BROKEN AMERICA III: SPIEGELWELT
Von Inka Mareila
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Über dieses E-Book
Was wird aus den Plänen, wenn die größte Katastrophe unserer Zeit sämtliche Vorhaben vereitelt? Die Zukunft ist nicht planbar. Neuste Geschehnisse reißen Menschen aus ihrem Leben, durchdringen Gedanken und Hoffnungen, und plötzlich, vollkommen unerwartet, beginnt Horizon Zero - das Weltprojekt eines Wahnsinnigen, die letzte Möglichkeit der Menschen, es künftig besser zu machen. Doch um das Projekt zu starten, muss die Chance auf eine lebenswerte Zukunft erst einmal gefunden werden. Tom Madox Ward bezeichnet es als das größte Geheimnis der Menschheit...
Mit Spiegelwelt, dem dritten Band ihrer Broken-America-Trilogie, knüpft Erfolgsautorin Inka Mareila direkt an die in Zwischen den Fronten und Gesplittertes Leben geschilderten Ereignisse an – und führt diese Ereignisse (in einem nur vermeintlich fiktiven Amerika) zu einem erzählerisch herausragenden, dystopisch-philosophischen Finale...
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Buchvorschau
BROKEN AMERICA III - Inka Mareila
Das Buch
Was wird aus den Plänen, wenn die größte Katastrophe unserer Zeit sämtliche Vorhaben vereitelt? Die Zukunft ist nicht planbar. Neuste Geschehnisse reißen Menschen aus ihrem Leben, durchdringen Gedanken und Hoffnungen, und plötzlich, vollkommen unerwartet, beginnt Horizon Zero - das Weltprojekt eines Wahnsinnigen, die letzte Möglichkeit der Menschen, es künftig besser zu machen. Doch um das Projekt zu starten, muss die Chance auf eine lebenswerte Zukunft erst einmal gefunden werden. Tom Madox Ward bezeichnet es als das größte Geheimnis der Menschheit...
Mit Spiegelwelt, dem dritten Band ihrer Broken-America-Trilogie, knüpft Erfolgs-Autorin Inka Mareila direkt an die in Zwischen den Fronten und Gesplittertes Leben geschilderten Ereignisse an – und führt diese Ereignisse (in einem nur vermeintlich fiktiven Amerika) zu einem erzählerisch herausragenden, dystopisch-philosophischen Finale...
Die Autorin
Inka Mareila, Jahrgang 1981.
Inka Mareila ist eine deutsche Schriftstellerin, die ihre Karriere im Jahr 2013 mit Science-Fiction- und Horror-Romanen begann.
Ihr Debüt – neben fünf Bänden für die Zombie-Serie Violent Earth - war die dystopische SF-Trilogie Fynomenon.
Mehrfach wurde sie in den Folgejahren für den Vincent Preis nominiert: 2013 für die Kurzgeschichte Gramla, 2014 für Mordsucht GmbH und Co. KG (vier Horror-Märchen) und schließlich 2015 für den Mystery-Thriller Fleischfang – Parademonium.
2015 folgten die Romane Gladium - Schattenlicht und Gladium - Die Cyborg-Dämonin sowie das Drama Lila Floh in Lavendel - Das Rätsel des stummen Kindes. Für Phillip Schmidts SF-Serie Schattengewächse schrieb sie 2016 den Roman Tod und Spiele.
Außergewöhnliche Wege beschritt sie anschließend mit dem Kinderbuch/Spendenprojekt Die Superalma gibt es wirklich - ein Buch, gemeinsam verfasst mit neun Kindern und deren alleinerziehenden Müttern.
Nach der Veröffentlichung des modernen Märchens Milans bunte Flügel (2016) entschied sie sich für eine neue thematische Richtung; insbesondere mit ihren frühen Horror-Geschichten konnte sie sich nicht länger identifizieren. Sie trennte sich von ihrem bisherigen Verlag, um schriftstellerisch mehr Freiheiten zu haben und wagte einen Neustart.
