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ZWEI SIND KEINE ZUVIEL: AUS DEM LEBEN EINES BIGAMISTEN
ZWEI SIND KEINE ZUVIEL: AUS DEM LEBEN EINES BIGAMISTEN
ZWEI SIND KEINE ZUVIEL: AUS DEM LEBEN EINES BIGAMISTEN
eBook378 Seiten5 Stunden

ZWEI SIND KEINE ZUVIEL: AUS DEM LEBEN EINES BIGAMISTEN

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Über dieses E-Book

Ein Mann, glücklich verlobt, trifft auf eine andere Frau, die sofort sein Herz gewinnt. Sie heiraten und fahren in die Flitterwochen ins sonnige Italien. Dort begegnet ihm seine frühere Verlobte. Nach einigen Turbulenzen steht er ein zweites Mal vor dem Traualtar. 

 

Ein komisch satirischer Roman

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum28. Mai 2020
ISBN9783748743514
ZWEI SIND KEINE ZUVIEL: AUS DEM LEBEN EINES BIGAMISTEN

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    Buchvorschau

    ZWEI SIND KEINE ZUVIEL - ROLF BIDINGER

    Kapitel 1

    Zwei sind Keine zuviel

    Roman

    Von Rolf Bidinger

    1. Auflage,

    © Rolf Bidinger – alle Rechte vorbehalten.

    Kapitel 1

    Ich hielt den Telefonhörer noch in der Hand, als meine Frau schon zu einer ihrer Schimpftiraden ansetzte. Unfähig und gelähmt, war ich außerstande ihrem Wutanfall Paroli zu bieten oder wenigstens ihn einzudämmen, damit die angrenzende Nachbarschaft ungestört sich die Tagesschau ansehen konnte. Doch meine Frau war nicht zu beruhigen. Seit dem damals missglückten Hochzeitsantrag hatte ich sie nicht mehr so wütend erlebt. Sie fand es doch eher unpassend, als ich die Frage aller Fragen am Grab ihres verstorbenen Onkels stellte. Dabei war es die einzige Chance, die ganze Verwandtschaft gleichzeitig über mein Ansinnen zu informieren.

    Schließlich hatten wir ja, durch die recht Großzüge Zuwendung, die uns sein Tod beschert hat, genug Geld, um eine Hochzeitsfeier auszurichten, wie wir es uns sonst niemals hätten leisten können. Deshalb wollte ich ja, gerade weil der Onkel zum letzten mal in unser aller Mitte lag, die Gelegenheit beim Schopfe fassen. Ich bat den Pfarrer, kurz innezuhalten, kniete mich vor sie, zog den Ring aus der Tasche und stellte meine Frage. Für mich war es eine rein rhetorische Frage, denn ich rechnete fest mit einem „Ja. Denn bei aller Bescheidenheit, die mir zu eigen ist, gab es für sie keine andere Alternative. Ich bin der Mann ihres Lebens. Ich bin charmant, witzig, sehe gut aus, bin mit einem adonishaften Körper gesegnet und kann kochen. Was will eine Frau denn mehr! Umso verwunderter war ich dann doch, als sie nicht schlagartig ihr „Ja heulend herausschrie, wie es eine glückliche Braut zu tun hat. Geheult hatte sie ja bereits, bevor ich mich hinkniete, obwohl sie nichts von dem Antrag wissen konnte. Ein oder zwei Tränen hatte ich ja einkalkuliert, alleine schon wegen der feierlichen Stimmung. Aber als hätte sie es geahnt, heulte sie Rotz und Wasser. Während ich als so da kniete und geduldig auf das „Ja" wartete, trat der Pfarrer an mich heran und flüsterte mir zu, dies sei wohl nicht der rechte Moment, denn der Onkel würde jetzt gerne in seine Grube herabgesenkt werden, damit die Trauerfeier ihren Abschluss finden könnte.

    „Machen sie ruhig Herr Pfarrer, ich warte nur auf das „Ja, dann bin ich wieder ganz bei ihnen.

    Mir blieb zwar nicht verborgen, dass die anderen Festgäste langsam unruhig wurden.

