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DIE RUINEN DES WAHNSINNS: Horrorthriller
DIE RUINEN DES WAHNSINNS: Horrorthriller
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eBook292 Seiten3 Stunden

DIE RUINEN DES WAHNSINNS: Horrorthriller

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Über dieses E-Book

Auf dem Grund eines prähistorischen Sees in der Antarktis liegt eine Stadt so alt wie die Zeit selbst. In ihren labyrinthischen Tiefen wächst unaufhörlich eine Energiesignatur heran, die unwägbare Gefahren in sich bergen könnte. Deshalb wird ein Team aus Elitetauchern der Navy ausgesandt, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Doch was sie dort finden, ist ein Albtraum jenseits aller Vorstellungskraft. Die Stadt ist nicht tot, und die Gegenwart der Taucher hat sie aus ihrem Millionen Jahre andauernden Schlummer gerissen. Gefangen unter dem ewigen Eis und gejagt von der Stadt selbst, deren Bewohnern und den Monstern, die ihrer eigenen Psyche entspringen, haben die Taucher nur eine Chance, die Stadt zu zerstören, bevor die Alten Götter wieder auferstehen können.
★★★★★ »Wenn Sie Lovecraftsches Grauen lieben und einen Autor suchen, der fähig ist, die gleiche Angst vor dem Unbekannten nachzuempfinden, sind Sie hier richtig.« –Johann Sinn, Amazon.com
★★★★★ »Wie EVENT HORIZON, nur unter Wasser. Mr. Curran hält, was er verspricht.« – Matt Fry, Amazon.com
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum23. Juni 2023
ISBN9783958357853
DIE RUINEN DES WAHNSINNS: Horrorthriller
Autor

Tim Curran

Tim Curran hails from Michigan’s Upper Peninsula. He is the author of the novels Skin Medicine, Hive, Dead Sea, Resurrection, Hag Night, The Devil Next Door, Long Black Coffin, Graveworm, and Biohazard. His short stories have been collected in Bone Marrow Stew and Zombie Pulp. His novellas include Fear Me, The Underdwelling, The Corpse King, Puppet Graveyard, Sow, and Worm. His short stories have appeared in such magazines as City Slab, Flesh&Blood, Book of Dark Wisdom, and Inhuman, as well as anthologies such as Flesh Feast, Shivers IV, High Seas Cthulhu, and Vile Things. Find him on the web at: www.corpseking.com

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    Buchvorschau

    DIE RUINEN DES WAHNSINNS - Tim Curran

    Kapitel 1

    Die Kharkov-Station

    Kharkov stand noch immer.

    Sie hatte überdauert, allein, schweigend und finster.

    Trotz der vielen harten Winter, die seit der Tragödie über sie hereingebrochen waren, war sie nicht zerfallen oder unter den eisigen Winden verwittert. Sie wartete – eine Ansammlung orange gestreifter Metallgebäude, dem Plattenbau-Kraftwerk, der ovalen Kuppel der Wetterstation, dem hoch aufragenden kugelförmigen Observatorium, dem langen und flachen, rechteckigen Targa-House mit seinen Antennen und den zahlreichen Garagen, Nebengebäuden und Hütten dahinter.

    Über Jahre hatten sie schweigend und verlassen ausgeharrt, dem Eis und Schnee und der unerträglichen Kälte ausgeliefert, die über das Polarplateau wehten – jener bitteren Witterung, die von den zerklüfteten Ausläufern der Dominion-Kette heran fegte. Wie Denkmäler für etwas, das schon lange tot war, hatten sie gewartet und zugesehen.

    Die Station hatte mitangesehen, wie Tragödien und Schrecken und Albträume Realität geworden waren. Und kein Bauwerk, egal wie steril und leblos es auch sein mochte, war in der Lage, so viel boshafte Energie zu absorbieren, ohne einen Teil davon in seinen dunklen Eingeweiden zu behalten, ein beinahe greifbarer Gifthauch, der aus den Wänden und den Decken drang; ein Übel, das zähflüssig aus jeder Niete und Planke und jedem Balken sickerte.

    Wer sich eine Weile allein dort aufhielt, würde beginnen, diese Dinge zu fühlen, sie erfahren, denn sie würden dich überwältigen und vergiften, dich Stück um Stück verzehren und deinen Kopf mit dem leeren Widerhall von Schreien und den gottlosen Melodien von Dingen füllen, die seit unzähligen Äonen tot und vergessen waren.

    In der Kharkov-Station war man niemals ganz allein. Hinter dir oder in den Augenwinkeln verspotteten und beschworen dich stets unvorstellbare Schemen. Abscheuliche Erinnerungen raschelten und krochen umher.

    Im letzten Sommer war der Versuch einer Art von Wiederbelebung unternommen worden.

    Das Targa-House wurde gereinigt und repariert, das Kraftwerk überholt und der alte Bohrturm, der von einem Mann namens Jimmy Hayes niedergewalzt wurde, wieder aufgebaut, größer als je zuvor. Ein eigens entwickelter Thermalbohrer war herbeigeschafft worden, der einen stabilen Schacht bis in den Vordog-See bohren konnte, einem beinahe eineinhalb Kilometer unter der Eisdecke liegenden See. Aber diejenigen, die an diesen Ort gekommen waren, um diese Arbeit zu erledigen, waren froh, als sie wieder gehen konnten. Sie hatten auf dieser Station Dinge gehört und gesehen, hatten von diesem tief unter liegendem, uralten schwarzen See geträumt, und von dem, was in ihm lebte.

    Niemand sprach direkt davon, die Station wäre verflucht, aber sie betrachteten sie als ein lebendiges Wesen, die von ihren eigenen verdrehten Erinnerungen und Albträumen gequält wurde, die von dem in den Wahnsinn getrieben worden war, das sie gesehen und nicht mehr vergessen konnte.

    Und so stand Kharkov, wenn auch niemals wirklich verlassen und nicht mehr bei Verstand, immer noch.

    Kapitel 2

    Kleine schmutzige Geheimnisse

    Während der Wind mit trostloser Stimme schrie und an den Gebäuden rüttelte, versammelte sich das Team in der alten Kantine des Targa-House und lauschte Orr, der ihnen erklärte, weshalb sie hierher gekommen waren und was sie hier zu erreichen hofften. Nur Navy-Personal wohnte der Besprechung bei. Die Techniker, die die Bohrplattform bedienten, waren nicht eingeladen. Ihr Job war es, den Schacht zu öffnen, ihn offen und eisfrei zu halten und das Unterwasserhabitat knapp dreihundert Meter unter der Oberfläche des Sees zu überwachen. Dieses war schrittweise von einer anderen Gruppe installiert worden, die man für die Aufgabe ein- und wieder ausgeflogen hatte.

    Das Team, das sich versammelt hatte, um Orr zuzuhören, bestand aus erfahren Tauchern mit jahrelanger Erfahrung im Tiefseetauchen und im Umgang mit Panzertauchanzügen.

    Orr war ein Flottenadmiral der Navy und er redete gern.

    Wer es hören wollte, dem erzählte er von seinen harten Tagen als Bergungstaucher der Navy, wie eine Tiefseemine sein linkes Ohr ruinierte oder über seine Tauchgänge mit dem Hydrolab und dem Sealab III. Heute aber sprach er nicht von diesen Dingen. Was er heute besprach, war geheim, und das hatte er allen Anwesenden klar gemacht – Murphy und Hubbs, Javonivic und Bell. Jeder von ihnen hatte den Official Secrets Act unterschrieben, der ihnen versprach, dass sie, wenn sie irgendwo außerhalb dieser Gruppe darüber sprachen, was sie wussten oder hier sehen würden, erst dann wieder aus einem Bundesgefängnis entlassen wurden, wenn sie bereit lange weiße Bärte trugen.

    Wenig überraschend.

    Bell und die anderen hatten den OSA schon viele Male unterschrieben. Sie gehörten alle der DSU – der Deep Submergence Unit – und dem DSSP – Deep Submergence Systems Project – der Navy an, die mit dem Office of Naval Research und dem Special Projects Office zusammenarbeiteten. Und wenn man in den trüben Gewässern der ONR und des SPO schwamm, war die Unterzeichnung des Geheimhaltungsgesetzes gewissermaßen eine Notwendigkeit.

    Bell hatte schon an zahllosen Geheimeinsätzen der DSU teilgenommen.

    Er hatte Atomsprengköpfe aus gesunkenen russischen U-Booten und Ampullen waffenfähiger Anthrax-Sporen aus einem libanesischen Frachter geborgen, den ein U-Jagdboot im Golf von Aden versenkt hatte (die Sporen waren für das New Yorker U-Bahn-System gedacht gewesen, wo ehemaligen Agenten des Islamischen Dschihad sie hätten freisetzen sollen). Und einmal war er Teil eines Teams gewesen, das bis auf den Grund des Beringmeeres getaucht war, um eine abgestürzte interplanetare Sonde zu bergen, die aus dem Orbit der Venus mit Proben aus deren oberer Atmosphäre zurückgekehrt war, die man für »biologisch instabil und möglicherweise krankheitserregend« hielt.

    Er hatte immer seinen Mund gehalten, und das galt auch für alle anderen hier, sonst wären sie gar nicht ausgewählt worden.

    »In Ordnung«, sagte Orr, »dann wollen wir mal das große Geheimnis lüften.«

    Die Lichter gingen aus, und alle Augen waren auf den großen Bildschirm an der Wand gerichtet. Er drückte auf eine Taste auf seinem Laptop, und die Fotografie eines Mannes erschien auf dem Bildschirm. Er war hager, mit einem schroffen, windgegerbten Gesicht und einem dicken Büschel zurückgekämmten grauen Haars, die ihn auf gewisse Weise wie die abgemagerte Version von Charlie Rich aussehen ließen.

    »Das ist Henry Charles Gundry, verstorben. Gundry war Glaziologe des California Institute of Technology und leitete vor fünf Jahren das Projekt DeepDrill hier in Kharkov. Er beaufsichtigte das Team, welches bis zu dem Vordog-See bohrte und dort den ATP Cryobot in den See selbst entließ«, erklärte Orr.

    Projekt DeepDrill war ein NASA-Einsatz gewesen, Teil des gleichen übergeordneten, auch Kronos-Experiment genannten Projektes, zu dem auch die Cassini-3-Weltraumsonde gehörte, welche die galileischen Monde kartografierte und die Callisto-Sonde in den Graben südlich des Valhalla-Einschlagkraters abgeworfen hatte, was den Grundstein für eine der beeindruckendsten Deep-Space-Missionen gelegt hatte, die die NASA je unternommen hatte: die Erkundung der unterirdischen Oceane von Kallisto, Europa, Ganymed und Io. Eine umfassende Suche nach außerirdischem Leben, die in der Europa Ice Clipper-Mission münden sollte, bei der sich hochentwickelte Cryobots durch die Eismassen der Monde bis hinunter zu den Ozeanen schmelzen würden. Die ATP-Cryobots (die Abkürzung stand für Active Thermal Probe) waren im Prinzip robotische Unterwasserfahrzeuge, die von einer hochentwickelten künstlichen Intelligenz gesteuert wurden und in diesen schwarzen Tiefen nach Leben suchen würden. Gundry hatte mehrere Cryobots getestet, bevor man ihm den Vordog-Job gab. Seine Cryobots funktionierten fehlerfrei. Sie hatten sich durch das Eis des ursprünglich gebohrten Lochs geschmolzen und waren in den See selbst abgetaucht.

    Das allein war eine wissenschaftliche Meisterleistung gewesen, der die NASA applaudiert hatte.

