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Tod im Kanzleramt: Als der Nebel kam
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Tod im Kanzleramt: Als der Nebel kam
eBook260 Seiten3 Stunden

Tod im Kanzleramt: Als der Nebel kam

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Über dieses E-Book

Große Gala-Party im Kanzleramt. Die Prominenz ist vertreten, und natürlich ich, verantwortlich für Angies Autobiografie. Als Vertrauter der Kanzlerin darf ich eine Dame meiner Wahl mit auf die Party nehmen. Ich komme mit Gabriele Krone-Schmalz. Außerdem kümmere ich mich während der Party um den kleinen Yousef, Angies sechsjährigen Adoptivsohn aus Syrien. Alles läuft glatt, und alle haben eine Menge Spaß - bis die Natur aus den Fugen gerät. Es beginnt mit einer scheinbar harmlosen sommerlichen Gewitterfront über Berlin und endet in einem tödlichen Nebel, der alles gnadenlos zu verschlingen scheint. Nun gerät die Party außer Rand und Band. Im Kanzleramt, das keiner mehr verlassen kann, drängen sich Angies Gäste zusammen, die der schreckliche Nebel und seine grauenvollen monströsen Auswirkungen gefangen hält. Wird diese exklusive Gesellschaft implodieren oder wird man die ausweglose Situation bewältigen?

Auch die erlauchten Botschafter Russlands, Chinas und der USA sind hier gefangen, während meine Frau Alexa zu Hause auf mich wartet. Sie hasst die Partys der Upperclass, aber sie lässt mich meinen Job machen und ist keinesfalls eifersüchtig auf Gabriele. Doch jetzt, nach der schrecklichen Sturmnacht über Berlin, habe ich plötzlich Angst um sie und möchte zu ihr. Da plötzlich kommt der Nebel über die Hauptstadt. Im Kanzleramt hören wir das Geheul von Sirenen, dann kehrt Totenstille ein. Kein Mensch kommt mehr in den Regierungskomplex hinein und niemand, der ihn verlässt, kommt lebend davon. Wir stellen bestürzt fest, dass sich im Nebel etwas Grauenvolles verstecken muss. Sind es Putins Geheimwaffen? Um diesem Grauen zu entgehen, schlägt eine fanatische Hobbypolitikerin ein Menschenopfer vor. Dabei schaut sie bedeutungsvoll den russischen Botschafter an. Für mich kommt die Zeit zu handeln.

Mit Angies Adoptivsohn Yousef, mit Gabriele Krone-Schmalz und drei weiteren mutigen Partygästen will ich aus dem Kanzleramt hinaus in den Nebel und den Kampf aufnehmen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. Nov. 2015
ISBN9783738048872
Tod im Kanzleramt: Als der Nebel kam

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    Buchvorschau

    Tod im Kanzleramt - Stefan Koenig

    Aufräumen mit Vorurteilen

    Pressestimme

    „Der Autor landete mit seinem Erstling »maschendrahtzaun« einen Volltreffer. Seine Kultgemeinde schätzt die für den deutschen Sprachraum einmalige Stephen-King-Adaption, mit der sich Stefan Koenig sein eigenes Genre aus Comedy, Horror und kulturkritischem Politkrimi schuf.

    Zweifellos ist sein Anliegen nicht nur die auf Hochspannung fixierte Unterhaltung, das Eindringen in die Schwächen unserer voyeuristischen Psyche. Es geht ihm ebenso um Sensibilisierung für jene kritischen Ansätze, die hinter der johlenden Kommunikationsfassade die gähnende Leere unserer scheinbaren Wertegesellschaft auszumachen glauben.

    Vor Stefan Koenig und Stephen King hatte bereits 1943 der große deutsche Schriftsteller Hermann Hesse in seinem Alterswerk »Das Glasperlenspiel« vor dieser nahenden dekadenten Kultur eines »feuilletonistischen Zeitalters« gewarnt. Umsonst."

