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Dürer und die Fratze des Teufels
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Dürer und die Fratze des Teufels
eBook216 Seiten2 Stunden

Dürer und die Fratze des Teufels

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Über dieses E-Book

Das mittelalterliche Nürnberg ist eine schillernde Stadt, die Künstler, Poeten, Kaufl eute und Handwerksmeister jeglicher Couleur ihr Zuhause nennen. Doch abseits der belebten Straßen, in düsteren Gassen und im Schutz der Nacht zeigt sie ihr anderes Gesicht. Zu Großmut und Stolz gesellen sich Gier und Eifersucht, die den friedlichen Alltag ins Wanken geraten lassen. Und im tiefsten Schatten lauert bereits der Tod.
Begleiten Sie in 20 aufregenden Geschichten solch außerordentliche Persönlichkeiten wie Albrecht Dürer, Caritas Pirckheimer oder Philipp Melanchthon, die im Zwielicht Nürnbergs in menschliche Abgründe sehen.
Tauchen Sie in eine andere Zeit ein, in eine andere Welt!
Wir wünschen spannendes Lesevergnügen!

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Okt. 2019
ISBN9783954287932
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    Buchvorschau

    Dürer und die Fratze des Teufels - Edith Anna Polkehn

    Viten

    Ein Mann von Welt

    (Martin Behaim)

    BRIGITTE LAMBERTS

    »Geh weg! Lass mich in Ruhe!«

    Der Mann schlägt wild um sich, doch die glühenden Augen kommen immer näher. Sein Körper zittert. Schweiß rinnt ihm über die Stirn. Er bäumt sich auf. „Was wollt ihr von mir? Fort mit euch!«

    »Senhor Behaim, ruhig, ganz ruhig!« Der Klosterbruder greift nach den Händen des Fieberkranken und hält sie fest.

    »Nein! Nein! Ihr holt mich nicht!« Der Sterbenskranke windet sich.

    »Alles wird gut«, wiederholt die besänftigende Stimme von Bruder Antonius, aber es nutzt nichts. Martin Behaim befreit seine Hände, krallt die Finger in die Kutte des Mönchs und starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

    Die glühenden Augen werden kleiner und stechender. Um sie herum bildet sich eine grau-grüne Fratze: tiefe Narben, kahler Kopf und fehlende Ohrmuscheln. Der schiefe Mund öffnet sich, gurgelnde Geräusche sind zu hören. Der Dämon wächst. Kräftige Hände drücken den Fiebernden ins Laken. Die glühenden Augen explodieren direkt vor Behaims Gesicht. Rote und gelbe Lichtblitze dringen in seinen Kopf. Das grelle Licht löst sich im schwarzen Nichts auf.

    »Bruder Stephanus, herbei, schnell!«, ruft Antonius dem anderen Klosterbruder zu. »Das Fieber muss runter!«

    Die letzten Sonnenstrahlen des Tages legen sich über Lissabon. Nur wenig Tageslicht gelangt durch die kleinen Fenster in den Krankensaal des Hospitals der Heiligen Bartholomäus-Bruderschaft. An die fünfzig Betten stehen nebeneinander, einige sind durch meterhohe Vorhänge voneinander abgetrennt. Es sind die Betten derer, die eine aufgehende Sonne nicht mehr erleben werden. Bruder Stephanus stürzt herbei und schiebt den Vorhang beiseite, zwei große, nasskalte Laken hält er in den Händen. Die beiden Klosterbrüder wickeln Martin Behaim vorsichtig darin ein.

    »Jetzt gilt es abzuwarten und zu hoffen«, bemerkt Stephanus. Sein Ordensbruder Antonius nickt. »Viel zu spät hat die junge Frau ihn zu uns gebracht.«

    Stephanus hebt die Schultern. »Sie musste erst das Geld aufbringen.«

    »Verstehst du das? Er wurde von König João II. zum Ritter geschlagen, soll ein erfolgreicher Tuchhändler gewesen sein, der es bis Afrika geschafft hat und bei Hofe ein und aus gegangen ist.« Antonius schüttelt den Kopf und betrachtet das glühende Gesicht des 47-jährigen Mannes.

