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BROKEN AMERICA - DIE TRILOGIE: Drei Romane in einem Band!
BROKEN AMERICA - DIE TRILOGIE: Drei Romane in einem Band!
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eBook342 Seiten4 Stunden

BROKEN AMERICA - DIE TRILOGIE: Drei Romane in einem Band!

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Über dieses E-Book

In einer Welt, in der ein noch nie dagewesener Irrsinn regiert, fügen sich auf kuriosem Wege die Leben von Hannah, Bill sowie jene der Geschwister Ella und Ted wie Puzzleteile zusammen. Ihre Schicksale weisen rätselhafte Verstrickungen auf...

Gleichzeitig fahndet der Geheimdienst nach einem mysteriösen Manuskript, dessen Autor unauffindbar bleibt. In seinem Schriftstück prophezeite Tom Madox Ward bereits vor Jahren eine düstere Zukunft mit verblüffenden Parallelen zur gegenwärtigen Realität, die sich erst seit dem Amtseintritt des neuen amerikanischen Präsidenten sukzessiv offenbaren.

Noch ahnt keiner der vermeintlichen Helden, welche Rolle er übernehmen muss, um das Geheimnis zu lüften und ein damit verknüpftes Unheil aufzuhalten - denn nichts ist so, wie es den Anschein hat...

Mit Broken America – Die Trilogie präsentiert Erfolgs-Autorin Inka Mareila einen Blick auf die Vereinigten Staaten der Gegenwart, der einem perspektivisch gebrochenen, vielfach zersprungenen Spiegel gleicht, den zu durchschreiten der Leser vielleicht nicht wagt... Die drei in diesem Band zusammengefassten Romane sind Literatur auf der Höhe der Zeit – und zweifellos darüber hinaus.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum19. Feb. 2019
ISBN9783743897199
BROKEN AMERICA - DIE TRILOGIE: Drei Romane in einem Band!

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    Buchvorschau

    BROKEN AMERICA - DIE TRILOGIE - Inka Mareila

    Das Buch

    In einer Welt, in der ein noch nie dagewesener Irrsinn regiert, fügen sich auf kuriosem Wege die Leben von Hannah, Bill sowie jene der Geschwister Ella und Ted wie Puzzleteile zusammen. Ihre Schicksale weisen rätselhafte Verstrickungen auf...

    Gleichzeitig fahndet der Geheimdienst nach einem mysteriösen Manuskript, dessen Autor unauffindbar bleibt. In seinem Schriftstück prophezeite Tom Madox Ward bereits vor Jahren eine düstere Zukunft mit verblüffenden Parallelen zur gegenwärtigen Realität, die sich erst seit dem Amtseintritt des neuen amerikanischen Präsidenten sukzessiv offenbaren.

    Noch ahnt keiner der vermeintlichen Helden, welche Rolle er übernehmen muss, um das Geheimnis zu lüften und ein damit verknüpftes Unheil aufzuhalten - denn nichts ist so, wie es den Anschein hat...

    Mit Broken America – Die Trilogie präsentiert Erfolgs-Autorin Inka Mareila einen Blick auf die Vereinigten Staaten der Gegenwart, der einem perspektivisch gebrochenen, vielfach zersprungenen Spiegel gleicht, den zu durchschreiten der Leser vielleicht nicht wagt... Die drei in diesem Band zusammengefassten Romane sind Literatur auf der Höhe der Zeit – und zweifellos darüber hinaus.

    Die Autorin

    Inka Mareila, Jahrgang 1981.

    Inka Mareila ist eine deutsche Schriftstellerin, die ihre Karriere im Jahr 2013 mit Science-Fiction- und Horror-Romanen begann.

    Ihr Debüt – neben fünf Bänden für die Zombie-Serie Violent Earth - war die dystopische SF-Trilogie Fynomenon.

    Mehrfach wurde sie in den Folgejahren für den Vincent Preis nominiert: 2013 für die Kurzgeschichte Gramla, 2014 für Mordsucht GmbH und Co. KG (vier Horror-Märchen) und schließlich 2015 für den Mystery-Thriller Fleischfang – Parademonium.