    (Michael Winkler im Vogtland-Anzeiger)

    (Statt eines Vorwortes)

    Wenn ich bedenke, mit wie viel Eitelkeiten die Welt bestückt ist, mit wie vielen selbstsüchtigen TV-Auftritten und medialem Klamauk sich die Protagonisten unserer realen Welt umgeben, dann habe ich das Gefühl, einen Beitrag hinzufügen zu sollen. Ist es nicht im Sinne unserer Selbstdarsteller, wenn man sie als Romanfiguren mit völlig neuen Identitäten ein anderes Leben, ein Leben in einer unmöglichen Zukunft leben lässt? Ich habe mich dazu entschlossen, weil Personen der Zeitgeschichte es würdig sind, dass man sie über die Zeitgeschichte hinaus in immer neuen Märchen und in immer neuem Gewande weiterleben lässt.

    Viele meiner Leser haben mich auf meinem Facebook-Portal gefragt, wie ich auf diesen Titel kam: Tod im Kanzleramt. Sie sahen darin offensichtlich sofort den unausweichlichen Tod der Kanzlerin. Das, ehrlich gesagt, wäre mir zu unappetitlich. Zu billig. Ich bin kein Freund dieser Frau, allerdings glaube ich nicht, dass Gewalt irgendetwas löst. Nein, sie spielt nur eine Rolle in einem Theaterstück; dazu hören wir Musik: Puppet on a String, von Sandie Shaw. In meinem Stück spielen die Namen keine Rolle. Sie können austauschbar sein, so wie der Tod – man tauscht das Leben gegen ihn.

    Aber was ich Ihnen gerne verraten möchte ist, wie ich auf den Titel meines Thrillers kam. Auf die Idee brachte mich die britische Schriftstellerin Hilary Mantel mit ihrem 2014 erschienenen Titel »Die Ermordung Margaret Thatchers«. Zuerst fand ich den Titel überaus geschmacklos, da die als „eiserne Lady" bekannte radikalkonservative Ex-Regierungschefin gerade ein Jahr vor Mantels Veröffentlichung an den Folgen eines Schlaganfalls auf durchaus natürliche Weise verstorben war.

    In Mantels Story allerdings wird ein Anschlag auf Thatcher im Stil der Kennedyermordung verübt – es bleibt offen, wie der Anschlag ausging. Ich fand das skurril. Und dann las ich, dass Hilary Mantel noch im Jahr dieser Veröffentlichung von Königin Elisabeth II. zur »Dame Commander of the Order of the British Empire« ernannt wurde. Seit 2014 hängt sogar ein Bild von ihr in der British Library. Jetzt also kennen Sie mein Ziel. Worum ich Sie gefälligst bitten möchte: Räumen Sie folglich auf mit Vorurteilen gegen Königinnen, knallharten Regentinnen und wenig charmanten Autorinnen und Autoren.

    Lowbrook, irgendwann

    Ihr Stefan Koenig

    Widmung

    Dieses Buch

    widme ich dem schrecklichen Nebel –

    in der trügerischen Hoffnung,

    er möge uns verschonen*

    * … und natürlich widme ich es meinen treuen

    Leserinnen und Lesern, immer in der Hoffnung,

    dass sie noch gut schlafen können.

    Erinnerung

    Bitte vergessen Sie nicht,

    dass es sich bei dem vorliegenden Werk

    um eine frei erfundene Story handelt.

    Keine Angst also!

    Namen, die Ihnen vielleicht

    durchaus bekannt vorkommen mögen,

    gehören nicht zu real existierenden Personen.

    Jedenfalls gibt es sie so nicht, nicht so!

    Orte, Ereignisse und Romanfiguren

    sind allesamt Erfindungen.

    Nackte Illusionen.

    Faktische Fiktionen.

    Fiktive Fakten.