    »Ein neuer König, neue Günstlinge, so läuft das«, antwortet Stephanus. »Oder er ist in Ungnade gefallen. Wie ist es ihm denn als Deutschen überhaupt gelungen, an den portugiesischen Hof zu gelangen?« Prüfend legt er den Handrücken auf die Stirn von Behaim.

    »Er soll eine Adelige geheiratet haben, aber sie hat ihn wegen eines anderen verlassen und dann begann der Abstieg. Wie oft schon haben wir das erlebt. Nicht alle, die zu uns ins Hospital kommen, waren ihr Leben lang mittellos oder sind es jetzt.«

    »Das Fieber lässt etwas nach«, bemerkt Stephanus, dann fasst er nach den Bettlaken. »Die sind ganz warm. Wir brauchen neue Tücher. Er ist immer noch weggetreten.«

    Martin Behaims Stirn legt sich in Falten, er seufzt, während er im Traum seiner Frau begegnet.

    »Joana, was gibt er dir, was ich dir nicht gegeben habe?«

    »Zeit«, lautet ihre kurze Antwort.

    »Ich war dir immer ein guter Ehemann«, stößt er hervor und greift nach ihr.

    Sie weicht zurück. »Nein, das warst du nicht!«, faucht sie. Ihre dunklen Augen funkeln hasserfüllt.

    »Ich habe dir jeden Wunsch erfüllt, dich geachtet und mit Wohlstand umgeben.«

    Sie lacht auf und streicht sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du hast mich über Monate, nein, über Jahre, zurückgelassen, bist in fremde Länder aufgebrochen und dann ständig nach Nürnberg gereist.«

    »Ich musste den Nachlass meiner Mutter regeln, das weißt du doch.«

    »Dummes Geschwätz!«, zischt sie. »Es war immer deine Gier nach Ruhm, Ansehen und Reichtümern. Etwas anderes hat dich nie interessiert. Du hast mich benutzt. Durch mich hast du den Zutritt zu den höchsten Kreisen erlangt. Das war dein Ziel. Wie es mir oder unserem Sohn ging, war dir völlig egal. Jetzt ist Schluss!« Sie streckt den Finger nach ihm aus. »Verschwinde aus meinem Leben!«

    Martin Behaims Augenlider flattern. Er eilt auf sie zu, will sie festhalten, doch das Bild seiner Frau verblasst.

    Die Klosterbrüder bringen neue feuchte Laken. Stephanus überprüft die Temperatur des Kranken. »Schnell, das Fieber steigt wieder.« Sie befreien ihn von den mittlerweile trockenen, warmen Betttüchern und umhüllen ihn abermals mit einer kühlen Feuchtigkeit. Behaim lässt alles ohne Gegenwehr geschehen, lediglich eine Hand will das Leinen nicht loslassen. Nur mühsam können sie den Stoff von seinen Fingern wegzerren.

    »Du hast vorhin gesagt, er stammt aus Nürnberg?«, vergewissert sich Stephanus.

    »Ja, aus einer reichen und hochangesehenen Patrizierfamilie.«

    »Woher weißt du das?« Antonius lächelt.

    »Es heißt, er sei vor Jahren von der Westküste Afrikas als wohlhabender Mann zurückgekehrt, da war er in aller Munde und wurde als berühmter Seefahrer und Entdecker gefeiert. Danach war er längere Zeit verschwunden und fand erst vor einiger Zeit nach Lissabon zurück.«

    Hinter dem Vorhang hören die Padres aus dem Nachbarbett ein lautes Röcheln und wenden sich von dem Nürnberger Tuchhändler ab. Das unkontrollierte Zucken seiner Augenlider lässt sie ahnen, die Schreckensbilder tauchen erneut auf. Dieses Leid können sie ihm nicht nehmen.

    Die glühenden Augen sind wieder da und die Fratze. Der Dämon hält einen Globus in der Hand, gleich einer Trophäe. Sein schiefer Mund öffnet sich langsam, wie Lava kommen die Worte heraus, zähflüssig, heiß und blutrot. »Bist du bereit?« Behaim drückt sich tiefer in die Laken.