    2015 folgten die Romane Gladium - Schattenlicht und Gladium - Die Cyborg-Dämonin sowie das Drama Lila Floh in Lavendel - Das Rätsel des stummen Kindes. Für Phillip Schmidts SF-Serie Schattengewächse schrieb sie 2016 den Roman Tod und Spiele.

    Außergewöhnliche Wege beschritt sie anschließend mit dem Kinderbuch/Spendenprojekt Die Superalma gibt es wirklich - ein Buch, gemeinsam verfasst mit neun Kindern und deren alleinerziehenden Müttern.

    Nach der Veröffentlichung des modernen Märchens Milans bunte Flügel (2016) entschied sie sich für eine neue thematische Richtung; insbesondere mit ihren frühen Horror-Geschichten konnte sie sich nicht länger identifizieren. Sie trennte sich von ihrem bisherigen Verlag, um schriftstellerisch mehr Freiheiten zu haben und wagte einen Neustart.

    Seither widmet sie sich vorrangig gesellschaftskritischen Texten, verfasst unerschrocken Texte zu Tabu-Themen - beispielhaft umgesetzt in ihrem aktuellen Thriller Der Feind, der im Apex-Verlag erscheint.

    BROKEN AMERICA: DIE TRILOGIE

    BROKEN AMERICA 1: ZWISCHEN DEN FRONTEN

    Prolog: Henry und Tammy

    Wir waren zwei Soldaten, verliebt in die Seele des anderen und im Patriotismus vereint. Tammy war meine Göttin; stark, wunderhübsch, zärtlich und dennoch voller Gewalt. Sie kämpfte wie ich für das Richtige, für unser Land, für unser Volk. Doch dann kam der Tag, der alles veränderte, der unsere Grenzen verschwimmen ließ, weil uns die Regierung verriet. Es war der Tag, an dem ich mich das erste Mal fragte, wofür ich eigentlich noch stand, wenn ich mich weiterhin dem System und seinen Befehlen ergab. Und Tammy ging es gleich.

    Einander zu lieben war im Soldaten-Alltag eine kräftezehrende Herausforderung, ja es war eine echte Last, dem anderen häufig so fern sein zu müssen. Tammy war anfangs in einem anderen Kader als ich stationiert, erst nach drei Jahren kamen wir in die gleiche Eliteeinheit. Wir brauchten uns, wie die Luft zum Atmen. Sie motivierte mich und ich sie.

    Wir hatten uns in der Ausbildung kennengelernt. Ich war sofort Feuer und Flamme gewesen, hatte das Gefühl, meine Seelenverwandte gefunden zu haben, weil sie tief in meinem Innern eine Seite ansprach, von der ich bis dahin nicht ahnte, sie zu besitzen. Zudem verkörperte Tammy alles, was ich unter einer starken Frau verstand. Ich war ihr hoffnungslos verfallen, ja ich war süchtig nach ihrem durchtrainierten Körper, ihren langen dunkelblonden Haaren, die sie meist zu einem Zopf gebunden hatte, und nach ihren strahlenden, grünen Augen. Diese Frau hatte Macht über mich, weil sie mich geradezu magisch anzog und sie ihre Anziehungskraft wie ein verzauberndes Gift einsetzte. Und sie ließ sich niemals erschüttern. Bis zu diesem Tag...

    Es war, als wäre die Welt plötzlich eine andere, als drehte sie sich falsch herum. Es war noch schlimmer als damals, als das Kalifat ausgerufen wurde und alle dachten, jetzt würde es losgehen - die Apokalypse, der Atomkrieg, das unbeherrschbare Chaos -, doch stattdessen zog sich der Anfang vom Ende noch eine Weile hin. Eingeläutet wurde der Beginn der gesellschaftlichen Zerstörung erst durch die Präsidentschaftswahlen im Herbst.

    Tammy und ich hatten beide keine Familie mehr, wir hatten nur noch uns - und unseren Stolz auf unser Land. Doch als dieser Stolz erlosch, fehlte uns der Sinn hinter unserer einstigen Berufung. Deshalb trafen wir eine Entscheidung.

    Es war bereits tiefe Nacht, als wir uns aus unseren Zimmern schlichen und auf dem Dach eines Gebäudeblocks trafen. Der Mond schien hell, er stand wie ein Tor vor uns - ein Tor zu einer besseren Welt. Nur dort oben schien Licht, alles andere präsentierte die Gier der ewigen Nacht, die uns verschlingen würde, wenn wir ihr nicht rechtzeitig entkamen.

    Ich hatte schon so viel gesehen, zu viel. Abgerissene Gliedmaße, erhängte Kameraden, die sich durch den Tod von ihrem Albträumen erlöst hatten, zersplitterte Kinderkörper, zerfetzt von Granaten oder irren Schießwütigen, die ihre Waffe erst sinken ließen, wenn ihre Opfer bis zur Unkenntlichkeit zerstört waren.

    Solche Bilder bleiben ewig, verblassen nie, dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, was Soldaten nach ihren Einsätzen noch mit sich herumschleppen. Sie nehmen alles mit, denn kein derart extremes Bild wird ohne Emotionen aufgenommen. Diese Bilder bleiben für immer. Sie machen aus starken Muskelmännern hagere, zerbrechliche Nervenbündel. Sie zwingen Helden dazu, wie Kinder zu schreien, und lassen sie in einsamen Stunden verzweifeln.

    Ich hatte bereits nach meinem ersten Einsatz begonnen, sämtliche Actionfilme zu verachten. Nichts, was dort gezeigt wird, reicht auch nur annähernd an die Realität heran. Kein Mann strotzt auch nur entfernt derart vor innerer Stärke, wie Stallone, Schwarzenegger oder Van Damme in ihren typischen Rollen. Was bis dato aus den Fernsehern flimmerte, war pure, stinkende Fantasyscheiße.

    Tammy und ich waren in diesen grundlegenden Ansichten immer der gleichen Meinung. Ich liebte sie, weil sie meine bessere Hälfte war, weil sie meine Gedanken ergänzte, meine Hoffnungsbilder mit Farben füllte und mein Herz zum Glühen brachte. Das wärmte mich, egal wo ich war. Egal ob in Afghanistan, im Irak oder sonst wo. Ich hatte sie die ganze Zeit in mir gehabt.

    Krieg macht, dass man mit jedem Schuss, den man auf einen Fremden abfeuert, einen Teil von sich selbst vernichtet. Unwiederbringlich. Unheilbar. Zum Schluss fühlt man sich wie eine Hülle, so leer wie man sich nur fühlen kann.

    Tammy ließ mich wieder mehr spüren. Sie zeigte mir, dass ich noch ein Herz hatte. Doch als der Tag kam, der uns deutlich machte, dass wir nicht länger für eine eindeutige und gute Sache kämpften, starb etwas in Tammys Augen. Danach schien unser Glück verschwunden zu sein. Keiner konnte dem anderen mehr die Sonne ins Herz zaubern, keiner konnte den anderen mehr mit seinem Lachen anstecken - wenn er denn mal lachte. Es war die Fähigkeit, Freude zu empfinden, die gänzlich aus uns verpufft war, weil wir keinen anderen Lebenssinn fanden als das, was Vergangenheit war.

    Und plötzlich sahen wir uns nur noch als die Spielfiguren eines Wahnsinnigen, eines ganzen wahnsinnig gewordenen Landes, ja einer verrückt gewordenen Welt. Für meine Kameraden empfand ich plötzlich Mitleid, da war kein Stolz mehr. Nirgendwo in mir. Und weil Tammy und ich einen Entschluss gefasst hatten, trafen wir uns also in dieser Nacht.

    Heute.

    Jetzt.

