Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

BLUTNACHT: Horrorthriller
BLUTNACHT: Horrorthriller
BLUTNACHT: Horrorthriller
eBook332 Seiten4 Stunden

BLUTNACHT: Horrorthriller

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Vier junge Mädchen, verloren in einem großen, dunklen Wald.
Vier junge Mädchen, gejagt von einem urzeitlichen Monster.
Vier junge Mädchen, gefangen in einem tödlichen, uralten Opferritual. Um den nächsten Morgen zu erleben, müssen sie jeden Funken Instinkt einsetzen, der ihnen noch geblieben ist. So etwas wie Zivilisation existiert für sie nicht länger. Sie müssen genauso blutrünstig und raubtierhaft werden wie die Kreaturen, die sie jagen.
Nur eine von ihnen kann überleben. Die gerissenste des Rudels. Nur sie wird zur Braut der Blutnacht werden …
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum15. Dez. 2023
ISBN9783958357730
BLUTNACHT: Horrorthriller
Autor

Tim Curran

Tim Curran hails from Michigan’s Upper Peninsula. He is the author of the novels Skin Medicine, Hive, Dead Sea, Resurrection, Hag Night, The Devil Next Door, Long Black Coffin, Graveworm, and Biohazard. His short stories have been collected in Bone Marrow Stew and Zombie Pulp. His novellas include Fear Me, The Underdwelling, The Corpse King, Puppet Graveyard, Sow, and Worm. His short stories have appeared in such magazines as City Slab, Flesh&Blood, Book of Dark Wisdom, and Inhuman, as well as anthologies such as Flesh Feast, Shivers IV, High Seas Cthulhu, and Vile Things. Find him on the web at: www.corpseking.com

Mehr von Tim Curran lesen

Ähnlich wie BLUTNACHT

Ähnliche E-Books

Horrorfiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für BLUTNACHT

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    BLUTNACHT - Tim Curran

    Kapitel 1

    Chloe wachte in wilder Panik auf, schnappte nach Luft und kämpfte darum, sich zu befreien. Sie war gefesselt und festgebunden, in ihrem Mund steckte ein Knebel. Sie lehnte sich gegen die Fesseln auf und sagte sich, dass es ein Albtraum wäre und sie aufwachen müsse. Zwei Minuten lang glaubte sie sogar daran.

    Denn es war ein Albtraum.

    Nur, dass es real war.

    Sie öffnete den Mund, um zu schreien, schloss ihn aber genauso schnell wieder. Das würde nicht funktionieren. Wer auch immer sie hierher gebracht hatte, würde wahrscheinlich kommen, wenn er sie schreien hörte. Nein, das konnte sie nicht tun. Sie musste die Nerven bewahren, oder sie war verloren.

    Sie kämpfte wieder gegen die Fesseln an, zog daran, spannte sie, bis ihre Glieder schmerzten und Schweiß über ihr Gesicht lief. Doch sie erreichte nichts damit. In der schweren, drückenden Dunkelheit spürte sie, dass ihre Handgelenke hinter dem Rücken gefesselt waren. Jedes Mal, wenn sie versuchte, sie zu bewegen, zerrte es an ihren Fußknöcheln. Sie waren auch zusammengebunden, ein sicher verknotetes Seil verband sie mit ihren Handgelenken.

    Sie war wie ein verschnürtes Bündel.

    Und geknebelt.

    Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Vielleicht lag sie auf dem kühlen Boden eines Kellers … allerdings sah sie Licht, die Strahlen kamen durch unregelmäßige Lücken zwischen Brettern. Das war kein Keller, eher eine Hütte oder ein Schuppen. Sie versuchte zu schreien, war aber professionell geknebelt.

    Fuck, wo bin ich? Worum zur Hölle geht es hier?

    Sie kam einfach nicht darauf.

    Denk nach! Denk nach!

