Wir bleiben bei Vati: Sophienlust 412 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Obwohl der Tag strahlend schön und der Himmel wolkenlos blau war, herrschte im Schatten klirrende Kälte. Denise von Schoenecker zog ihre pelzgefütterten Handschuhe aus und rieb sich ihre gefühllos gewordene Nase warm. Dabei stapfte sie ein paar Schritte weiter, dorthin, wo der Fuß des Rodelhanges in der Sonne lag. Sie trug unter ihrer dicken Jacke aus dunkelgrünem Walkloden noch einen Rollkragenpulli und dazu eine mollige Strickmütze, die über die Ohren reichte. Außerdem eine nicht gerade elegante, aber warme lange Hose, sowie braune Lederstiefel mit dicken Gummisohlen. Dennoch konnte sie nicht behaupten, dass ihr warm war. »Hallo, Tante Isi. Ziehst du mich hinauf? Bitte, Tante Isi.« Heidi Holsten eilte auf Denise zu, ihren Rodel hinter sich her ziehend. »Ja, mach ich«, erwiderte die trotz ihrer Vermummung immer noch attraktiv wirkende Frau. »Vielleicht wird mir dabei warm.« Die kleine Heidi, die einen daunengefütterten hellroten Skianzug trug und eine Wollmütze, bei der an der Stirn hellblonde Ponyfransen hervorlugten, setzte sich auf ihren Rodel. »Schneller, Tante Isi, schneller«, trieb sie gleich darauf Denise an. »Puh, schneller kann ich nicht. Für dein Alter bist du ganz schön schwer«, stieß die Frau nach Atem ringend hervor. Nun schwitzte sie, als sie mit Heidi und dem Schlitten oben am Waldsaum anlangte.
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Buchvorschau
Wir bleiben bei Vati - Elisabeth Swoboda
Sophienlust
– 412 –
Wir bleiben bei Vati
Elisabeth Swoboda
Obwohl der Tag strahlend schön und der Himmel wolkenlos blau war, herrschte im Schatten klirrende Kälte. Denise von Schoenecker zog ihre pelzgefütterten Handschuhe aus und rieb sich ihre gefühllos gewordene Nase warm. Dabei stapfte sie ein paar Schritte weiter, dorthin, wo der Fuß des Rodelhanges in der Sonne lag. Sie trug unter ihrer dicken Jacke aus dunkelgrünem Walkloden noch einen Rollkragenpulli und dazu eine mollige Strickmütze, die über die Ohren reichte. Außerdem eine nicht gerade elegante, aber warme lange Hose, sowie braune Lederstiefel mit dicken Gummisohlen.
Dennoch konnte sie nicht behaupten, dass ihr warm war.
»Hallo, Tante Isi. Ziehst du mich hinauf? Bitte, Tante Isi.« Heidi Holsten eilte auf Denise zu, ihren Rodel hinter sich her ziehend.
»Ja, mach ich«, erwiderte die trotz ihrer Vermummung immer noch attraktiv wirkende Frau. »Vielleicht wird mir dabei warm.«
Die kleine Heidi, die einen daunengefütterten hellroten Skianzug trug und eine Wollmütze, bei der an der Stirn hellblonde Ponyfransen hervorlugten, setzte sich auf ihren Rodel. »Schneller, Tante Isi, schneller«, trieb sie gleich darauf Denise an.
»Puh, schneller kann ich nicht. Für dein Alter bist du ganz schön schwer«, stieß die Frau nach Atem ringend hervor. Nun schwitzte sie, als sie mit Heidi und dem Schlitten oben am Waldsaum anlangte.
»Hallo, Mutti«, wurde sie von einem etwa neun Jahre alten Jungen angerufen. »Das nächste Mal ziehst du mich, ja?«
»Nein, Henrik«, entgegnete Denise. »Einmal ziehen reicht mir. Ich setze mich dort drüben auf die Bank.«
Denise von Schoenecker war sofort nach dem Mittagessen mit Heidi Holsten und zwei weiteren kleinen Mädchen, die zurzeit in dem Kinderheim Sophienlust lebten, aufgebrochen. Ihr jüngster Sohn Henrik hatte sich ihnen angeschlossen, da er keine Lust gehabt hatte, mit den anderen Kindern auf dem zugefrorenen Waldsee von Wildmoos zum Eislaufen zu gehen.