    Sie sehnten sich sehr wahrscheinlich nach dem Leichenschmaus, der ja immer noch der angenehmste Teil solcher Veranstaltungen ist. Manche Trauergäste erscheinen ja überhaupt erst zum Leichenschmaus, wenn ihnen die Leiche verhasst ist oder sie ihn überhaupt nicht kennen. Ich kenne Leute, die ernähren sich fast ausschließlich von Streuselkuchen und belegten Schnittchen, die es traditionell danach gibt. Man braucht ja nur einen schwarzen Anzug oder, falls man dem anderen Geschlecht zugeneigt ist, ein schwarzes Kostüm und schon hat man freien Eintritt bei Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und neuerdings auch bei Scheidungsfestivitäten, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Und wenn man dann noch in einer Stadt wohnt, dann kommen weitere Freiessenmöglichkeiten internationaler Art hinzu. Türkische Hochzeiten sind sehr beliebt. Wo zum Teil tausend Menschen fröhlich feiern, da fällt einer kaum auf, der nicht eingeladen ist. Man überreicht dem Brautpaar einfach einen verschlossenen Umschlag als Geschenk und die merken frühestens am nächsten Tag, dass der leer ist. Dafür nimmt man sich einen anderen Umschlag, der sich möglichst dick anfühlt, vom Gabentisch und kann sich das Taxi nach Hause leisten. Ich kenne einige Leute, die sind morgens gramgebeugt auf irgendwelchen Beisetzungen, mittags bei einer Taufe und vergnügen sich abends auf Hochzeiten. Allerdings haben die dann kaum noch Freizeit. Denn ständig feiern kann auch stressig sein. Man muss einige, einem vollkommen fremde Tanten küssen, sich an Polonaisen beteiligen und alberne Spiele machen. Letzteres findet allerdings auf Beisetzungen seltener statt, was man an der Stimmung, die selten aufkommt, feststellen kann. Ein Freund von mir arbeitet sogar hauptberuflich als Gast. Ich habe ihn vor zwei Jahren zufällig auf einer Hochzeit kennengelernt, auf der ich versehentlich war, weil ich mich in der Tür geirrt hatte. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und tanzten den ganzen Abend abwechselnd mit der braut. Aber sie konnte sich nicht gleich für einen von uns entscheiden. Er musste, was mein Glück war, früher nach Hause, weil er am nächsten Tag mehrere Beerdigungen besuchen wollte. Ich ergriff natürlich die Gelegenheit beim Schopfe und klärte die Braut über ihren begangenen Fehler auf, den zu korrigieren, ich ihr zur Verfügung stehe. Und kaum zwei Monate später, war unser erster Besuch bei der Familie, just die Beerdigung des Onkels, wo ich ihr den Antrag machte.

    Und statt zu würdigen, dass ich geschlagene zehn Minuten vor ihr kniete, scheuerte sie mir eine, was natürlich der Stimmung abträglich war. Hinzu kam zu allem Überfluss, ein nicht vorher angekündigter Regenguss, der das Prozedere etwas beschleunigte. Der Pfarrer sagte noch etwas, was aber niemand verstand, denn der aufgekommene Wind, der sämtliche Bäume in Bewegung versetzte, übertönte alles. Die Sargträger drängten darauf, ihrer Pflicht nachzukommen, denn die Grube füllte sich langsam mit wasser. Schließlich deutete der Pfarrer an, den Sarg herabzulassen. Mit einem letzten Rest von Würde, die die pitschnassen Sargträger noch aufbrachten, ließen sie den Sarg herunter und versenkten ihn in dem schlammigen Loch. Ein letztes Blubbern und von dem Onkel war nichts mehr zu sehen. Würde er zum damaligen Zeitpunkt nicht tot gewesen sein, dann wäre er spätestens jetzt ertrunken.

    Und obwohl die Ohrfeige mich in meiner männlichen Ehre gekränkt hatte, machte ich ihr am nächsten Tag, erneut einen Antrag. Diesmal war ich auch besser vorbereitet. Die halbe Nacht hatte ich geübt. Da der schwarze Anzug noch klamm vom Vortag war, entschloss ich mich, mir meine Jogginghose und aufgrund des erwartbaren Warmen sommertags, ein ärmelloses weißes Rippshirt überzustreifen.

    Zwar würde es noch besser mit entsprechender Muskulatur aussehen, doch war das in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich, mir diese anzutrainieren. Aber schließlich zählt der gute Wille! Immerhin bin ich seit zwei Jahren im Fitnesscenter angemeldet und habe mir fest vorgenommen, demnächst die kostenlose Probestunde in Anspruch zu nehmen. Sobald ich mein Trauma überwunden habe, nach dem Training zwischen zwei prolligen Muskelprotzen unter der Dusche stehen zu müssen. Dies wäre für die Stabilisierung meines Selbstvertrauens wohl eher kontraproduktiv. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der runterfallenden Seife, die in meinem Kopf herumspukt. Wer weiß schon, wie diese beiden Typen darauf reagieren würden!