    Sie musste sich beruhigen und Sinn in die Situation bringen. Sie musste sich erinnern, aber ihr Kopf war mit wallendem Nebel, dick wie Baumwolle, gefüllt. Es gab nichts als die vage Andeutung einer Erinnerung, die ihr immer wieder entglitt. Der Versuch, den Sinn darin zu finden, war, wie etwas auf einer Schultafel lesen zu wollen, die sauber gewischt worden war.

    Der Schuppen knarrte.

    Chloe spannte sich an.

    Der Schuppen knarrte erneut.

    Sie atmete so schwer, dass sie befürchtete, sie könnte ersticken. Der Knebel fühlte sich noch fester an als zuvor. Er war heiß und klebte von der Feuchtigkeit ihres Atems. Sie versuchte, Schweißtropfen wegzublinzeln und schob sich auf dem Boden herum. Ihre Glieder fühlten sich taub an, ihre Muskeln schmerzten. Sie war fast sicher, dass jemand dort draußen war und sich gegen den Schuppen drückte.

    Er knarrte wieder.

    Eine Gestalt bewegte sich vor den Lücken zwischen den Brettern. Ein verstohlener Schatten schob sich vorbei, dann war da nichts mehr. Blinzelnd spähte sie in die Dunkelheit. Dort drüben, links von ihr … hatte zwischen diesen Brettern nicht vor ein paar Sekunden ein Licht hervorgeschienen? Jetzt war es wieder dunkel.

    Sie wartete.

    Hielt nach Bewegungen Ausschau.

    Sie konnte nichts weiter tun. Inzwischen wusste sie sehr gut, dass es keinen Sinn hatte, gegen die Fesseln zu kämpfen.

    Chloe verlangsamte ihre Atmung und nutzte Yoga-Übungen, um sich nach und nach zu beruhigen. Ja, das war etwas besser. Vorsichtig und wohlüberlegt fing sie an, ihre Handgelenke zu bewegen, wobei sie ihren Schweiß als Schmiermittel benutzte. Von links nach rechts, vor und zurück, arbeitete sie sich voran. Nach ein paar Minuten fühlten sich die Fesseln schon etwas lockerer an. Sie war noch weit davon entfernt, sich befreien zu können, aber zumindest schaffte sie es, Hände und Arme ein bisschen zu bewegen. Die Veränderung ihrer Körperlage brachte das Gefühl in ihre Finger zurück. Nach ein paar weiteren Minuten kribbelten sie nicht mehr.

    Mach weiter.

    Sie fing an, die Fußknöchel auf ähnliche Weise zu bewegen. Sie begann mit kurzen, langsamen Bewegungen, so wie sie es mit den Handgelenken gemacht hatte, und sie schaffte es, etwas Gefühl in sie zurückzubekommen. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie viele Stunden, wenn nicht gar Tage, es vielleicht dauern würde, bis sie sich befreien konnte, denn sonst würde sie in Panik geraten. Jemand hatte sie hierher gebracht, und sie wusste verdammt gut, dass derjenige einen Grund dafür gehabt hatte. Unter gar keinen Umständen würden sie ihr die Zeit lassen, die sie brauchte, um sich zu befreien.

    Denk nicht darüber nach.

    Konzentriere dich.

    Ja, sie musste jetzt nüchtern und pragmatisch sein. Es ging ums Überleben. Um nichts anderes. Doch während sie sich abmühte, kämpfte ihr Hirn darum, sich zu erinnern. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Yvonne. Steph. Emma. Sie waren campen gewesen. Ja! Das war es! Sie sah den Campingplatz vor sich. Das Zelt mit dem roten Dach. Die Feuerstelle. Sie wurden high und grillten Hot Dogs – dick und saftig. Gott, sie hatte solchen Hunger … und dann … und dann …

    Nichts.

    Eine fugenlose graue Mauer in ihrem Kopf.

    Hör mal.

