Putins kleiner Finger
Von Marc Späni
()
Über dieses E-Book
Marc Späni skizziert in seiner Erzählung die ersten dreissig Tage des Ukraine-Krieges und lässt seine Protagonisten existentielle Fragen stellen.
Marc Späni
Marc Späni wurde 1972 in St. Gallen geboren, studierte Literatur und Philosophie und arbeitet heute als Gymnasiallehrer in Zürich. »Putins kleiner Finger« ist sein sechstes Buch.
Ähnlich wie Putins kleiner Finger
Ähnliche E-Books
Die Bankfrauen: Bayrisch-Russische Begegnungen in zwei Jahrhunderten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUkrainisches Tagebuch: Aufzeichnungen aus dem Herzen des Protests Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Geheimnis früherer Jahre Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchnee von gestern ...und vorgestern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Spur der Katze: BsB_Spannungsroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTod im Kanzleramt: Als der Nebel kam Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFlohsommer: Eine versteckte Liebeserklärung an Würzburg Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTagebücher in Einzelheften. Heft 9: 1912 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGrundsätzlich unvorbereitet: 99 Texte über Kunst und Gesellschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Blutspiel: Thriller Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Flügelschlag des Zitronenfalters Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Massaker am Sternleitenhof: Elffacher Mord in der Nachkriegszeit 1947 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLand ganz nah: Ein Heimatroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZ. wie Zersetzung. Stasi und andere Verbrechen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSandmann (eBook): Friedo Behütuns' neunter Fall - Frankenkrimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Bettler baut eine Stadt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFriedas Enkel: Meine Familie und das Erbe der Gewalt in Russland Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5Wiener Hundstage: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer unverhoffte Zeuge: Lebensweisheiten, Gegenwärtiges, Vergangenes, Erlebnisse … was im Leben so alles passiert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTriumph des Scheiterns: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTagebücher in Einzelheften. Heft 6: 1911 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBeischlaf mit der Großmutter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLeming Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMordsradau in Bad Vöslau: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGrappa sieht rosa: Maria Grappas 24. Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie wichtigsten Werke von Dostojewski: 5 Klassiker der russischen Literatur in einem Buch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Double des Bankiers: Berlin Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tag, an dem die Wolke kam Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie unsicherste aller Tageszeiten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFünfzig. Ein Tagebuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Psychologische Literatur für Sie
Der Prozess Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der Prozess & Das Schloss Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Dantes Inferno I: Der Astroführer durch die Unterwelt, Frey nach Dantes "Göttlicher Komödie" Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Der Prozess (Weltklassiker) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Schloss Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Schlafwandler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCaspar Hauser: Die Trägheit des Herzens Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5LELIA Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Materie und Gedächtnis: Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie wichtigsten Werke von Dostojewski: 5 Klassiker der russischen Literatur in einem Buch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLenz: Eine Schizophreniestudie Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Jeder stirbt für sich allein Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Dämonen: Die Besessenen: Dostojewskis letzte anti-nihilistische Arbeit (Ein Klassiker der russischen Literatur) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Franz Kafka: Sämtliche Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeiße Nächte: Aus den Memoiren eines Träumers (Ein empfindsamer Roman) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Brüder Karamasow: Alle 4 Bände - Klassiker der Weltliteratur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOben Erde, unten Himmel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Pforte der Einweihung & Die Prüfung der Seele: Zwei Mysteriendramen von Rudolf Steiner Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZärtlich ist die Nacht: Amerikanischer Literatur-Klassiker Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOBLOMOW: Eine alltägliche Geschichte: Langeweile und Schwermut russischer Adligen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Don Quijote: Band 1&2 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPetersburger Novellen: Die Erzählungen des verfremdeter: Die Nase + Das Porträt + Der Mantel + Der Newskij-Prospekt + Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Herz führt mich zu dir Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeorge Eliot: Middlemarch – Vollständige deutsche Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKnut Hamsun: Hunger (Deutsche Ausgabe) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Amokläufer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHotel Savoy Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchnittbild Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Verwandte Kategorien
Rezensionen für Putins kleiner Finger
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Putins kleiner Finger - Marc Späni
22.2.2022
Ein Lieferwagen steht vor unserem Wohnblock, junge Leute schleppen Möbel, Kisten, Regalbretter, Lampen, Teppiche und allen möglichen Kram ins Haus.
