Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute: Eine Chronik
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Über dieses E-Book
Mario Lichtenheldt
Mein Name ist Mario Lichtenheldt. Ich lebe in Oberweißbach (Thüringen), dem Geburtsort des Kindergarten-Gründers Friedrich Fröbel. Als gelernter Archivassistent beschäftige ich mich – neben meiner Tätigkeit als Leiter einer kleinen Lohnsteuerhilfe-Beratungsstelle – immer mal wieder mit der Lokal- und Regionalgeschichte meiner Heimat. Gerne schreibe ich Texte und Bücher für Kinder, Jugendliche und Eltern, worin ich auch gesellschaftliche Tabuthemen anpacke. Begleiten Sie mich auf eine kurze Reise durch die Welt meiner Bücher und Gedanken ...
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Rezensionen für Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute
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Buchvorschau
Die Fröbelstadt Oberweißbach von den Anfängen bis heute - Mario Lichtenheldt
Ein paar Worte zuvor
Dieses Buch ist der bescheidene Versuch, in den Fußstapfen eines Mannes weiterzugehen, dessen Werk ich schon als Kind bewundert habe. Ich habe ihn nie kennengelernt, denn er starb, lange bevor ich geboren wurde: August Elsäßer. Und das kam so:
Meine Oma, Anna Lichtenheldt, geb. Gräf (1918 – 2010) hat mir in meiner Kindheit oft vorgelesen – aus dem dicken Wilhelm-Busch-Album, „Max & Moritz natürlich, „Hans Huckebein – der Unglücksrabe
, die Geschichte von Hans Dralle und seinen Bienen oder „Das Bad am Samstagabend".
In der 2. Klasse konnten wir Kinder damals fließend lesen (ja, man glaubt es kaum, aber so war es wirklich) und so kam ich auf die Idee, mir das dicke Wilhelm-Busch-Album nunmehr selbst vorzunehmen. Doch was war das? Es ging nicht! Die Schrift sah ganz anders aus als die, die ich gelernt hatte – alte deutsche Druckschrift eben. Oder konnte ich das doch lesen?
Ich konnte! Meine Oma hatte mir die Geschichten nämlich so oft vorgelesen, dass ich sie fast auswendig kannte – und so war es kein Problem, mich allmählich an die seltsamen Buchstaben zu gewöhnen.
Und dann bekam ich August Elsäßers „Das Kirchspiel Oberweißbach im Wandel der Zeiten" in die Finger – und konnte es lesen.
Erlebte Geschichte:
Veronika beim Buttermachen
In der 8. Klasse stand Goethes „Faust auf dem Lehrplan. Der erinnerte mich daran, dass ein früherer Oberweißbacher Lehrer (Ernst Vogler) irgendwo geschrieben hatte, dass ausgerechnet dieser Faust in den Wäldern zwischen Ober- und Unterweißbach Unterschlupf gefunden haben könnte – und als „Schwarzer Doktor
in der Sage fortlebt.
Nachdem ich 1982 – 1984 den Beruf des Archivassistenten erlernt hatte, konnte ich nun auch alte Handschriften lesen. Eine Welt tat sich mir auf, die heute kaum noch jemandem zugänglich ist – Menschen aus längst vergangener Zeit, die nie jemand gesehen hat und die doch zu mir „sprachen. Einige werden Sie auf den folgenden Seiten kennenlernen. Von anderen sind nur „Schatten
geblieben – alte Schwarz-Weiß-Fotos oder knappe Eintragungen im Kirchenbuch. Und doch hatten sie alle Träume, Ziele, Hoffnungen, erlebten Freud und Leid.