    »Was willst du von mir?«

    Die böse Macht verzieht das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Tanzt er auf einer jüdischen Hochzeit, zur Fastenzeit, das wird dem Schöpfer aber nicht gefallen haben.«

    »Ich war jung, wollte mein Leben genießen«, rechtfertigt sich Behaim. Bilder vom Kerker im Lochgefängnis schieben sich vor die Fratze. Er friert. Er sieht sich selbst, in den Händen hält er ein altes Stück Brot.

    »Ich habe dir jemanden mitgebracht«, hört er die Fratze einschmeichelnd reden. Sein jüngerer Bruder erscheint aus dem Dunkel.

    »Du Schwein, du hast uns um unser Erbe gebracht. Dafür wirst du in der Hölle schmoren, so wahr mir Gott helfe.«

    Behaim windet sich unter den kühlen Laken, will sich befreien, zerrt am Tuch. Schon hallt die gurgelnde Stimme erneut in seinen Ohren. »Astronom, Erfinder eines Navigationsinstrumentes, Entdecker anderer Kontinente! Kannst du überhaupt Latein?«

    »Nein!«, ruft Behaim. »Das habe ich nie behauptet!«

    »Nicht?« Die Fratze schüttelt theatralisch den Kopf. »Widersprochen hast du nicht, feiern und hofieren hast du dich lassen. Sag, wer bist du?«

    »Ein Tuchhändler, ein Abenteurer.«

    »Aha, hört sich schon besser an.« Er schwenkt erneut den Globus. »Der erste Globus, nicht wahr?«

    Behaim erkennt seinen »Erdapfel«, das Meer schwarz, die Kontinente in brauner Farbe gehalten. »Es mag ältere gegeben haben«, gibt er kleinlaut zu.

    »Du hast dich aber als Erfinder umjubeln lassen, als der, der den Globus erfunden hat!«

    »Künstler haben mich unterstützt«, kommt es matt von Behaim.

    »Wenn der Globus nicht mal alles ist, was von dir übrig bleibt.« Der Dämon leckt mit seiner langen, spitz zulaufenden Zunge über die wulstigen Lippen, dann ist er verschwunden. Behaim schreit, so laut er kann, doch kein Laut dringt aus seinem Mund; er ist nicht fähig, sich zu bewegen.

    Durst!

    Unbändiger, quälender Durst. Die Lippen spröde und aufgerissen, der Körper glühend heiß.

    Stephanus richtet den Kranken etwas auf, Antonius flößt ihm kühles Wasser ein. Nach einigen gierigen Zügen sinkt Behaim erschöpft zurück und schließt erneut die Augen. Er sitzt an einem Tisch, einen Krug mit frischem Bier vor sich. Wie das schmeckt! Ein kräftiger Schluck fließt durch seine Kehle. Mehr! »He, Wirt! Bring ran!« Im nächsten Moment torkelt er auf die Gasse vor dem Wirtshaus. Die Fenster sind noch hell erleuchtet, Gesang dringt nach draußen. Ihm ist kalt. Er spürt Nieselregen auf der Haut. Mit der Hand wischt er sich über das Gesicht. Die Nässe lässt das Kopfsteinpflaster unter dem Lichtschein der Laternen glänzen. Er riecht die Pegnitz, es stinkt, faulig und zugleich süßlich. In der Ferne hört er den Nachtwächter, der die Stunden ausruft und dafür sorgt, dass die Lichter brennen. Er schaut sich um. Im Halbschatten tummeln sich zwei Gestalten. Sie streiten erst, nun raufen sie. Ihre Stimmen werden kurz lauter, dann Stille. Schritte hallen durch die düstere Gasse. Im Lichtkegel bleibt jemand stehen und blickt Behaim an. »Dich kenne ich, alter Freund aus Kindertagen. Bringst Unheil mir oder Glück?«

    Hitze, glühende Hitze, Wahn und Realität. Sein Körper kämpft gegen das Fieber an. Erneut zerrt er an den Laken, bäumt sich auf. Die Bilder in seinem Kopf sind scharf und intensiv. Das Gesicht des anderen, einen Wimpernschlag lang klar zu erkennen, dann versinkt es im Farbenmeer. Da, die Streitenden, sie gehen sich wieder an die Gurgel! Behaim kneift die Augen zusammen: Der Freund bückt sich, hält einen Stein in der Hand. »Nein! Lass ab!« Eine schnelle Bewegung, ein Schlag, ein Sturz. Blitze, grässlich hell und schmerzhaft, Teufels Beifall zur schaurigen Tat. Der Kontrahenten Schreie verlieren sich, der Nachtwächter ruft die dritte Stunde aus. Behaim sieht ihn näherkommen und ahnt nichts Gutes. Groll und Grimm in dessen Gesicht. Ist das der Teufel?

