden, denn dann werde ich jeden Ansatz eines freien, rebellischen Gedankens im Keim zu ersticken wissen. Mein System wird ihn eliminieren, bevor er sich verbreiten kann.

    Schockerlebnis

    »Leisa, was machst du nur für Sachen!« Laura schüttelt den Kopf und zieht mich in ihre Arme.

    Eine Salve an Paukenschlägen donnert durch meinen Schädel. Schmerzerfülltes Stöhnen entweicht meiner Kehle.

    »Oh, sorry. Ich Dummdösel!« Vorsichtig löst sich meine Freundin von mir und mustert schuldbewusst mein schmerzverzerrtes Gesicht. »Tut es noch arg weh?«

    »Nein, es geht schon«, keuche ich und sinke tiefer ins Kissen. Allmählich ebbt das Pochen wieder ab. »Nur, wenn ich mich bewege, kommt es mir manchmal so vor, als ob das Hirn zerspringt. Ansonsten scheint alles okay.«

    »Wie schaffst du das nur, immer wieder im Krankenhaus zu landen?« Laura schüttelt den Kopf.

    Ich zucke vorsichtig mit den Schultern. Es ist meiner Freundin anzusehen, wie sie förmlich zerspringt vor Neugier. Natürlich erwartet sie einen spannenden Bericht, wo ich die letzte Zeit abgeblieben bin und was mir die Kopfverletzung eingebracht hat. Doch ich zögere. Solange die Gefahr nicht komplett ausgeräumt ist, wäre es gefährlich, sie einzuweihen. Statt einer Antwort erntet meine Freundin ein gequältes Lächeln.

    »Okay, ich verstehe schon. Dir geht’s noch nicht gut genug für einen ausführlichen Bericht. Aber bekomme ich wenigstens eine Kurzfassung?«, drängt sie gespannt.

    »Naja, da war ein Einbrecher in Timons Haus. Der hat ihn gewürgt und mir eins übergezogen.«

    »Ein Einbrecher!«, ruft Laura entsetzt. »Und läuft der jetzt noch immer frei herum? Oder wurde er schon gefasst? Hat er was gestohlen?«

    »Keine Sorge. Ich habe ihn mit einem Stein niedergeschlagen. Soweit ich weiß, sitzt er im Gefängniskrankenhaus. Stehlen konnte er also nichts.«

    »Puh, wenigstens das.«

    »Wie läuft’s eigentlich mit dir und Markus?«, wechsele ich das Thema, um weitere Fragen zu vermeiden.

    Ich könnte schwören, dass ihre Wangen auf einmal rot aufleuchten.

    »Ach …« Laura schielt verträumt zur Decke, um dann seufzend den Blick zu senken. »Wir haben uns geküsst, aber … Irgendwie ist das nicht normal, diese Anziehung. Und das macht mir Angst und auch wieder nicht … ich weiß nicht. Das alles verwirrt mich. Ich wäre am liebsten Tag und Nacht bei ihm und dann wieder denke ich, ich spinne doch und sollte mich nicht so von ihm abhängig machen, und … verstehst du?« Ihr hilfloser Blick scheint in meinen Augen nach einer Lösung zu suchen.

    »Ähm, ich weiß nicht. Was genau ist denn das Problem?«

    Laura krallt die Finger in ihre Wangen und zieht die Haut nach unten, was eine ziemlich gruselige Fratze erzeugt. »Wenn ich das selbst nur wüsste …«, jammert sie. »Es ist zu schön, um wahr zu sein? Ich bin zu abhängig von diesem Gefühl und habe Angst, es wieder zu verlieren oder verletzt zu werden? Such dir was aus.«

    »Hm, okay. Da weiß ich auch nicht, was ich dir raten soll. Es langsam angehen vielleicht, bis sich die Gefühle ein wenig gelegt haben?«