    Aber was sie dann dort unten gefunden hatten, über vierzig Millionen Jahre unter dem Eis verborgen, hatte ihnen allen eine Scheißangst gemacht.

    »Die folgenden Bilder, die ich Ihnen zeigen werde, sind Standbilder einer Video-Liveübertragung«, sagte Orr. »Sie wurden beinahe zwei Kilometer unter unseren Füßen von Gundrys Cryo aufgenommen.«

    Bell sah zu Murphy hinüber, und Murphy verzog wie Groucho Marx die Augenbrauen, als wollte er sagen: Okay, Kumpel, jetzt kommen wir zum interessanten Teil. Dem Top-Secret-Kram, von dem sie seit dem ersten Tag an keine Kenntnis haben durften.

    Orr hieb auf ein paar weitere Tasten und eine Reihe von Aufnahmen erschien auf dem Bildschirm. Nichts Weltbewegendes, und doch außergewöhnlich. Aufnahmen der Kreaturen, die in dem See tief unter ihnen lebten, der Wissenschaft unbekannt oder längst für ausgestorben gehalten: Kolonien vielfarbiger Quallen, die wie lebendige Seifenblasen aussahen, gigantische Krabben und Seeskorpione, gewellte Röhrenwürmer, wie Basketbälle geformte biolumineszente Fische und eine riesige, tintenfischartige Albino-Kreatur, die sich in die Dunkelheit zurückzog. Letzte wurde von Orr nicht als Seemonster bezeichnet, aber es erfüllte zweifellos die dafür notwendigen Kriterien.

    Er drückte eine weitere Taste, und irgendwer atmete geräuschvoll ein.

    Sie sahen eine Stadt.

    Eine weitläufige Unterwasserstadt, die offenbar von einer vormenschlichen Intelligenz errichtet worden war, Äonen, bevor der Mensch von den Bäumen gesprungen war und seinen Greifschwanz verloren hatte.

    Es war fantastisch.

    Das erste Bild zeigte etwas, bei dem es sich wohl um Ruinen handelte – Rundbögen, eingestürzte Kuppeln und schiefe Türme, eine Ansammlung auf- und absteigender Formen, die von Meeresablagerungen verkrustet waren. Die nächste Reihe von Bildern zeigte Monolithen und Obelisken, Kanäle und bruchstückhafte Mauern, die wie eine ausgefeilte Reihe von mit megalithischen Strukturen bedeckten Gruftkammern wirkten.

    Orr tippte weiter in die Tasten, und dann war die Stadt selbst zu sehen, aus der Sicht von Gundrys Hydrobot, dem frei beweglichen robotischen Unterseefahrzeug, welches der Cryobot an der Oberfläche abgesetzt hatte. Es war unmöglich, die gesamte Anlage ins Bild zu bekommen, denn sie schien sich unendlich weit zu erstrecken. Es war ausgeschlossen, dass der Hydrobot weit genug hätte zurücksetzen können, um sie komplett ins Bild zu bekommen und gleichzeitig mit seinen Scheinwerfern zu beleuchten. Was sie sahen, war also nur ein Ausschnitt der Stadt, aber genug, um sich von der gesamten albtraumhaften Architektur ein Bild machen zu können. Es war ein gewaltiges, wabenförmiges Labyrinth bestehend aus Rechtecken und Türmen und Bögen und Kugeln, die miteinander verbunden waren, sich überkreuzten und überlappten. Eine zyklopische Fülle; etwas, das eher wie natürlich gewachsen und weniger wie gebaut wirkte, und das darüber hinaus seltsam bearbeitet und reich an geometrischen Formen schien.

    »Jesus, Maria und Joseph«, entfuhr es Murphy.

    Etwas an diesem Anblick bereitete Bell eine Gänsehaut, ließ seine Kopfhaut kribbeln und füllte seinen Verstand mit treibenden Trugbildern und seltsamen, verzerrten Erinnerungen, die er nicht verstand. Blitzartig aufflackernde Eindrücke, die ihm verrieten, dass er das alles schon einmal gesehen hatte, aber nicht, wie oder wann.

    Die Stadt ähnelte sehr stark dem, was Insekten bauen würden, karg, schroff und beinahe militaristisch. Die Art, wie sie mit Vertiefungen und Passagen durchlöchert war, erinnerte ihn an die von Spinnweben durchzogenen Höhlen von Trichternetzspinnen. Kein Wesen, das über ein Herz oder eine Seele verfügte, hätte so etwas entwerfen können. Das war ein Insektennest. Ein groteskes außerirdisches Nest, das stark an die biomechanischen Maschinen eines H. R. Giger erinnerte, ein fürchterlicher organisch-mechanischer Hybrid, der seit Millionen von Jahren am Grunde dieses uralten Sees vor sich hin rottete und rostete und darauf wartete, wieder aktiviert zu werden.

    Und das war auch der Kern dieser Angst, die Bell beim Anblick dieser Bilder verspürte: dass es urplötzlich wieder erwachen könnte.

    Orr löschte die Bilder und blickte in die fahlen Gesichter seiner Taucher. »Es … äh … scheint einen seltsamen Effekt auf jeden haben, der sich die Bilder ansieht. Ging mir beim ersten Mal auch so, als ich sie mir ansah, Leute. Und ich bin mir nicht zu schade, zuzugeben, dass es mir eine Heidenangst machte und eine Woche lang Albträume bescherte.«

    »Ich glaube, ich habe in diesem Moment welche«, sagte Hubbs mit vollem Ernst.

    Niemand lachte darüber.

    Jeder von ihnen spürte tief in seinem Inneren das Gleiche, als hätten die Bilder dieser Monstrosität halb vergessene Phobien aus dem Sediment tief auf dem Grund ihrer Seelen aufgewühlt. Etwas, das sie Dinge sehen ließ, die man nicht sehen sollte, und Dinge fühlen ließ, die man nicht fühlen sollte. Es überwältigte einen mit Ängsten und Schrecken, die aus dem dunkelsten Kerker der Menschheit zu kommen schienen.

    Orr räusperte sich. »Ich weiß nicht, was Sie da unten sehen werden. Ich weiß es wirklich nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass Sie vier morgen früh um Punkt sechs da hinuntertauchen werden.«

    Kapitel 3

    Gespenster

    Orr machte sich nicht die Mühe, das ganze Psychogelaber zu erwähnen, von dem die Navy-Psychologen ihm gesagt hatten, dass sie von jedem menschlichen Wesen zu erwarten waren, der seinen Blick auf diese Stadt legte – Dinge wie extreme Angstzustände oder Gruppenpsychosen. Er hielt es für unnötig. Er respektierte seine Leute und hatte sie eigens für diesen Einsatz ausgewählt. Diese Leute waren der Fels der DSU, eine Gruppe, die für ihre Nerven wie Drahtseile bekannt war. Nein, er brauchte keine Seelenklempner, um ihm zu sagen, was er bereits wusste: Die menschliche Rasse im Allgemeinen verspürte eine instinktive Furcht vor diesen gottverdammten versunkenen Ruinen.

    So viel war offensichtlich.

    Er war dabei gewesen, als man die Tauchmission am Vordog-See ursprünglich besprochen hatte. Die Leiter der ONI und des NSF hatten ausgesehen, als würden sie sich jeden Moment in die Hosen machen, wenn die Fotos gezeigt wurden. Und er konnte es ihnen noch nicht einmal verübeln.

    »Okay«, sagte er und fuhr sich durch seinen grauen Bürstenhaarschnitt. »Dann lassen Sie uns mal über die Sache reden. Sie haben sicher schon den Unsinn von versunkenen Städten da unten gehört, und wer sie angeblich errichtete. Nun, so viel kann ich schon mal sagen: Es gibt diese Städte. Was die Frage anbelangt, wer sie gebaut hat … ich weiß es nicht. Darüber hat man mich nicht informiert, und wenn ich einen von Ihnen in meiner Gegenwart oder im Gespräch untereinander das Wort Außerirdische sagen höre, wird derjenige einen Chirurgen benötigen, um sich meinen Stiefel aus dem Arschloch entfernen zu lassen. Verstanden?«

    Alle nickten.

