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S. Kerling meets E. A. Poe
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eBook116 Seiten1 Stunde

S. Kerling meets E. A. Poe

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Über dieses E-Book

Die tiefste Tiefe von Elend, das Äußerste an Qual trifft immer den Einzelnen, nicht eine Anzahl von Menschen. Das unheimliche Schmerzensübermaß des Todeskampfes muss der Mensch einzeln ertragen, nie wird es der Masse der Menschen zuteil.

Edgar Allan Poe
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Juni 2016
ISBN9783734535956
S. Kerling meets E. A. Poe

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    Buchvorschau

    S. Kerling meets E. A. Poe - Svea Kerling

    Meeting I

    Ich war schon anders in frühesten Kinderjahren; ich sah nicht das, was andere sahen.

    – Edgar Allan Poe

    Ich verliere den Halt und falle zu Boden. Diese verdammten Steine. Meine Lunge brennt. Ich bekomme kaum noch Luft. Ich muss weiter. Nur nicht umdrehen. Auf gar keinen Fall umdrehen.

    Wenn es doch so offensichtlich ist, warum dann dem Grauen ins Angesicht blicken?

    Ich weiß es. Kein Zweifel. Ich spüre es. Das Monster. Es ist hinter mir. Ganz nah. Sein modriger Gestank dringt in meine Nase und füllt meine Lunge mit fauligem Atem. Ekel steigt in mir empor; nimmt Besitz von meinem ganzen Körper. Ich möchte raus. Raus aus mir. Raus aus meinem Körper. Nicht mehr gegen das Unvermeidliche ankämpfen. Es wäre ein Leichtes, stehen zu bleiben.

    Ein kurzer Augenblick; für die Dauer eines Wimpernschlages und alles wäre vergessen. So leicht. Eigentlich. Doch etwas in mir möchte nicht. Möchte nicht aufgeben und kämpft. Dieses eine Etwas kämpft weiter um ein Sein, das es noch zu finden gilt.

    Meine Beine laufen, angetrieben vom Urinstinkt, der allem Leben innewohnt. Nackter Überlebenswille zwingt mich dazu, nicht aufzugeben. Zwingt mich zu laufen. Quer durch diese Wüste, geschaffen aus Sand und Geröll. Es ist heiß. Unerbittliche Sonnenglut ist ernsthaft darauf aus, Gestein zum Schmelzen zu bringen.

    Ich brenne. Meine Lungen. Meine Haut. Flammen lodern. Ich rieche verkohltes Fleisch. Es ist mein Fleisch. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr weiterlaufen. Ich will nicht mehr weiterlaufen.

    Ich will ...

    Ja, ich will den Zeitpunkt meines Todes selbst wählen. Ich will sterben. Jetzt.

    Meine Augen spielen mir zum wiederholten Male einen Streich. Ein weißes Haus, unmittelbar vor mir. So, als hätte es niemals etwas anderes getan, als mitten in dieser gottverdammten Steinwüste zu stehen und zu warten.

    Warten worauf?

    Vielleicht ist es nur meine Einbildung. Eine Fata Morgana. Ganz sicher sogar. Worauf könnte das Haus denn schon warten? Hier. Mitten im Nirgendwo. Ich muss träumen.

    Ist womöglich alles nur ein Traum? Ist der Tod selbst nur ein einziger Traum? Soll das alles gewesen sein? Ein Haus. Sonst nichts. Wartet der Tod persönlich darin? Auf mich. Ja, bitte warte auf mich. Ich will mich beeilen. Meine Beine tragen mich nicht schneller, aber ich bin gleich da. Nur noch diese Stufen zur Veranda hoch. Jetzt nicht stolpern.

    Ein monströser Schatten über mir. Das Maul öffnet sich. Die Kreatur macht sich dazu auf, mich zu verschlingen; doch gerade ihr widerlicher Atem ist es, der mich anspornt und mir die nötige Kraft verleiht, die Tür aufzureißen. Ich stolpere ins Innere des Hauses. Mit einem lauten Knall fällt die Tür hinter mir zu.

    Ich lausche. Um mich herum ist es still. Das Ungeheuer scheint keine Anstalten zu machen, die Tür eindrücken zu wollen. Ich lehne mich dagegen. Nichts. Ich lausche erneut. Alles ruhig. Kein Kratzen an der Tür. Kein Schnaufen. Nichts. Gibt es so leicht auf? Bin ich ihm nichts wert? Mehr ist nicht dahinter? Bin ich nur eine Beute von vielen? Ein seltsames Gefühl von Eifersucht beschleicht mich.

    »Hast du das Monster gesehen?«

    »Nur den Schatten. Ich habe seinen Schatten gesehen. Das Monster hat mich in keinster Weise berührt und doch habe ich es gespürt. Ganz nah. Zu nah.«

    »Umso erleichtert bin ich, dass du es hierher geschafft hast. Nicht allen Menschen ist so viel Erfolg beschienen.«

    »Hierher? Was meinst du?«

    »Hierher, zu mir. Sie schaffen es nicht, sich in Sicherheit zu bringen. Sie scheitern. Menschen scheitern an ihrem eigenen Verstand. Besser, was davon noch übrig ist.«

