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Geschichten aus der Todeszelle: Ein Hirnstück in drei Akten
Geschichten aus der Todeszelle: Ein Hirnstück in drei Akten
Geschichten aus der Todeszelle: Ein Hirnstück in drei Akten
eBook215 Seiten2 Stunden

Geschichten aus der Todeszelle: Ein Hirnstück in drei Akten

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Über dieses E-Book

"Ich bin unsichtbar."

Ein Mann in einer Zelle, die der Leser anfangs noch in einem - vielleicht US-amerikanischen – Hinrichtungstrakt verortet, und eine allmorgendlich erscheinende Putzfrau, die mit proletarischer Laxheit seine Befindlichkeiten kommentiert und damit die Beklemmnis einer solchen Gefangenschaft Lügen straft (ohne je mit ihm wirklich zu kommunizieren); das sind die beiden Gegenpole der Geschichten aus der Todeszelle, welche immer weniger als beschriebenes Abbild einer äußerlichen, realweltlichen Einrichtung erscheint, sondern sich Szene für Szene in etwas verwandelt, das man vage als das innere, existenzielle Gefängnis der Seele umschreiben kann.

Der Mann trägt Schuld. Man ahnt die Tat, den Mord, den er begangen hat oder haben muss, doch zugleich ist er selbst Opfer eines im wahrsten Sinne des Wortes 'hingeschissenen' Daseins, sein Körper ist die Hülle des Teufels Exkremente, welcher ihn damit geformt und zu seinem Ebenbild gemacht hat.

Während der Mann sich mit beängstigender Gleichgültigkeit auf seine Hinrichtung vorbereitet, er Abschied nimmt von seinen Mitgefangenen und dabei die (un-) vorstellbaren Arten des eigenen Todes durchspielt, abstrahiert sich des Lesers Blickwinkel auf seine Zelle unmerklich hin zu einem metaphorischen Blick auf alle möglichen Zellen, profane wie metaphysische, in denen man gefangen ist. Die Zelle ist Internat, Klinik, Gotteshaus oder auch Hort unerfüllter, wenn nicht unerfüllbarer Sexualität, sie ist trautes Heim der ihn bis in den letzten Lebenswinkel dominierenden Familie, und als der Mann unter traumhaft traumatischen Umständen seine untere Körperhälfte verliert, ist sie alsbald sein Alters- oder Sterbeheim. Zugleich ist die Zelle die wahre Heimat, in die es ihn, nachdem er ihr tatsächlich entfliehen kann, um draußen nach der vermeintlich wahren zu suchen, zurücktreibt, um sich ihr und der Brutalität dessen, was ihn darin erwartet, mit Hingabe zu unterwerfen.

Die von 2008 bis 2011 für die Internetplattform
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Juli 2015
ISBN9783738030655
Geschichten aus der Todeszelle: Ein Hirnstück in drei Akten

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    Buchvorschau

    Geschichten aus der Todeszelle - DERHANK

    x

    Bild 13

    LSD - Verlag Literarische Sammlung DERHANK

    www.LSD-Verlag.de

    mail@LSD-Verlag.de

    Bild 64

    Lesen Sie nicht weiter!

    Dieses Buch zu kaufen war falsch!

    Werfen Sie es fort!

    Löschen Sie es von Ihrem Reader!

    Oder begraben Sie es in der Mördergrube Ihres Herzens!

    Vorwort bzw.: Versuch einer Erklärung

    »Ich bin unsichtbar.«

    Ein Mann in einer Zelle, die der Leser anfangs noch in einem - vielleicht US-amerikanischen - Hinrichtungstrakt verortet, und eine allmorgendlich erscheinende Putzfrau, die mit proletarischer Laxheit seine Befindlichkeiten kommentiert (ohne je mit ihm wirklich zu kommunizieren) und damit die Beklemmnis seiner Gefangenschaft Lügen straft; das sind die beiden Gegenpole der Geschichten aus der Todeszelle, welche immer weniger als beschriebenes Abbild einer äußerlichen, realweltlichen Einrichtung erscheint, sondern sich Szene für Szene in etwas verwandelt, das man vage als das inneres Gefängnis der Seele umschreiben kann.