    Falls ich mich also doch irgendwann in naher Zukunft für das Probetraining entscheiden sollte, werde ich jedenfalls darauf achten, möglichst nicht ins Schwitzen zu geraten, dann kann ich den Duschvorgang elegant umschiffen. Ich benutze einfach genügend Deo, das wird schon helfen. Wobei ich mir erstmal ein neues Deo besorgen muss. Das habe ich mir schon vor Wochen fest vorgenommen und stets vergessen. Aber es eilt ja auch nicht!

    Wie dem auch sei, heute war der Tag der Tage, also der zweite Versuch, die von mir Angebetete, endlich das „Ja" zu entlocken, damit ich meinen besten Freund beauftragen kann, den Junggesellenabschied vorzubereiten.

    Dann heißt es: Ballermann wir kommen!

    Noch vor meiner Freundin war ich in der Schule und versteckte mich in ihrer Klasse, in einem kleinen Kabuff für Lehrmaterial. Gespannt wartete ich. Langsam füllte sich die Klasse. Der Lärm der Kinder war unerträglich laut. Es wurde Zeit, dass die Stunde losging und meine Freundin für Ruhe sorgen würde. Durch das Schlüsselloch konnte ich alles genau beobachten. Doch bevor meine Freundin eintrat, erschien der Direktor mit zwei weiteren Leuten, die sich in die letzte Reihe setzten, nachdem sie drei der kleinen Racker anwiesen, ihnen ihre Plätze zu überlassen. Es war schon sehr schön, zu sehen, wie drei erwachsene Menschen sich auf drei kleine Stühlchen setzten, wie sie eben in Grundschulklassen vorgesehen sind. Sie konnten sich mit ihren Knien beinahe die Ohren zuhalten. Etwas, was angesichts der Gesprächsauswahl der Kinder untereinander, sicher nicht das Schlechteste gewesen wäre. Dann endlich kam meine Freundin herein, zusammen mit der Klassenlehrerin. Letztere bat dann auch sofort um Ruhe, was aufgrund ihrer leisen Stimme ungehört verhallte. Und so ging sie dann von Kind zu Kind und bat jedes Einzelne höflich, leise zu sein. Doch kaum war sie beim letzten Kind angekommen, hatten die ersten Kinder schon wieder, aus purer Langeweile begonnen, mit dem Reden angefangen. Also ging sie wieder zu den ersten Kindern und bat um ruhe. Ich befürchtete und das nicht zu unrecht, die Lehrerin war in einem Teufelskreis gefangen, aus dem es kein Entrinnen für sie gab. Unterdessen stand meine Freundin etwas nervös da und richtete ihren Dutt. Schick sah sie aus, in ihrem braunen Kostüm. Der Direktor rutschte derweil unruhig auf seinem kleinen Stühlchen und flüsterte den beiden anderen Herren, die irgendwie wichtig aussahen, etwas ins Ohr. Dann erhob er sich etwas mühsam und ging nach vorne.

    Er klatschte einmal in die Hände. Die erhoffte Wirkung blieb jedoch aus. Niemand achtete auf ihn. Dann begann er plötzlich zu singen.

    „Wir machen eine Reise und dafür sind wir leise. Wir schließen unsren Mund, dann bleiben wir gesund!"

    Er wiederholte die Strophe mehrfach, unterstützt von der Lehrerin, die die Zweitstimme beisteuerte. Selbst ich konnte mich des tollen Liedes nicht entziehen und sang leise hinter der Tür mit. Nur meine Freundin verweigerte sich. Schließlich gelang es, die Kinder zur Ruhe zu bringen. Die hielten sich kollektiv die Ohren, mit den kleinen Händchen zu. Etwa nach der neunten Wiederholung des überaus anspruchsvollen Textes verstummten die beiden begnadeten Sänger. Sichtlich genossen sie ihren Erfolg, der eingetretenen Stille, den ihre Darbietung erzeugt hatte.

    Zufrieden applaudierte der Direktor den Kindern zu und gab der Lehrerin eine Umarmung, zum Dank ihres musikalischen Mitwirkens.

    „Liebe Waldorfschüler, schön das euch das Lied gefallen hat. Heute ist ein besonderer Tag. Wie ihr ja gesehen habt, haben wir Besuch."

    Alle Kinderaugen richteten sich nach hinten, zu den beiden Herren im Anzug, die streng dreinblickten.

    Nachdem der Direktor eine kleine Pause gemacht hatte, fuhr er fort.