    »Sieh, Behaim, sieh hin!«, spricht die Fratze. Etwas Massiges durchbricht laut die Wasseroberfläche der Pegnitz. Danach Stille in seinem Kopf, nicht auszuhaltende Stille. Im Mondlicht treibt ein Körper im Wasser, bis die Dunkelheit ihn frisst.

    »Er glüht.« Stephanus tupft mit einem feuchten Tuch die Stirn des Fiebernden ab. »Das Fieber steigt wieder.«

    Antonius seufzt: »Jetzt hilft nur noch beten.«

    »Nein, hol neue Tücher, wir schaffen das«, fordert sein Ordensbruder. Antonius eilt davon, doch er ahnt, es wird ihnen nicht gelingen. Gevatter Tod hat den Kranken schon fest im Griff.

    »Weg da, weg da!« Die glühenden Augen.

    »Lass mich!« Immer näher kommt die Fratze. Grinsend, zähnefletschend. Entsetzlicher als zuvor.

    »Was willst du noch von mir?« Er zerrt am Ärmel, Stoff reißt, der Kranke packt fest zu.

    »Au!«, schreit Stephanus.

    Antonius reicht hastig nasse Tücher an.

    Ein blutüberströmtes Gesicht. Die große klaffende Kopfwunde wie eine Schneise in einen Waldabhang geschlagen. Behaim erkennt den Kontrahenten seines Freundes und drückt sich erneut in die Laken. Bleiche Lippen rufen: »Mein Tod, nie gesühnt!« Aus dem Antlitz des Toten wächst ein zweites, die Fratze. Sie hält Behaim einen Spiegel vor. Er sieht in den schwarzen Abgrund seiner Seele.

    »Feige warst du«, zischt die Fratze, »nie hast du eine Aussage gemacht. Sag es selbst: Ich bin ein Feigling.«

    »Nein!«, schreit Behaim, »ein Blender ja, aber kein Feigling!«

    Er greift um sich, bekommt Stephanus zu fassen und reißt ihm die Kutte von der Schulter. Der Ordensbruder beugt sich zu ihm hinunter und legt sein Ohr an Behaims Mund. »Ich … ich konnte doch meinen Freund nicht verraten.« Der Fiebernde verstummt. Die Hand an Stephanus’ Arm lässt los und rutscht kraftlos ab. Seine Lippen formen Worte, die ungehört bleiben. So viel hätte er noch mitzuteilen, zu erklären, richtigzustellen.

    »Gott verzeiht«, flüstert Stephanus, den Sterbenden im Arm haltend. »Vater unser, der du bist im Himmel ...«

    Ein letztes Ausatmen.

    Sanft legt Bruder Stephanus den Toten zurück auf die Laken.

    Martin Behaim (1459 bis 1507)

    Viele Legenden, wenig historisch Verbrieftes gibt es über das Leben Martin Behaims. Das mag mit seiner Persönlichkeit zusammenhängen, die sich immer in das rechte Licht zu stellen vermochte, aber es waren auch die Geschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts und die Stadtväter Nürnbergs im 19. Jahrhundert, die Behaim zu dem gemacht haben, was er nicht war. Wer war er? Er war ein erfolgreicher Tuchhändler, ein waghalsiger Abenteurer, er kam aus einer angesehenen Patrizierfamilie und ja, er hat den »Erdapfel«, einen Globus, konstruiert, nicht der erste, aber wohl der älteste erhaltene. Er hat weder vor Kolumbus Amerika noch vor Magellan die gleichnamige Straße entdeckt. Er war weder Wissenschaftler, Astronom noch Erfinder. Er hat es bis zur Westküste Afrikas geschafft und bis in die höchsten Kreise des portugiesischen Hofes. Und er ist gefallen, sehr tief. Denn das ist verbrieft: Er ist mittellos im Hospital der Heiligen Bartholomäus-Bruderschaft in Lissabon gestorben.

