Seelenteil: Dunkles Geheimnis
Von H.J. White
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Über dieses E-Book
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Als Hannah Fromm von ihrem Verlobten betrogen wird, gerät ihr Leben aus den Fugen. Der Neuanfang fällt ihr, trotz der Unterstützung ihrer besten Freundin, sehr schwer. Neue Wohnung, neue Arbeit in einer anderen Abteilung der Kanzlei.
Überraschend erhält sie von ihrem neuen Chef einen speziellen Auftrag. Der unter Mordverdacht stehende Adam Strecker wird aus der Untersuchungshaft entlassen und sie soll ihn abholen.
Sobald sie ihm gegenübersteht, gerät sie in einen Strudel aus sehnsüchtigem Verlangen und Angst. Es ist nicht die erste Begegnung mit dem gut aussehenden, geheimnisvollen Mann. Immer stärker in dessen Bann gezogen entdeckt sie das dunkle Geheimnis ihres Schicksals.
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Buchvorschau
Seelenteil - H.J. White
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
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Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Für meinen Sohn. Du inspirierst mich jeden Tag.
Ohne Dich würde es H.J.White und Seelenteil nicht geben.
Vielen Dank an meine Testleser!
Den lieben Autorenkollegen:
Aileana Blair, Monika Schoppenhorst und René Deter
sowie
Bianka und Regina
Ihr seid die Besten.
Kapitel 1
Der Beginn
Vatikan, Anfang September 2012
Ein modriger Geruch steigt in die empfindliche Nase von Benedikt Pius. Diese alten, mit unzähligen Spinnweben verhangenen Kellergewölbe waren und sind bis heute nicht sein Fall. Angewidert rümpft er die Nase. Besorgt blickt er auf seine hellen neuen Schuhe. Der Lehmboden unter seinen Füßen wird dem empfindlichen Material bestimmt nicht gut tun. Weshalb um alles in der Welt wollte ihn sein Amtsvorgänger hier treffen? Langsam zweifelt er am Verstand von Papst Johannes und begrüßt dessen Rücktritt umso mehr. Auch wenn er es selbst noch immer nicht fassen kann, dass er durch das Konklave zum Papst und damit zum Nachfolger von Johannes gewählt wurde.
Etwas weiter hinten flackert ein schwaches Licht auf. Benedikt Pius beschleunigt seine Schritte. Sein Ziel ist es, so schnell wie möglich hier wieder raus, nach oben an die Erdoberfläche und zu den Lebenden zu kommen. Als er die unscheinbare Leuchtquelle erreicht, erkennt er in deren Halbschatten die leicht zusammengesunken wirkende Gestalt von Johannes. Je näher er ihm kommt, desto mehr wirkt sein Vorgänger wie ein gebrochener alter Mann, obwohl die beiden Männer nur wenige Jahre trennen.
„Eure Heiligkeit", spricht Benedikt Pius den emeritierten Papst an.
Johannes, der die Anwesenheit seines Nachfolgers nicht bemerkt hat, zuckt leicht zusammen und sieht verschreckt auf.
„Ah, Benedikt Pius. Alter Freund."
Nun lächelt Johannes und breitet seine Arme zur Begrüßung aus.
„Bitte verzeih mir die Umstände, die ich dir bereite."
Johannes muss husten.
„Allerdings gibt es Wichtiges, dass ich dir noch zusagen habe."
Benedikt Pius zieht seine Stirn in Falten. Er versteht nicht, worauf Johannes hinaus will. Hatten sie sich doch bereits am Vortag in den privaten, weitaus gemütlicheren Räumen von Johannes bezüglich der Amtsübergabe getroffen und mehrere Stunden über alle geschäftlichen und glaubenstechnischen Belange des Christentums gesprochen.
Johannes lächelt schwach. Ihm ist klar das Benedikt Pius bis jetzt noch kein Wort versteht. Ein grauenhafter kalter Schauder durchzieht den Körper des emeritierten Heiligen Vaters. Nur noch wenige Minuten und er wird von der Bürde erlöst sein. Eine Vorfreude kommt in ihm auf.