Seither widmet sie sich vorrangig gesellschaftskritischen Texten, verfasst unerschrocken Texte zu Tabu-Themen - beispielhaft umgesetzt in ihrem aktuellen Thriller Der Feind, der im Apex-Verlag erscheint.
BROKEN AMERICA 3:
SPIEGELWELT
THE CLOU von Tom Madox Ward
(WEGGEWORFENER MANUSKRIPTTEIL/Bezeichnung »PROLOG?«, gespickt mit Einschüben und Anmerkungen/Abschnitt-Nummer unbekannt – gefunden von Henrys Grandma, der Putzfrau Bernadette McCollister)
Frau am Grab
Es war vor vielen Jahren gewesen, als ich auf dem Mount Carmel Cemetery stand, das Licht der untergehenden Sonne genoss, mein Gesicht davon berühren ließ, während sanfte Strahlen durch die Grabreihen fielen und die Gedanken an meinen Bruder erträglich machten. Ein wenig Licht in dieser Schattenwelt, wie die Hoffnung, welche die Realität vergoldete. Manchmal muss man träumen, um das Leben spüren zu können. Wenigstens können wir darin alles sein und jeden verlorenen Menschen wieder an unserer Seite haben.
Damian...
Er lag dort bereits seit drei Jahren begraben, und ich dachte über unsere Kindheit nach. Sie war weiß Gott nicht leicht gewesen und dennoch so weit weg, zu weit, als dass sie unnötig viel Einfluss auf mein Leben nehmen konnte. Oft stellte ich mir die Frage, wie es sein konnte, dass zwei Menschen, welche dieselben Eltern gehabt hatten, derart unterschiedlich mit den Kindheitserinnerungen umgehen konnten. Das machte mir deutlich, dass wir alle die Möglichkeit hatten, eigenständig und wirklich wir selbst zu sein. Wenn die Genetik, mag sie auch noch so mächtig sein, eben auch gleichermaßen derart viele Freiheiten zulässt, um wie viel freier sollten wir uns fühlen, alles erreichen zu können, was wir uns wünschen?
Ich empfand die Willensfreiheit tatsächlich als solche, ungeachtet der unzähligen philosophischen Konstrukte, wonach schon allein die rein physikalischen Gesetze eine Willensfreiheit beschränken würden. Doch was würde es uns nützen, wenn wir fliegen könnten? Genügen uns nicht unsere Träume, in denen es wahrhaftig keine Grenzen gibt? Vielleicht wäre Zufriedenheit der Schlüssel, um unsere Freiheiten auch endlich erkennen und genießen zu können?
Wie oft hatte ich mit meiner Mutter über solcherlei gesprochen. Sie hatte nichts verstanden. Was sie getan hatte, widersprach stets ihren Aussagen, und irgendwann erkannte ich, dass man manchen Menschen nicht helfen kann, selbst wenn man noch so viel Liebe und Ernsthaftigkeit – ich möchte sogar sagen Dringlichkeit – investierte. Ein gewisser Anteil der Freiheit liegt also auch darin, sich nicht länger für andere verantwortlich zu fühlen. Wenn wir wirklich bei uns selbst sind, sind wir am ehesten gerecht. Nicht ferngesteuert, einfach bei uns selbst; hoffentlich mit allem, was einen Menschen ausmacht.
In der Mitte von Damians Grabstein war ein Knopf eingelassen worden. Ich säuberte das Uhrglas darüber mit meinem Jackenärmel. Darunter befand sich jener schwarze, schlichte Holzknopf. Er war das letzte Geschenk gewesen, was ich von meinem Bruder bekommen hatte. Eine Aufmerksamkeit, welche innerhalb seiner Psychose für all das gestanden hatte, was ihm wirklich wichtig gewesen war, was er all die Jahre im Herzen mit sich getragen hatte und worüber er erst reden konnte, als ihm seine Vernunft abhandengekommen war: Die Welt verbessern, plötzliche Gottergebenheit, und dazu kamen seine Traurigkeit und die Verletzlichkeit, welche er all die Jahre verdrängt hatte, während er auf der Überholspur dem Erfolg hinterhergejagt war. Das ging nur mithilfe der Drogen. Bloß ein wenig Shit und ein paar Pillen, welche die Konzentration optimierten. Mehr nicht, und dennoch war es zu viel gewesen...