    »Das ist, als ob du zwei starken Magneten rätst, sich langsam anzunähern. Das schaffst du nicht. Entweder hältst du sie so weit voneinander entfernt, dass sie sich gar nicht in die Quere kommen oder sie knallen so heftig aufeinander, dass es wehtut.«

    »Ach so. Und wie seid ihr jetzt verblieben?«

    »Wir haben uns eine Woche lang nicht gesehen und nicht miteinander gesprochen, weil ich mir über meine Gefühle klar werden wollte, aber es kam mir vor wie ein Jahr und ich konnte kaum an etwas anderes denken. Und gestern, als wir uns dann wieder trafen, war das wie eine Explosion. Wir haben uns geküsst und … na egal, das Ergebnis war jedenfalls, dass wir beschlossen haben, zusammenzuziehen.«

    »Zusammenziehen?! Im Ernst? Jetzt schon?«

    »Ja, ich weiß, das kommt ein wenig plötzlich. Aber zum Glück ist Timon einverstanden.«

    »Timon? Was hat das denn mit ihm zu tun? Müsst ihr ihn neuerdings um Erlaubnis fragen?«

    »Na, sag bloß, er hat dir noch nichts davon erzählt. Wir ziehen zu euch in die Sternwarte.«

    Überrascht reiße ich die Augen auf.

    »Ja, also, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll … Das ist mir völlig neu. Allerdings war Timon heute auch noch nicht hier. Nachdem er die letzten drei Tage fast ausschließlich an meinem Bett verbracht hat, habe ich ihm gesagt, dass er sich mal einen Tag um sich selbst kümmern soll.«

    »Das ist auch wirklich gut so, sonst hätten wir euch noch immer für verschollen gehalten und er hätte wahrscheinlich vergessen, mir Bescheid zu geben, dass du hier im Krankenhaus liegst. Leider hat er ähnlich wenig erzählt wie du, die meiste Zeit lag er im Bett.«

    »Auch für ihn waren die letzten Tage ziemlich anstrengend.«

    »Das glaube ich sofort. Hat dich deine Mutter denn auch schon besucht?«

    »Ja, heute Morgen. Sie war ganz schön durch den Wind. Es hat sie doch sehr geschockt, mich so schwer verletzt zu sehen, ohne dass sie etwas von dem … Unfall mitbekommen hat. Aber nochmal zu eurem Wohnungswechsel. Wie seid ihr denn darauf gekommen, zusammen bei Timon einzuziehen?«

    »Bei Timon und dir, um genau zu sein. Die Vermieterin hat Markus wegen Eigenbedarfs die Wohnung gekündigt und da er ohnehin oft auf die Sternwarte aufpasst, hat Timon ihm angeboten, auf unbestimmte Zeit bei ihm zu bleiben. Wenn du wieder gesund bist, und hier rauskommst, wohnen wir da also zu viert. Na, was sagst du? Ist das nicht mega genial?«, schwärmt Laura euphorisch.

    Ihre krassen Stimmungswechsel verwirren mich, aber vielleicht ist das ja normal, wenn es so heftig gefunkt hat wie bei ihr.

    »Natürlich wohne ich gerne mit dir zusammen, aber hast du nicht eben noch gesagt, du hast Angst vor dieser Beziehung?«

    »Hab ich ja auch, aber was soll ich denn machen? Die magnetische Kraft zwischen uns lässt mich einfach nicht auskommen.«

    Mir ist nicht wohl bei der Sache und ich weiß auch noch nicht, ob es mir recht ist, mit den beiden zusammen zu wohnen. Klar mag ich Laura, aber wer weiß, welche Dramen sich zwischen den beiden noch abspielen. Außerdem könnte Timons und meine Nähe gefährlich für sie werden.

    Warum hat Timon mir denn nichts erzählt? Er hätte doch wenigstens mal anrufen können.