    Es geschah

    Folgendes geschah im Jahr 2019: An jenem Abend, als die größte Hitzewelle in der Geschichte Mitteleuropas endlich zusammenbrach - am Abend des 20. Juli 2019 -, wurde die gesamte Region rund um Brandenburg und Berlin von den heftigsten Gewitterstürmen heimgesucht, die ich je erlebt habe. Angela Merkel, ihre Partygesellschaft und mich erwischte es ausgerechnet am Abend, als die Galaparty im Kanzleramt ihren unheilvollen Anfang nahm.

    Jetzt fragen Sie sich, wie ich aus einer Zukunft in der Vergangenheitsform berichten kann, obwohl jeder BILD-Leser weiß, dass dies unmöglich ist. Ich erwarte von Ihnen allerdings Aufgeschlossenheit und keine Vorurteile gegenüber BILD-Lesern; insbesondere appelliere ich an Ihre Vorstellungskraft – und an Ihre Wahrhaftigkeit. Wie oft haben Sie schon behauptet, Sie hätten Pferde kotzen sehen? Sehen Sie, das ist es, was ich meine. Mein Name ist Stefan Koenig und ich denke, auch Sie sollten verstehen - rechtzeitig verstehen! – dass es Dinge gibt, die zwar nicht durch unsere verschlungenen Hirnwindungen wollen, und doch existieren diese Dinge.

    Die Ereignisse, die den heftigen Gewitterstürmen nach heutiger Sicht vorausgingen und sie in gewisser Weise beeinflussten, überstürzten sich Anfang des Jahres 2015. Niemand anderes als Deutschlands Kanzlerin, die Ex-Physikerin Angela Merkel, wusste besser, dass das in diversen kritischen Magazinen umgehende Gerücht stimmte. Es gab auf europäischem Boden ein einmaliges Fracking-Experiment; ein physikalisches Forschungsprojekt mit einem Sonderetat, bestritten vom IWF, dem Internationalen Währungsfonds, der eigentlich den USA gehört. Man munkelte von 143 Milliarden Euro. Doch wer immer Angie ausforschte, um herauszufinden, wo genau dieses Experimentierfeld lag, blieb erfolglos. Sie blieb schweigsam. Auch bei dieser Frage fügten sich ihre Hände automatisch zur Raute. Es entzieht sich freilich meiner Kenntnis, inwieweit Joachim Sauer, ihr Gatte, übrigens auch ein Physiker, diese Situation hinzunehmen bereit war. Jahre später, auf der Party, von der hier zu berichten ist, habe ich sie und ihn darauf angesprochen. Doch dazu komme ich noch.

    Im Januar 2015 flog die Kanzlerin mit ihrem damaligen Außenminister, Frank-Walter Stein-meier, nach Minsk, um ein Abkommen zu unterzeichnen. Ich kam mit, denn als ihr biografischer Auftragsautor sollte ich dieses wichtige Treffen zwischen Putin, Poroschenko, Hollande und ihr nicht versäumen.

    Solche politische Treffen langweilen mich in der Regel zu Tode, aber hier in Minsk traf ich einen ukrainischen Reporter, mit Vornamen Oleksander, mit ziemlich fanatischen Augen, und irgendwie machte er kein Hehl aus seinen wahren Interessen. „Wir brauchen keinen Waffenstillstand", sagte er mir an der Bar im Foyer, als ich mir in einer Besprechungspause ausnahmsweise zwei Red Bull am Stück genehmigte. Es war drei Uhr morgens und es schien, als würden sich die Verhandlungen noch sechs Stunden hinziehen, nachdem nun bereits acht Stunden hintereinander verhandelt worden war. Mir brummte der Kopf. Ich schluckte hinter vorgehaltener Hand ein Tebonin; dann ein zweites. Schließlich eine Kapsel Ginseng.

    „Das riecht nach einer russischen Finte! sagte er, als mir die weißrussische Blondine hinter der Bar den Energydrink einschenkte. „Und Putin mit seinen Oligarchen steckt mit der EU unter einer Decke, so wahr mir Gott helfe!