Auch er hatte sich stets heimlich die Frage gestellt, wie es sein konnte, dass eine Mutter ihre Kinder an einen Perversen auslieferte – immer wieder, und das über Jahre. Als er mir seine Gedanken offenbarte, war es bereits zu spät gewesen. Bevor er ging, legte er mir den Knopf in die Hand, als Symbol, dass wir alles erreichen und überstehen konnten. Drei Wochen später war er tot.
Und die Fragen, welche ich so lange verdrängt, die er mir aber wieder gestellt hatte, waren plötzlich zurück. Waren bei mir in der Gegenwart und wollten endlich beantwortet werden. Sie machten mir das Nicht-verstehen-können bewusst.
Ich war inzwischen glücklicherweise weit von dem Anspruch entfernt, sie verstehen können zu müssen, hatte mich damit abgefunden, dass es Dinge gab, die immer zu einem gewissen Teil ungeklärt bleiben würden, und baute mir einen imaginären Tresor im Kopf. Dort sperrte ich die Fragen ein und stellte mir vor, wie in dieser beengten Dunkelheit alles Unangenehme gegeneinander kämpfte und sich selbst vernichtete. So sollte es doch sein, oder? Einfach alles Schlechte in einen Keller sperren und sich selbst ausrotten lassen...
Jedenfalls hasste ich Fragen dieser Art, konnte jedoch nichts daran ändern, dass sie existierten.
»Die Kindheit ist bei vielen ein Glas ohne Deckel. Und an seinem Boden kriecht ein stinkendes Tier. Es verhält sich leise, doch manchmal spricht es...«, hatte mein Bruder mir an unserem letzten Nachmittag gesagt. Ich hatte genickt, da kamen uns die Tränen.
Mein Bruder, meine Mum und ich waren zweimal zu diesem Monster, unserem Stiefvater, hin- und wieder weggezogen. Ein Hin und Her, und jedes Mal zerbrachen wir ein Stück mehr. Die Wut, die in mir wuchs, weil meine Mutter trotz allem das Funktionieren in der Schule sowie in sämtlichen anderen Bereichen von uns verlangt hatte, entlud sich peu à peu, nützte aber nichts.
Das Schreien um Hilfe und Schutz sowie das Erbetteln, Mum möge doch bitte erkennen, was mit uns geschieht, blieb ungehört, dabei erhielt sie stets auch eine »gute Welt«, in der sie uns ihre Liebe beteuerte und sich für uns abschuftete, damit wenigstens ein Teil unseres Lebens in geordneten Bahnen verlief.
Unsere Kleidung roch gut, wir trugen teure Schuhe und freuten uns über ordentliche Frisuren. Damian und ich hatten dieses Leben nie verstanden, und dass er nie darüber sprechen wollte, wertete ich lange als ein Zeichen von Stärke. Er konnte den Gestank dieser Kindheitsleichen ignorieren, ich nicht. Und doch war er über Jahre, ganz heimlich, daran zugrunde gegangen, während ich weiterleben durfte.
Jeremy, mein kleiner Sohn, war mein Grund gewesen, die Verbindung zu meiner Mutter endgültig abzubrechen, denn er machte mir bewusst, dass mich meine Mutter nie geliebt hatte, nicht so, wie jedes Kind es verdiente und brauchte. Hätte sie diese gesunde Liebe spüren können, wären mein Bruder und ich von ihr beschützt worden, doch sie war dazu keineswegs in der Lage gewesen. Ihre Liebe beschränkte sich auf die Unwichtigkeiten des Lebens – unwichtig im Vergleich zu dem, was wirklich zählte: