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Tempel der Sünden: Dunkle Seelen, #3
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Tempel der Sünden: Dunkle Seelen, #3
eBook297 Seiten3 Stunden

Tempel der Sünden: Dunkle Seelen, #3

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Über dieses E-Book

Eine Frau mit dunkler Magie und bitterer Rache in ihrem Blut.
Ein Mann mit einem königlichen Ziel. 


Quinn Darkova kehrt zurück nach Hause und steht den Menschen gegenüber, die sie einst in die
Sklaverei verkauft haben – ihren Eltern. Es gibt nur eines, das sie antreibt: ihre Rache.
Vergeltung für zehn Jahre Schmerzen und Demütigung … und die Wiedergutmachung von allem
Unrecht.
Lazarus Fierté ahnt, dass es in Quinns Heimat nicht um seine Belange geht, doch er braucht ihr Volk
auf seiner Seite.

Wird Lazarus hinter Quinn stehen – gleich, wie viel Blut er für sie vergießen muss?
Und sind seine Ziele noch mit Quinns Bedürfnissen vereinbar?

 

 

Anmerkung: Tempel der Sünden ist Band 3 der aufregenden Fantasy-Saga um Quinn und Lazarus
und ihrer Suche nach Rache und Vergeltung auf ihrem steinigen Weg zum Thron. Band 3 wird dich
berühren, deine Emotionen gefangen nehmen und einige Überraschungen für dich bereithalten!

SpracheDeutsch
HerausgeberKel Carpenter
Erscheinungsdatum19. Sept. 2023
ISBN9781960167385
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    Buchvorschau

    Tempel der Sünden - Kel Carpenter

    Kapitel 1

    Kaltes Willkommen

    »Wenn die, die du aufsuchst, nicht die Tür öffnen, wenn du nach ihnen rufst, ist es unklug, ohne Einladung einzutreten.«

    Quinn Darkova, Vasallin des Hauses Fierté, Angstwandlerin, weiße Raksasa

    Ein Kampfschrei hallte inmitten der Schlacht wider.

    Quinn verzog das Gesicht, als ein fünfzehnjähriges schmächtiges Mädchen über das Deck des Schiffes geflogen kam. Axe klammerte sich mit einer Hand an das Seil und schwang mit der anderen ihre Axt. Blutspritzer bedeckten ihr jugendliches Gesicht, als sie den Arm ausstreckte und die Klinge im Vorbeiflug über die Kehle eines Gegners gleiten ließ. Sie stemmte die Waffe mit der Faust in die Luft und schrie aus voller Kehle: »Yahoooooooo.«

    Quinn schüttelte den Kopf und drückte auf die Einkerbung an ihrem Stab, um ihn auszufahren. Die verborgene Einheit glitt heraus, gerade als sich jemand von hinten näherte. Ein riesiger Schatten tauchte über ihr auf. Sie drehte sich um und schwang das stumpfe Ende nach oben.

    Eine männliche Hand griff nach dem Ende, als hätte sie ihre Bewegung vorausgesehen.

    »Myoris Zorn«, fluchte er und trat aus dem Schatten. Quinn zog eine Augenbraue hoch, als Draeven sagte: »Pass auf, wohin du mit dem Ding schlägst.« Quinn verdrehte die Augen und schwang es um sich herum, um jemanden hinter ihr zu treffen, ohne sich umzudrehen.

    Ein Grunzen ertönte, bevor der Angreifer mit einem dumpfen Schlag auf das Deck knallte.

    »Was wolltest du sagen?«, konterte sie und begutachtete das spitze Ende ihres Stabes, das nun mit dem Blut eines Narren glänzte. Der Anblick gefiel ihr sehr.

    »Jaja, duck dich!«, rief er. Sie schmiss sich auf die Knie, als ein Schwert von der Seite kam und direkt dort durch die Luft glitt, wo eben noch ihr Hals gewesen war. Ein weiterer dumpfer Aufprall folgte und Quinn zog eine Grimasse.