    »Inzwischen bin ich froh darüber, dass ich keine Kinder bekommen kann. Selbst wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich keine gewollt. Nicht in dieser dunklen Zeit.«

    Ich nicke bloß und halte ihre Hand. Wir lassen unsere Füße über den Rand des Flachdaches baumeln. Der frische Herbstwind lässt Tammy frösteln, die lediglich in einem Unterhemd neben mir sitzt. Wenigstens trägt sie dazu ihre Soldatenhose und die schwarzen Stiefel - so wie ich. Denn ich kann sie nicht wärmen, kann meinen Arm nicht um sie legen, weil ich vor Angst wie versteinert bin. Das Einzige, was ich in diesen Minuten zu tun vermag, ist, ihr eine Herbstaster ins geflochtene Haar zu stecken, die ich aus der Vase der Sekretärin stibitzt habe.

    Tammy lächelt. Im Licht des Mondes erinnern ihre sanften Konturen an Porzellan. Ein silberner Schimmer liegt auf ihre Haut. Tammy schwitzt kalten Schweiß. Ich weiß, dass sie sich fürchtet. Auch ich spüre Todesangst.

    Sie legt mir ihre Waffe in die Hand und spricht: »Lass und nicht mehr warten. Lass uns gehen. Gemeinsam... für immer.«

    Eine Träne kullert ihr über die Wange.

    Ich küsse sie. Zuerst auf den Mund, dann auf die Wange. Ich schmecke das Salz ihrer Tränen. Erst danach nicke ich. Wir haben uns bereits vor  Stunden alles gesagt. Es war nicht viel, denn es gibt nichts Wichtiges mehr. Für uns zählt nur noch eine leise Hoffnung, die sich wahrscheinlich nie erfüllen wird, und doch ist sie das Einzige, woran wir noch glauben können.

    Vereint im Jenseits - fern einer Welt, in der wir weder Frieden noch Glück finden können.

    Ich gebe ihr meine Waffe. Wir lächeln uns an.

    »Willst du stehen, mein Engel?«

    »Nein. Ich lege mich hin.«

    Tammy legt sich auf den Boden und ich knie mich breitbeinig über sie. Neben mir geht es steil hinab, ich knie direkt am Rand des Gebäudes. Mir ist schwindelig vor Furcht und ich bemühe mich, nicht umzukippen.

    »Setz dich auf mich«, fordert Tammy, und sie lächelt, als sie mich auf sich spürt. In einer anderen Situation, zu einer anderen Zeit wäre ich erregt gewesen, doch jetzt macht es mich noch trauriger. Nie wieder werde ich ihr näher sein als in diesem Augenblick. Ich schlucke meine Tränen, bin ganz leise.

    Jeder richtet seine Waffe auf den Schädel des anderen.

    »Ich liebe dich, Tam«, flüstere ich.

    »Und ich liebe dich, Henry McCollister.«

    Wir zählen gemeinsam von drei rückwärts.

    Drei...

    Zwei...

    Eins...

    Dann drücken wir ab.

    Ein Knall gellt durch die Luft, flutet die Nacht und überschwemmt die Kasernendächer wie eine mächtige Welle. Dann fliege ich. Ich kippe... und falle lange...

    Ich sehe den Himmel über mir, entferne mich von meinem Herzen, meinem Engel. Als hätte ich einen Film vor Augen, sehe ich sie vor mir, wie ihre seidigen Haare gierig das Blut aufsaugen, das aus ihrer Stirn sickert.

    Mein Herz geht für immer. - Tammy.

    Ich habe keine Schmerzen, nicht einmal dann, als ich auf dem Boden aufschlage und der Mond sich verfinstert, bis alles um mich schwarz wird. Das Tor zur Ewigkeit hat sich verschlossen. Ich weiß, ich werde nicht sterben. Ich weiß es einfach. Ich will schreien, doch stattdessen holt mich die Ohnmacht. Sie macht mich stumm, und der Herbstwind berührt mein schweißnasses Gesicht, bis ich nichts mehr spüre.

    Gar nichts.