„Benedikt Pius, was ich dir jetzt sage, ist nicht für die Welt bestimmt. Nur einige sind eingeweiht und noch weniger sind bereit zu glauben. Jedoch ist bedingungsloser Glaube alles, was die Welt noch hat, damit sie gerettet werden kann. Sollten wir am Ende scheitern, wird Satan selbst mitsamt seinen bösartigen Kreaturen auf die Welt kommen und diese vernichten." Johannes` Stimme bebt und mit zittrigen Händen übergibt er Benedikt Pius ein Buch.
Das in Krokodilleder eingebundene Werk ist schwer und bereits das Aussehen verrät, dass es sehr alt sein muss. Vielleicht zählt es sogar zu den ersten schriftlichen Aufzeichnungen der Menschheit. Den Einband zieren heidnische Symbole. Obwohl er diese Jahrzehnte lang studiert hat, hat Benedikt Pius viele von diesen hier noch nie gesehen. Vorsichtig, vor allem jedoch fasziniert, fährt er mit seinen Fingern voller Ehrfurcht darüber. Eine solche Faszination hat er noch nie in seinem Leben gespürt. Johannes sieht ihn mit ernster Miene an, er kennt die Anziehungskraft dieser alten Schriften nur zu gut.
„Vorsicht mein alter Freund. Zu viel Interesse und Begeisterung für die gefährlichen, falschen Dinge und das Dunkel in der Seele gewinnt die Oberhand."
Benedikt Pius sieht Johannes argwöhnisch an. Was erlaubt sich dieser alte Greis? Er ist durchaus selbst in der Lage zu entscheiden, mit welcher Intensität er sich für etwas interessiert. Dennoch antwortet er auf den Ratschlag seines Vorgängers nicht.
Johannes räuspert sich und versucht das aufkommende schlechte Gefühl abzuschütteln. Benedikt Pius ist das neue Oberhaupt der Kirche, Bischof von Rom und Stellvertreter Jesu Christi hier auf Erden. Daher vertraut er darauf, dass Gott seinem Amtsnachfolger bei dieser schweren Bürde beistehen wird.
„Eine Liste mit den Namen der wenigen Auserwählten, die den Kampf gegen die vorherbestimmte Endgültigkeit aufnehmen, ist auf der letzten Seite des Buches vermerkt."
Benedikt Pius blättert zum Ende. Es befinden sich darin etwa einhundert Namen aus der ganzen Welt. Ein Drittel ist bereits durchgestrichen. Benedikt Pius sieht mit ernster Miene und in Falten gezogener Stirn auf. Johannes lächelt, ein trauriges Lächeln.
„Alter Freund, dieser Kampf hat bereits vielen guten, aufrichtigen Männern und Frauen, das Leben gekostet."
Kurz verweilt Johannes in den traurigen Erinnerungen, an jene, deren Namen von der Welt schon längst vergessen wurden.
„Neben den Prophezeiungen beinhaltet das Buch auch mehrere Beschreibungen von den Kreaturen der Hölle, die Satan bei der Vernichtung der Welt helfen werden. Allen voran die Dämonen."
Benedikt Pius hört und versteht Johannes Worte, doch kann er sie nicht glauben. Dämonen, Kreaturen der Hölle. Satan. Warum fühlt sich Benedikt Pius gerade, als wäre er in einem Fantasyroman gefangen?
„Einige der Dämonen sind gefährlicher als die anderen", setzt Johannes seine Erläuterungen fort. Seine Augen ruhen aufmerksam auf Benedikt Pius.
Er sieht deutlich, dass sich der Verstand seines Freundes noch weigert, das Unbegreifliche zu erfassen. Jedoch ist er überzeugt davon, dass es nicht mehr lange dauern wird.
„Die Schlimmsten unter den gottlosen Wesen sind die Esser. Diese teuflische Brut tötet ihre Opfer nicht nur auf bestialische Weise, sondern sie nährt sich zusätzlich von deren unsterblichen Seelen. Dadurch stärken sie ihre Lebensessenz und werden fast unsterblich. Sie wandeln seit Jahrhunderten auf der Erde. Verborgen vor den Menschen."