    Badefreuden

    (Willibald Pirckheimer)

    URSULA SCHMID-SPREER

    »Einen Taler?«

    Agnes sah den Jungen entgeistert an. »Du spinnst.«

    »Na gut, wenn Ihr nicht wollt«, antwortete dieser frech. Er wusste genau, wen er da vor sich hatte. Wozu brauchte die Dürerin einen schwarzen Hahn?

    »Zwei Hähne, ein Taler und du schlachtest sie mir auch.«

    »Dann will ich mal nicht so sein. Heute um Mitternacht an der Fleischbrücke.«

    Agnes sah sich verstohlen um. Es schickte sich keinerlei, dass sie sich als Frau in der Nähe eines Badehauses herumtrieb. Albrecht war in seiner Malphase, da sah und hörte er nichts. Selbst Pirckheimer durfte ihn dann nicht stören. Agnes war wütend. Was war ihr zugetragen worden? Ihr Ehemann bezeichnete sie als alte Krähe. So schlecht sprach Albrecht über sie. Was wäre er denn ohne sie? Ein armer Schlucker! Sie verkaufte seine Bilder. Sie! Und oft kam er nächtelang nicht heim.

    Niemand redete darüber, aber jeder wusste es, dass sich der Pirckheimer und ihr Albrecht sehr zugetan waren.

    Schwere Schritte unterbrachen ihre Gedanken. Sie konnte sich gerade noch hinter einem Baum verstecken, als sie lautes Gelächter vernahm. Sie erkannte das Gelächter. Das war eindeutig der Pirckheimer. Das Stimmengemurmel und Gekicher von einigen anderen Männern drang an ihr Ohr.

    »Sie haben einen neuen Badejungen, hübsch anzusehen, wie man mir sagte«, hörte Agnes. Sie erhaschte den Zipfel eines Wamses, rot mit Spitze eingefasst. Die konnte nur dem Ratsherrn Vincent Beutel gehören.

    Badehaus und Jüngling; mehr vermochte sie nicht zu denken, bevor sie sich eilig auf den Heimweg machte.

    Der Bader verneigte sich ehrerbietig vor den Ratsherren. Besonders vor Willibald. Die Getränke und Speisen, die die Herren am heutigen Abend alle zu sich nahmen, füllten sein Säckel. Mit dem Erlös konnte er seine Spielschulden bezahlen. Ein falsches Lächeln zierte sein Gesicht, als er Pirckheimer einen Humpen Wein offerierte.

    »Jakob«, schrie er, »richte das Bad für die Edlen.«

    Dieser kam sofort angelaufen, dienerte eifrig und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf einen Vorhang. Er bemerkte sehr wohl, dass die Herrschaften ihn ausgiebig musterten. Er hatte das Hemd ausgezogen und den Oberkörper mit Fett eingerieben, sodass seine Muskeln glänzten.

    Wohlwollend ruhte der Blick Pirckheimers auf ihm. »Es ist nicht dein Schaden, wenn du nett zu mir bist«, flüsterte er Jakob zu. Dieser verneigte sich und lachte ihn schelmisch an.

    Pirckheimer sah sich neugierig um. Es war das erste Mal, dass er dieses Badehaus besuchte. Bisher war er immer in der Badstraße gewesen. Aber da gefiel es ihm nicht mehr. Der Ratsherr Vincent Beutel hatte ihn überredet mitzukommen. Er schwärmte in den höchsten Tönen davon. In den niedrigen Gemächern stand an dessen Ende jeweils ein Ofen. Das Besondere an den Zimmerchen waren die Vorhänge, die kleine Abteilungen abtrennten. Als er den Stoff auf die Seite schob, sah er eine Wanne und einen Schemel. Wer also ungestört sein wollte, wurde hier bestens bedient. Schnell zog er das Tuch wieder zu, denn zwei Männer zogen sich gerade aus, schauten grimmig.

    In

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