    Eine beleibte Krankenschwester platzt zur Tür herein. »Die Besuchszeit ist beendet! Die Patientin muss sich ausruhen!«, bestimmt die Pflegekraft. Laura fährt herum. Ihr Blick bleibt, genau wie meiner, an der aufgezogenen Spritze in der fleischigen Hand der Schwester hängen. Zusammen mit ihrem ausdruckslosen Blick hat die Szene etwas Bedrohliches. Mein Herzschlag nimmt ordentlich Fahrt auf.

    »Was ist das?«, frage ich mit rauer Kehle.

    »Ein Beruhigungsmittel.«

    »Das brauche ich nicht, ich bin ganz ruhig«, beteuere ich.

    »Aber haben Sie nicht eben über Schlafstörungen geklagt?« Irritiert mustert die Frau das Blatt auf dem Spannbrett, das sie in der anderen Hand hält. »Ach, das war Zimmer 233«, erkennt sie glücklicherweise. »Dennoch müssen Sie jetzt gehen«, sagt sie zu Laura, die sich widerwillig erhebt. »Wir haben hier einen frisch operierten Blinddarm.« Die Schwester deutet zum Bett gegenüber.

    »Also dann. Ich schau morgen wieder nach dir, okay?«

    »Ja. Ich freu mich«, krächze ich, weil mein Hals plötzlich aus unerklärlichen Gründen ganz rau ist. »Und lass dich von den Schwestern hier nicht unterkriegen.« Meine Freundin wechselt abschätzende Blicke mit der Pflegekraft, jene welche mit der Spritze gen Ausgang winkt.

    »Nach Ihnen«, sagt Laura, was sie mit einer entsprechenden Geste unterstreicht. Sie verabschiedet sich von mir und folgt der Schwester auf den Flur. Seufzend schließe ich die Lider.

    Ich bin dem Tod entkommen, der Einbrecher ist verhaftet und bald lebe ich mit Timon, Markus und meiner besten Freundin in einer Wohngemeinschaft. Eigentlich läuft es gut, dennoch bleibt die Euphorie aus. Ich kann förmlich fühlen, dass noch längst nicht alles ausgestanden ist und dass da noch Einiges auf mich zukommen wird.

    * * *

    »Wie geht’s deinem Kopf?« Ein sanfter Kuss auf meine Stirn schreckt mich aus der Versenkung. Ich war dermaßen in einen Fantasyroman vertieft, dass ich Timons Eintreten gar nicht bemerkt habe.

    Nach zwei Wochen Krankenhaus, in denen ich mich erstaunlich schnell erholt habe, behandelt er mich noch immer wie eine fragile Christbaumkugel. Die viele Liegerei geht mir auf die Nerven, daher hocke ich mit gekreuzten Beinen auf dem Bett, das Kissen im Rücken, mein Buch auf dem Schoß.

    »Sehr gut, die Schmerzen sind fast weg. Nur wenn ich hüpfe, poltert es noch ein bisschen im Schädel.«

    »Du hüpfst hier auf den Krankenhausfluren herum?« Timon zieht die Brauen kraus, schüttelt dann aber den Kopf und lacht.

    »Natürlich nicht. Ich habe nur mal ausprobiert, ob noch alles funktioniert.«

    Er lässt sich auf dem Bett nieder – den Stuhl hat eine Schwester entführt, weil ihn ein anderer Besuch angeblich dringender benötigen würde. Vielleicht wollte sie mich aber nur ärgern, weil sie mich nicht leiden kann – den Eindruck hatte ich jedenfalls.

    »Na, mit dem Kopf voraus aus dem Fenster zu fallen, ist ja auch keine Kleinigkeit. Wie du das nur geschafft hast …«

    Mit geweiteten Augen starre ich ihn an. »Das ist ein Scherz, oder? Du weißt doch genau, wie es wirklich passiert ist.«

    »Leisa, bitte reg dich nicht auf. Das ist bestimmt nicht gut für deinen Kopf. Natürlich weiß ich, wie es war.« Er umfasst meine Hände mit seinen und streichelt mit dem Daumen darüber.

    »Und wie?« Ich beäuge ihn misstrauisch.