Johannes nimmt dem staunenden Benedikt Pius das Buch aus der Hand und schlägt die Seite über die Esser auf. Die Zeichnung eines gut aussehenden Mannes blickt ihm entgegen und die tiefschwarzen Augen lassen ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Zur gleichen Zeit in Deutschland
Seit Anbeginn der Zeit existiert Gut und Böse. Während das Eine Helligkeit und Liebe bedeutet, steht das Andere für Dunkelheit und Hass. Jede Kreatur auf diesem Planeten hat die Wahl, sich für das Eine oder Andere zu entscheiden. Allerdings ist für einige die Dunkelheit und Zerstörung bereits seit Beginn ihrer Existenz vorherbestimmt.
Der Wind trägt ihn schnell und lautlos durch die hereingebrochene Nacht, freudig seinem Auftrag entgegen. Seine körperliche Gestalt aufgegeben, wird er eins mit dem Element, das in seiner vollen Macht das schlimmste Ausmaß an Zerstörung über die Welt bringen kann. Eine Welt, welche Menschen besiedeln wie Ungeziefer. Doch dies ist nur eine Frage der Zeit, die unaufhaltsam gegen sie arbeitet. Bereits in Bälde wird sich die Prophezeiung erfüllen und die Menschheit zu den Sklaven der wahren Herrscher über Leben und Tod machen.
Dieser Gedanke lässt sein Lachen ertönen, das in seiner körperlosen Gestalt einem grollenden Donner gleicht. Er materialisiert sich in einer abgeschiedenen, dunklen Gasse, nicht unweit eines Vergnügungsortes der Menschen entfernt. Ein widerlicher Geruch nach guter Launeund Ausgelassenheit steigt ihm in die Nase. Die Stimmen der Partygäste mischen sich mit lauter Musik. Seine Gemütsverfassung verfinstert sich, wie immer wenn er unter den Menschen wandelt.
Er holt das Bild aus seiner Jackentasche hervor, prägt sich das Gesicht der Frau darauf ein. Dunkelbraune Haare und dunkle Augen. Vorfreude steigt in ihm auf. Für eine Sekunde überzieht ein grausames Schmunzeln sein aschfahles Gesicht.
Schnell steckt er das Foto wieder ein und macht sich auf den Weg. Die Menschen werden sofort auf ihn aufmerksam. Er spürt die anzüglichen Blicke der Frauen. Sein Aussehen wirkt auf die Mehrheit von ihnen anziehend und vor allem erregend. Ein sehr nuttiges Weibsstück wartet nicht mal ab, bis er das Etablissement betreten hat. Was ihm allerdings nur recht ist, denn es wird Zeit für neue Energie.
Der Geruch nach ihrem billigen Parfüm und Zigaretten weckt die Mordlust in ihm.
„Hey Herzchen, Lust auf eine heiße Nummer?", lasziv leckt sie sich über die viel zu stark geschminkten Lippen. Seine schwarzen Augen mustern ihren spärlich bekleideten Körper und bleiben an ihrem außerordentlich großen Busen hängen. Schließlich nickt er ihr zu, ihm in die dunkle Gasse zu folgen.
Aufgeregt tapst das Weib hinter ihm her, wie ein trotteliger Hund seinem Herren. Er lockt sie in die dunkelste Ecke. Noch bevor sie weiß wie ihr geschieht, drückt er ihren Körper grob gegen die sanierungsbedürftige Mauer des Fabrikgebäudes. Sie stöhnt vor Erregung, während sie ihm lustvoll die Lippen entgegen spitzt. Ihre Wangen sind vor Begierde gerötet und eine große Hitze geht von ihr aus. Eine Hitze, die seinen Appetit zusätzlich anregt.
Er legt seine Hände um ihren schlanken Hals, während sein restlicher Körper die Frau mühelos fixiert. Willig spreizt sie ihre Beine und drückt ihm ihren Unterleib entgegen, doch hat er Besseres mit ihr im Sinn. Seine Hand fährt langsam ihren Hals hinauf. Sie keucht erregt unter seiner Berührung. Sie ahnt nicht, dass es ihre letzten Momente auf dieser Welt sind. Er wird diese gleich von ihrer unwürdigen Existenz befreien.