    Ja, da war etwas. Ein regelmäßiges, gutturales Geräusch. Atmen. Es gab keinen Zweifel. Jemand war da draußen. Jemand, der tief und abgehackt atmete. Einen Augenblick lang war sie sicher, dass sie seinen Atem riechen konnte – heiß, salzig und ranzig. Der Gestank nach Fleisch, das verdorben war … nein, der Atem von jemandem, der auf Fleisch gekaut hatte, das verdorben war.

    Und er war gleich dort draußen.

    Seine körperliche Präsenz war fast erdrückend.

    Chloe versuchte, absolut still zu liegen und ruhig zu sein, doch ein tiefes, verängstigtes Stöhnen kam tief aus ihrer Kehle. Sie rührte sich. Zu ihrer Linken, dort musste der atmende Mann sein. Sie strengte die Augen an, konnte aber nichts sehen. Ein neuer Geruch erfüllte den Schuppen – etwas wie Blut und nasses Leder.

    Die Gestalt dort draußen bewegte sich.

    Sie entfernte sich von den Brettern.

    Sie sah ein einzelnes blutunterlaufenes Auge, das sie anstarrte. Es war aufgerissen, starrte mit einem wahnsinnigen Blick. Es blinzelte nicht.

    Chloe schrie.

    Die Wirkung trat sofort ein. Der atmende Mann atmete sogar noch schneller, er keuchte praktisch. Er rüttelte an dem Schuppen. Er rüttelte ihn vor und zurück, wobei er grunzte und quiekte wie ein wilder Eber. Der Schuppen geriet in Bewegung, Staub erfüllte die Lichtstrahlen, Holzsplitter rieselten herunter. Er wurde immer aufgeregter, immer rasender. Sie hörte ein feucht-saugendes Geräusch, als versuchte er, den aus seinem Mund laufenden Speichel zu kontrollieren.

    Er hörte auf, gegen den Schuppen zu atmen.

    Jetzt krallte er sich in die Bretter, als wollte er sich einen Weg hineingraben. Nach einigen verzweifelten Augenblicken, in denen es sich anfühlte, als würde Chloes Herz mitten im Rasen stehenbleiben, fing er an, zwischen den Brettern zu schnüffeln, als versuchte er, ihren Geruch aufzunehmen. Er musste sie gewittert haben, denn er verfiel wieder in diesen primitiven Wahnsinn, schlug gegen die Bretter, hämmerte und trat. In diesem Moment drehte sie fast durch, ertrank in ihrem Angstschweiß. Riesige, schmutzige, vollkommen missgebildete Finger griffen nach einem der Bretter und rissen es los.

    Und dann …

    Nichts.

    Sie sah, wie sich eine massige Gestalt hinter dem fehlenden Brett bewegte – guter Gott, sie war grotesk und struppig, das konnte doch kein Mensch sein – und dann war sie verschwunden. Sie hörte, wie sie sich zurückzog, schwere Schritte bewegten sich durch raschelnde, trockene Blätter. Dann herrschte nur noch die Stille des Waldes, Vögel zwitscherten, Insekten summten und eine leichte Brise ließ die Baumkronen rauschen.

    Chloe versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen und wartete.

    Fünf Minuten.

    Zehn.

    Immer noch nichts.

    Wer immer oder was immer dort draußen gewesen war, war fort. Sie war wieder allein, und irgendwie war das fast noch schlimmer.

    Kapitel 2

    Stephs Erinnerungen kamen zurück.

    Sie waren noch nicht ganz da, aber sie waren definitiv auf dem Weg. In ihrem Kopf sah sie viele der Dinge, die auch Chloe gesehen hatte. Sie waren Campen gewesen. Diese Idee hatte Steph gehabt. Sie hatte alle Sachen von ihrer Mitbewohnerin geliehen, das Zelt, die Kühltaschen, den Campingkocher und die Laternen. Es war das Labor-Day-Wochenende und niemand hatte Vorlesungen, also warum nicht?

    Es war auf jeden Fall viel besser, als Löcher in die Luft zu starren oder – würg – zu lernen.

    Niemand hatte etwas anderes zu tun oder musste irgendwo anders hin.