    Das alles interessierte mich nicht; von lausigen Journalisten-Analysen halte ich mich fern. Es gibt selten Presseleute, denen ich heute noch vertraue. Aber das ist meine ganz persönliche Einstellung, die ich selbst vor der Kanzlerin geheim halte.

    Ich sah ihn mit leicht gespieltem Interesse an und stellte ihm, innerlich zutiefst gelangweilt, eine der damals üblichen Fragen. „Wie entwickelt sich eigentlich …, so fragte ich Oleksander, „… die Wirtschaft in eurem Land?

    Eine ganz normale Frage, wie ich finde, insbesondere wenn man bedenkt, wofür die Menschen im März 2014 angeblich auf Kiews Straßen gegangen waren. Aber er sah mich an, als habe ich in ein Wespennest gestochen, und dann sprudelte etwas aus ihm heraus, was ich erst heute, vier Jahre später, in einen logischen Zusammenhang bringen kann. Und das wiederum hängt mit dem schrecklichen Nebel rund um Berlin zusammen, der dem ungewöhnlichen Sommersturm folgte. Doch alles der Reihe nach.

    Oleksander berichtete aus seiner westukrainischen Heimat, nahe Kiew, wo er auf ungewöhnliche Bauarbeiten, sehr ungewöhnliche Arbeiten, aufmerksam wurde. 140 km Luftlinie nördlich der ukrainischen Hauptstadt liegt Tschernobyl, ein atomarer Langzeittrümmerhaufen aus dem Jahr 1986. Atomarer Fallout hatte damals im Mai weite Strecken Nord- und Mitteleuropas verseucht. Frische Milch gab es nur mit atomaren Rückständen. Dabei war nicht das Verfallsdatum der Milch, sondern das Zerfallsdatum des viele Jahrtausende haltbaren Strontiums, Cäsiums und Plutoniums von Interesse. Ich musste auf abenteuerlichste Weise Säcke voller Milchpulver aus der Vorjahresproduktion für befreundete Eltern und für den Kindergarten, in den meine drei Söhne gingen, besorgen. Ich war Elternvertreter und seit jeher Atomkraftgegner.

    Nur fünfzig Kilometer westlich dieses unrühmlichen Atom-Molochs entdeckte Oleksander den Bauzaun um ein riesiges, etwa fünfzig Hektar großes Areal. In der ersten Zeit ließ die Absperrung noch Einblicke zu, wie er sagte. Aber schon nach einer Woche wurde der kilometerlange Zaun mit einer hohen Sichtblende versehen. Die Oblast Kiew, zu dessen Regierungsbezirk das weithin verseuchte Gelände gehört, hatte den Bebauungsplan geändert; das Gelände, das ursprünglich für Monsantos gentechnische Feldversuche vorgesehen war, wurde nun einem amerikanischen Schiefergasunternehmen zugeschrieben. Aber selbst ihm, Oleksander, dem treuen Mitarbeiter des ukrainischen Staatsfernsehens und begeisterten Maidan-Demonstranten, erteilte die zuständige Behörde lediglich die lapidare Antwort: Es handele sich um ein internationales Forschungsprojekt zur Erderwärmung. Und ja, es stimme, der Sohn des amerikanischen Vizepräsidenten, Hunter Biden, sei von der Kiewer Zentralregierung zu einem der zwei wissenschaftlichen Direktoren ernannt worden.