»Eislaufen finde ich blöd«, hatte er geradeheraus erklärt. »Die Mädchen wollen auf dem Eis nicht richtig herumflitzen, auch nicht Fangen spielen, sondern ständig tanzen, und zwar nur mit Nick. Ich bin ihnen als Tanzpartner nicht gut genug.«
»Du bist ihnen wahrscheinlich noch zu jung«, hatte Denise mit einem verständnisvollen Lächeln erwidert. Manchmal wurde Henrik von Eifersucht auf seinen älteren Halbbruder Dominik von Wellentin-Schoenecker gepackt. Im allgemeinen verstanden sich die beiden Jungen jedoch prächtig, sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel, wie Alexander von Schoenecker einmal halb ärgerlich, halb belustigt festgestellt hatte, nachdem Henrik etwas ausgefressen und Nick den Jüngeren gedeckt hatte.
Denise nahm ihre Mütze ab, schüttelte ihre halblangen dunklen Haare aus, lehnte sich zurück und genoss die hübsche Aussicht, die sich ihren Blicken bot. Der lange, teils steile, teils sanft geneigte Hang, der nach Schneefällen das bevorzugte Rodelgebiet der Kinder von Wildmoos darstellte, diente im Sommer als Kuhweide. Er war umsäumt von einem bei Ausflüglern beliebten Wanderweg. Am oberen Rand, dort, wo der Wald begann, standen mehrere Bänke und sogar ein aus groben Brettern zusammengefügter Tisch. Im Sommer hielten hier müde und hungrige Wanderer ihre Picknicks ab, jetzt lag auf dem Tisch eine dicke Schneedecke. Die Bänke hingegen waren gesäubert und trocken, denn seit den letzten Schneefällen war über eine Woche vergangen.
Im Stillen hoffte Denise, dass es für diesen Winter der letzte Schnee war. Sie gönnte natürlich den Kindern das Vergnügen des Rodelns und Eislaufens, aber sie selbst freute sich schon riesig auf den Frühling, wenn die ersten grünen Spitzen der Schneeglöckchen, Tulpen und Hyazinthen aus der Erde kamen. Noch war es allerdings nicht so weit, aber der Februar neigte sich seinem Ende zu.
Denise blinzelte. Der Schnee glitzerte in der Sonne und blendete sie. Zum Glück hatte sie vorsorglich ihre dunkle Sonnenbrille eingesteckt. Die holte sie jetzt aus ihrer Jackentasche und setzte sie auf. Ihr Blick schweifte ein Stückchen nach Westen. Dort lag Gut Schoeneich, ihr Zuhause. Von ihrem Platz aus konnte sie den Turm des schlossähnlichen Gebäudes erkennen, der im Sommer mit wildem Wein bewachsen war, jetzt waren die Mauern noch kahl. Hinter Schoeneich befand sich Sophienlust, doch das ehemalige Herrenhaus, welches sie, Denise, zu einem Kinderheim umgewandelt hatte, war von Wirtschaftsgebäuden und Nadelgehölzen verdeckt.
Die Frau auf der Bank holte tief Luft. Ein plötzliches Glücksgefühl durchströmte sie. Ja, hier war ihr Zuhause, auf Gut Schoeneich, das ihrem innig geliebten Ehemann Alexander gehörte, und teilweise auch in Sophienlust, das sie für Nick bis zu seiner Volljährigkeit verwaltete.
Schade, dass das alte Herrenhaus nicht noch geräumiger ist, ging es Denise durch den Sinn. Vielleicht könnte man den Dachboden ausbauen lassen, aber das würde horrende Kosten verursachen, und der Fonds ist schließlich dazu da, mittellosen Kindern den Aufenthalt bei uns zu ermöglichen. Den darf ich nicht für Umbauarbeiten in Anspruch nehmen. Auch würde ein größeres Haus mehr Personal …
»Tante Isi! Tante Isi! Tante Sabine ist da. Sie steht unten mit einer Frau. Die will aber nicht heraufkommen, sie mag nicht durch den tiefen Schnee stapfen, hat sie gesagt. Das da sind die Kinder von der anderen Tante. Sie heißen Philipp und Bettina. Andi ist ihr Freund«, sprudelte Heidi hervor und unterbrach damit Denises Überlegungen.
Denise begrüßte erst einmal Andi, den Sohn des Revierförsters Klaus Schröder und seiner Frau Sabine. Er war ein aufgeweckter kleiner Bursche, ein Jahr älter als Heidi und ebenso wie diese keine Spur verlegen. Im Vergleich zu Heidi und Andi wirkten die beiden anderen Kinder gedrückt und schüchtern. Sie musterten die ihnen fremde Frau mit scheuen Blicken.
Denise reichte den Geschwistern die Hand, aber beide schwiegen, als ob sie stumm wären.
»Du darfst mit meinem Rodel fahren, Tante Isi«, bot Andi der Verwalterin von Sophienlust an.