    An so viel konnte Steph sich erinnern, aber der Rest war immer noch ziemlich verschwommen. Allerdings tauchten in ihrem Kopf immer wieder verzerrte Bilder eines Gesichts auf, von dem sie meinte, dass sie es erkennen müsste. Jemand Vertrautes. Jemand Freundliches. Jemand, dem sie glaubte, vertrauen zu können.

    Fuck!

    Es verschwand immer wieder.

    Eben war es noch da, im nächsten Moment fort.

    Vielleicht solltest du dir später darüber Sorgen machen, sagte sie zu sich selbst. Das war vernünftig, aber die Erinnerungen waren dennoch wichtig. Wenn sie nur ihre Gedanken klären und sich erinnern könnte, dann würde ihre missliche Lage vielleicht einen Sinn ergeben. Vielleicht nicht das Warum, aber zumindest das Wie.

    Sie biss die Zähne zusammen.

    Es fühlte sich an, als würde sich das Seil in ihre Handgelenke graben, es brannte sich in ihre Haut. Sie versuchte, sich zu befreien, aber es hatte keinen Zweck. Ihr eigenes Gewicht war ihr Feind.

    Wie Chloe war sie geknebelt, also hatte es keinen Sinn zu rufen oder zu schreien. Außerdem würde sie das nur erschöpfen und ihr das Atmen noch mehr erschweren. Sie legte den Kopf zurück und sah nach oben. Sie war in einer Art von Brunnen oder Zisterne, ein kreisförmiger Schacht aus moosbewachsenen, bröckelnden Ziegelsteinen. So wie sie es sah, konnte es jeden Augenblick zusammenbrechen. Hoch über ihr, mindestens sechs Meter, war die Öffnung. Dort oben gab es ein Gitter oder eine Abdeckung aus Metall. Das Seil, das ihre Handgelenke so schmerzhaft fesselte, war daran festgebunden, und sie schwang daran.

    An ihrem linken Unterarm war ein dunkler Streifen.

    Blut, das aus ihrem Handgelenk geflossen und getrocknet war.

    Sie baumelte von oben herab, befand sich aber knietief in öligem dunklem Wasser, das nach Kanalisation stank. Es war ihre einzige Rettung, denn es verdrängte ihr Gewicht etwas. Vielleicht nicht viel, aber etwas war besser als gar nichts. Sie wusste nicht, was schlimmer wäre – dort zu hängen, bis ihre Arme ausgekugelt wurden oder in dem dunklen, von Blättern bedeckten Wasser unter ihr zu versinken. Sie konnte sich den schwarzen Schlamm und Modder am Grund vorstellen und erschauerte.

    Direkt nach dem Aufwachen drehte sie sofort durch.

    Sie wand sich, trat um sich, krümmte sich … doch damit bestrafte sie sich nur selbst. Es riss an ihren Handgelenken, ihre Schultergelenke brannten wie Feuer und am Ende war sie immer noch zum Teil unter dem schmutzigen Wasser und schwang langsam vor und zurück.

    Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis ihre Schultern auskugelten und wie lange es danach dauerte, bis sie irreversiblen Schaden erlitt.

    Ihre einzige Erleichterung war, die Beine zu spreizen und ihre Wanderstiefel gegen die Wände zu stemmen. Wenn sie das tat, konnte sie sich einige Zentimeter hochschieben. Doch sie konnte sich in dieser Position nur etwa fünf Minuten im Gleichgewicht halten, zehn höchstens, und wenn ihre Handgelenke wieder ihr Gewicht tragen mussten, war es reine Qual. Die vorübergehende Erleichterung war es kaum wert.

    »Wie lange?«, murmelte sie hinter dem Knebel. »Wie lange kann das noch weitergehen?«

    Wie als Antwort darauf hörte sie ein kratzendes Geräusch von oben. Es klang, als würde ein Messer über die Abdeckung gezogen.

    Steph legte wieder den Kopf in den Nacken. Ein Schatten wich vom Gitter zurück.