    „Die beiden Herren sind vom Schulamt. Heute ist eine Prüfung für unsere Referendarin, Frau Knittelborn. Sie wird heute den Unterricht machen und wenn sie das gut macht, dann ist sie bald eine richtige Lehrerin. Also macht schön brav mit, dann sind die beiden Herren dahinten auch zufrieden."

    Ich war jetzt plötzlich auch aufgeregt, denn ich hatte ganz vergessen, dass ja heute ihre Prüfung war. Ich überlegte kurz, ob da mein geplanter Antrag nicht unpassend wäre, doch verwarf den Gedanken sofort wieder. Prüfung hin, Prüfung her. Jetzt war der Tag, jetzt war die Stunde. Mein Entschluss stand fest. Sicher würde sie sich sehr freuen, wenn ich gleich auftauche und um ihre Hand anhalte. Schließlich hatte ich mir ja etwas ganz besonders Originelles einfallen lassen, was sicher dem Herrn Direktor auch gefallen dürfte. Auch bei den Vertretern des Schulamtes, dürfte meine kleine Einlage, sicher gefallen und sich positiv auf die Bewertung der Unterrichtsstunde meiner Freundin auswirken.

    „Frau Knittelborn, dann dürfen sie jetzt mit dem Unterricht beginnen. Viel Erfolg und nicht nervös sein!"

    Mit diesen Worten ging der Direktor zurück auf seinen Platz, gefolgt von der Lehrerin. Jetzt stand meine Freundin alleine vorne und blickte die Kinder an. Ich dachte, jetzt legt sie los und zeigt ihnen allen, was eine gute Lehrerin ausmacht. Doch es passierte nichts. Sie stand nur da. Minuten vergingen. Minuten, in denen sie all ihr fundiertes Wissen in die kleinen Kinderköpfe hätte eintrichtern können. Doch sie tat es nicht. Ganz offensichtlich hatte sie einen Blackout. Und mir, als ihr zukünftiger liebender Ehemann, waren die Hände gebunden. Wenn ich wenigstens das Unterrichtsthema gewusst hätte, dann wäre ich ihr zur Seite gesprungen. Meine Verzweiflung wuchs. Was wenn sie nicht bald anfangen sollte? Das würde man ihr sicher nicht als Pluspunkt anrechnen. Doch dann geschah es doch noch und mir blieb fast das Herz stehen. Sie sprach! Meine Freundin, meine zukünftige, meine Prüfungsgeplagte! Und es war ein ganzer Satz. Und was für einer. Einen Besseren prüfungseinstig hätte sie gar nicht finden können. Für mich hatte sie damit die Prüfung bereits bestanden.

    „Mein Name ist Frau Knittelborn!"

    Das Zittern der Stimme überspielte sie mit einem leichten Lächeln. Und dieses Lächeln war es, was mich schon damals, auf ihrer hochzeit, mich faszinierte. Und dann geschah etwas, das mich zu tränen, rührte. Wie eine gut geölte Maschinerie antworteten die Kinder unisono:

    „Guten Morgen frau Knittelborn."

    Diese Worte, aus vielleicht zwanzig kleinen kinderkehlen zu hören, erzeugte eine Gänsehaut bei mir, die ich nicht mehr erlebt habe, seit der HSV die Bayern vernichtend geschlagen hat. Und in dem Moment war mir klar, einen besseren Zeitpunkt gab es für mich nicht. Ich nutzte die Gunst der Stunde, öffnete die Tür und lief nach vorne. Die Überraschung konnte man meiner Freundin ansehen, die nicht ahnen konnte, in wenigen Sekunden von meiner Freundin, zu meiner zukünftigen Ehefrau erhoben zu werden.

    „Das hast du toll gemacht, Schatz!", lobte ich sie und schob ihr meine Zunge in den Mund.

    Die Kinder kommentierten dies sofort mit einem Unschuldigen: „Iiiihhhhhh!"

    Ich nutzte die Sprachlosigkeit meiner Freundin und drückte die Playtaste auf meinem Smartphone und schon erklang die von mir sorgsam ausgewählte, dem anlass entsprechende und gefühlvolle Untermalung dessen, was ich mir ausgedacht hatte.