Ralf ist vom Wohnzimmertisch aufgestanden und beobachtet das Treiben.
»Studenten, garantiert. Ich sag dir, jetzt geht’s los mit nächtelangen Partys, lauter Musik, Cannabis-Wolken im Treppenhaus.«
Zu fünft fugen sie das Umzugsgut ins Haus. Sie heben etwas hoch, verschwinden damit hinter der Kirschlorbeerhecke, tauchen nach einer Weile wieder auf, holen die nächste Fuhre, plaudern, lachen, als wäre es das Spaßigste der Welt.
»Was die alles anschleppen!«, staune ich.
»Pah. Das ist ein Bruchteil von dem, was wir damals aus dem Haus ausgeräumt haben.«
»Definitiv keine Vertreter des Minimalismus.«
»Für Minimalisten habe ich schon gar nichts übrig«, brummt Ralf.
»Ich meine Leute, die versuchen, mit wenig auszukommen«, präzisiere ich, »die in Minihäusern leben und nur das Nötigste kaufen.«
»So ein Quatsch.«
»Na ja, wenn man sich mal überlegt, was man wirklich braucht«, sinniere ich, »kann es sicher nicht schaden, mal aufzuräumen und Platz zu schaffen.«
»Hier muss man aufräumen«, sagt Ralf und tippt sich an die Stirn, während er sich wieder hinsetzt.
Ralf ist Rentner und mein Nachbar. Unsere Vorgärten grenzen aneinander, und obwohl er dauernd unterwegs ist, kann ich sicher sein: Wenn ich nur einmal schnell rausgehe, um eine zu rauchen, steht er schon da, gleich darauf auf meinem Sitzplatz, und wenn es kalt ist, in der Wohnung. Er hat immer etwas zu erzählen, verfolgt die Nachrichten und interessiert sich für meine Schreibarbeit. Ich rechne ihm das hoch an, ist er doch einer der wenigen.
Die letzte halbe Stunde haben wir uns über die Lage in der Ostukraine unterhalten, was Russland mit dem riesigen Truppenaufmarsch und den Manövern bezweckt und wie sich die europäischen Politiker in Moskau zur Lachnummer machen.
Anna huscht zwischendurch vorbei, macht sich in der Küche einen Tee, verschwindet wieder in ihrem Arbeitszimmer. Sie meint, Ralf halte mich von der Arbeit ab. Aber wenn ich ehrlich bin, kommen mir seine Besuche ganz gelegen. Ich stecke nämlich fest. Ich hatte vorgehabt, die Wochen, bis die Schreibseminare an der Volkshochschule wieder losgehen, kreativ zu nutzen. Für eine mehrschichtige Erzählung auf der Basis von Artikeln aus Gratiszeitungen, von Netflix-Serien und sozialen Netzwerken. Vor allem die Gratiszeitungen haben es mir angetan. Auch wenn ich zuhause arbeite, gehe ich im Lauf des Morgens zum Bahnhof und hole mir eine aus der Box. Ich habe schon eine schöne Sammlung, notiere mir jeweils in Kurzform die Themen einzelner Artikel. Hier das Ergebnis von heute:
Influencerin zeigt ihren Freund
Riesige Qualle trifft auf Taucher
Musiker wegen Depressionen in Therapie
Ehe-Aus von Ex-Miss
Tochter (10) von Fußballstar bekommt Zwergkaninchen
Blabla-Kassen in französischen Warenhäusern
Secondos haben es geschafft
Am 22.2.22 heiraten: glückliche Paare
Junge Frau gießt Pflanzen mit Periodenblut
Fischstäbchen-Pizza dank Twitter
Youtuber endlich stolz auf sich
Eine eigene Welt aus aufgeblasenen Belanglosigkeiten, aber mit eigenen Erzählstrukturen und Deutungsmustern, die ich für eine experimentelle Erzählung verwenden möchte. Aber eben, ich stecke fest. Ich möchte diese bunte Erzählwelt kontrastieren mit der Welt gewöhnlicher Leute, die in ihrem Leben keine solche Dinge erleben, sehe aber noch nicht, wie ich die beiden Ebenen verknüpfen soll.