    ZWISCHEN DEN FRONTEN - BAND 1

    Hannah & Ella

    Als Hannah, meine Nanny, aus dem Fenster spähte und plötzlich hektisch wurde, begriff ist zunächst nicht, weshalb ihre Fassung von ihr abbröckelte, wie der Putz von einem bebenden Gebäude. Hannah riss die Augen auf, fuchtelte wild herum und schrie bloß: »Bunker, Bunker!«

    Sie sprach ein gebrochenes Englisch, aber sie musste ohnehin nicht viel sagen, damit ich wusste, was sie meinte, denn wir verstanden uns auch ohne Worte. Nachdem sie mich einmal vor einer Vergewaltigung beschützt hatte, indem sie unserem Gärtner einen Spaten in den Rücken rammte, wurde sie zu meiner besten Freundin. Auch jetzt schien sie mich beschützen zu wollen...

    Hannah packte mich, riss mich mit sich, und ohne zu wissen, worum es ging, erinnerte ich sie schreiend an meinen Bruder. An Teddy. Ted war erst sieben Jahre alt, und er würde gleich aus dem Klavierunterricht nach Hause kommen. Er würde nicht wissen, wo wir waren, und Angst haben.

    Doch Hannah schlug mir auf den Mund und fauchte Begriffe, die mich verstummen ließen, während ich ihr hinterherrannte, weil ich spürte, dass ich keine andere Wahl hatte. Weil da etwas auf uns zukam, wovor wir uns schützen mussten.

    Der Bunker im Keller des riesigen Anwesens meiner steinreichen, durch ihre Abwesenheit glänzenden Eltern, war über einen Durchgang in der Rückwand eines Schranks zu erreichen. Hannah zerrte mich vor sich und zwang mich, durch die Luke in den Schacht zu steigen, der über etliche Treppenstufen hinab zum Schutzraum führte.

    Wir hörten ein Trampeln. Männer brüllten herum. Ich verstand kein einziges Wort. Sie krakeelten wild durcheinander, wie wütende Gorillas. Ich konnte kaum abschätzen, um wie viele es sich handelte.

    Türen wurden aufgebrochen. Die Fremden waren so laut, dass mich das Gefühl von blanker Panik beherrschte. Ständig fragte ich mich, ob ich gleich sterben müsste. Ich war erst siebzehn, da wartete doch noch mein ganzes Leben auf mich!

    Hannah hatte mich noch nie zuvor so grob angepackt, ständig tat sie mir weh, schubste mich, damit ich schneller lief, und zerrte mich schließlich in einen Raum, der kaum größer war als unser teuer möbliertes Kaminzimmer.

    Als Tochter eines reichen Unternehmers und seiner erfolgreichen Gattin, einer angesehenen Anwältin, genoss ich bisher die Vorzüge eines privilegierten Lebens, dessen einzige Nachteile Einsamkeit und Langeweile hießen, jedenfalls dachte ich das, bis plötzlich die Todesangst Einzug hielt. In diesem Moment glaubte ich, die Mafia wäre in unser Haus eingedrungen. Keine Ahnung, wie ich auf diesen Gedanken kam. Vielleicht hatte ich bis dato einfach zu viele Thriller gelesen.

    Im Schutzraum befanden sich Regale voller haltbarer Lebensmittel, Decken, Batterien und Medikamenten, außerdem gab es eine angrenzende Nasszelle, ein Gemeinschaftsschlafzimmer, eine Küchenzeile und einen Funkraum. Dad hatte Hannah einmal angeordnet, Teddy und mich hier herumzuführen, damit uns dieser Raum im Ernstfall nicht fremd war. Ich hasste diesen Bunker schon damals. Er erschien mir wie ein Grab, so auch heute.

    Seine dicken Wände verhinderten nicht, dass wir über uns die Männer hörten. Und immer wieder knallte es. Keine Ahnung, ob es nur aufgetretene Türen waren oder die Schüsse aus Gewehren. Keine Ahnung! Ich weiß nur noch, wie ich am ganzen Körper zitterte und anfing zu weinen. Erst da drückte mich Hannah schützend an sich.