    Oleksander wurde gebeten, nicht über dieses Geheimprojekt zu berichten, da er ansonsten mit Schwierigkeiten zu rechnen habe. Aber damals, 2015, an der Bar im Prunkpalast von Minsk, erzählte er mir trotz Sprechverbot davon, während die Kanzlerin die Toilette aufsuchte, sich erfrischte und neu schminken ließ. Vielleicht hatte Oleksander ein wenig zu viel getrunken; vielleicht wollte er sich auch nur ein wenig wichtig tun, hatte ich ihm zuvor doch auf seine Frage, für wen ich arbeite, geantwortet, dass ich ein persönlicher Mitarbeiter der deutschen Kanzlerin sei. Nun gut, auch das war in gewisser Weise eine Aufschneiderei, weil ich ihn im Unklaren ließ, in welcher Funktion ich diente. Tatsächlich bin ich lediglich ein armseliger Hilfsautor für die Erstellung von Angies Biographie, und das nun schon seit über vier Jahren.

    Wie mir Oleksander am Tresen berichtete, rückten irgendwann Bohrkräne an, und es begannen monatelange geheime Bohrarbeiten. Er verfolgte das Projekt nicht weiter und ging als Kriegsberichterstatter an die Front in der Ostukraine. Wir sahen uns nie wieder.

    Die ersten Anzeichen

    Ich hielt mich zu dieser Zeit gelegentlich in Berlin auf; und dort arbeitete ich für die Kanzlerin noch vier Jahre später (es war ein Samstag), als Angie - wie ich sie nennen durfte - und ich den ersten Sturm kurz vor Einbruch der Dämmerung aus Richtung der Joachim-Gauck-Allee im Osten Berlins, der früheren Josef-Stalin-Allee, heraufziehen sahen. Noch eine Stunde vorher war es völlig windstill gewesen. Die Hitze lastete schwer und drückend auf uns und auf den ersten Partygästen. Am Nachmittag hatten Angie und ich abgeschirmt im Pool des Kanzleramtes gebadet, aber das Wasser, das direkt aus einer kühlen Quelle gespeist wurde, brachte keine Erfrischung – die Sonne hatte es in kürzester Zeit aufgeheizt. Vielleicht können Sie sich die Kanzlerin nicht in einem Swimmingpool vorstellen, doch ich versichere Ihnen, sie ist ein ganz normaler Mensch, und sie schwimmt wirklich sehr gerne. Weder die Kanzlerin noch ich wollten länger im Pool bleiben, weil wir befürchteten, Yousef könne einen Hitzekoller bekommen. Yousef ist fast sechs Jahre alt. Gegen Ende des Jahres 2015 hatte das Ehepaar Merkel-Sauer ihn adoptiert. Für Yousef hieß die Kanzlerin einfach „Mama und Professor Sauer nannte er selbstverständlich „Papa. Gelegentlich musste ich auf Yousef aufpassen. So wie an jenem Samstag, dem 20. Juli 2019.

    Eine Stunde vor Beginn der Party kam ein Kanzleramtsbediensteter, und an seiner Seite sah ich Gabriele Krone-Schmalz, eine gute Freundin von mir und meiner Frau, und eine noch viel bessere Journalistin. Sie war meiner Einladung gefolgt; Frau Merkel hatte mir mit ihrem spitzbübischen Lächeln freigestellt, jemanden mitzubringen, unter der Voraussetzung, meine Frau, die zuhause in Lowbrook geblieben war, wäre damit einverstanden. Gabriele ist meine ehemalige Journalisten-Kollegin und wollte schon immer mal die Kanzlerin persönlich kennen lernen, außerhalb von beruflichen Interviewterminen. So hatte ich sie kurzfristig angerufen, und nun stellte ich sie meiner Arbeitgeberin vor.

