Beverbeck: Die Chronik eines Dorfes in der Lüneburger Heide
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Über dieses E-Book
Wolfgang Behrendt
Wolfgang Behrendt, geb. am 1.10.1944, lebt seit 1950 in Beverbeck. Nach der regulären Schulzeit absolvierte er zunächst eine Ausbildung in einem technischen Beruf, bevor er über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife erlangte. Nach dem Studium der Mathematik und Physik für das mittlere Lehramt war er bis 2008 im niedersächsischen Schuldienst tätig. Die Geschichte seines Dorfes und das Leben dort hat ihn schon immer interessiert, aber in der Heimat-Literatur fand Beverbeck kaum Erwähnung - bis jetzt (!)
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Buchvorschau
Beverbeck - Wolfgang Behrendt
Zeittafeln
Erste urkundliche Erwähnung Beverbecks
... tradidit Folcbertus pro se et pro axore sua XXX jugera in Beverbiki ...
... übertrug/schenkte Folcbert für sich und seine Ehefrau 30 Joch¹ in Beverbeck ...
Unser Ort findet bereits erste Erwähnung im Jahr 804 als Besitztum des Stifts Corvey. Historiker in unserer Gemeinde bezweifeln allerdings die Verlässlichkeit dieser Zeitangabe. Die 1. urkundliche Erwähnung Beverbecks fällt in das Jahr 866; sie dokumentiert eine Grundstücks-Transaktion. Beverbeck wird, wie auch die Ortschaft Tellmer, als aus dem Besitz der Grafenfamilie der Bardonen stammend, ausgewiesen. Im Unterschied zu den anderen Orten bardonischen Ursprungs (Barnstedt, Bardenhagen), die sich am nördlichen Rand des Süsings befinden, ist im Falle Beverbecks kein offensichtlicher Bezug zum Namen dieser Familie herzustellen.
Zum Ursprung des Ortsnamens kann aber festgestellt werden:
Für den ersten Teil des Ortsnamens Bever gibt es zwei gleichwertige Herleitungen. So könnte dieser Teil auf das Wort Biber², aber auch auf beben³ bzw. zittern zurückgehen. Die Moorlandschaft und dessen nähere Umgebung als Lebensraum lässt beide Deutungsmöglichkeiten zu. Die stehenden oder abfließenden Gewässer waren sicherlich der Lebensraum des Bibers. Der moorige und instabile Untergrund hat den Boden bei Schritt und Tritt zittern bzw. beben lassen.
Der zweite Teil des Ortsnamens beck (so wie bek und beke) verweist auf die Lage an einem vorhandenen Bach.
Fest steht, dass Beverbeck bereits existierte, als von Lüneburg und Uelzen weit und breit nichts zu sehen war. Etwa 10 km westlich existierte schon Tellmer, und 25 km nördlich lag Bardowick, der zentrale Umschlagplatz für den Ost-West- und den Nord-Süd-Handel im Reich Karl des Großen.
¹ Je nach Region verstand man unter 1 Joch 3000m² - 5800m²; also wurden hier 9,9ha - 17,4ha transferiert.
² Otto und Theodor Benecke, Lüneburger Heimatbuch Band 2, Seite →
³ Karl Meyer-Jelmstorf, Geschichte des Kreises Uelzen, Seite →
Politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gegebenheiten zurzeit der Dorfgründung
Das Jahr 866 wird dem Frühmittelalter, das in etwa die Zeitspanne von 500 bis 1050 n.Chr. meint, zugeordnet. Der bedeutendste Herrscher aus dem Geschlecht der Karolinger, Karl der Große, der das große Frankenreich schuf, war 814 verstorben; ihm folgte als Kaiser der jüngste Sohn Ludwig der Fromme. Die Söhne von Ludwig dem Frommen, Lothar I, Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle führten Aufstände zunächst gegen den Vater und dann untereinander. Das von Karl dem Großen geschaffene Frankenreich zerfiel in die Teile Mittelfranken, Ost-und Westfranken. Unser Gebiet gehörte zu Ostfranken mit Ludwig dem Deutschen als König. Da in dieser Zeit immer wieder skandinavische Wikinger, auf Beute und Landeroberung gerichtet, in unser Gebiet einfielen, war Ludwig der Deutsche auch genötigt, sein Heer gegen die Wikinger zu führen.