    Der Mann trägt Schuld. Man ahnt die Tat, den Mord, den er begangen hat oder er zumindest glaubt, begangen zu haben, doch zugleich ist er selbst Opfer eines im wahrsten Sinne des Wortes ‚hingeschissenen’ Daseins, sein Körper ist die Hülle des Teufels Exkremente, welcher ihn damit geformt und zu seinem Ebenbild gemacht hat.

    Während der Mann sich mit beängstigender Gleichgültigkeit auf seine Hinrichtung vorbereitet, er Abschied nimmt von seinen Mitgefangenen und dabei die (un-) vorstellbaren Arten des eigenen Todes durchspielt, abstrahiert sich des Lesers Blickwinkel auf seine Zelle unmerklich hin zu einem metaphorischen Blick auf alle möglichen endzeitlichen Zellen, profane wie metaphysische, in denen er oder der Mensch an sich gefangen ist oder aber in die er sich hineingeflüchtet hat vor Schule, Arbeit oder die ihn bis in den letzten Lebenswinkel dominierende Familie, sie ist trautes Heim, Zoo, Gotteshaus und Hort unerfüllter, wenn nicht unerfüllbarer Sexualität, und als der Mann unter traumhaft traumatischen Umständen seine untere Körperhälfte verliert, ist sie alsbald sein Alters- oder Sterbeheim. Zugleich ist die Zelle die wahre Heimat, in die es ihn, nachdem er ihr tatsächlich entfliehen kann und draußen nach der vermeintlich wahren sucht, zurücktreibt, um sich ihr und der Brutalität dessen, was ihn darin erwartet, mit Hingabe zu unterwerfen.

    Die von 2008 bis 2011 für die Internetplattform www.unruhr.de aufgeschriebenen Geschichten aus der Todeszelle sind weder eine lose Textsammlung - dafür stehen sie zu sehr miteinander - auch (mehr oder weniger) chronologisch - in Verbindung -, noch sind sie zusammengenommen ein in sich konsistenter Text - dafür fehlt ihnen jegliche textuelle - in sich schlüssige, innere - Logik, geschweige denn so etwas wie eine auktoriale, also übergeordnete, rahmenbildende oder gar kategorische Wahrheit.

    Die Geschichten aus der Todeszelle sind die Leichen in unseren Kellern, Albträume, die wir morgens vergessen haben wollen, abgründig verstörende Trips, die drei Akte, 53 Szenen und zwei Zwischenspiele lang nicht nur kein Ende finden, sondern sich tiefer und tiefer in das innere Todesgefängnis menschlichen Seins hineinschrauben, ein psychedelisch-halluzinogenes Stakkato immer absurder gerierender körperlicher, geistiger und seelischer Deformationen, das bestenfalls dem Namen des Verlags zu - wenn auch falscher - Ehre gereicht.

    Und immer, wenn man meint, dass es nun schlimmer nicht kommen könne, kommt es doch.

    1. Akt: Unsichtbar

    1. Szene: Unsichtbar

    Ich bin unsichtbar.

    Ich glaube, ich könnte die Zelle verlassen, wenn ich wollte.

    Die Leute nehmen mich nicht wahr.

    Ich existiere nicht.

    Wenn morgens die Putzfrau kommt, dann erschreckt sie jedes Mal, wenn ihr Wischmob gegen meine Füße klatscht.

    Am Anfang bin ich immer auf die Pritsche gesprungen. Doch jetzt bleibe ich einfach stehen, stelle mich sogar so hin, dass sie mich schon beim Reinkommen sehen MÜSSTE. Aber sie blickt stur auf den Beton oder schwatzt mit ihrer Kollegin, die draußen vor der Zellentür eine raucht. Und wenn ich versuche, mitzureden, eine Lücke abpasse, eine WORTPAUSE, und ich einen Satz anfange, fängt auch sie wieder an. Redet einfach durch, trampelt meinen angefangenen Satz nieder wie Gras, latscht drüber weg, als wäre mein Satz nichts. Nichts, das man hören müsste.