    Ein paar Rostflocken fielen nach unten. Sie sah, wie sie in den staubigen Sonnenstrahlen nach unten schwebten. Jemand war dort oben gewesen und hatte sie beobachtet. Sie versuchte, durch den Knebel hindurch zu rufen, doch es kamen nur erstickte Laute heraus.

    Sie wollte wirklich nur wissen, ob jemand da war und ihr helfen könnte.

    Fuck, das wird wohl kaum so sein, dachte sie.

    Denn, ehrlich gesagt, auch wenn sie diesem Thema auswich, aber das hier war mehr als ein einfacher, verdrehter Streich oder Schikane.

    Denk darüber nach. Du bist hierher gebracht worden, um entweder vergewaltigt, gefoltert oder umgebracht zu werden, vielleicht sogar alles. Einen anderen Grund kann es nicht geben. Der Zweck, dich so aufzuhängen, könnte sein, deinen Widerstand zu schwächen, damit du weicher und eine willigere Sklavin wirst.

    Das war die nackte Realität, ob sie ihr nun gefiel oder nicht.

    Tropf.

    Ein Wassertropfen fiel auf ihren Kopf.

    Ein weiterer fiel in den Morast, der um ihre Knie schwappte.

    Regnete es? War es …

    Ein Wasserstrahl regnete auf sie herab, durchnässte ihr Haar, rann ihr Gesicht herab und lief ihren Nacken hinunter. Er war heiß und roch sauer.

    Urin.

    Jemand dort oben pisste auf sie herunter.

    Schreck und Ekel verwandelten sich in Wut. Sie zappelte und wand sich an dem Seil, trat gegen die Wände, wühlte und spritzte das stinkende Wasser unter ihr auf. Die kaum verschorften Verletzungen an ihren Handgelenken rissen wieder auf und frisches Blut rann ihre Unterarme herunter.

    »Ich bringe dich um! Fuck, ich bringe dich um!«, kreischte sie hinter ihrem Knebel.

    Die Wut verrauchte allerdings sehr schnell.

    Am Ende ging es ihr miserabler als zuvor. Ihre Handgelenke brannten wie Feuer, und es fühlte sich an, als würden Nadeln in ihre Schultern stechen. Auf die eine oder andere Art würde sie hier herauskommen, und wenn es so weit war, würde er höllisch büßen müssen.

    Gottverdammt, ja.

    Kapitel 3

    Yvonne kam langsam, sehr langsam zu sich, ihre Muskeln waren verspannt, die Glieder verkrampft. Sie hatte sich nicht mehr so erschöpft und am Ende gefühlt, seit sie mit Sterile Daryl drei Tage hintereinander auf einem Meskalin-Trip gewesen war. Danach kam sie nackt und schmutzig in einem Maisfeld zu sich, mit verwelkten Blumen im Haar und einem Hammer-und-Sichel-Tattoo auf ihrer linken Brust. Ihr Mundraum hatte nach Teer geschmeckt, und sie hatte keine Erinnerung an die vorangegangenen achtundvierzig Stunden … etwas, wofür sie aufrichtig dankbar war.

    Doch das hier …

    Was zur Hölle war das?

    Ihre Erinnerungen kehrten nicht so schnell zurück wie bei Chloe und Steph. Sie war schon immer etwas langsam gewesen. Vielleicht hatte es etwas mit den ganzen Chemikalien zu tun, mit denen sie seit ihrem dreizehnten Lebensjahr ihr Hirn gebraten hatte.

    Sie öffnete die Augen, und es war dunkel.

    War es Nacht?

    Sie erinnerte sich, dass sie mit Steph und den anderen im Studentenwohnheim abgehangen hatte, und dann …?

    Nichts.

    Allerdings war sie sich fast sicher, dass Steph etwas über Camping gesagt hatte.

    Gott, sie war so verkrampft.