    »Okay, gut. Nun, diese Stadt unter uns ist nicht die Einzige. Zur gleichen Zeit, als Gundry vor fünf Jahren seine Cryos aussendete, unterhielt ein Paläobiologe namens Dr. Robert Gates, der von dieser Einrichtung aus operierte, ein Feldlager in den Dominions. Er bohrte einen tiefen Schacht in die Erde und stieß, wer hätte es gedacht, auf die Ruinen einer weiteren Stadt. Vielleicht haben Sie davon gehört. Angeblich hat er dort Mumien oder die Überreste dieser … Wesen gefunden, welche die Stadt errichteten. Aber ob das der Wahrheit entspricht … ich habe nicht den blassesten Hauch einer Ahnung.« Orr stopfte sich seine Pfeife und zündete sie an. »Wie auch immer. Gundry nahm an, dass unsere unterirdische Stadt und die in den Bergen einmal beides Teile einer größeren zusammenhängenden Stadt gewesen waren und immer noch mit Durchgängen unter der Eisdecke selbst verbunden sind.

    Aber das spielt auch eigentlich keine Rolle. Wir sind weder als Wissenschaftler noch als Archäologen hier. Wir sind nicht hier, um herauszufinden, wer diese Ruinen da unten errichtete. Wir kümmern uns nicht um kleine grüne Männchen oder verdammte fliegende Untertassen. Unser Ziel ist diese Stadt, so banal wie einfach.«

    Javonivic hob ihre Hand. »Werden wir die Ruinen erkunden, Sir?«

    »Nein.«

    »Etwas bergen?«

    »Nein.«

    »Aber was …«

    Orr paffte an seiner Pfeife, und eine Rauchwolke stieg über seinem Kopf auf. »Vor etwa sechs Jahren fing ein Flugzeug mit einer Magnetresonanzkamera bei seinem Überflug etwas auf, was den Schlauköpfen seither Kopfzerbrechen bereitet: eine Anomalie. Ein sich selbst erhaltendes Magnetfeld ungeheurer Stärke, und sein Zentrum liegt da unten in dieser Stadt. Hier am Pol ist die magnetische Strahlung naturgegeben höher, so um die siebzigtausend Nanoteslas in dem Gebiet rund um Kharkov, aber das, was von dieser Stadt ausgeht, reicht von achtzig- bis einhundertfünfzigtausend, mit gelegentlichen Spitzen bis zweihundert plus. Das Magnetfeld dort unten fluktuiert, aber seit den letzten fünf, sechs Jahren wird es langsam immer stärker. Und derzeit sprengt es die Skala.«

    Die Taucher blickten einander an.

    Schließlich stellte Bell die Frage, die sie alle beschäftigte: »Sir … was zur Hölle könnte so viel Saft generieren? Ich schätze, dafür kann es keinen natürlichen Ursprung geben.«

    »Auf gar keinen Fall. Was immer dort unten ist, ist künstlicher Natur und wird immer stärker. Es braucht schon ein ungeheuer großes elektromagnetisches Kraftwerk, um die Signale zu produzieren, die wir empfangen.«

    »Und das ist unser Job?«, fragte Murphy. »In die Stadt eindringen und diesen … Generator finden, oder was immer es ist? Und dann?«

    Orr schüttelte den Kopf. »Ich habe versiegelte Befehle. Ich darf sie erst öffnen, wenn Sie die Quelle gefunden haben … dann wissen wir mehr.«

    Bell antwortete nichts darauf.

    Die anderen auch nicht. Sie wussten sehr genau, was ihre Aufgabe sein würde, wenn sie die Quelle gefunden hatten. Zuerst würden sie sie dokumentieren, und dann zerstören. Daran hegte niemand irgendwelche Zweifel.