Wahrscheinlich werden die Älteren unter Ihnen nach der Lektüre des Buches anmerken, dass dieses oder jenes fehlt, dass man doch das eine oder andere Foto oder so manche Geschichte aus vergangenen Zeiten noch hätte mit aufnehmen können. Vielleicht finden Sie sogar Fehler? Das alles ist normal und kann wahrscheinlich gar nicht anders sein. Solche Versehen, Fehler oder notwendige Vervollständigungen lassen sich heute jedoch recht einfach korrigieren – etwa durch eine Neuauflage oder durch Ergänzungsbände, die sich mit speziellen Themen ausführlich befassen könnten. Das Buch ist also keineswegs „fertig" – und schließlich geht Geschichte ja immer weiter. Lassen Sie mich oder meine Mitautoren also wissen, wenn Ihnen etwas derartiges auffällt.
Natürlich konnte ich dieses Buch nicht allein schreiben. Geholfen haben tatkräftig meine Frau Andrea, zuständig für die korrekte Rechtschreibung (sofern nicht alte Texte originalgetreu zitiert werden); Winfried Bollmann, Experte für Ahnenforschung; Rosemarie Dietz und Gerd Eberhardt, die in den 1990er Jahren die handschriftliche Chronik (Gemeindebuch) von Christian Gottfried Kiesewetter in mühevollster Kleinarbeit in ein lesbares Deutsch übertragen haben; Bernhard Schmidt, der viel persönliches Wissen und Fotos beigesteuert hat; Jana Söder, die mich auf das Kolonialwarengeschäft Adelbert Mohr und dessen Verbindungen zu bedeutenden Persönlichkeiten der örtlichen und regionalen Geschichte aufmerksam gemacht hat; unsere Ortschronistin Veronika Neupert, geb. Graf („Burggräfin – hier im Bild als Kind beim Buttern zu sehen); Torsten Sterzik, unser ehemaliger Kantor, der die Beziehungen zwischen der Mittelweißbacher Familie Schneider und der Familie von Johann Sebastian Bach erforscht; Jutta Walther, unsere ehemalige Ortschronistin; die mit einem eigenen Beitrag zur Geschichte des Fröbelturmes vertreten ist; und Klaus-Peter Walther („Ruppel
), der viel Material zur Geschichte der ehemaligen Gemeinde Mittelweißbach beigesteuert hat.
Und nun viel Vergnügen auf unserer Reise durch die Vergangenheit der Fröbelstadt Oberweißbach.
Wie alles begann
Aus einer Urkunde des Jahres 1071, welche auch die Ersterwähnung der Orte Schwarzburg und Cordobang darstellt¹), lässt sich ableiten, dass spätestens in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts auf den Höhen des Thüringer Waldes eine rege Rodungstätigkeit im Gange war und sich entlang der Fluss- und Bachläufe immer weiter ins Gebirge vorschob.
Dabei ging es wohl nicht, wie man erwarten würde, vorrangig um den überreichlich vorhandenen Rohstoff Holz, sondern um Ackerland. Holz war zu dieser Zeit auch im Vorland des Thüringer Waldes noch genügend vorhanden, so dass ein Transport aus dem noch wenig erschlossenen unwegsamen Gebirge zunächst nicht lohnenswert gewesen sein dürfte, später aber erheblich an Bedeutung gewann.
Dass die im Wesentlichen agrarisch geprägte Siedlungstätigkeit zunächst keinen urkundlichen Niederschlag fand, lag wohl in der Eigenart der Siedler und der noch fehlenden Verwaltung und Organisation.
Politischer Mittelpunkt dieses Rodungsgeschehens war die Schwarzburg. Von hier aus gelangte schließlich das gesamte Schwarzatalgebiet von Schwarzburg aufwärts an die Grafen von Käfernburg-Schwarzburg²). Dabei spielte wahrscheinlich die uralte Westgrenze des vormaligen Orlagaues eine Rolle, die entlang einer Linie Neuhaus – Schwarzburg – Cordobang verlief und zugleich die Grenze der kirchlichen Sedesbezirke Alkersleben und Remda bildete³),⁴).
Der Raum Saalfeld lag zunächst im Einflussbereich des Erzbischofs von Köln, so dass die Schwarzburger in Richtung Gebirge „ausweichen" mussten. Im Zuge der Reichsterritorialbildung unter Friedrich Barbarossa wurde der Raum um Saalfeld Krongutsbezirk und gelangte schließlich 1208 ebenfalls an Käfernburg-Schwarzburg, wo das Gebiet bis 1918 verblieb.