Vor einigen Tagen kam mir die Idee, ich könnte Menschen aus meinem Umfeld porträtieren und in diesem Zusammenhang auch Ralfs unabwendbare Besuche für mein Projekt verwerten.
»Du möchtest meine Memoiren schreiben?«, fragt er amüsiert.
»Nicht deine Memoiren. Mich interessiert dein Leben, dein Alltag.«
»Mein Alltag«, murmelt er, als hörte er das Wort zum ersten Mal.
»Was machst du, wenn du nicht anderen Leuten die Zeit raubst?«
Er lacht. »Was Rentner halt so machen.«
»Zum Beispiel?«
Er erzählt mir von den Kaninchen, von ihrer Pflege, der Instandhaltung von Stall und Außengehege. Er hält die Tiere in seinem Vorgarten.
»Und sonst?«
»Aquafit«, sagt er nach kurzem Überlegen, »drüben im Wasserpark.«
»Aquafit«, wiederhole ich wenig begeistert.
»Kannst ja mal mitkommen.«
Ich schüttle den Kopf und wir schauen eine Weile aus dem Fenster. Der Lieferwagen ist in der Zwischenzeit weggefahren. Während ich mir überlege, ob Ralf wirklich als Figur für meine Erzählung taugt, monologisiert er weiter über die triste Weltlage: »Dieser Putin verarscht doch alle, die EU, die NATO, die Amis. – Nein, da hat Europa nichts mehr zu melden, wir sind weltpolitisch weg vom Fenster – der macht doch eh, was er will«, und so weiter, und so fort.
Es klingelt, Anna macht auf. Vor der Tür stehen zwei junge Leute und stellen sich als die neuen Mieter vor. Eine eher klein gewachsene Frau mit Pferdeschwanz und lebhaften Augen, ihr Freund, mit rundlichem Gesicht und gutmütigem Blick, die Haare trotz Umzug sorgfältig gestylt. Nur sie ziehen ein, Sandra und Filip, beide Anfang zwanzig, die andern waren bloß Umzugshelfer. Auch Ralf kommt zur Tür.
»Ralf wohnt eigentlich da«, erkläre ich und zeige auf die Wohnungstür gegenüber.
»Er ist Schriftsteller«, sagt jetzt Ralf, als erkläre das die Situation.
Ich will schnell darüber hinweggehen, aber Sandra hakt gleich nach: »Echt? Vielleicht hab ich was von dir gelesen.«
»Sandy liest Unmengen Bücher«, erklärt Filip.
Ich nenne ihr meine drei Krimi-Titel und sie schüttelt etwas verlegen den Kopf.
»Braucht man nicht zu kennen«, beruhige ich sie. Sowieso schäme ich mich immer ein wenig für die Krimis, den größten Absatz hatte ich, als sie im lokalen SPAR an der Kasse auflagen, weil ich den Inhaber kenne. – Aber die Krimis sind immerhin herausgekommen. Für die wirklich guten Sachen suche ich noch immer einen Verleger. Na ja, zu einem guten Teil sind sie auch noch nicht geschrieben.
Wir plaudern noch ein wenig über den Umzug, den Wohnblock, beantworten Fragen zur Benutzung der Waschküche und zum Fahrradkeller, dann verabschieden sich die beiden wieder und ziehen sich in die Wohnung zurück, wo sie zwischen Kisten und halb zusammengebauten Möbeln die Nacht verbringen werden.
»Nette Leute, ganz nette Leute«, wiederholt Ralf mehrmals, bevor er mir einen schönen Abend wünscht und doch noch in seine eigene Wohnung zurückgeht.
24.2.2022
Russland hat seine Militäroffensive gegen die Ukraine gestartet. Über Nacht Artillerie- und Raketenbeschuss, erste Panzereinheiten auf dem Vormarsch Richtung Kiew. Auf allen Kanälen laufen Sondersendungen, auf allen Newsplattformen nur Berichte über den Militärschlag, wie Selenski zur