    »Sie werden nicht aufhören«, rief sie ihm zu, während die Schlacht weitertobte. Die silberhaarigen Männer und Frauen waren mit der Absicht zu töten auf ihr Schiff gestürmt, aber sie hatten nicht mit der Gruppe gerechnet, die sie dort erwartete. Quinn und Draeven schlugen die Soldaten gemeinsam nieder. Für jeden, den sie zu Fall brachten, nahmen zwei weitere ihren Platz an Deck ein. Axe schwang hin und her und enthauptete die N’skari links und rechts im Alleingang. Quinn wusste, dass sie gut mit den Beilen umgehen konnte, aber sie musste es ihr dennoch zugestehen: Axe konnte sich in einem echten Kampf besser schützen, als Quinn es ihr zugetraut hätte. Trotzdem wurde die Besatzung, die sie mitgebracht hatten, schnell kleiner und weder Lazarus noch Vaughn oder Dominicus waren irgendwo zu sehen.

    »Ich verstehe nicht, warum sie uns überhaupt angreifen«, rief Draeven über den Wind hinweg zurück. Sie drehte sich um und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Gruppe von Schiffen, die sie umgaben.

    »Weil Lazarus ein Idiot ist«, murmelte sie vor sich hin. Sie warf einen Blick auf Draeven und sein Blick verriet ihr, dass er sie gehört hatte.

    »Was willst du damit …« Er hielt kurz inne, während er neben sie trat, um einen weiteren N’skari niederzustechen, der sich ihnen törichterweise mit wenig bis gar keiner Heimlichkeit genähert hatte. Das Schiff schaukelte immer stärker und schwankte gefährlich im eisigen Wasser, sodass es schwierig war, das Gleichgewicht zu halten. Die Wellen tobten trotz des klaren Himmels unnatürlich heftig.

    Quinn ließ ihren Blick über den Horizont schweifen. Könnte es sein …

    »Er hat einen Brief geschickt, aber er hat nie eine Antwort erhalten. Die N’skari greifen an, weil wir nicht eingeladen wurden«, erklärte sie ihm, während das Wasser von der rauen See unter ihnen auf das Deck spritzte.

    »Was?«, brüllte er zurück und drehte sie herum, sodass ihr Rücken seinen berührte. »Du willst mich doch …«

    »Verarschen?«, bot sie hilfsbereit an und wirbelte den Stab herum, um einem Angreifer auf den Kopf zu schlagen und einem anderen mit einem harten Schlag das Genick zu brechen. »Wir werden angegriffen und sind von allen Seiten umzingelt. Hast du eine bessere Erklärung?«

    Die einzige Antwort, die sie bekam, war ein Knurren. Sie erledigten immer mehr Angreifer, während sie sich langsam auf das Steuerruder zubewegten. Quinn spähte über die Bordwand auf das Schiff direkt rechts von ihnen. Am Rande des Docks standen zwei Frauen, die ihre Hände in sorgfältig berechneten Bewegungen tanzen ließen. Das blaue Licht, das sie ausstrahlten, war nicht zu übersehen.

    Wasserweber.

    »Potes«, fluchte sie. »Draeven, sie werden uns versenken. Wo zum Teufel ist …« Sie verstummte, als sie etwas am anderen Ende des Schiffes erblickte. Lazarus stand dort inmitten des Chaos und begann langsam, sein Hemd aufzuknöpfen, wodurch die dunklen Wirbel seiner Tätowierungen, die in seine Haut – unter seinem Fleisch – eingebrannt waren, sichtbar wurden. Ihre Blicke trafen aufeinander, und an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er wusste, welche Folgen seine bevorstehenden Handlungen haben würden.

    Die Chance auf ein Bündnis war ohnehin schon gleich Null, wenn er jetzt preisgab, was er war … Quinn schüttelte den Kopf und Lazarus erstarrte, was dazu führte, dass er ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte als den beiden, die sich ihm von hinten näherten. Sie traf eine schnelle Entscheidung.

    »Quinn, was machst du …« begann Draeven, während er darum kämpfte, die Horde davon abzuhalten, das Kommando über das Schiff zu übernehmen.

    »Übernimm das Ruder!«, sagte sie ihm.

    »Was? Ich bin grad etwas beschäftigt …«

    »Ich sagte, übernimm das verdammte Ruder!«, rief sie und fügte mit leiserer Stimme hinzu: »Ich werde etwas versuchen.« Draeven sprang zur Seite, um das sich drehende Holz aufzufangen. Er hielt es im selben Moment an, in dem sie sich umdrehte und auf etwas zeigte.

    Eine Welle der Angst schoss durch ihre Adern und durchschlug die Reihe der Angreifer, die sich einen Weg zu ihr bahnen wollten. Die Schreie hallten durch den frühen Morgen, in dem sich die Sonne gerade zu erheben begann. Quinn verdeckte das Licht nicht, denn sie wollte, dass sie sie sahen. Und zwar alle.

    Die Gruppe, die sie angegriffen hatte, fiel zu Boden, ihre Blicke defokussiert, ihre Körper wie in einem katatonischen Zustand erstarrt. Das verschaffte Quinn Zeit, das Einzige zu tun, von dem sie glaubte, dass es die Situation bereinigen könnte, bevor es zu spät wäre.

    Sie hob ihren Stab in die Luft und rief auf N’skaranisch: »Ruhe!«

    Die Soldaten an Deck verstummten. Alle Köpfe drehten sich in ihre Richtung, als Quinn deren Angst packte und sie festhielt. Selbst wenn sie sich bewegen wollten, würden sie es nicht können.

    »Wer bist du …?«, fing einer der Männer auf N’skaranisch an.

    »Quinn?«, rief eine Frau in ihrer Sprache. »Quinn Darkova?« Mehrere Köpfe drehten sich um, darunter auch die ihrer eigenen Kameraden. Quinn betrachtete ihr Gesicht und erinnerte sich an ein Mädchen, das damals nicht viel älter war als sie selbst. Ein Mädchen, das aus einer niederen Familie stammte und kein eigenes magisches Talent besaß. Quinn suchte in ihren Erinnerungen nach einem Namen und murmelte: »Isa LaFeirnn?«

    Die Frau lächelte nicht, aber eine kleine Anspannung fiel von ihr ab. »Du bist es. Uns wurde gesagt, dass du von Sklavenhändlern entführt wurdest. Deine Eltern haben dich gesucht …«

    »Ich bin zurückgekehrt«, antwortete sie und unterbrach die junge Frau. »Diese Leute haben mich zurückgebracht.« Sie deutete auf Draeven, der halb auf dem Steuerruder zusammengesunken war, und dann auf Axe, die am Rand der Reling wippte und mit einer Hand noch immer das Seil festhielt. Ihre Augen waren verengt und schossen über all ihre potenziellen Ziele hin und her. Lazarus stand da, die Wachen hinter ihm durch ihre Magie wie angewurzelt. Sie wusste nicht, wo Vaughn oder Dominicus waren, aber sie hoffte, dass sie es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Lorraine zu beschützen.

    Die misstrauischen N’skari betrachteten die Umgebung, während sie über ihre Worte nachdachten. Quinn erinnerte sich, dass Isa ein freundliches Mädchen gewesen war. Ein Mädchen, das für das Richtige eintrat, auch wenn sie dafür jedes Mal verprügelt wurde. Sie hatte versucht, den Weg der hellen Götter zu gehen. Quinn fragte sich, ob das immer noch der Fall wäre. »Wenn das stimmt, dann sollten wir sie willkommen heißen, weil sie dich nach Hause gebracht haben.«

    »LaFeirnn.« Es war ein Befehl, und Isa senkte unterwürfig den Kopf. Quinn biss die Zähne zusammen, denn auch diese Stimme war ihr im Gedächtnis geblieben, und sie hatte sie nicht vermisst. Einer der Männer trat einen Schritt vor. Sein langes Haar war zurückgekämmt, und obwohl über ein Jahrzehnt vergangen war, erkannte Quinn diesen dünnen, schlaksigen Jungen, der inzwischen zu einem Mann herangewachsen war, der seine Familie stolz machen würde. Quinn zischte zwischen den Zähnen, als er sagte: »Selbst wenn dies tatsächlich das vermisste Kind der Darkova ist, woher wissen wir, dass es das Licht war, das sie nach Hause geführt hat?«

    »Ich glaube«, begann Quinn, »dass zwar viel Zeit vergangen ist, aber noch nicht so viel, dass sich N’skara so drastisch verändert hätte.« Bei ihren Worten runzelte er die Stirn und Quinn marschierte vorwärts, wobei sie auf dem Weg zur Treppe über die gefallenen Soldaten hinweg trat. »Über meine Rückkehr sollte sich der Rat aussprechen, schließlich bin ich rechtmäßig hochgeboren.« Ein Raunen ging über das Deck, und mit nur einer Nuance leiseren Stimme fügte Quinn hinzu: »Wenn meine Eltern nach mir gesucht hätten, hätten sie sicher zu Ramiel für Gerechtigkeit gebetet. Jetzt bin ich hier, leibhaftig, nach all den Jahren zu ihnen zurückgekehrt.« Quinn schüttelte den Kopf und unterdrückte ein böses Grinsen, das durchzubrechen drohte. »Wenn das nicht das Werk eines Gottes ist, weiß ich nicht, was es ist, Edward.«

    »Tja, nun«, er hielt inne und schluckte die bitteren Worte, die er nicht aussprechen konnte, hinunter. Seine Augen trafen auf ihre und sie erwiderte seine Kälte. »Wenn dich ein Gott des Lichts hierhergebracht hat, dann wäre deine Rückkehr in der Tat ein Wunder.«

    »Ja«, antwortete sie mit einem verschlungenen Lächeln. »Das wäre es.«

    Er zitterte.

    Quinn war seine unterschwellige Anspielung nicht entgangen. Das Arschloch war auch hochgeboren, aber nicht so hoch wie sie. Selbst nach zehn Jahren war sie ihm an Macht überlegen, und das verachtete er eindeutig.

    »Wenn du nach Hause zurückkehren willst, sollten wir dich lieber selbst mitnehmen und diese«, er rümpfte angewidert die Nase, »Leute hier lassen.«

    Quinn verdrehte die Augen. »Du hast ihr Schiff angegriffen und die Hälfte der Besatzung getötet. Ich bezweifle, dass weder Ramiel noch die Göttin Telerah das gutheißen würden.« Sie zog eine Augenbraue hoch, und der Blick, den er ihr zuwarf, hätte sich durch ihre Haut brennen können, wenn er über nennenswerte Kräfte verfügt hätte. So aber kannte sie Edward als einen Hingabenspalter, der wenig Talent hatte. Während ein starker Hingabenspalter einem die Emotionen oder sogar das Selbstbewusstsein entreißen konnte, war er kaum in der Lage, ein bestimmtes Gefühl abzustumpfen. Im Gegensatz zu den Wasserwebern, die gerade in Stellung standen, um das Schiff zu versenken, wenn sie sich von ihnen mitnehmen ließ und es verließ. Und das kam für Quinn nicht infrage.

    »Ramiel würde verstehen, dass wir angegriffen haben, nachdem ein unbekanntes Schiff in unser Gebiet segelte. Wir wussten nicht, ob sie uns schaden wollten«, antwortete er eisig.

    »Vielleicht.« Sie nickte langsam. »Aber ich stelle keine Vermutungen darüber an, was die Götter glauben oder nicht glauben. Es wäre unklug, falls man etwas Falsches vermute, so sagt man.« Sie blickte zum Himmel und hielt einen Moment inne, bevor sie ihre Aufmerksamkeit langsam wieder auf ihn richtete. Ein dunkles Schimmern erschien auf seinem Gesichtsausdruck und ein teuflisches Kribbeln erfüllte sie. Sie liebte es so sehr, mit ihrer Beute zu spielen, bevor sie sie tötete.

    »Nun gut«, antwortete er nach einem Moment. »Wenn du eine sichere Überfahrt nach Liph wünschst, kann ich das arrangieren. Deine und ihre Zukunft liegt in den Händen des Rates, sobald wir die Küste erreicht haben. Ich bin mir sicher, dass deine Eltern dich nach all der Zeit unbedingt sehen wollen. Sie waren so besorgt, während du weg warst.«

    »Da bin ich mir sicher«, stimmte sie zu.

    Wohl eher besorgt, dass ich zurückkomme.

    Kapitel 2

    N’skara

    »Nichts ist jemals so einfach, wie es scheint. Denn es sind die Dinge, die unausgesprochen, ungesagt, bleiben, die die Wahrheit und ihre Geheimnisse beleuchten.«

    Lazarus Fierté, Seelenesser, Erbe von Norcasta, aufmerksamer Kriegsherr

    So schnell wie die Kämpfe begonnen hatten, hörten sie auch wieder auf.

    Lazarus war sich nicht ganz sicher, was er davon halten sollte. Die Art, wie sie die Männer niedermetzelte, und dann sprach sie auch noch in dieser seltsamen, schrecklichen Sprache, so als wäre sie eine von ihnen. Er schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick über ihre Gestalt schweifen. Auch wenn sie ihnen ähnlich sah und so sprach wie sie, war sie im Inneren nicht wie diese Menschen.

    Sie war dunkel, verdorben und grausam.

    Sie war Saevyana, ob er es wollte oder nicht.

    Und gerade jetzt war sie dabei, ihm seine einzige Chance auf ein Bündnis zu sichern.

    Er war so kurz davor gewesen, sein Hemd auszuziehen und die N’skari ihrem Schicksal zu überlassen. Die Schiffe um sie herum würden sich den Kreaturen unter seiner Haut beugen, wenn er es so wollte. Aber die Menschen … sie würden ihm nicht geben, was er wollte, sollte er versuchen, es zu erzwingen. Nein, ein Bündnis käme nicht infrage, wenn er seine Bestien auf die Welt losließe. Es war nicht seine erste Wahl, aber wenn Quinn nicht eingegriffen hätte, wäre es seine einzige Wahl gewesen, wenn er sie alle da lebendig herausbekommen wollte.

    Lazarus blickte hinüber. Sie sprach mit dem jungen Mann, der sich ihr entgegengestellt hatte, und ihre Stimme klang herablassend, auch wenn er die Worte nicht verstand. Der Junge schien über etwas nachzudenken, und seine Miene verdüsterte sich zusehends. Lazarus war nur eine Sekunde davon entfernt, einen Schritt nach vorn zu machen, als der Junge wieder sprach. Sie lächelte zurück, aber es war ein falsches Lächeln.

    Der Junge drehte sich um und brüllte etwas zu den Schiffen hinüber. Die Antwort, die zurückkam, war wieder eine, die er nicht verstehen konnte. Die silberhaarigen, bleichhäutigen Menschen, die ihn angegriffen hatten, sprangen plötzlich vom Deck. Die N’skari stürzten sich gedankenlos in die eiskalten Fluten, und kurz darauf waren nur noch der Junge und das Mädchen, das Quinns Namen gesagt hatte, übrig.

    Ihren vollen Namen, den er noch nie gehört hatte.

    »Quinn«, sagte er leise. »Auf ein Wort?«

    Sie trat zur Seite und murmelte den beiden etwas in dieser Sprache zu, die er nicht verstand. Lazarus ballte die Fäuste, sagte aber nichts, um sie zu hetzen, während er unter Deck ging. Die Planken waren mit Leichen übersät, und zu seinem Glück gehörten die meisten davon nicht zu seiner Besatzung.

    Er hörte sie nicht, als sie die Stufen hinunterging und ihm folgte, aber er roch feuchte Blütenblätter und frischen Schnee. Ihre Seele war ein schönes Leuchtfeuer der Dunkelheit inmitten des Lichts. Diese Dunkelheit rief nach ihm und er drehte sich um, als Quinn sich ihm näherte.

    »Erklär mir, was los ist!«

    Sie zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie sich gegen die Holzwand lehnte. »Du hast nicht auf mich gehört, und wir wurden wegen deines Fehltritts angegriffen«, begann sie, woraufhin er knurrte.

    »Sofort, Quinn! Ich bin kein geduldiger Mann und ich muss auch nicht zurechtgewiesen werden …«

    Sie lachte spöttisch, und das Geräusch ließ ihn zu Eis erstarren. »Genau da liegst du falsch. Was du getan hast, war dumm. Närrisch. Du schimpfst gerne über meine Rücksichtslosigkeit, aber wenn ich keine Eingeborene wäre, hätte das ein schlimmes Ende genommen. Dafür bist du mir etwas schuldig, Lazarus.«

    Er stand da und war verblüfft über die Kälte in ihrer Stimme.

    »Du bist meine V…«

    »Vasallin«, warf sie ein. »Ja, ich kenne die Bedingungen unseres Vertrages gut genug. Du hast mich über den halben Kontinent geschleppt, in blinder Unwissenheit über deine Pläne, und jetzt sind wir hier – in einem Land, dessen Sprache du nicht verstehst, dessen Volk du nicht verstehst, und bei deinem närrischen Versuch, ein Bündnis einzugehen, wäre ich überrascht, wenn du überhaupt irgendetwas über N’skara verstehen würdest.« Sie hob beide Augenbrauen, und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte.

    Er hatte sie aus der Baracke, die sie ihr Zuhause nannte, herausgeholt und ihr ein Ziel gegeben; Freiheit über alle Maßen. Er bezahlte sie gut und sah über ihre Gewaltausbrüche hinweg. Er gab ihr mehr als jedem anderen Vasallen an ihrer Stelle, denn sie war der Schlüssel zu allem. Zu seinem Königreich. Zu seiner Krone.