    »Ist doch jetzt nicht wichtig. Hauptsache, du wirst wieder ganz gesund«, wiegelt er ab und schenkt mir ein warmes Lächeln.

    Das kann das dumpfe Gefühl in meinem Bauch jedoch nicht vertreiben.

    »Doch! Mir ist es aber sehr wichtig. Was ist mit mir passiert?«

    »Na, du bist beim Scheibenputzen aus dem Fenster gestürzt und hast dir den Kopf an einem Stein gestoßen. Zum Glück war das im Erdgeschoss, sonst wäre es sicher schlimmer ausgegangen.«

    Abrupt richte ich mich auf und entreiße ihm meine Hände.

    »Nein, das stimmt nicht! Wo ist der Brief? Hast du ihn noch?«

    »Was denn für einen Brief?« Timon schüttelt verständnislos den Kopf.

    Ich schlage mir die Hände vors Gesicht und atme tief durch.

    Die absolute Katastrophe! Was mache ich denn jetzt? Kann ich Timon überhaupt noch trauen?

    »Was haben wir in den letzten Wochen zusammen erlebt? Kannst du dich an die Organisation erinnern? Und wie sie heißt?«

    Timon schüttelt verständnislos den Kopf.

    »Organisation? Wir haben einen Zelturlaub in der Natur gemacht, spontan und auf eigene Faust, ohne Organisation im Hintergrund. Weißt du das nicht mehr?«

    Mit besorgter Mine legt er seine Hand auf meine Stirn, doch ich schüttele ihn ab. Mein Herz donnert bis zum Hals.

    »Nein, nein! Wir wurden entf …«

    Abrupt halte ich inne und sehe mich gehetzt im Raum um. Charlotte, die Herzinfarkt-Patientin im Bett nebenan schläft mal wieder, zumindest sieht es so aus. Christina, die gegenüber liegt, wurde erst vor zwei Stunden ins Zimmer gebracht. Nach ihrer Blinddarmoperation hatten wir nur einen einsilbigen Wortwechsel geführt und gerade scheint sie in ein Buch vertieft zu sein, dennoch kommt es mir so vor, als ob sie unsere Unterhaltung aufmerksam belauscht. Wahrscheinlich ist es nicht sinnvoll, hier mit Timon über alles zu reden.

    Wann hört dieser Alptraum endlich auf?

    Mein Blick wandert zurück zu Timon, auf dessen Stirn sich tiefe Sorgenfalten abzeichnen.

    Wer weiß, was man mit ihm gemacht hat. Wieder so ein Chip? Und wer weiß, was man mit mir noch machen wird … Ich muss hier raus! Keine Sekunde länger bleibe ich in diesem Krankenhaus.

    »Was wurden wir?«, hakt Timon nach.

    Krampfhaft versuche ich, meine Emotionen zu kontrollieren, atme tief durch und schließe die Augen. Ich sehe an ihm vorbei zum weißen Einbauschrank, als ich antworte:

    »Ach nichts. Wahrscheinlich war es nur ein dummer Traum. Ich schlafe hier zu viel.« Meine Stimme klingt fern, als ob eine Fremde spricht, doch Timon scheint beruhigt. Er atmet merklich auf und als ich ihn wieder ansehe, schenkt er mir ein warmes Lächeln.

    »Mir geht’s so gut, dass ich es hier nicht mehr aushalte. Ich will nach Hause, zu dir, zu Laura und Markus.«

    »Leisa, es tut mir leid. Ich weiß, ich hätte dich vorher fragen sollen, ob es dir recht ist, mit den beiden zusammenzuwohnen. Aber ich musste kurzfristig eine Entscheidung treffen und Markus ist nun mal mein bester Freund. Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Zumindest vorübergehend möchte ich deshalb die beiden bei mir aufnehmen. Wir können dann ja schauen, wie es läuft mit uns vier und es muss auch nicht für die Ewigkeit so bleiben. Was sagst du dazu?«

    Das ist jetzt gerade mein geringstes Problem, deshalb wedele ich abwehrend mit der Hand und schiebe die Füße auf den Boden, um aufzustehen.