Erst als er seine Hand problemlos über ihren Mund und Nase legt, spürt sie erstmals die Gefahr, in der sie schwebt. Er kostet diesen Augenblick voll aus: Ihre Augen weiten sich und füllen sich mit Tränen. Ihr Körper beginnt unter seinem vor Todesangst zu zittern. Sein dunkles Lachen erklingt in ihren Ohren, bevor er ihr mit der einen Hand die Kehle und mit der anderen Mund und Nase zerquetscht.
Der Moment, in dem sich ihr Körper im Todeskampf unter seinem windet, und er spürt, wie ihre Seele den Leib zu verlassen beginnt, erregt ihn stärker, als er angenommen hatte. Er legt seine Hände auf ihr leichenblasses Gesicht und nimmt die Energie ihrer Seele auf. Es wird seinen Hunger für ein Weilchen stillen. Er wird sich heute Nacht noch eine Seele suchen müssen, um über die nächsten Tage zu kommen. Achtlos wirft er ihren leblosen Körper in die Gosse und schlendert gelassen zurück, um seinen Auftrag zu erledigen.
Nach einer Weile entdeckt er das sich eingeprägte Gesicht im Club. Es trennen ihn zwar mindestens hundert Meter von ihr, doch mit seinen scharfen Augen, kann er sie deutlich in der Menge erkennen. Wie ein Raubtier nimmt er die Fährte seiner Beute auf, umkreist es.
Auf seinem Weg kommt er an einer kleinen Gruppe Frauen vorbei, die es sich an der Bar gemütlich gemacht haben. Vom Alkohol angeheitert kichern sie kindisch in die Runde. Angewidert rümpft er die Nase. Wie er diese dümmlichen Tussis verabscheut! Aus dem Augenwinkel heraus erregt eine eher unscheinbare Gestalt seine Aufmerksamkeit. Sie steht mehr neben der Gruppe, als zu ihr zu gehören.
Ihr Gesichtsausdruck wirkt müde und traurig. Der Geruch, der ihn trifft, als er sich unbewusst auf sie konzentriert, wirft ihn fast zu Boden. Intensiv und fruchtig süß. Sofort wächst sein Appetit nach ihr ins Unermessliche. Am liebsten würde er alle Vorsicht vergessen und sie sich hier auf der Stelle nehmen.
Jedoch bemerkt er in der nächsten Sekunde, dass sein Auftrag gerade dabei ist, ihm durch die Lappen zu gehen. Lautlos knurrt er wütend vor sich hin und reißt sich mit aller Macht von dem betörenden Geruch der Frau los. Sie wird er sich später holen.
Kapitel 2
Betrug
Gleicher Abend, Anfang September 2012
Dicht an dicht drängen sich die Leute heute im Scalua. Für einen Donnerstagabend ist ziemlich viel los. Die Luft ist unerträglich heiß und stickig. Wie konnte ich mich von Tamara nur dazu überreden lassen, heute herzukommen. Bereits jetzt weiß ich, dass ich den Tag morgen vergessen kann, da ich unausgeschlafen und unkonzentriert sein werde. Über mich selbst ärgernd, blicke ich zu Tamara, die sich gerade angeregt mit einer ihrer Bekannten unterhält. Sie braucht mich überhaupt nicht. Wütend grummle ich leise vor mich hin und nehme einen Schluck aus meinem Glas Cola.
Wenn ich zuhause geblieben wäre, hätte ich den restlichen Abend vielleicht mit Rainer verbringen können. Eine Zeit der Zweisamkeit, die wir beide dringend benötigen. Stattdessen habe ich mich hierher schleifen lassen.
In meiner Handtasche suche ich nach meinem Handy. Mein Verlobter ist sicherlich schon daheim, er wollte mir eine SMS schreiben. Gespannt sehe ich aufs Display, keine Mitteilung erhalten. Enttäuschung drückt mir die Luft ab. Die Uhr zeigt bereits fünf Minuten nach Mitternacht an. Schon wieder Überstunden. So lange. Traurig stöhne ich auf. Er schiebt seit Wochen Überstunden. Wenn ich nicht als seine Sekretärin arbeiten würde, würde ich ihn wahrscheinlich tagelang nicht zu Gesicht bekommen. Ich hoffe inständig, dass diese komplizierte Firmenübernahme bald abgeschlossen ist. Ich vermisse meinen Rainer. Seit Tagen lässt er seine miese Laune an mir aus. Auch heute wieder, bevor ich das Büro verlassen habe.
Mein Herz schmerzt, wenn ich an seine Worte denke. „Hannah verschwinde einfach." Dabei habe ich ihm doch nur meine Hilfe angeboten, doch selbst die nimmt er in diesen Tagen nicht mehr an. Er stößt mich bei jeder Gelegenheit weg. Unweigerlich steigen mir Tränen in die Augen.
„Süße, alles in Ordnung?, wendet sich Tamara zu mir und nimmt mich in den Arm. Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie ihr Gespräch unterbrochen hat. Fest beiße ich mir auf die Lippen und schlucke die Hilflosigkeit hinunter. „Ach, komm schon, lass dich von Rainer nicht runter ziehen. Der kriegt sich schon wieder ein. Wirst schon sehen
, versucht sie mich aufzubauen, obwohl sie ihn nicht leiden kann. Es vergeht keine Woche, in der sie mir sagt, dass ich jemanden Besseres verdient habe. Kurz lehne ich meinen Kopf an ihre Schulter an. Tröstend streicht sie mir über den Rücken. „Geht´s wieder?"
Ich nicke und versuche zu lächeln. Sie nimmt ihr Cocktailglas zur Hand und stößt mit mir an. Dann wird ihre Aufmerksamkeit wieder von den anderen Frauen beansprucht. Ich ziehe mich etwas weiter in die Ecke zurück, um mit meinen trüben Gedanken allein zu sein. Mit leerem Blick starre ich vor mich hin und ergebe mich meiner Traurigkeit.
Plötzlich überfällt mich eine Gänsehaut, ein unerklärlich starkes Unbehagen. Einen kurzen Augenblick lang hat mich die nackte Angst umfangen. Aus heiterem Himmel. Ohne ersichtlichen Grund. Ich ringe nach Luft, sehe mich nervös um. Doch alles ist wie wenige Minuten zuvor. Tamara redet mit den Frauen und die restlichen Leute tanzen dicht gedrängt durch die Nacht.
Sobald mich dieses merkwürdige Gefühl wieder loslässt, beschließe ich nach Hause zu gehen. Der Tag war lang und meine Nerven sind offensichtlich überspannt. Ich nehme meine Jacke und Handtasche vom Tresen und stupse Tamara auf die Schulter. Sie dreht sich überrascht zu mir um.
„Ich gehe. Wir telefonieren." Eilig mache ich mich auf den Heimweg.
Zwanzig Minuten später schließe ich die Tür zu unserer kleinen Altbauwohnung im Zentrum der Stadt auf, lediglich fünf Minuten von der Kanzlei entfernt, in der wir beide arbeiten. Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung im Büro. Ich lief Rainer, voll bepackt mit alten Akten, an seinem ersten Tag als Rechtsreferendar, direkt in die Arme. Er fing mich auf, und als ich in seine grauen Augen blickte, war es um mich geschehen. Das ist drei Jahre her. Mit Schmetterlingen im Bauch und wild klopfendem Herzen betrete ich unsere Wohnung.
„Rainer, Schatz?", rufe ich laut, ohne eine Antwort zu erhalten.
Seine Aktentasche lehnt wie gewohnt neben der Couch, daher muss er da sein. Ich gehe weiter und sehe, dass im Schlafzimmer Licht brennt. Ob er vielleicht schon schläft?
Ich kann mir ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. Ich liebe es, ihm beim Schlafen zuzusehen. Allerdings