    Wir kauerten uns in eine Ecke und lauschten dem Lärmen der Eindringlinge. Es erschien mir wie eine Ewigkeit. Ständig tauchte Teddy vor meinem inneren Auge auf, wie er zur Haustür reinkam und in einem Flur stand, in dem alles durcheinander lag, weil dort eine Horde wildgewordener Vandalen randaliert hatte... in dem es so aussah, als hätte ein Tornado gewütet. Und wenn Teddy nach mir rufen würde, könnte ich ihm nicht antworten, dann würde er anfangen zu weinen und vielleicht zu Mrs. Daphne, unserer Nachbarin, gehen, die ihm aber auch nicht erklären könnte, was passiert war.

    Vielleicht sprengen sie unser Haus in die Luft? Oder vielleicht dringen sie zu uns vor und bringen uns um?, dachte ich voller Sorge.

    Irgendwann wimmerte ich: »Was ist hier los? Hannah... bitte sag mir, was hier los ist!«

    Sie erklärte die Katastrophe mit vier Worten: »Ich bin illegal hier, Ella.« Dann küsste sie meine Haare und weinte auch.

    Ich liebte Hannah. Sie war mir Mutter und beste Freundin, die einzige Freundin. Seit vier Jahren schon. Als ich dreizehn Jahre alt war, stellte sie sich meiner Mutter vor, die unbedingt eine neue Nanny für Teddy und mich brauchte, da die vorherige aufgrund einer schweren Erkrankung überraschend gekündigt hatte.

    Mum hatte Hannah schließlich eingestellt, nachdem sie den Gärtner mit herabgelassener Hose neben mir liegen sah - bewusstlos und mit einer Fleischwunde unter seinen Schulterblättern, die ihre furchtlose Angestellte ihm zugefügt hatte. Meine Nanny sollte sich innerhalb einer Woche beweisen, und das hatte sie geschafft. Laut Hannah wusste Mum von Anfang an, dass sie illegal im Land lebte, doch ich fand das erst heraus, als das Sondereinsatzkommando unser Haus stürmte. Oder war es doch die Mafia?

    Ich war Hannah nicht böse, wie sollte ich auch?! Schließlich konnte sie ja nichts dafür, dass einige Politiker dieses Landes durchdrehten und elf Millionen Migranten aus dem Land sortieren wollten. Ich hätte niemals gedacht, dass dieser Ernst so nahe und uns unmittelbar berühren könnte, doch die Realität knallt manchmal wie eine Ohrfeige.

    Minutenlang lauschten wir, horchten beinahe atemlos den Geräuschen über unseren Köpfen; dem Hin- und Hergepolter und den tiefen, dumpfen Stimmen.

    Allmählich beruhigten wir uns. Über uns wurde es leiser. Ich wagte erst wieder zu sprechen, als ich vermutete, dass sie das Haus verlassen hatten.

    »Was sollen wir jetzt tun, Hannah?«, fragte ich ängstlich, doch sie schüttelte bloß den Kopf.

    »Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht«, wiederholte sie und starrte in die Luft. Ihre braunen Augen erschienen beinahe schwarz in dem schummrigen Licht einer Taschenlampe, die vor unseren Füßen lag. Ihre Schürze roch nach dem Schweinebraten im Blätterteig von heute Mittag. Ich sog die Aromen in mich ein, die einen Teil meines Verstandes in wohlige Gefühle hüllten.

    Derweil versuchte ich, mir einen Plan auszudenken, aber auf die Schnelle fiel mir keiner ein.

    Hannah konnte nicht bleiben, sie musste fliehen, um nicht in einem der grausigen Internierungslager zu landen. Von dort, das ahnte ich, würde sie nicht mehr entkommen, müsste Drecksarbeit verrichten und würde wahrscheinlich auch an einer der vielen Epidemien sterben, die ständig in den Lagern grassierten. Ich wollte sie auf keinen Fall verlieren, ich hatte doch nur sie - und Teddy.