    »Schon okay. Laura ist auch meine beste Freundin und ich wohne gerne mit ihr zusammen. Markus mag ich auch, ich hab nur ein wenig Sorge, dass es zwischen den beiden zu Beziehungsproblemen kommen könnte.«

    Mein Schädel pocht, als ich aufstehe und zum Schrank gehe, um meine Sachen zu packen. Ich muss kurz innehalten, weil mir schwarz vor Augen wird und obendrein mein Gleichgewichtssinn verrücktspielt.

    Mist! Beim letzten Toilettengang war doch noch alles okay!

    Plötzlich steht Timon neben mir und schiebt seinen Arm um meine Hüfte, was mein Schwanken eindämmt.

    »Es sieht nicht danach aus, als ob du schon fit genug wärst, um nach Hause zu gehen.«

    Ich atme tief durch, doch das Hämmern in meinem Hirn will nicht aufhören. Wenigstens kann ich wieder etwas sehen, aber die Umgebung schwankt noch immer leicht wie auf einem Schiff.

    »Ach, das ist nur der Kreislauf. Ich bin einfach zu lange herumgelegen«, entgegne ich. »Hilfst du mir beim Packen?«

    »Okay, aber wir sollten erst noch mit den Ärzten sprechen.«

    Genervt verdrehe ich die Augen. Den Ärzten und Pflegern in diesem Krankenhaus traue ich nicht über den Weg. Bestenfalls fühle ich mich hier wie bei der Gepäckabfertigung, doch seit Timons Gedächtnisverlust kommt eine paranoide Angst hinzu, dass man hier an mir herumexperimentieren könnte.

    Oder hat man das bereits getan? Diese Kopfschmerzen waren gestern doch fast verschwunden. Warum ist es heute wieder schlimmer?

    Erneut wird mir schwarz vor Augen und ich klammere mich haltsuchend an Timon fest. Er bringt mich zum Bett, wo wir uns nebeneinander an den Rand setzen. Als ich mich wieder einigermaßen gefangen habe, taste ich meinen Kopf ab. Von der Verletzung ist nichts zu spüren, was mir schon fast wieder verdächtig vorkommt.

    Wie konnte das so schnell heilen?

    Aber wahrscheinlich sehe ich jetzt schon überall Gespenster, wo überhaupt keine sind. Bestimmt stammt der Kopfschmerz nur von der Aufregung.

    »In 201 wurde der Blinddarm eingeliefert …« Begleitet von einer Pflegerin betritt Dr. Podezki den Raum. Er geht zum Bett der schlafenden Charlotte.

    »Der Blinddarm liegt dort drüben«, erklärt die Krankenschwester, die ich heute zum ersten Mal hier sehe.

    »Wie geht es Ihnen?«, fragt Dr. Podezki nun mit Blick auf Christina.

    »Gut.«

    Er stellt noch weitere Fragen, auf die sie einsilbig antwortet. Die Schwester notiert alles auf ihrem Block.

    »Craniale Fraktur mit Schädel-Hirntrauma …«, murmelt er, wobei er sich zu uns umdreht.

    »Frau äh …« Er sucht in seinen Akten nach meinem Namen. »… Blum. Wie geht es Ihnen?«

    »Sehr gut. Ich möchte nach Hause.«

    Dr. Podezki schaut mich über den Rand seiner halbierten Brillengläser an, als hätte ich ihm erzählt, ich wollte nach Andromeda fliegen.

    »Für eine Entlassung ist es definitiv noch zu früh. Das Risiko schwerer Komplikationen kann ich keinesfalls verantworten.«

    »Aber ich kann es verantworten. Ich gehe heute«, sage ich bestimmt, bleibe jedoch sicherheitshalber sitzen, um dem Arzt keine weiteren Schwindel- oder Schwächeanfälle zu demonstrieren.