    Darum warte ich jetzt immer auf den Schlag ihres Schrubbers. Wenigstens dann schaut sie mich an: Ihre Augen sehen meine Augen, sehen IN meine Augen und ich habe das Gefühl, dass das etwas auslöst. Plötzliches Erkennen: »Hoppla, da steht ein Mann!«

    Nichts Großartiges, kein Staunen, nur der kurze Schreck darüber, dass das Hindernis LEBT.

    Sie denkt nicht darüber nach, was der Mann da soll. Dass der Mann der Grund ist, diese Zelle zu putzen. Dass es ZUSAMMENHÄNGE gibt. Sie denkt nicht an so etwas. Sie denkt bloß: ein Mann. Fertig. Kein Attribut, kein »Oha, ein gut aussehender Mann«, oder »was für ein hässlicher Mann!«, oder »Dank Dir, Mann, dass ich ARBEIT habe!« Nichts. Doch ich bin froh, wenn sie mich überhaupt ansieht. Dann weiß ich, dass ich da bin. Und nicht einfach durch die Gitter gehen könnte.

    >>> Kommentar der Putzfrau: »Komischer Typ. Die Zelle astrein. Geht am schnellsten. Kein Dreck, Bettzeug immer sauber, und die Klobrille erst: kann man von essen. Als wär' da keiner. Krieg ich ne Gänsehaut, ehrlich.«

    2. Szene: Selbstmörder

    »Dead man walking!«, wenn einer von uns geht. Gegangen wird. Wir strecken unsere Hände durch die Eisenstäbe und schütteln sie dem GEWEIHTEN, wir winken den Wärtern und applaudieren dem Henker, denn der Gang zwischen den Zellen ist der Gang der Gänge.

    Neulich, der Selbstmörder. Unsanft hinauskomplimentiert. Seine Schreie ließen mich die Ohren zuhalten. Verurteilt wegen versuchten Selbstmords.

    Denn GESETZ IST GESETZ!

    Als Kind bin ich gerne am Feuer gesessen. Manchmal sprang eine Wurst vom Grill, direkt in die Glut. So erlebte das in die Wurst eingegangene Tier sein Sterben ein zweites Mal. Es, nein, sie krampfte, zuckte, bäumte sich auf und ihr anschwellendes Fleisch spannte die Pelle; Heulen und Zischen, bis sie zerriss, sich über die ganze Länge häutete und gelblicher Saft herausspritzte. Aus weißer Haut wurde schwarze Kruste, vom Fleisch blieb nur Kohle und endgültig konnte man von Tod sprechen.

    Doch nein! Rechtzeitig stichst Du mit einer Gabel hinein und holst sie raus. Gerade noch. Ihre Erleichterung; natürlich nur, um zwischen Deinen Zähnen zermalmt zu werden.

    Zu früh gefreut?

    Und wenn sie sterben wollte? Absichtlich vom Rost gerutscht? In die Flammen? Und erst dort, unter unerträglichen Schmerzen schwach geworden und wieder einen Lebenswillen gefunden - unendlich froh, von Dir gerettet zu werden?

    Und wenn ich mich selbst gleich mit verbrannt hätte? Mich mit Benzin übergossen und angezündet? Und man mich gerettet hätte, bevor es vorbei gewesen wäre? Dann LÄGE ich jetzt hier. Auf einem Krankenbett mit Brandblasen, nässenden Wunden und rohem Fleisch; Verbände, Infusionsflaschen und jeder Teil von mir BRENNT. Sie würden mich am Leben halten, mit der ganzen Gewalt des Hippokratischen Eids. Keinen Tag eher dürfte ich tot sein. Ich läge also auf dem Bett, und dann würde sie kommen. Sie - nicht Rosea, Rosea würde nicht kommen, aber: - meine Putzfrau. Und nun würde sie mich sehen, denn nun wäre ich UNÜBERSEHBAR! Ich könnte nicht sprechen, mein Gesicht ein bandagierter Klumpen, aber ich würde spüren, wie sie sich mir näherte und sich an mein Bett stellte, voller Mitgefühl, und auch ein bisschen Ekel dabei. Ich würde sie hören können, ein atemloses Seufzen. Ganz langsam, ganz vorsichtig würde ihre Hand über meinem Arm schweben, jenen, der allein noch unversehrt wäre. Es würde Minuten dauern, bis sie sich traute, ihre Hand zu senken.