Für viele vormals schwarzburgische Orte, so auch für Oberweißbach, stellt die Urkunde vom 19. November 1370 die erste urkundliche Erwähnung dar⁵). Dabei handelt es sich um einen Teilungsvertrag zwischen Günther XXII., Herr zu Schwarzburg (geb. um 1322, gest. 4. Juli 1382), und dessen Vetter (Cousin) Johann II., Herr zu Wachsenburg (geb. 1327, gest. zwischen 28. Februar und 21. Mai 1407).
Neben der urkundlichen Ersterwähnung Oberweißbachs als „Vyzbach" (für den Weißbach oder den Ort) finden sich in besagtem Dokument zahlreiche weitere Ersterwähnungen und frühe Erwähnungen, etwa von Katzhütte, Oelze, Meura und Quelitz sowie die folgenden Örtlichkeiten der näheren Umgebung:
• „Byzschofshayn und „dy Kurowe myt deme Langenbergk
, wobei ausdrücklich von „den holzeern und weldin" (Hölzern und Wäldern) die Rede ist. Bischofshain als Siedlung hat demnach schon damals nicht mehr existiert,
• eine Flurstelle „da dy Lichta in dy Swartza vellet",
• „der Muezelbach", (Meuselbach schon früher erwähnt),
• „dy Ölsin" (Oelze),
• „dy Kaczcza" (Katze) und
• „dy massa";
• „dy Lichta",
• die nächste Furt über dem Wehr über der „Ztoepelssmytten, dy vor der Queliczen (Quelitz) lyt
,
• „Sycsendorf",
• „Thissowe (Dissau),
• „Aldindorf",
• „Asscha",
• „Lichta",
• „nydern Schobelik",
• „nydern Hayn" (Unterhain),
• „obirn hayn",
• „barg" (Barigau),
• „Trebeschowe" (Dröbischau),
• „Abrechtisdorf",
• „Frydrichsdorf",
• „Welmspringk",
• „Glasebach",
• „Melnbach",
• „Muzsilbach",
• „Mankenbach",
• „Tammendorf",
• „Schoenheyde",
• „Ankenstete" (Angstedt),
• „Loem" (Wüstung zwischen Gehren und Langewiesen?),
• „Wynpach" (Wümbach) … und
• „muore gemeyne" (Meura), hier schon als Ortschaft.
Besessene Männer – Das 15. Jahrhundert
Nach Dr. Hans Eberhardt, dem früheren Direktor des Staatsarchives Rudolstadt, wird Oberweißbach als Pfarrei erstmals im Jahre 1412 genannt¹).
Elsäßer schreibt, dass Oberweißbach im Jahre 1417 „in einem Teilungsvertrag der Schwarzburger Grafen als „Flecken" erwähnt wird, wobei hier möglicherweise eine Verwechslung mit Weißbach (heute zu Remptendorf, Saale-Orla-Kreis) vorliegt²) ³).
Schon in dieser Zeit ist der noch Jahrhunderte später in unserer Heimat betriebene Flachsanbau nachweisbar (mindestens ab 1411). Man hat also schon damals erkannt, dass die hiesigen Böden nur für ganz bestimmte Früchte und landwirtschaftliche Produkte Ertrag versprechend sind.
Mit dem Holzabbau muss es, nachdem zunächst die Gewinnung von Ackerland im Vordergrund stand, dann doch recht schnell vorangegangen sein, denn schon 1496 werden „auf den hohen Wäldern" 17 Schneidemühlen betrieben⁴). Im gleichen Jahr findet die Herstellung von Pech Erwähnung⁵). Eine Pechhütte befindet sich noch im vorletzten Jahrhundert nahe Oberweißbach in Richtung Solwiese.
Im genannten Jahr 1496 leben in Oberweißbach bereits 16 „besessene Männer", woraus Dr. Hans Eberhardt auf eine ungefähre Einwohnerzahl von 80 schließt⁶).
Zunächst erweist es sich für die Siedler als notwendig, die einzelnen Besitzanteile abzugrenzen und so entstehen allerorten die über Generationen hinweg bewirtschafteten Erbgüter.
Angebaut wird zunächst wohl Getreide (Gerste, Hafer), doch stellt sich schnell heraus, dass der Ertrag kaum „das zweite Korn bringt. Nötig zum Überleben ist aber mindestens das „3. Korn
, d. h. eine Verdreifachung des Ertrages gegenüber der Saat.
Immer weiter eingeschränkt wird die Ertragsfähigkeit der einzelnen Güter zudem durch Erbteilungen. So bestehen im Jahr 1664 nur noch 5 ganze Güter, aber 11 halbe, 25 Viertelgüter und 20 Achtelgüter.
Weil die Landwirtschaft als Nahrungs- und Einnahmequelle allein nicht ausreicht, entwickeln sich zahlreiche orts- und regionaltypische Erwerbszweige, wie z. B. Harzgewinnung, Herstellung von Pech, Kienruß, Holz (Bretter, Schindeln) oder das Leineweberhandwerk.
Holzbauern und Holzfäller, Schindelmacher, Dielenschneider, Reifschneider (Herstellung hölzerner Fassreifen), Zimmerleute, Wagner, Tischler, Schreiner, Böttcher, Drechsler, Kammmacher, Schachtelmacher, Löffelmacher, Köhler, Rußbrenner, Besenbinder, Harzscharrer, Pechbrenner, Leineweber oder Schmied sind typische Berufe dieser Zeit.
Das für Mensch und Tier benötigte Getreide wird im Austausch gegen die hier produzierten Waren zugekauft, weshalb sich parallel zu den genannten Erwerbszweigen das Fuhrmannswesen entwickelt. Dabei sind die Fuhrleute meist auch zugleich Händler.
Wem gehört Oberweißbach – 16. Jahrhundert
1502 – In den Jahren 1464 – 1502 werden in den Wäldern unserer Gegend 22 Bären¹) erlegt.
1503 – wird die Gemeinde Mittelweißbach erstmals urkundlich erwähnt.²) Zur Gemeinde gehören der Talweg sowie die Häuser der heutigen Rudolstädter Straße 1 – 2 (andere Angabe: bis 5).
1531/32 – In der Oberherrschaft Schwarzburg wird die Reformation eingeführt.
1550 – wird Oberweißbach als ein von den Herren von Greußen besessenes Gerichtsdorf erwähnt, worauf noch heute die Flurbezeichnung „Galgenhügel" hinweisen mag.
Seit 1571 besteht das Gebiet der Grafschaft Schwarzburg aus zwei nicht zusammenhängenden Territorien. Die Grafschaften im Norden (Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Frankenhausen) werden als Unterherrschaft bezeichnet. Der Südraum mit Rudolstadt und Arnstadt bildet zunächst die Grafschaft Schwarzburg-Oberherrschaft, die nur bis 1574 besteht und sodann in die Grafschaften Schwarzburg-Arnstadt und Schwarzburg-Rudolstadt geteilt wird.
Nach einer nochmaligen territorialen Neugliederung durch den Stadtilmer Vertrag vom 21. November 1599 bleiben die Grafschaften (ab 1710 Fürstentümer, ab 1918 Freistaaten) Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen bis 1920 im Wesentlichen stabil.
Im Jahre 1600 kaufen die Grafen von Schwarzburg ihr Lehen Oberweißbach von den Herren von Greußen zurück. Georg von Greußen stellt dabei die Bedingung, dass die Rechte und Freiheiten der Oberweißbacher Untertanen – so das Mälzen, Brauen, Backen und Schlachten – nicht angetastet werden. Die Königseer sind jedoch der Ansicht, dass mit dem Rückkauf des Lehens auch diese Rechte erlöschen (die ihnen übrigens schon immer ein Dorn im Auge sind).