    »Leisa …« Timon schüttelt seufzend den Kopf. »Du bist noch nicht fit, das hast du doch selbst gemerkt.«

    Am liebsten wäre ich Timon ins Gesicht gesprungen, dafür, dass er mir damit in den Rücken fällt. Ich weiß, er meint es nur gut, aber wie soll ich ihm auch klarmachen, dass wir in Gefahr sind, wenn er alles vergessen hat?

    »Es geht mir gut. Die viele Liegerei hat mich nur schlapp und müde gemacht. Ich gehe jetzt.«

    Meine Stimme bebt vor Anspannung und unterdrückter Wut.

    »Das kann ich nicht unterstützen, Frau Blom.«

    »Blum«, korrigiere ich. »Das ist hier kein Gefängnis, oder? Also kann ich auch gehen, wann ich will.«

    Meine patzige Antwort treibt sowohl Timon als auch Dr. Podezki Falten auf die Stirn.

    »Überlegen Sie es sich doch bitte noch einmal. Wir können Ihnen ein Beruhigungsmittel geben und nach einem erholsamen Schlaf sieht die Welt sicher schon ganz anders aus.«

    »Auf keinen Fall!«, rufe ich viel zu heftig.

    Alarmiert erhebe ich mich vom Bett und kämpfe erneut gegen Schwindel, schwarze Flecken im Gesichtsfeld und den Dampfhammer in meinem Schädel. Ich zwinge mich dazu, tief durchzuatmen, kämpfe mit aller Macht um die Beherrschung meines Körpers. Den Widernissen zum Trotz schleppe ich mich einigermaßen aufrecht bis zum Schrank. Ich öffne und ziehe meinen Koffer heraus.

    »Nun gut. Dann benötige ich jedoch Ihre Unterschrift, dass Sie die Klinik auf eigene Verantwortung verlassen«, fordert Dr. Podezki. Ich kann hören, wie er mit kalter Geschäftigkeit in seinen Unterlagen blättert.

    »Natürlich!«

    Schwarze Flecken tropfen in mein Gesichtsfeld, während ich die Kleidung in den Koffer stopfe. Timon taucht neben mir auf.

    »Leisa, bitte überlege es dir nochmal«, flüstert er mir zu.

    »Auf keinen Fall. Ich gehe«, zische ich.

    Im Hintergrund wendet sich der Arzt an seine Gehilfin: »Dann mach bitte schon mal die Unterlagen für die Entlassung fertig, Sonja.«

    »Tanja!«, verbessert sie und stolziert aus dem Zimmer.

    Ein Blick zurück zeigt mir, wie Dr. Podezki auf die schlafende Charlotte herabschaut und dann ebenfalls den Raum verlässt. Immerhin hat sich der Hammer in meinem Schädel verlangsamt und die schwarzen Tropfen behindern meine Sicht nur noch marginal.

    »Ist irgendwas passiert? Du wirkst so gehetzt«, flüstert Timon, während er meinen Kulturbeutel auf den Stapel der gebrauchten Wäsche legt.

    »Bin ich auch. Ich erkläre dir später, warum«, wispere ich und klappe den Koffer zu.

    Ich schlüpfe in meine Schuhe. Als ich mein Gepäck anheben will, überkommt mich abermals ein Schwindelgefühl.

    Ganz ruhig, Leisa, du schaffst das. Tief durchatmen!

    Es fällt mir unendlich schwer, die schreckliche Anspannung loszuwerden. Aber was bleibt mir anderes übrig?

    Timon nimmt mir den Koffer ab und schiebt seinen Arm um meine Hüfte, um mich zu stützen. Lieber hätte ich Stärke demonstriert und mein Gepäck selbst getragen, aber die Wahrheit ist nun mal, dass ich das nicht schaffen würde in meinem Zustand, daher lasse ich mir helfen. Doch da ist eine Distanz zwischen uns, eine, die von Misstrauen getränkt ist, weil ich die Ursache seiner Amnesie nicht erkennen kann.