Im Frühmittelalter lebten etwa 90% der Menschen auf dem Lande und von der Landwirtschaft. Das Land war dünn besiedelt; in ganz Europa lebten weniger als 40 Millionen Menschen. Die allgemeine Lebenserwartung war vor allem in der ärmeren Bevölkerung sehr viel geringer als heutzutage; sie betrug durchschnittlich etwa 35 Jahre. Die Frauen waren im Frühmittelalter formal unmündig. Vater, Ehemann und Vormund waren ihnen übergeordnet.
Die Verfügungsgewalt über den Besitz wurde Frauen abgesprochen. Im adligen Milieu gab es allerdings Beispiele für Frauen, die über Einfluss und politische Durchsetzungskraft verfügten.
Obwohl auch den Eltern im Frühmittelalter sicherlich das Wohlergehen ihrer Kinder am Herzen lag waren körperliche Züchtigung und Kinderarbeit an der Tagesordnung. Aufgrund der allgemein geringen Lebenserwartung endete die Kindheit sehr früh.
In der frühmittelalterlichen Gesellschaft wurde Wissen über geschichtliche, gesellschaftliche und religiöse Ereignisse in der Regel mündlich weitergegeben. Nur sehr wenige Menschen konnten lesen und schreiben; meistens waren es Geistliche. Dokumente wurden meistens in lateinischer Sprache verfasst. Das Volk sprach Althochdeutsch, das je nach Region im Dialekt
vorkam. In unserem Gebiet wurde Altsächsisch gesprochen. Niederschriften bedienten sich des lateinischen Alphabets, das damals, von wenigen Ausnahmen abgesehen, unserem heutigen Alphabet entsprach. Schriftliche Überlieferungen in althochdeutscher Sprache sind meistens geistliche Texte: Gebete, Taufgelöbnisse, Bibelübersetzungen.
Beispiel (Hildebrandlied):
Ik gihorta dat seggen
Dat sih urhettun aenon muotin ...
Ich hörte das sagen,
dass sich als Herausforderer einzeln mühten ...
Die frühmittelalterliche Gesellschaft war eine Ständegesellschaft, die streng hierarchisch geordnet war. Ein sozialer Aufstieg war nur relativ selten möglich. Der gesellschaftliche Rang einer Person war durch deren Geburt begründet. Der König und der Adel bildeten die Führungsschicht; zusammen mit den Klöstern waren sie die Landbesitzer. Diese Grundherrschaft stellte den Bauern gerade soviel Land für die Bewirtschaftung zur Verfügung wie die Familie bewirtschaften konnte und zum Lebensunterhalt benötigte. Die Flächen mussten zunächst urbar gemacht und kultiviert werden, indem z.B. Waldflächen gerodet wurden. Mit Hilfe von Hakenpflügen, die meistens von Ochsen gezogen wurden, lockerte man die Bodenstruktur auf; dadurch wurde der Boden lediglich aufgeritzt, aber nicht gewendet. Die Ernteerträge waren relativ gering; sie sollen lediglich das 1,6- bis 1,8-fache der Aussaat betragen haben. Eine Verbesserung stellte sich erst mit der verbreiteten Einführung der Dreifelderwirtschaft ⁴ und dem Einsatz einer Pflugschar ein, die in der Lage war, den Erdboden zu wenden. Bei der Getreideverarbeitung spielten Mühlen, insbesondere Wassermühlen, eine wichtige Rolle; sie setzten allerdings fließende Gewässer mit ausreichender Wassermenge voraus.