Kirche, Klima, Bier & Pest – Das 17. Jahrhundert
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist Oberweißbach ein kleines Dorf, in dem jährlich etwa 16 bis 18 Kinder geboren werden. Die Einwohner leben von Feldbau und Pechbrennerei; es gibt mehrere Pechhütten. Die Südostseite des Ortes (Kirchberg, Leibisberg) ist noch vollständig bewaldet.
1603 – In diesem Jahr erhält Oberweißbach das Recht bestätigt, für den Eigenbedarf aus selbst angebauter Gerste Bier brauen zu dürfen.
Vermutetes Aussehen der alten Oberweißbacher Kirche
(Elsäßer, das Kirchspiel Oberweißbach…)
Dieses Recht wird seit 1600 von den Königseern immer wieder bestritten.
1606 – 1612 wird die alte Kirche auf dem Friedhof umgebaut und vergrößert, was einem Neubau gleichkommt.
August Elsäßers „Kirchspiel Oberweißbach im Wandel der Zeiten" enthält auf Seite 17 eine Zeichnung der alten Kirche, die im heutigen unteren Friedhof hinter dem Fröbelmuseum (früher Pfarrhaus) stand (vom Markt gesehen links vom Torhaus). Dort befindet sich auch ein letzter, von Pfarrer Mohr ganz bewusst belassener Stein der alten Kirche.
Die Zeichnung indes wirft einige Probleme auf: Sie zeigt die Kirche und den dahinterliegenden Friedhof. Aus dieser Perspektive steht der Kirchturm jedoch im Osten, der Altar demnach im Westen! Das ist unmöglich! Die Kirche ist demnach seitenverkehrt bzw. spiegelbildlich dargestellt! Berücksichtigt man jedoch, dass es sich hier um die Jahrzehnte alte Erinnerung eines alten Mannes handelt, so darf man diese „Kleinigkeit" vielleicht verzeihen. Wie die alte Kirche tatsächlich aussah – dazu mehr auf S 54.
Die einzige für den Standort der alten Kirche infrage kommende ebene Fläche sowie der von Pfarrer Mohr niedergelegte Stein befinden sich östlich des Torhauses. Dort wurden nach Kenntnis des Verfassers in den 1970er Jahren Grüfte entdeckt und verfüllt, die auf Beerdigungen in oder nahe der alten Kirche deuten könnten.
1609 – wird mit Kantor Preunel der erste Lehrer in Oberweißbach angestellt und damit die erste Schule eingerichtet.¹) Besucht wird sie von Kindern aus Oberweißbach, Lichte, Schmalenbuche, Unterweißbach, Cursdorf und Deesbach. (Der „Kanter" (Kirchenmusiker) ist damals in Mitteldeutschland zugleich auch Lehrer).
1611 – Die Pest fordert zahlreiche Todesopfer; allein in Cordobang sind es 82. Weitere Pestepidemien gibt es 1588, 1611, 1626, 1635 und 1644.
1613 – Am 29. Mai verwüsten heftige Gewitter und Niederschläge („Thüringer Sintflut") große Teile Thüringens. Insgesamt sterben dabei 2.261 Menschen.
1614 – Königseer Stadtsoldaten erzwingen die Herausgabe von 14 Fass Bier, weil die Oberweißbacher nicht, wie erlaubt, ihr Bier nur aus selbst angebauter Gerste brauen, sondern Getreide zukaufen. Das ergaunerte Bier wird an die Königseer Bürger verteilt.
1624 – Bereits im Mai dieses Jahres herrscht große Hitze, so dass es am 24. Mai zu einem verheerenden Waldbrand kommt. Auf „zwei Meilen Länge" (das entspricht etwa 12 bis 14 km) tobt das Feuer im Raum Neuhaus (Wulst) bis ins Schwarzburgische (Fischbachwiesen) und in der anderen Richtung fast bis zu der erst 1597 gegründeten Glashütte Lauscha²). Etwa 200 Mann schlagen Brandschneisen und ziehen Gräben, um so dem Großbrand schließlich die Nahrung zu entziehen.