    »Tschüss, Christina!«, verabschiede ich mich von der Bettnachbarin gegenüber, die schon wieder hinter ihrem Buch verschwunden ist. Es ist ein Akt der Höflichkeit, denn auch ihr misstraue ich. Von Charlotte hätte ich mich gerne verabschiedet, aber sie schläft noch immer und ich möchte sie nicht wecken.

    »Tschüss«, murmelt Christina, wobei sie flüchtig über den Rand ihres Stephen-King-Romans blinzelt.

    Wir verlassen Zimmer Nummer 201 und stehen auf dem Flur. Ein älterer Mann schiebt seinen Gehwagen an uns vorbei. Timon geleitet mich zum Schwesternzimmer. Wir warten eine halbe Ewigkeit, bis die Entlassungspapiere fertig sind und ich kämpfe mal wieder mit mir, einfach so abzuhauen. Aber das macht Timon bestimmt nicht mit und alleine käme ich wahrscheinlich nicht weit.

    Endlich kann ich die notwendige Unterschrift leisten und bekomme einen Stapel Papiere in die Hand gedrückt, dann gehen wir Richtung Ausgang. Misstrauisch beäuge ich jeden Pfleger und jeden Arzt, der uns begegnet. Niemand hält uns auf und ich drehe langsam durch, weil ich nicht weiß, ob ich paranoid überreagiere oder tatsächlich eine Gefahr droht. Timons Nähe fühlt sich gut und bedrohlich zugleich an. Dieser Zwiespalt macht mich noch wahnsinnig.

    »Erklärst du mir denn jetzt, was mit dir los ist?«, fragt Timon, nachdem wir die Eingangstür hinter uns gelassen haben.

    »Ich …du …« Mir fehlen die Worte.

    Kann ich ihm trauen?

    »Erinnerst du dich daran, was auf dem Schulhausdach passiert ist?«

    »Ja, sicher. Wie könnte ich das vergessen …?«

    Er drückt mich enger an sich.

    »Dann weißt du noch, wie Dr. Birkenfeld mit seinem Blitzgewehr auf dich geschossen hat?«

    »Natürlich weiß ich das noch. Warum fragst du?«

    »Wir haben vermutet, dass eine ganze Organisation hinter der Sache steckt, eine, deren Mitglieder diesen Ring tragen.«

    Ich fische in der Hosentasche danach, doch da ist kein Ring. Gut, es kann sein, dass er irgendwo zwischen meiner Wäsche steckt. In letzter Zeit habe ich mich zu sicher gefühlt und sträflich vernachlässigt, auf diesen Ring aufzupassen.

    »Ja, ich weiß. Ich erinnere mich an den Ring, aber inzwischen glaube ich eher, dass Dr. Birkenfeld und seine Assistentin Einzeltäter waren. Schließlich ist nichts weiter passiert und …«

    »Doch, es ist sogar sehr viel passiert. Wir wurden mit einem Hubschrauber entführt, in das Hauptquartier der Organisation gebracht, konnten fliehen und haben dann verschiedene Leute von dem Mikrochip befreit, mit dem sie gesteuert wurden.«

    Timon hält abrupt inne, rückt ein Stück von mir ab und blickt mich entgeistert an.

    »Leisa, da musst du etwas durcheinanderbringen. Das ist vollkommener Unsinn. So was ist nie passiert. Nachdem ich dich zu mir geholt habe, sind wir zum Zelten in der wilden Natur aufgebrochen. Ich habe die Ausrüstung doch noch zu Hause.«

    »Nein! Nein! Nein!« Ich presse meine Hände aufs Gesicht und atme in die Handflächen. »Die Campingsachen haben wir unterwegs gekauft. Wir haben eine kleine Weltreise vorgetäuscht, damit man uns nicht auf die Spur kommt«, erkläre ich verzweifelt, während ich in Timons Augen nach wenigstens einem Funken der Erkenntnis forsche. Doch er

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