    Sie konnte die Beine nicht ausstrecken, und die Decken waren so fest um sie geschlungen, dass sie sich wie eine ägyptische Mumie fühlte. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie in ihrem Schlafsack war. Das ergab absolut Sinn. Camping. Schlafsack. Doch als sie versuchte, sich freizustrampeln, fühlte sich das Material nicht weich an. Nein, es fühlte sich irgendwie glitschig, so wie Vinyl, an.

    Sie konnte den Kopf nicht herausstrecken.

    Es gab einen Reißverschluss, der an einer Seite des Dings verlief. Sie befand sich nicht in einem Schlafsack, sondern in einem Leichensack. Das war der Augenblick, in dem sie in Panik geriet. Sie litt schon lange unter Klaustrophobie, und ihre Beziehung zu dieser Angst war nie gut gewesen.

    Sie schrie.

    Im Gegensatz zu den anderen war sie nicht geknebelt. Nicht, dass es einen großen Unterschied machte. Verzweifelt strich sie mit zitternden Fingerspitzen den Reißverschluss entlang, aber es gab keinen Haken. Zumindest nicht auf der Innenseite, was auch absolut Sinn ergab – wer zur Hölle versuchte jemals, aus einem Leichensack herauszukommen, wenn er erst einmal darin verpackt war?

    Panik ergriff Besitz von ihr, und sie kämpfte, wütete vor reiner animalischer Furcht. Der Sack schwang vor und zurück … dann fiel er. Er schlug mit einem dumpfen Laut auf dem Boden auf, wodurch ihr die Luft aus den Lungen gedrückt wurde. Dann fing er an, sich zu überschlagen, immer schneller. Er hatte nicht auf einem Tisch gelegen, wie sie anfangs gedacht hatte, sondern offenbar auf einer Kante.

    Er rollte einen Hügel hinunter.

    Während er immer mehr Geschwindigkeit aufnahm, stieß er gegen Steine und Bäumchen, knallte in Vertiefungen und rollte wieder heraus. Yvonne wurde immer schwindliger. Ihre wurde schlecht. Sie sah Sterne.

    Endlich kam sie zu einem Halt.

    Sie spürte, wie der Sack auf weichem, feuchtem Boden, wie Schlamm, zur Ruhe kam. Es dauerte etwa eine Minute, bis ihr Schwindel nachließ. Und als es so weit war, hatte sie Mühe, sich nicht zu übergeben. Ihre Kehle war wie mit warmer Schmiere gefüllt. Sie lag eine Zeit lang da, betäubt und besinnungslos, ihr Körper war voller Prellungen und schmerzte.

    Die Luft im Sack war dünn, verbraucht und stank nach Gummi und Schweiß.

    Sie fing an zu keuchen.

    Sie erstickte. Lieber Gott, sie erstickte!

    Sie fing wieder an zu kämpfen, riss an dem Sack, schlug dagegen. Das Material fühlte sich unter ihrem Griff ölig und schwierig zu fassen an, es widerstand ihren Bemühungen.

    Hör auf, rief eine Stimme in ihrem Kopf. Du machst alles nur noch schlimmer!

    Sie wusste, dass das stimmte, also hörte sie schließlich auf, keuchend und schwitzend, und versuchte nachzudenken. Diese Stimme der Vernunft klang so sehr wie die ihrer Mutter, dass sie weinen wollte. Ihre Mom war vor drei Jahren gestorben, doch wenn sie große Angst hatte oder unter starkem Stress stand, hörte sie oft ihre Stimme – ruhig, vernünftig und fest.

    Sie hörte sie jetzt: Atme ein paar Mal tief durch, Yvonne. So ist es gut. Weiter so. Ein und aus. Siehst du? Es riecht vielleicht nicht so gut, Liebes, aber du wirst wohl kaum ersticken. Jetzt taste diesen Reißverschluss ab. Er muss ja irgendwo anfangen.

    Ein vernünftiger Ratschlag.