    »An meinem Verstand zweifle ich schon lange.«

    »Hast du dich gar nicht nach der Kreatur umgedreht?«

    »Nein, wozu? Ich wusste doch, dass sie da war, dass sie mich verfolgte. Keinen Augenblick lang habe ich mir misstraut. Sie ließ es mich spüren. Ich wusste es einfach. Ich spürte ihren Atem auf meiner Haut. Ich wusste von ihrem gierigen Blick und ich fürchtete das, was dahinter verborgen lag.«

    »Komm, setz dich doch.« Er zeigt auf das Sofa hinter mir. »Du musst erschöpft sein. Ich bekomme nicht viel Besuch. Nicht, dass ich eine große Gästezahl schätzen würde, doch auch mir sind die Tücken der Einsamkeit nicht fremd.«

    Nur allzu gern komme ich seinem Angebot nach. »Danke, ich bin wirklich furchtbar müde. Und? Kommt es wieder?«

    »Das Monster? Ja, natürlich. Es wird wiederkommen. Doch es fürchtet das Haus. Bleib solange es dir richtig erscheint. Hier sind wir sicher.«

    »Wir?«

    »Wir, meine Liebe. Auch ich bin geflohen. Einst. Aber das ist eine andere Geschichte.«

    »Aber ...«

    »Aber? Du musst wissen, diese Kreatur da draußen ändert ihre Gestalt. Sie lässt dich in dein innerstes Selbst blicken. Sie kennt viele Wege, um an deine Ängste zu gelangen und noch mehr kennt sie ihre Opfer. Zunächst erscheint sie als kaum wahrnehmbarer Schatten. Sie zeigt sich in der Dämmerung und offenbart sich in der Nacht. Sie wächst mit jedem Funken Angst und gewinnt somit an Macht. Sie schleicht sich in deine Träume. Auch am Tage. In deinen Träumen siehst du wahrhaftig. Du erkennst die Brücke. Erfährst, dass es keine starren Grenzen zwischen den Welten gibt. Alles ist anders und doch dasselbe, sobald es wieder gleich ist. Du findest keinen Namen für das, was mit dir geschieht. Ringst um Worte. Suchst nach Worten, die Erklärungen versprechen und Hoffnungen vorgaukeln. Deine Wirklichkeiten verschwimmen. Sie verschwinden während andere das Licht deiner Welt erblicken. Einer Welt, die du nunmehr für die richtige hältst. Viele Menschen gebären viele Wirklichkeiten. Jede davon ist unterschiedlich. Anders als meine. Anders als deine. Anders als unsere. Und doch ist alles eins.«

    »Meine Wirklichkeit.«

    »Natürlich, oder denkst du, deine ist weniger wirklich, nur weil sie unerkannt von anderen existiert? Sei dir gewiss, du bist mit deiner gar nicht so schlecht dran. Wir sind hier gut aufgehoben.«

    Mein Blick geht ins Leere. Eindeutig zu viel Information.

    »Bitte, bediene dich.« Er verweist auf das Glas Wasser, das auf dem kleinen Tischchen vor mir steht. »Alles, was du siehst und spürst ... Nimm es ruhig.«

    Dankbar nehme ich den ersten Schluck, nur um daraufhin den Rest der kühlen Flüssigkeit gierig in mich hineinzuschütten.

    »Das Ding da draußen ...«, stottere ich.

    »Dieses – wie du es nennst – ›Ding da draußen‹; jeder andere hätte sich nach diesem Ding umgedreht. Sie haben sich bisher alle umgedreht. Was hat es ihnen gebracht?«

    »Sind sie tot? Diese ›Anderen‹.«

    »Tot – Ja, tot.«

    »Alle?«

    »Sagen wir, sie haben sehr wohl darum gekämpft, der Bestie zu entkommen. Allein der Versuch jedoch war zum Scheitern verurteilt. Du fragst nach dem Warum? Sie waren schon längst gestorben, ohne es selbst bemerkt zu haben. Sie waren so darauf erpicht zu leben, dass das Leben selbst auf der Strecke geblieben war. Sie waren damit beschäftigt, unnötigen Ballast mit sich zu schleppen. Sie gingen an der Last zugrunde, ohne auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben, Gewichte zu verlagern. Kein Gedanke daran, Ballast abzuwerfen. Stetige Angst vor dem Sterben ließ sie erblinden. Es war ihnen unmöglich, den Tod zu erkennen oder auch nur wahrzunehmen. Sie empfanden nichts. Während sie dem Leben hinterherliefen, hatte sie der Tod doch schon längst eingeholt.«

    »Wenn ich nicht schon verrückt wäre, dann ...«

    »Natürlich bist du es. Du bist verrückt. Fernab von ihren Linien. Verrückt von ihren Wegen, die nicht die deinigen sind. Wir haben alle unseren Weg; verrückt und fernab von anderen Wegen. Nur wenige beschreiten ihren eigenen Weg. Wenige finden den Mut dazu. Lieber trampeln sie zwanghaft auf fremden Wegen herum, die sie für ihre angestammten und einzig richtigen halten. Sie erklären dich für geistesgestört und krank, weil du nicht in ihre Welt passt. Sie haben nur eine Welt. Und diese beschützen sie mit all ihrer Engstirnigkeit und ihrem vernichtenden Hass. Hass auf das Unbekannte. Hass auf ihre Angst. Angst vor ihrer Angst. Hass darauf, dass sie nicht sehen. Nicht wissen. Wir müssen nicht hinsehen, um zu wissen. Wir müssen uns nicht nach

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