    Hatte er sie aus ihrem Leben gerissen? Ja. Hatte er sie manipuliert und manchmal auch belogen? Ja.

    Aber er hatte auch einen Grund dafür, der schwerer wog als alles andere.

    Er war wichtiger als alle ihre Fehltritte.

    Aber sie könnte auch sein Untergang sein. Das Ende von allem – wenn sie sich nicht fügte. Er hatte sich eingeredet, dass es Zeit brauchen würde. Dass er sich ihre Loyalität verdienen würde. Ihr Vertrauen. Ihren Respekt.

    Trotzdem widersetzte sie sich ihm auf Schritt und Tritt.

    »Ich weiß nicht, was du denkst, was hier passiert, Quinn, aber ich …«

    »Du wirst mir jetzt zuhören«, unterbrach sie ihn erneut. Er wollte etwas erwidern, aber sie fuhr fort, bevor er die Chance dazu hatte. »An diesem Ort, mit diesen Menschen, bist du blind. Ich weiß, was du dir wünschst, Lazarus, aber wenn du eine Chance haben willst, es zu bekommen, musst du mir dieses Mal vertrauen.«

    Er hielt inne. Das Hämmern in seinem Kopf, das Zappeln der Seelen, machte es ihm schwer, sein Temperament unter Kontrolle zu halten. Die dünne Leine, an der er Quinn hielt, wurde immer dünner, und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wer hier wirklich die Macht hatte, abgesehen von den äußeren Umständen.

    Aber … sie verlangte Vertrauen. Genau das, was er von ihr wollte. Seine vergangenen Versuche, sie zu manipulieren und zu zwingen, waren gründlich schiefgegangen. Vielleicht würde ein anderer Ansatz ihm auch ein anderes Ergebnis bringen. Wenn er wirklich seine Krone wollte und sie über alles stellte, dann mussten auch die Bestrafungen für ihre Übertretungen warten.

    »Ich bin bereit zuzuhören«, begann er. »Aber«, er hob eine Hand, als sie den Mund öffnete, um ihn erneut zu unterbrechen. Er beugte sich vor, griff um sie herum, packte ihr Haar und zog es zurück, damit er ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Du arbeitest für mich. Du bist ein Mitglied meines Hauses. Es ist mir egal, welche Hautfarbe du hast, denn du gehörst mir. Du gehörst nicht zu ihnen. Sie haben kein Recht, dich zu behalten. Alles, was wir hier tun, dient dazu, dass ich mir ein Bündnis für meine Herrschaft sichern kann. Verstanden?«

    Ihre kristallklaren Augen senkten sich, als ihr Blick auf seine Lippen fiel. Gerade als er dachte, dass sie versuchen würde, gegen das hier – was auch immer das hier war – anzugehen, nickte sie einmal und trat zurück. Er ließ sie los und die feinen Strähnen ihres Haares glitten wie Seide durch seine Finger.

    »Vertrau mir, ich werde meinen Teil tun und am Ende wirst du dein Bündnis haben«, sagte sie. »Und bei der Liebe von Forseya – gib ihnen keinen Grund, dich zu töten. Anders als Imogen geben die N’skari keine zweite Chance.«

    Das Schiff kam allmählich zum Stehen und jemand schrie vom Deck. Quinn seufzte und machte auf dem Absatz kehrt, aber gerade als er ihr nachgehen wollte, öffnete sich die Tür zu seiner Linken.

    »Hat sie gerade …«, begann Dominicus, deutete auf die Treppe und stockte angesichts des Gesichtsausdrucks von Lazarus. »Ich bleibe hier und bewache Lorraine«, sagte er und wechselte damit klugerweise das Thema.

    »Mach das!«, antwortete Lazarus knapp. »Vaughn? Geh und bewache Axe und pass auf, dass das Kind keinen Ärger verursacht.« Der Bergjunge, der gerade Blut von seiner Klinge gewischt hatte, nickte.

    »Ich kann mich um kleine Piratin kümmern.«

    Lazarus schüttelte den Kopf, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und atmete kräftig aus. Oben an Deck stand Quinn, Draeven bereits im Schlepptau. Sie warteten zusammen mit den beiden N’skari, die an Bord geblieben waren. Der Mann wollte etwas sagen, aber Quinn unterbrach ihn mit einer schnippischen Bemerkung.

    Lazarus grinste in sich hinein, als sie sich auf den

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