»Nein, Tante Isi fährt mit mir«, rief Heidi. »Setz dich auf meinen Schlitten, Tante Isi!«
Denise zögerte. Sie wäre ganz gern noch eine Weile auf der Bank sitzen geblieben, auf der anderen Seite aber wollte sie mit der Försterfrau plaudern. Deshalb nahm sie Heidis Angebot an und sauste mit dem kleinen Mädchen zu Tal. »Ah, das ging viel schneller und war weit angenehmer als der Aufstieg«, bemerkte sie lachend, als sie unten waren. Dann sah sie sich um und entdeckte Sabine Schröder, die auf sie zukam.
Nachdem die beiden Frauen einen raschen Händedruck gewechselt hatten, sagte Sabine: »Darf ich Ihnen Frau Herzog vorstellen, Frau von Schoenecker? Wir haben eine Zeit lang gemeinsam studiert. Edeltraud wohnt mit ihren beiden Kindern seit einem halben Jahr in Wildmoos.«
»Die Kinder habe ich vorhin schon kennengelernt«, sagte Denise freundlich und reichte nun auch Edeltraud Herzog die Hand, ohne sich etwas von der leichten Befremdung, die von ihr Besitz ergriffen hatte, anmerken zu lassen. Sabines Bekannte erschien ihr hier in der ländlichen Umgebung völlig fehl am Platz.
Edeltraud Herzog war höchst elegant in eine Waschbärjacke gehüllt. Dazu trug sie einen weitschwingenden Rock aus einem weichen Wollstoff und schwarze Stiefel mit hohen Absätzen. Auf eine Mütze hatte sie verzichtet. Ihr blondes Haar war aufgesteckt und ließ die Ohren frei, die bereits eine bläulich rote Färbung angenommen hatten. Der Aufzug der Frau war für einen Schaufensterbummel in der Innenstadt eher geeignet als für eine Rodelpartie mit kleinen Kindern. Ihre Pelzjacke war gewiss warm, doch an den Zehen und an den Ohren musste sie Denises Meinung nach erbärmlich frieren.
»Soll ich Ihnen meine Mütze leihen, Frau Herzog?«, fragte Denise impulsiv. »Ich habe sie vorhin abgenommen, weil mir da oben in der Sonne warm geworden ist.«
»Nein, danke, ich trage niemals Wollmützen«, wies Edeltraud das gut gemeinte Angebot zurück. »Sie verderben einem die Frisur, und man sieht so lächerlich damit aus.«
»Besser ein lächerliches Aussehen als abgefrorene Ohren«, warf Sabine ein.
»Ach, ich bleibe sowieso nicht mehr lange«, erklärte Edeltraud. In ihren leicht schräg gestellten graugrünen Augen lag ein missmutiger Ausdruck. »Ich hasse diese Kälte. Meine Zehen spüre ich schon gar nicht mehr.«
»Warum hast du dir nicht wärmere Stiefel angezogen? Und einen Mantel oder lange Hosen?«
»Sabine, du weißt recht gut, dass ich keine Lust habe, wie eine Vogelscheuche herumzurennen.«
»Du bezeichnest mich also als Vogelscheuche. Und Frau von Schoenecker ebenfalls«, rief Sabine lachend aus.
»Lass mich zufrieden«, zischte Edeltraud und rief nach ihren Kindern. Sie musste ihre Rufe mehrmals wiederholen, bis Philipp und Bettina schließlich gemächlich herbeitrotteten.
»Könnt ihr euch nicht beeilen, wenn ich euch rufe!«, fuhr Edeltraud die Geschwister an. »Ich bin schon halb erfroren, und ihr lasst euch Zeit. Verabschiedet euch von Andi. Wir brechen auf.«
»Was? Jetzt schon? Wir sind doch erst zweimal heruntergerodelt«, jammerte Philipp.
»Bitte, Mutti, ich mag noch nicht nach Hause«, erklärte Bettina weinerlich. »Mir gefällt es hier. Heidi hat mir versprochen, dass wir später einen Schneemann bauen.«
»Ja, einen Schneemann. Einen riesengroßen Schneemann«, pflichtete Philipp seiner Schwester bei. »Bitte, Mutti, lass uns noch bleiben, bis wir den Schneemann gebaut haben.«
»Kommt nicht infrage. Was bildet ihr euch eigentlich ein? Ich lasse mich auf keine stundenlange Diskussion mit euch beiden ein. Wo käme ich denn da hin? Philipp, hol den Rodel, wir gehen!«
»Ich will aber noch nicht nach Hause!«, schrie der Junge und stampfte mit dem Fuß auf. Im nächsten Moment heulte er auf. Seine Mutter hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, die auf seiner Wange deutliche Spuren hinterlassen hatte.
Denise mischte