    Und unter den Klängen des Hochzeitsmarschs, von Felix Mendelssohn Bartholdy, begann ich, ihr meinen Antrag ihr vorzutanzen. Jeder einzelne Buchstabe von: Willst du mich heiraten, wurde von mir ausgetanzt. Höhepunkt und besondere Herausforderung für mich war der tänzerische Ausdruck, den ich in das Fragezeichen legte. Kaum hatte ich den Punkt, der unter das Fragezeichen gehört, herausgearbeitet, indem ich meinen Körper wie zu einer Kugel zusammenrollte, fiel ich schweißüberströmt, erschöpft aber glücklich, zu Boden und sah sie strahlend an, um ihr „Ja entgegenzunehmen, was ich mir redlich ertanzt hatte. Und dann, verstehe einer die Frauen! Kein Strahlen, kein hingehauchtes „Ja ich will, Nichteinmal ein „eventuell vielleicht, kam über ihre Lippen. Dafür jubelten die Kinder so begeistert, dass der Direktor, der mich aus der Klasse schob, alle Mühe hatte sie zu beruhigen. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, denn ohne das definitive „Ja von der Frau meiner Träume, wollte, konnte, nein durfte ich nicht gehen. Mit aller Kraft und einer Hand, hielt ich mich an der Türklinke fest. Mit der anderen trommelte ich gegen die verschlossene Tür des Klassenzimmers, wo sich meine, zurecht verstörte Prinzessin, befand. Doch der Direktor ließ es nicht zu, dass ich mir wieder Einlass verschaffen konnte. Unnachgiebig stellte er sich gegen mich und meine Herzensdame, die ja nicht die Möglichkeit hatte, mir das Jawort zu schenken, was mich zum glücklichsten aller Männer der Welt gemacht hätte. Ausgerechnet der Direktor einer Waldorfschule, Ort des freien Wortes und des lebensbejahenden Ausdruckstanzes, stemmt sich gegen mein humanes Ansinnen, die wichtigste Frage des Lebens zu stellen, beziehungsweise die Antwort darauf mir abzuholen. Wie ungerecht die Welt doch sein kann! In meiner Verzweiflung konnte ich nur noch das tun, was wohl weltweit jeder Mann getan hätte, der an meiner Stelle wäre, ich organisierte eine Protestaktion, gegen die Unterdrückung der freien Rede in Waldorfschulen. Noch war ich zwar nur ein Einzelprotestler, doch ich war mir sicher, viele Weitere, an ihrer Ausübung gehinderter Hochzeitsantragsteller, würden meinem Beispiel folgen.

    Ich gründete einen zeitlich unbestimmten Sitzstreik, als erstes wegweisendes Zeichen des weltweiten Widerstandes. Doch hatte ich die Rechnung ohne den Direktor gemacht, der sofort erklärte:

    „An unserer Schule ist Sitzenbleiben nicht möglich. Das widerspricht den Grundsätzen unserer Schule. Das Sitzenbleiben fördert nur unnötig die Ängste von Schülern."

    Doch diese, von ihm wohlformulierte Argumentation, ließ mich kalt und ich ließ ihn wissen, ich sei keiner von seinen Schülern, sondern ein liebender Mann, der die Sitzblockade nicht eher aufgeben werde, bis er erhört wurde. Langsam wurde auch dem Direktor klar, dass ich es vollkommen ernst meinte. Da ich in meinem Leben Sport immer schon ablehnte, was sich dankbarer Weise auch auf meinen Körperumfang auswirkte, konnte er mich auch nicht aus der Schule tragen, ohne sich nicht einen mittleren Leistenbruch zuzuziehen. Dies sah er dann wohl auch ein und ersann sich einen perfiden Plan, doch noch diese Demonstration unblutig zu beenden. Er setzte auf Pädagogik, ein Wissensfeld, von dem er glaubte, unschlagbar zu sein. Alles begann damit, dass er ein hinterhältiges und durchschaubares falschen Lächeln aufsetzte. Dann setzte er sich, gegen seine zuvor erhobene These, zu mir auf den Fußboden. Offenbar wollte er sich mit mir auf Augenhöhe treffen.

    „Mein lieber Herr ... äh ... jetzt weiß ich gar nicht, wie ich sie ansprechen soll!"

    Jetzt sah der Direktor mit einem mal ganz traurig aus. Das wollte ich natürlich auch nicht und half ihm wieder, mental auf die Beine.

    „Mein Name tut hier nichts zur Sache. Aber ohne ihre Einmischung würde ich demnächst als Herr Knittelborn ansprechbar sein. Doch jetzt ist ja alles ungewiss, dank ihrer Einmischung!"

    Der Vorwurf saß. Seine Traurigkeit wich einer tiefsitzenden Betroffenheit. Langsam wuchs sich mein Sitzstreik aus. Immerhin waren wir jetzt schon drei. Der Direktor, seine Betroffenheit und ich. Dann passierte eine Zeitlang nichts. Stumm saßen wir da. Zwischendurch seufzte jeder so vor sich hin. Irgendwie war ja auch alles gesagt. Ab und zu lauschte ich an der Tür. Doch ich konnte nichts verstehen von dem, was dahinter abging. Wenn ich wenigstens ein „Ja aufgeschnappt hätte, was ich als Antwort auf meine Frage verstehen könnte. In jeder normalen Unterhaltung findet doch unweigerlich ein „Ja den Einzug in ein Gespräch. Aber nichts war davon zu hören. Langsam fragte ich mich, was meine Freundin den Kindern beibringt, ohne dafür ein „Ja" zu gebrauchen.

    „Hören Sie was?", erkundigte sich der Direktor.

    Es war schon rührend, wie er sich so langsam für mein Schicksal interessierte. Ich dankte es ihm, indem ich ihm freundschaftlich in die Seite boxte. Offenbar hatte ich meine Schlagkraft unterschätzt, denn er stöhnte in Schmerz auf.

    „Oh!", entschuldigte ich mich wortreich und tätschelte ihm zum Ausgleich und als Geste der Versöhnung seine Wange, die sich rau und doch angenehm warm anfühlte, dass ich es gleich noch einmal tat. Und dann lächelte er auch wieder.

    „Schade!", seufzte er.

    „Was ist schade?", erkundigte ich mich.

    „Das ich heterosexuell bin. Es hat sich so verdammt gut angefühlt."

    Vorsichtshalber rückte ich etwas von ihm ab. Pädagogen sind ja oft wankelmütige Menschen. Ich entschied, weitere zärtliche Berührungen an ihm zu unterlassen, um ihm nicht noch mehr Hoffnungen zu machen.

    „Ich bin ein Mann und sie sind ein Mann und dabei sollten wir es bewenden!", versuchte ich, ihm meine ablehnende Haltung zu erklären. Als Frau wäre er sicherlich nicht unattraktiv und wahrscheinlich mein Typ gewesen, aber so waren nun einmal nicht die Tatsachen. Doch da hatte ich scheinbar eine Lawine losgelöst, denn er stellte eine Forderung auf, der ich erst auf mehrmaliges Bitten nachkam.

    „Nochmal!", forderte er meine Hand zu einer erneuten Berührung auf.

    „Nochmal! Bitte!", quengelte er, wie ein ungezogenes Kind.

    Wer bin ich schon, dass ich einem hilflosen Wesen nicht die Hand reiche? Ich überwand meinen Ekel und strich ihm erneut über seine Wange. Es wäre viel aufregender für mich gewesen, wenn er sich rasiert hätte, denn so konnte ich keine Gefühle für ihn entwickeln. Deshalb blieb es auch bei einer rein mechanischen Bewegung, wo sich natürlich keinerlei knisternde, sowie erotische Stimmung breitmachen konnte. Es war, als ob ich eine frisch verputzte Wand gestreichelt hätte. Und wer macht so etwas schon freiwillig, wenn die Gefahr besteht, sich die Hände aufzureißen. Er bemerkte natürlich meinen inneren Widerstand, ihm etwas Zärtlichkeit angedeihen zu lassen. Der Direktor reagierte sofort darauf, wie ein kleines Kind, das an der Supermarktkasse kein eis von der überforderten Mutter bekommt. Trotzig stand er auf und rief die Polizei, denen er meine Entfernung aus dem Schulflur auftrug. Ich muss ihm allerdings zugutehalten, dass er auch um meine Sicherheit besorgt war, denn es stand die große Pause ins Haus, die mich ernsthaft in Gefahr bringen konnte. Hunderte kleiner Waldorfschülerfüße, die ihre fünfzehn Minuten Freiheit genießen wollen, würden auf mich wenig Rücksicht nehmen und mich einfach überrennen. Dass ich dabei schaden nehmen könnte, dürfte als gesichert angenommen werden. Nur die Polizei ist in der Lage, um mich einen Schutzwall zu errichten, der mich vor dem Schicksal einer gewöhnlichen Fußmatte bewahrt. Bereits Minuten später erschien die Staatsmacht, in Form einer jungen Polizistin in Uniform.

    „Entfernen sie diesen Mann aus meiner Schule!", forderte der Direktor, der noch vor kurzem meine Zärtlichkeiten genoss.