    Orr klopfte sich seine Pfeife in die Handfläche aus und setzte sich wieder an seinen Laptop. »Die folgenden Bilder wurden ebenfalls von Gundrys Hydrobot gemacht. Passen Sie jetzt gut auf.«

    Er tippte eine Taste an und weitere Bilder erschienen auf dem Bildschirm. Sie waren undeutlich und zeigten das, was die Frontkameras des Hydrobots eingefangen hatten: Schatten. Mehr war es nicht. Die Scheinwerferlichter der Hydrobots auf dem Bildschirm waren erfüllt von aufsteigendem Sediment und flüchtigen Eindrücken seltsamer Formen, die ins Bild hinein und wieder hinaus waberten. Dann waren weitere Schatten zu sehen, längliche Umrisse, die sich von dem Licht entfernten, bevor sie gesehen werden konnten. Was immer sie waren, sie waren riesig und eigentümlich und offenbar sehr schnell. Sie entkamen so schnell, dass die Kameras kaum mehr als eine verschwommene Ahnung von ihnen erfassen konnten.

    Orr tippte in die Tasten, und es präsentierten sich ihnen wieder Fotos der Stadt … oder Teile davon. Diese länglichen Umrisse wandten sich durch die Ruinen. Sie tauchten aus Schächten und Löchern auf und verschwanden in den unzähligen honigwarbenartigen Mündern. Auch diese Aufnahmen waren undeutlich. Es hätte sich um alles Mögliche handeln können.

    Orr bearbeitete seine Tastatur, und weitere Bilder erschienen.

    Und das waren jene, die niemand sehen wollte, denn sie stellten die absolute Bestätigung der halbgaren Geschichten über Außerirdische dar, die sich seit Jahren um die Antarktis rankten.

    Diese Aufnahmen waren nicht verschwommen, sondern sogar ziemlich klar.

    Bei den länglichen Formen schien es sich um ein noch unbekanntes Meereslebewesen von zylindrischer Anmutung zu handeln, breit und fassartig in der Körpermitte, zu den Enden hin auslaufend. An ihren Unterseiten befanden sich büschelartige dicke Tentakel, die beim Schwimmen kraftlos herunterhingen. Zu beiden Seiten ragten große, flossenähnliche Flügel aus den Körpern hervor, die von langen knochigen Röhren gestützt wurden und zwischen denen sich weiches Fleisch spannte. Die Leiber waren zerfurcht, von einem bläulichen Stahlgrau, und aus der Mitte des Körpers ragten weitere tentakelartige Fühler. An der Oberseite sah man etwas, das ebenfalls an Tentakel erinnerte, aber diese waren eher kurz und plump, gummiartige Stängel mit hellroten Augen an deren Ende.

    »Was zur Hölle ist das denn?«, wollte Murphy wissen.

    Aber Orr antwortete ihm nicht. Denn was genau waren diese Dinger?

    Weitere Bilder zeigten diese Wesen, die sich möglicherweise neugierig um den Hydrobot tummelten. Und die nächste Bilderreihe zeigte einen ganzen Schwarm von ihnen, der aus der Stadt kam und die Kameras des Hydrobots umringte.

    Das war alles.

    Orr schaltete die Lichter ein, und jeder schien darüber froh zu sein.

    »Das … das sind diese Dinger, die diese Stadt errichtet haben, oder nicht, Sir?«, fragte Javonivic, aus deren Worten die nackte Angst drang. »Das sind die lebendigen Abbilder jener Mumien, die Gates fand. Diese Dinger, von denen vor fünf Jahren die Crew dieser Station umgebracht wurde.«

    »Ja, ja, das sind sie«, antwortete Orr nur.

    Er erklärte, dass es keine weiteren Bilder mehr gab, weil die Übertragungen endeten, nachdem diese Kreaturen den Hydrobot umringt hatten. Man nahm an, dass sie ihn zerstört oder zumindest funktionsunfähig gemacht hatten.

    Für eine

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