    Um halb sechs nahmen wir auf der großzügig angelegten Kanzleramts-Terrasse, die nach Osten mit Blick zum Fernsehturm am Alexanderplatz hinausgeht, ein kaltes Abendessen ein. Die Kanzlerin hatte bereits eine kurze Ansprache gehalten, und die annähernd 200 Gäste hatten an den Tischen Platz genommen. An unserem Achtertisch saß Yousefs deutscher Professoren-Vater, der Physiker (und ich erwähnte es schon: der Gatte meiner Arbeitgeberin) Joachim Sauer. Neben ihm saßen in ausgesuchter Reihenfolge die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dann einer der unauffälligen Typen vom Sicherheitsdienst, neben ihm der Außenminister mit den exklusiv herabhängenden Mundwinkeln, der emsige Frank-Walter Steinmeier, schließlich Gabriele und ich neben Yousef, der direkt neben seiner Mutter saß. Wir alle knabberten ziemlich lustlos an Käsesandwiches und stocherten in einem hausgemachten Kartoffelsalat von Johann Lafer herum. Keiner ließ sich die Lustlosigkeit so richtig anmerken. Alle gaben dem Wetter die Schuld. Das Essen war wirklich vorzüglich und es gab eine große Auswahl; von Seezunge und Shrimps über Steaks und Königsberger Klopsen bis zu veganen und vegetarischen Speisen. Aus jedem Bundesland wurde eine typische Speise angeboten.

    Der Exklusivkoch arbeitete heute - extra eingeflogen aus München - im Untergeschoss des Kanzleramtes in einer supermodernen Küche, wo er von den folgenden schrecklichen Ereignissen erst ziemlich spät, fast zu spät, erfuhr. Eine weibliche Bedienung, eine sehr stilvolle junge Frau mit brünettem Haar unter ihrem Häubchen, kam an unseren Tisch. Niemand schien etwas anderes zu wollen als Mineralwasser oder, wie ich, Cola Zero, das man uns in einem schicken Metallgefäß voller Eiswürfel kühlte. Wir beobachteten die unruhigen Vögel auf den Baum-Ästen im Kanzleramtsgarten.

    Plötzlich überkam mich ein komisches Gefühl und in meinem Geiste sah ich vorüberfliegende Drohnen, immer taumelnd, in Gefahr abzustürzen – und reflexartig warf ich Uschi, unserer Drohnenexpertin, unauffällig einen Blick zu. Sie saß ziemlich ungerührt auf ihrem Platz, etwas steif, vielleicht sogar so steif wie ihre Frisur. Und dann lenkte ich mich ab und stellte mir vor, wie auf der Friedrichstraße hübsche Frauen ihre zunehmend nervösen Hunde eilig Gassi führten.

    Als mir dies nicht weiterhalf, wandte ich mich mit einem Ruck an den Kanzlergatten; ich weiß auch nicht, was mich geritten hatte, jedenfalls fragte ich ihn ganz unverblümt: Wie sollte man unter physikalischen Gesichtspunkten das Fracking beurteilen, was meinen Sie, Herr Sauer? Ich kann mich erinnern, dass er mich mehr als nur merkwürdig ansah. Vielleicht zweifelte er in diesem Moment an meinem Verstand, und ich glaube, einen kurzen Augenblick lang zweifelte ich selbst daran. Denn das war keineswegs eine der üblichen Small-Talk-Fragen, die man auf der Party von Sauers Gattin hätte stellen sollen. Aber nun war mir die Frage in all meiner Hilflosigkeit herausgerutscht und so musste ich das Beste daraus machen.

    „Fracking kennen wir hier ja gar nicht", sagte er trocken und stocherte mit professoraler Würde in Lafers Kartoffelsalat herum.

    „Ich meine, diese tiefen Bohrungen und all die Chemie, die Umweltschäden …"

    „Nicht hier. Haben wir hier nicht", wiederholte er knapp sein Statement.