    Ich würde diesen Moment genießen, die Wärme ihres Körpers, und dann würden sich meine verbliebenen Härchen aufrichten, würden sie empfangen, ihre sorgenden Finger, würden sich sanft niederdrücken lassen, bis sich Haut auf Haut legte.

    Von da an würde sie jeden Tag etwas länger bleiben, würde immer ihre Hand auf meinen Arm legen, würde mit mir sprechen; flüsternd, dass es die Anderen nicht hören, zärtlich, mitfühlend, liebevoll. Ich bliebe stumm, aber mit meinen restlichen Fingern würde ich ihr Zeichen geben. Trotz der Unerträglichkeit wäre ich glücklich.

    Bis der Tag käme, der für jeden von uns kommt. Man würde mich mitsamt Bett hinunterschieben. Die Putzfrau würde heimlich weinen, niemand dürfte es wissen. Ein letzter Druck auf meinen Arm, ein letztes Zeichen meiner Hände, und dann: in meinem dunklen Kopf nur das dumpfe Rumpeln des schwer rollenden Bettes und die Stöße sich öffnender und schließender Eisentore.

    >>> Kommentar der Putzfrau: »Wassendas für’n nasser Fleck unterm Bett? Wie Eiter. Als hätt' der was. Der gehört in Behandlung. Meine Meinung.«

    3. Szene: Inspektion

    Heute ist Inspektion. Vertreter der Verwaltung wollen sich vom Zustand der Anlage überzeugen. An Tagen wie diesen sind die Gänge zwischen den Zellen voller Menschen. Sie bilden dichte Trauben um die Referenten, Gutachter und Berater, die sich wiederum um die Funktionäre drängen. Wegen der vorgeschriebenen Sauberkeit tragen sie alle weiße Gummihandschuhe, weiße Kittel, weiße Hauben und weiße, knautschige Überzieher an den Schuhen. An den Zellen diskutieren die Inspekteure miteinander und lassen sich über jeden Insassen aufklären, sprechen über die Tat, das Motiv der Tat, die Ursache des Motivs und die Entstehung der Ursache, bis sie das ganze Leben erfasst haben, auf dem die Tat wie die Spitze einer Pyramide thront.

    Das ganze Volk ist da. Ein in den Ohren flirrendes Tuscheln, Flüstern und Kichern hallt von den hohen Gewölben wider. Und weil es so voll ist, können nur die wenigsten verstehen, was im Zentrum der Menge gesprochen wird. Darum bilden sich auch an anderen Stellen leise Gesprächszirkel, beflissen, ernsthaft, und alle wollen die tausend Augen der Behörde sein. Aber da sind auch die, die den Grund ihres Kommens vergessen haben. Sie sind stumm oder flüstern in hilfloser Ehrfurcht mit ihren Nachbarn.

    Sehnsüchtig warte ich darauf, dass ich an die Reihe komme. Denn nur den Wichtigsten will ich mich öffnen. Die Vorstellung, vor ihnen bloß zu liegen, ist Scham und Lust zugleich. Während ich warte, schauen manche andere zu mir herein. Ihre Blicke sind seltsam strafend, obwohl sie doch kein Recht haben, meine Tat zu beurteilen. Doch es kann auch Neid sein, weil sie sich unbedeutend fühlen beim Anblick des Todes. Ihre Augen springen hin und her, vom Bett auf die Toilettenschüssel und von da auf den Tisch mit den Früchten, und es scheint, dass sie selbst den Anblick der Früchte nicht ertragen. Manche zeigen mit dem Finger auf mich und sehen sich wichtigtuerisch um. Ich sitze auf dem Bett und versuche beiläufig zu wirken. Ich lese in einer Zeitschrift und scheine sie nicht zu bemerken.

    Das Warten dauert Stunden. Ich stehe auf und gehe unter den Blicken einer kleinen grauen Frau zur Obstschale. Auf ihrem papierglatten Gesicht kleben dünne Sommersprossen und ihre Augen sind in den Gläsern einer randlosen Brille zu winzigen, schwarzen Punkten zusammengeschrumpft. Ich

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