    Erst, als sie zu sprechen begann, mit dieser warmen, samtweichen, wundervollen Stimme, die mein Herz sofort im Sturm gewann, besah ich sie mir genauer. Bis zum Hals sah sie wie eine gewöhnliche Polizistin aus, in ihrer blauen Uniform, die sämtliche Vorzüge weiblicher Besonderheiten verbarg. Wie gerne hätte ich hinter die Fassade dieser uniform geblickt, nur um zu sehen, ob der Körper zu der engelsgleichen Stimme in Einklang stand. Denn ihr Gesicht, dass wenige was ich von ihr sah, verhieß schon sehr viel Schönes. Makel- und Pickellos, dezent geschminkt und mit einem streng zurückgekämmten und zusammengebunden Pferdeschwanz, entsprach sie genau meiner Vorstellung von einer Frau, in die ich mich sofort verlieben könnte. Und das tat ich dann auch! Ich war außerstande mich gegen meine Gefühle zu wehren und wollte es auch überhaupt nicht. Denn sie war genau der Typ Frau, die mir mein schweres Los der Heterosexualität überhaupt erträglich macht. Ich musste unbedingt ihren Namen erfahren, damit ich ihr formvollendet meine Liebe gestehen konnte.

    „Sie können hier nicht sitzenbleiben. Ich muss sie bitten, sich zu entfernen.", forderte sie mich auf.

    Noch schien sie sich nicht auch in mich verliebt zu haben, was aber nur eine Frage der Zeit war, dessen war ich mir ganz sicher.

    „Bitte gehen Sie nun!", erneuerte sie ihre Bitte und ich war mir sicher, in Wirklichkeit meint sie: Bitte bleiben Sie!

    Doch sie war Gefangene ihres Amtes und konnte nicht so sprechen, wie ihr Herz es ihr sagt. Dafür hatte ich Verständnis. Also lag es an mir, ihr zu sagen, was sie wirklich dachte.

    „Das wollen sie doch nicht wirklich!, sagte ich tiefgründig und sah ihr tief in ihre blauen Augen, die mich an einen Bergsee, inmitten der Alpen, erinnerten. „Wie ist ihr Name?, meinte sie streng, doch diese Strenge war nur vorgeschoben, um ihr ehrliches Interesse an meinem Namen zu kaschieren.

    „Das sage ich ihnen nur, wenn sie mir Ihren verraten!", sagte ich keck und lächelte sie an.

    Mehr erotische Provokation ging nicht! Und der Erfolg folgte auf dem Fuß.

    „Polizeimeisterin van Geldern!", hauchte sie.

    „Und der Vorname?", flüsterte ich zurück.

    „Gretchen.", sagte sie und errötete leicht, was sich kontrastreich von ihrer blauen Uniform absetzte.

    „Gretchen!, seufzte ich, „Gretchen van Geldern!

    Das klang doch schon ganz anders als Knittelborn. Van Geldern gegen Knittelborn! Poesie gegen kalte harte Realität. Und in den wenigen Worten, die bislang unsere Beziehung bestimmten, konnte ich einen leichten niederländischen Akzent vernehmen. Da passte wirklich alles zusammen, denn ich liebe holländischen Käse, besonders mittelalten Gouda oder auch den sahnig würzigen Tilsiter. Gouda und Tilsit! Zwei Städte, die jeweils einen eigenen Käse haben. Welche deutsche Stadt kann das von sich behaupten? Was liegt also näher für einen käseaffinen Mann in den besten Jahren, der sexuell unterversorgt ist, sich einer Holländerin zu Füßen zu werfen. Wobei Letzteres gar nicht mehr nötig war, denn wie der Zufall so spielt, saß ich ja bereits vor ihr und blickte die anbetungswürdige Käserepräsentantin begierig an. Sie musste nur „Ja sagen und einer wundervollen Vereinigung zweier begehrenswerter Körper, würde nichts mehr im Wege stehen. Mit Ausnahme des Direktors vielleicht, der es an Diskretion zu wünschen übrig ließ. Ja merkt der Mann denn nicht, dass er stört? Dabei schrie geradezu jede Pore in mir: „Geh weg! Lass uns alleine! Du störst!

    Doch er blieb bräsig einfach stehen und würde es wohl immer noch tun, hätte nicht die Pausenklingel ein Einsehen mit zwei sich zu Verliebenden gehabt. Die Türen wurden aufgerissen und eine amorphe Masse unzähliger kleiner Waldorfschüler, stürmte hinaus. Der Direktor wurde von der Welle mitgerissen und nur wir beide blieben zurück. Manchmal sind eben so kleine Waldorfkinder auch für was gut. Als letzte verließ Frau Knittelborn, die mir noch vage aus einer früheren Beziehung leidlich bekannt war, gestützt von den beiden Herren des Schulamtes, weinend aus dem Klassenzimmer und gab sich ausnahmslos ihrem selbstverschuldeten Nervenzusammenbruch hin.