    Selbst Schuld, hatte mein Dad immer gesagt. Ich sei selbst für meine Einsamkeit verantwortlich, wenn ich mich derart hinter Büchern, Fantasien und meinem Interesse am Weltall und den Prophezeiungen von Nostradamus, Irlmaier und Baba Wanga verkroch. Ich verschlang den Lesestoff regelrecht. Mein Zimmer erinnerte an eine beengte Bibliothek. Und ich war stolz darauf.

    Vielleicht war ich aber auch deshalb so seltsam und verschüchtert, also ein unbeliebter Irgendjemand, der sich am liebsten in seiner Bücher-Scheinwelt verkroch, weil der Gärtner es schon ein paar Mal geschafft hatte, mich zu... mich zu... Egal. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich  sehr gut darin war, unausstehlich zu sein, um in Ruhe gelassen zu werden. Nur Hannah und Teddy ließ ich an mich heran. Sonst niemanden. Meiner Mum war das immer egal gewesen. Sie zeigte kaum Interesse an Teddy und mir. Oft genug hatte ich mich gefragt, weshalb meine Eltern überhaupt Kinder in die Welt gesetzt hatten. Selbst nachdem die Sache mit dem Gärtner ans Licht kam, war meiner Mutter egal gewesen, welch psychische Belastungen ich durchlitt.

    Wo beginnt das eigene Leben, wenn man sich verloren hat?

    Ich sollte es bald herausfinden...

    Hannah ging es in mancherlei Hinsicht genauso wie mir. Seit jeher führte sie ebenfalls ein verstecktes und eingeschränktes Leben, immer in der Angst, die Wahrheit könnte auffliegen. Und so kam es ja dann auch. Die Wahrheit flog auf und das Leben machte eine scharfe Wendung.

    Sie versuchte mich zu beruhigen, doch nichts nützte. Richtig schlimm wurde es, als ich von oben Teddys helle, durchdringende Stimme hörte. Wie er meinen Namen rief, voller Hoffnung, dass ich ihm sicher gleich antworten würde, doch Hannah hielt mir den Mund zu.

    »Die sind noch da«, fauchte sie mich an, wonach ich sie für paranoid hielt.

    Aber Hannah hatte recht. Die Fremden waren noch da! Teddy schrie plötzlich schrill auf, wieder rumpelte es über unseren Köpfen. Die anschließende Stille war für mich keine Sekunde länger zu ertragen. Ich entriss mich aus Hannahs umklammerndem Griff und steuerte die Treppe an. Hannah rannte mir nach, doch ich war schneller. Ich eilte die Treppenstufen hinauf und schrie währenddessen ununterbrochen nach Teddy.

    Auf einmal donnerte ein mächtiger Knall durch das Gebäude, ein Schlag, der mich auf den schmalen Stufen umwarf und in Hannahs Arme katapultierte. Wir fielen beide, kugelten abwärts, zurück in ein bebendes Zimmer, das sich allmählich mit Staub füllte. Starke Schmerzen durchzogen meinen Körper. Ich hatte mir die Wirbelsäule, sämtliche Rippen und Knochen geprellt, und Hannah ging es nicht anders.

    Nachdem wir auf dem Boden aufgeschlagen waren, husteten wir eine Luft aus unseren Lungen, die zu dicht geworden war. Das Licht der Taschenlampe durchstach die Rauchschwaden wie ein seichtes Schwert, und erst am Geruch konnte ich feststellen, dass es sich bloß um viel Steinstaub, aber nicht um Qualm handelte - noch nicht.

    Ich konnte nicht fassen, was eben geschehen war!

    Hatten die Eindringlinge unser Haus gesprengt, weil sie meinen Eltern einen Verrat an der Regierung unterstellten?

    Oder hatte sich Hannah geirrt und es war doch eine kriminelle Bande gewesen, weil mein Vater gelegentlich gefährliche Spielchen trieb. Ich dachte an seine ›Freunde‹ aus dem großen Casino in der Stadtmitte. Ich dachte an seine Kokainsucht, ohne die er sein Arbeitspensum niemals hätte erfüllen können. Mein Vater, ein geschniegelter Unternehmer... Er war doch vielmehr ein Verbrecher. Mir schwante Übles.