1 Meile entspricht zu dieser Zeit zwischen 6.800 m (Landvermessermeile Sachsen) und 7.500 m [Bayern, Württemberg, Hohenzollern, Böhmen, Sachsen, Preußen, Hamburg u. a.)³)
1626 – Nur zwei Jahre nach der folgenreichen Hitzewelle von 1624 herrscht im Mai 1626 große Kälte. Die Saat erfriert. Es folgt eine Missernte und dieser eine große Hungersnot. Elsäßer berichtet, dass aus Böhmen Getreide herangeschafft werden muss, um Mensch und Tier das Überleben zu sichern.
An der Nordsee tobt 1626 eine gewaltige Sturmflut, die als „Eisflut in die Geschichtsbücher Eingang findet. Dass dieses Unwetter direkte Auswirkungen in Thüringen hat, ist zwar nicht sicher, jedoch schlagen ab dieser Zeit auch in unserer Heimat die Auswirkungen der „Kleinen Eiszeit
durch.
Die „Kleine Eiszeit" (15. bis 19. Jahrhundert) umfasst zwei große Kälteperioden – die erste von etwa 1570 bis 1630 und die zweite von etwa 1675 bis 1715. Ursache des (für uns Menschen) extremen Klimas ist wahrscheinlich das unglückliche Zusammentreffen mehrerer Umstände, nämlich
• eine oder mehrere Phasen auffällig geringer Sonnenfleckenaktivität,
• Änderung(en) der Neigung der Erdachse zur Sonne bzw. des Umlaufs der Erde um die Sonne,
• gehäufte vulkanische Aktivitäten mit globalen Auswirkungen,
• ein um etwa 10 % abgeschwächter Golfstrom.
Verstärkt wird das Szenario durch eine Art Teufelskreis, die sogenannte Eis-Albedo-Rückkopplung, was nichts anderes bedeutet, als dass sich in Folge der niedrigen Temperaturen die Eisflächen an den Polen vergrößern und dadurch mehr Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren, was wiederum die Abkühlung weiter verstärkt.
1627 – Ein Steuerverzeichnis weist für Oberweißbach 63 Häuser und eine Badestube aus. Das ist erstaunlich, denn derartige Einrichtungen gibt es damals vorwiegend in den Städten. In einer Badestube wird aber nicht nur gebadet, sondern es werden hier auch andere Dienstleistungen erbracht, wie etwa Haare schneiden, rasieren sowie kleinere chirurgische und zahnärztliche Eingriffe. In größeren Städten – in Oberweißbach selbstverständlich niemals! – dienen Badestuben durchaus auch als Bordell.⁴)
1631 – Für dieses Jahr wird im Gemeindebuch⁵) der Schultheiß Fritz zu Oberweißbach erwähnt. Der älteste bislang bekannte Schultheiß ist Claus Wintruff, der von 1640 bis 1644 im Amt ist. Fritz könnte sein Vorgänger sein.
1635 – Erneut wird der Thüringer Wald von einer Pestepidemie heimgesucht, die sich im Zuge des 30-jährigen Krieges über ganz Deutschland ausbreitet. In Meuselbach sterben 127 Menschen.
1640 – Oberweißbach wird durch räubernde Banden des kaiserlichen Heeres geplündert und samt Kirche und der Schule „neben dem Markt" niedergebrannt (siehe Titelbild). Dabei gehen sämtliche im Ort befindliche Aufzeichnungen und Kirchenbücher aus der Zeit vor 1640 verloren. Die Einwohner verbringen den größten Teil des Sommers im Wald.
Die Angabe bei Sigismund, es handle sich dabei um einen Angriff der Schweden, ist unzutreffend. General Octavio Piccolomini lagert zu dieser Zeit mit 16.000 bis 20.000 Mann bei Saalfeld, wo er einen Angriff der Schweden unter Feldmarschall Johan Banér erfolgreich abwehrt.
Piccolomini kommandiert bis 1634 die Leibgarde Wallensteins