    Yvonne schluckte und fuhr mit den Fingernägeln den Reißverschluss entlang. Es schien hoffnungslos zu sein. Es war unmöglich, ihn unterhalb ihrer Taille abzutasten. Der Leichensack kannte keine Gnade. Er hielt sie fest, umklammerte sie. Sie tastete den Reißverschluss direkt über ihrem Kopf ab. Sie fand seinen Anfang, aber da gab es keine Lasche. Allerdings sah sie einen winzigen Lichtstrahl. Wenn Licht hereinkam, dann auch Luft.

    Bearbeite ihn, sagte die Stimme. Lockere ihn.

    Doch womit?

    In ihren Taschen musste irgendetwas sein. Münzen, Kaugummi. Ein Feuerzeug. Schlüssel. Das war es. Sie zog sie hervor und schob die Spitze ihres Autoschlüssels in die winzige Öffnung, wo der Reißverschluss begann. Sie drückte sie so weit hinein, wie sie konnte, und fing an, sie nach unten zu ziehen. Der Reißverschluss glitt ein paar Zähne nach unten. Er war sehr steif und unnachgiebig. Eine Art industrieller Reißverschluss, wie man sie an alten, strapazierfähigen Segeltuchzelten benutzte.

    Sie zerrte ihn etwas weiter herunter.

    Der Reißverschluss glitt ein paar weitere Zähne herab.

    Sie würde es tatsächlich schaffen!

    Natürlich wirst du das, sagte die Stimme.

    Dann … hörte sie das Knirschen von trockenen Blättern.

    Etwas stupste gegen den Sack. Etwas wie ein Finger.

    Sie spannte sich an und versuchte, ihre Atmung zu kontrollieren. Sie wurde wieder angestupst. Was immer es auch war – ein Finger, ein Stock oder eine Kralle – fuhr den Sack entlang bis zu ihrem Oberschenkel.

    Etwas schnüffelte an dem Reißverschluss, so wie ein Hund.

    Beweg dich nicht. Atme nicht einmal. Denk an den Schlüssel.

    Wer oder was auch immer da draußen war, spielte jetzt an der Lasche des Reißverschlusses, schnipste sie hin und her. Dann kam wieder das Schnüffeln, gefolgt von einem Kratzen, als ob Fingernägel grob über die ganze Länge des Sacks gezogen würden. Sie wurden immer brutaler.

    Die Stimme: Denk nach, Yvonne. Denk nach! Wenn es ein Tier ist, spürt es, dass du hier drinnen bist. Es riecht dich. Es ist neugierig. Wenn es ein Mensch ist, dann spielt er mit dir, versucht, dir eine Reaktion zu entlocken. Was es auch ist, gib ihm nicht diese Befriedigung. Stell dich tot, wie ein Opossum, und denk an den Schlüssel.

    Ja, der Schlüssel, oder die Schlüssel, genauer gesagt. Autoschlüssel, Zimmerschlüssel, der Schlüssel für den Spind im Fitnessstudio, der für den Kofferraum … es waren insgesamt sechs. Sie umklammerte den Schlüsselanhänger und die Schlüssel ganz fest in ihrer Faust, ein einzelner Schlüssel ragte wie ein Dolch zwischen ihrem Zeige- und Mittelfinger hervor.

    Sie hatte eine Waffe.

    Jetzt wurde an der Lasche des Reißverschlusses gezogen. Er glitt einen Zentimeter nach unten, dann noch einen. Yvonne roch etwas Ranziges, wie das moschusartige Fell eines Tieres. Es war Übelkeit erregend und warm. Der Gestank schien den Sack auszufüllen.

    Dann sah sie durch die Öffnung im Reißverschluss einen Mund … einen verzerrten Mund mit schrecklichen, gelben Zähnen, die aus verfärbtem Zahnfleisch ragten. Dann ein Auge. Ein trübes Auge mit einer starrenden, unbeweglichen Pupille. Es drückte sich dichter und dichter an die Öffnung, versuchte hineinzusehen.

    Und als es das tat, stach Yvonne ihren Schlüssel direkt in die Pupille.