    „Aber in Amerika; man liest so viel darüber …"

    „Ja, es wird viel geschrieben. Sauer sah zur Kanzlerin und sie sah zu mir. In ihrem Blick loderte jener Funke Misstrauen auf, der mich veranlasste, die entscheidende Frage nicht zu stellen. Zu gerne hätte ich gewusst, ob der Kanzlergatte eingeweiht war in das Wissen seiner Frau. Ob er wusste, dass amerikanische Unternehmen in der Ukraine experimentierten. Eine unangenehme Stille entstand. Langsam dämmerte mir, dass ich ihm die Frage vielleicht in vertrauter Zweisamkeit hätte stellen sollen. Um die Peinlichkeit zu überbrücken, landete ich meinen nächsten Gesprächsversuch nun bei einer sicheren Zielperson, bei Gabriele Krone-Schmalz, und ich sagte: „Schön, dass Du doch noch gekommen bist. Sie hat extra wegen der Kanzleramts-Party einen Termin für den Bericht aus Berlin mit der ARD abgesagt. Doch man hatte ihr versprochen, sie stattdessen in der Folgewoche zu interviewen. Das war ein Wort. Ob man jedoch Wort hielt - das war Gabriele wohl bewusst -, war eine andere Sache. Sie nickte mir milde zu. Sie spürt immer, wenn ich etwas aus Verlegenheit sage. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie kurz meinen unbeholfenen Gesprächsfaden aufnahm und daraufhin jedenfalls ein paar der üblichen Höflichkeiten mit Angela wechselte; wahrscheinlich Belanglosigkeiten, obwohl das nicht ihr Ding ist. Ich weiß es nicht mehr.

    Nach dem Abendessen ging Yousef im hinteren Bereich des Kanzleramtsgartens auf sein Klettergerüst, um Pirat zu spielen. Ein Sicherheitsbeamter begleitete ihn, weil die Kanzlerin meine Anwesenheit an ihrem Tisch wünschte und weil ich ungern meine Begleiterin Gabriele alleine am Tisch zurück gelassen hätte; die Kanzlerin spürt so etwas. Was immer man politisch über sie denken mag, aber in solchen Punkten ist sie absolut feinfühlig. Wir konnten Yousef aus der Ferne beobachten. Er saß auf dem Ausguck und ich glaubte, ihn rufen zu hören: „Achtung, Schiff backbord. Bereit zum Entern!"

    Rundum herrschte Partystimmung. Die Puhdys, eine bekannte Rockband aus DDR-Zeiten, spielten in angenehmer Lautstärke Songs der achtziger und neunziger Jahre. Ich vernahm Stimmen, die ich, ohne mich größer umsehen zu wollen, versuchte, irgendwelchen bekannten Personen zuzuordnen. Hörte ich da nicht die Stimmen der gut versicherten Veronika Ferres und ihrem Gemahl Maschmeyer? Na klar. Und dann schien ich Til Schweiger zu hören, und etwas weiter entfernt vernahm ich zwei unangenehme Stimmen, auf die ich heute wirklich hätte verzichten können; sie gehörten, ich war mir sicher, zu Alice Schwarzer und Wolf Biermann.

    Nun hatten unsere Tischgäste die wetterbedingte Lustlosigkeit doch noch überwunden und sich bis eben angeregt und locker unterhalten. Aber jetzt saßen die Kanzlerin, ihre Tischgesellschaft und ich eine kurze Zeitlang da, ohne viel zu reden, tranken kaltes Cola, O-Saft oder Wasser und blickten hinüber nach Osten in Richtung des hochragenden Berliner Fernsehturms. Die immer grünen Bäume des äußerst gepflegten Kanzleramtsgartens sahen staubig aus und wirkten erschlafft. Selbst der immer blaue Himmel der letzten Tage nahm allmählich ein staubiges Blau an.

    Im Osten bauten sich langsam massive purpurne Gewitterwolken auf, formierten sich wie eine grandiose und schlagkräftige Armee, wie gemacht für Frau von der Leyen. Ein feiner Nebel zog auf. Blitze zuckten, die selbst die dunklen Gewitterwolken in ein grelles merkwürdiges Hell verwandelten; sie waren noch weit entfernt und doch registrierte sie mein Bewusstsein, als zuckten sie unmittelbar vor dem Kanzleramt.

    Yousef schrie vom Klettergerüst herunter: „Achtung, Blitzschüsse auf den Bug!"

    Flinten-Uschi lachte.

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