    Teddy... Mir kam sein Gesicht in den Sinn, sein furchterfülltes, kleines Gesicht. Er war noch so klein, so zierlich...

    Als ich mich erheben wollte, um zur Taschenlampe zu laufen, schrie ich vor Schmerzen. Mein rechter Knöchel und mein Knie konnten meinen Körper kaum mehr tragen. Mein rechtes Bein glich einer geborstenen Stelze. Hannah rappelte sich auf und kam mir zu Hilfe. Sie holte Verbandsmaterial aus einem Regalfach und bastelte mir aus den Führungsstreben einer kleinen Schublade eine Schiene, mit der sie mein Knie stabilisierte. Es hätte meine Kniescheibe erwischt, meinte sie. Die Schmerzen machten mich beinahe ohnmächtig, doch der Wille, bei Teddy zu sein, hielt mich bei Bewusstsein. Hannah begann anschließend, Steine wegzuschieben und murmelte nervös vor sich hin: »Wir müssen hier raus... Sofort!«

    Über meine Nase und meinen Mund hatte sie, wie bei sich selbst, ein nasses Dreieckstuch gebunden, das es uns erlaubte zu atmen. Umfangen von den wabernden Staubwolken wähnte ich mich in einem Albtraum. Ich konnte nicht begreifen, was hier stattfand, dass alles wirklich real sein sollte, dass sich mein Leben so plötzlich und so heftig ändern konnte. Es war einfach unbegreiflich.

    »Das dürfen die nicht!«, schrie ich Hannah an. »Die dürfen doch nicht einfach unser Haus in die Luft jagen! Die dürfen mir Teddy nicht wegnehmen!«

    »Es tut mir leid«, antwortete Hannah bloß. Sie war kreidebleich und gab sich selbst die Schuld für unsere Lage.

    Ich konnte mich nicht beruhigen, das wollte ich auch gar nicht. Ich wäre so gerne bei Teddy gewesen, doch ich befand mich an einem Wendepunkt, der mich zwang, meine Situation zu akzeptieren, mit allem, was damit zusammenhing: Die Trennung von meinem Bruder und mein eigener Tod, der sicher nicht mehr lange auf sich warten ließ. Und wo sich meine Eltern derzeit aufhielten, würde ich sicher auch nicht mehr herausfinden können.

    Hannah musste bald aufgeben. Die Brocken, die uns den Weg in die Freiheit versperrten, waren zu schwer. Wir ergaben uns unserem Schicksal und hofften dennoch auf ein Wunder.

    Je weiter die Zeit voranschritt und Minuten wie Stunden zäh an uns vorübergingen, begann ich mich damit abzufinden, hier sterben zu müssen. Erst jetzt realisierte ich, dass ich mein bisher erlebtes, freudloses Dasein ohnehin nicht fortführen wollte. Ich hatte mich aufgegeben, so wie sich mein Land seinem Schicksal gefügt hatte.

    Tom

    »Es tut mir leid, ich kann nichts mehr für dich tun. Du weißt ja, die Zeiten sind hart. Für jeden, Tom, für jeden. Ich werde außer dir noch andere entlassen müssen. Import und Export kollabieren, wenn die Handelspolitik keine Kehrtwende einschlägt.«

    Ich starrte entgeistert in die alte Visage meines blassen Vorgesetzten, der nervös über seinen Vollbart strich und sich die dritte Zigarette anzündete.

    Ich fand keine guten Argumente mehr.

    »A-aber...«

    Der Abteilungsleiter, der für mich ab sofort ein Feind und kein Freund mehr war, sog gierig an seinem Glimmstängel, starrte aus dem verdreckten Fabrikfenster auf ein kärgliches Grasland und erklärte: »Tom, ich mag dich. Wirklich. Ich hätte dir gerne etwas anderes gesagt, aber ich kann doch nichts dafür. Ich bekomme meine Befehle von ganz oben... von ganz oben, verstehst du? Du wirst was anderes finden.«

    Er besaß nicht einmal den Schneid, mir bei

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