    Kapitel 4

    Lange Zeit gab es nur Dunkelheit und einen beengten, unbequemen Raum. Dann sah Emma nach und nach langsam Licht. Nur einen schwachen Schimmer, aber es war zumindest etwas. Sie wusste, dass es vor ein paar Minuten noch nicht da gewesen war.

    Nichts ergab Sinn. Zuerst, beim Aufwachen, empfand sie Verwirrung und eine dumpfe Akzeptanz, eine Art von benommener Erkenntnis, dass etwas nicht stimmte. Dann – Panik.

    Ihr Fluchtreflex ließ nach, sie versuchte zu schreien, merkte dann aber, dass ein Streifen Klebeband ihren Mund bedeckte. Das konnte nur eins bedeuten – sie war eine Gefangene. Sie war entführt worden. Das waren die Gedanken, die ihr durch den Kopf rasten, während sie der Hysterie gefährlich nahekam.

    Aber warum ich, fragte sie sich. Warum sollte man mich kidnappen? Ich habe nichts. Ich habe kein Geld. Ich arbeite vier Tage in der Woche im International House of Pancakes, um mich über Wasser zu halten. Ich bin nichts wert.

    Vielleicht war sie momentan eine Null, aber es gab andere Gründe, jemanden gefangenzuhalten, besonders ein einundzwanzig Jahre altes College-Mädchen.

    Scheiße.

    Ein Vergewaltiger.

    Ein Serienmörder.

    Das alles ging ihr in Sekundenschnelle durch den Kopf, und sie musste sich wehren, um sich nicht davon mitreißen zu lassen und die Kontrolle zu verlieren. Was ihr natürlich nicht helfen würde. Benutz deinen Verstand. Du bist klug. Zumindest hältst du die Bestnote in Chemietechnik, und das ist nicht einfach. Alle meinen, dass du etwas im Kopf hast, also nutze es. Ja, das war der Schlüssel zu dieser Lage. Nachdenken. Den Verstand einsetzen. Sie nahm ihre Umgebung in sich auf. Stockdunkel, abgesehen von diesem kleinen Lichtschimmer. Ihre Hände waren gefesselt, der Mund zugeklebt, und sie lag auf dem Rücken. Sie bewegte sich nach rechts. Dort war eine Wand. Also nach links. Sie zog die Knie an, und sie knallten mit einem dumpfen Laut gegen eine weitere Oberfläche.

    Lebendig begraben … Fuck, ich bin lebendig begraben.

    Panik schwoll in heißen Wellen in ihr auf. Sie warf sich auf jede Seite, aber die Tatsache blieb bestehen, dass sie sich in einem Kasten befand.

    So wie es sich anfühlte, war es kein traditioneller Sarg, aber eine sargähnliche Kiste. Okay. Okay. Doch die Kiste war nicht begraben, denn sie sah Licht. Und wenn Licht hereinschien, bedeutete es, dass auch Luft hineinkam, sodass sie nicht ersticken würde. Das sagte sie sich immer wieder. Du wirst nicht ersticken. Du wirst nicht ersticken. Es war ein Mantra, das sie im Kopf wiederholte. Schließlich beruhigte sie sich. Zumindest etwas.

    In Ordnung.

    Denk nach.

    Zuerst musste sie ihre Hände freibekommen. Ihre Beine waren nicht gefesselt, was schon mal etwas war, und ihre Hände waren nicht hinter ihrem Rücken gefesselt, was auch etwas war. Sie atmete tief ein und aus, saugte moderige Luft ein, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie musste sich beruhigen. Das war das Wichtigste. Zuerst ihre Hände. Damit musste sie anfangen. Ihre Handgelenke waren zusammengebunden, aber nicht allzu fest. Tatsächlich nicht einmal besonders fest. Fast so, als ob … als ob ihr Entführer wollte, dass sie entkam.

    Sie waren so locker gefesselt, dass sie sie etwas bewegen konnte. Genau das tat sie. Das billige Nylonseil, mit dem sie

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1