    Sie beachtete mich nicht, wofür ich ihr heute noch dankbar bin, denn eine Frau, die nicht einmal in der Lage ist, eine erfolgreiche Lehramtsprüfungsstunde vor Zweitklässlern abzuhalten, ist für mich untragbar und als zukünftige Ehefrau indiskutabel. Doch diese ehemalige weitläufige Bekannte, die kurzzeitig mein Leben streifte, wurde nun für alle Zeiten aus meinem Gedächtnis unwiderruflich verbannt, denn mein neuerlicher Interessensschwerpunkt, galt nun der Frau, die an Faszination keinerlei Wünsche vermissen ließ, Gretchen van Geldern.

    „Mein kleines holländisches Meisje!", schnurrte ich ihr leise ins Ohr.

    Sie lächelte mich an und ich erkannte eine niedliche kleine Zahnlücke, die, bevor wir vor den Traualtar treten werden, noch dental bearbeitet wird.

    „Ja, Jij mijn grote sterke Man!", flüsterte sie mir, in ihrer Originalsprache ohne Untertitel, einen süßen Liebesschwur, den ich zwar nicht verstand, aber der so herrlich prickelte, in meinem Ohr.

    Und dann ergriff ich zum ersten Mal in meinem Leben eine niederländische Hand und war ganz verblüfft, dass sie sich nicht anders anfühlte wie die Hände, die ich bislang in meinen Besitz nahm. Doch sie war noch nicht soweit, sich mir ganz hinzugeben. Deshalb entzog sich mir, zwar liebevoll, aber bestimmt.

    „Lass uns unsere Beziehung noch nicht öffentlich machen!", bat sie mich und hauchte mir einen leichten Kuss auf das ihr zugewandte Ohr.

    „Oh ja!", seufzte ich in wilder Raserei und leckte ihre Nasenspitze.

    „Lass uns, uns im Geheimen lieben!", rief sie mir, in unterdrückter Ekstase, zu.

    Doch wie sollten wir es schaffen, als heimliches Liebespaar, diesen öffentlichen Ort verlassen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen? Denn beides waren wir, bis in die Haarspitzen hinein. Traurig sahen wir uns tief in die Augen, denn eine tragfähige Lösung hatte niemand von uns. Drohte bereits jetzt schon das Aus? Konnte unsere frische, noch so neue Liebe, dieser Herausforderung nicht standhalten? Warum machte das Leben es uns so schwer? Dunkle Wolken, der aufkommenden Verzweiflung, zogen am Horizont auf. Da standen wir nun, zwei hoffnungsfrohe Liebende, die einfach nicht zusammenkommen konnten.

    „So darf es nicht enden!", schrie ich meine ganze Wut auf die Gesellschaft hinaus in die Welt.

    „Liefste!, unterbrach sie mein Zürnen, „we zullen een Oplossing vinden!"

    Was auch immer das heißen sollte, ich war dankbar für ihren Trost, den zu spenden, sie so großherzig bereit war. Doch unheilvoll lag über uns beiden eine drohende Depression, die Besitz von uns ergreifen wollte. Aber ich war fest entschlossen Widerstand zu leisten und ihr eine Abfuhr zu erteilen. Wenn es doch nur einen Weg gab, ungeschoren aus dieser Misere herauszukommen. Ich zermarterte mir den Kopf. Meiner Liebsten ging es nicht anders, was ich daran erkannte, dass sie sich einige Runzeln auf der Stirn erlaubte, die optisch sich nicht so gut machten, dass ich in Jubelstürme ausgebrochen wäre.

    Doch dann, gerade als ich schon über eine Trennung nachdachte, erhellte sich plötzlich ihr Gesicht und die Runzeln verschwanden, so wie sie gekommen waren.

    „Ik heb een Idee!", rief sie enthusiastisch und wiederholte es gleich noch einmal für mich, in deutscher Sprache, in der ich mich mehr Zuhause fühlte.

    „Ich habe eine Idee!"

    In diesem Moment wusste ich, diese kleine süße Niederländerin, die mache ich zu meiner deutschen Frau. Sie griff, wie es nur eine bestens ausgebildete Polizistin tun kann, mit ihrer Hand nach hinten und brachte ein

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