Die Bauern erhielten nicht nur Landflächen zur Bewirtschaftung sondern standen auch unter dem Schutz der Grundherrschaft. Diese Wohltat war nicht uneigennützig: zum einen hatten die Bauern Frondienste⁵ abzuleisten zum anderen mussten sie Dienstgeld zahlen und einen Teil ihres landwirtschaftlichen Ertrages (Zehnt) abführen.
⁴ Wintergetreide - Sommergetreide - Brache; die ersten Anwendungen gab es im 8. Jahrhundert.
⁵ Verschiedene Tätigkeiten für eine festgelegte Anzahl von Tagen pro Jahr; in der Regel waren das sogenannte Hand- und Spanndienste.
Erste Ortslage von Beverbeck
Allgemein gilt, dass sich Dörfer nur dann gründeten, wenn deren Bewohner sesshaft wurden. Entweder wurden Jäger und Sammler saisonal oder Ackerbauern dauerhaft sesshaft. Etymologisch ist ein Dorf eine bäuerliche Siedlung. Man ließ sich also nieder, um Landwirtschaft zu betreiben. Die Verfügbarkeit von Anbauflächen und erreichbarem Trinkwasser waren die grundsätzliche Voraussetzung. Eine irgendwie geartete Verkehrsanbindung haben Dorfgründungen sicherlich begünstigt. Die Bodenqualität westlich der Moorlandschaft, die man später Springmoor, Steinmoor und Lütje Moor nannte, war zufriedenstellend, im Süden sogar gut (Kleiboden). Die Nähe zum Moor garantierte einen relativ hohen Grundwasserspiegel. Für den Gütertransport bedurfte es nur noch eines Wegenetzes.
Der älteste Fernverkehrsweg in dem Gebiet, das später Fürstentum Lüneburg genannt werden wird, ist der sogenannte Hessenkarrenweg. In dem Abschnitt von Lüneburg nach Ebstorf hatte er eine hohe verkehrspolitische Bedeutung. Hinweise in älteren Karten und eine fachgerechte Vermessung der oberflächig noch in großen Gruppen vorhandenen Spuren machen es möglich, den Wegeverlauf hinreichend genau nachzuweisen. Der insbesondere durch Wagengespanne durchgeführte Verkehr hinterließ Spuren, deren Tiefe insbesondere von der Topologie des Geländes abhing. War eine Spur vorübergehend unpassierbar geworden, wich man im ebenen Gelände nach rechts oder links aus. Führte der Verkehr allerdings über Anhöhen, so zwangen Täler oder günstigere Wegesteigungen den Verkehr bevorzugt in eine Spur. Mit zunehmender Nutzungsdauer wurden diese immer tiefer. Auf diese Weise entstanden Hohlwege, die eine Tiefe von drei bis vier Meter erreichen konnten. Dagegen bildete sich in der Ebene, wie z.B. südlich von Melbeck, stellenweise ein mehrere Hundert Meter breites Fahrwegbündel. Moderne Erdbewegungsmaschinen haben allerdings an einigen Stellen den Verlauf des Hessenkarrenweges verwischt.
Ein System von solchen Spuren findet man auch im Westteil der heutigen Gemarkung von Beverbeck. Wie die Abbildung auf Seite → oben zeigt, gibt es beidseitig der heutigen L233 Spurenfragmente (1), die den Hauptverkehrsweg markieren. Es ist auch erkennbar, dass eine Bodenerhebung, der Heeresberg mit einer Höhe von 64,4 Meter, eine wohl aus Bardenhagen kommende Gruppe von Spuren um diese Anhöhe herum zwingt. Ein Teil (2) führt östlich, der andere Teil (3) westlich um den Heeresberg herum. Das Spurenbündel (2) wird wieder in den Hauptweg und das Bündel (3) in das zum Hellkuhlengrund führende Spurenbündel (4) einmünden. Gut erkennbar ist, dass die Spuren sämtliche Hügelgräber (siehe 6) umgehen. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass