Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Benoni
Benoni
Benoni
eBook289 Seiten3 Stunden

Benoni

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

"Benoni" handelt von dem temperamentvollen Benoni Hartvigsen, der zu Beginn des Romans ein armer Postbote und Fischer mit geringem gesellschaftlichem Ansehen ist, aber eines Tages eine große Geldsumme erhält. Im Laufe des Buches entwickelt sich Benoni zu einem der reichsten Männer in Sirilund, dem Dorf, in dem der Großteil des Romans spielt.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum27. März 2023
ISBN9788028299699
Benoni
Autor

Knut Hamsun

Born in 1859, Knut Hamsun published a stunning series of novels in the 1890s: Hunger (1890), Mysteries (1892) and Pan (1894). He was awarded the Nobel Prize for Literature in 1920 for Growth of the Soil.

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Benoni

Ähnliche E-Books

Biografien / Autofiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Benoni

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Benoni - Knut Hamsun

    I

    Inhaltsverzeichnis

    Zwischen dem Meer und Benonis Haus liegt ein Wald. Er gehört nicht Benoni, sondern der Gemeinde. Es ist ein großer Mischwald aus Tannen, Birken und Espen.

    Zu einer bestimmten Zeit des Sommers kommen die Leute aus zwei Kirchspielen hier zusammen und hausen und fällen nach Herzenslust; wenn sie fertig sind und das Holz heimgefahren haben, liegt der Wald das ganze Jahr wieder still da, und Tiere und Vögel haben wiederum eitel Frieden. Dann und wann kommt ein Lappe, der von einem Kirchspiel in das andere wandert, durch den Wald; sonst hat nur Benoni hier Sommer wie Winter seinen Weg. Und Benoni geht bei trockenem und bei nassem Wetter, wie es sich trifft, er ist ein starker und fester Kerl, der sich vor keinem Hindernis fürchtet.

    Benoni ist Fischer wie alle anderen an der Küste. Daneben aber bringt er die Post über das Gebirge und wieder zurück, alle vierzehn Tage macht er diese Wanderung und hat seine feste kleine Bezahlung für diese Arbeit. Nicht alle bekommen jedes Vierteljahr festen Lohn vom Staat, und deshalb ist Benoni ein richtiger Teufelskerl unter seinesgleichen. Wohl kam es manchmal vor, daß der eine oder andere nach einem glücklichen Heringsfang draußen heimkam und vor Stolz über Geld und Ansehen pfeifend einherging. Aber das war nicht von langer Dauer. Die guten Leute steckten alle so tief in Schulden beim Kaufmann Mack auf Sirilund, daß, wenn sie diese getilgt hatten, ihnen selber nur noch eine Erinnerung an die Zeit verblieb, in der sie vor lauter Reichtum auf den Wegen gepfiffen hatten. Benoni dagegen kam unveränderlich Jahr für Jahr mit des Königs Post auf dem Rücken daher und war ein ganzer Teufelskerl und wie die Obrigkeit selbst mit dem Wappenschloß und Löwen auf der Posttasche.

    Eines Morgens kam er durch den Gemeindewald und wollte über das Gebirge. Es war Sommer, und da und dort fällten die Leute Bäume im Wald. Und die Tochter des Nachbarpfarrers war auch anwesend und hatte einen Federhut auf.

    Da ist der Benoni, jetzt bekomme ich Begleitung nach Hause, sagt sie. Und sie hieß Rosa.

    Benoni grüßt und meint: ja, wenn sie mit ihm vorlieb nehmen wolle.

    Sie war eine stolze Dame, Benoni kannte sie wohl, er hatte sie aufwachsen sehen; jetzt aber war er ihr seit einem Jahr nicht mehr begegnet. Wo war sie wohl gewesen?

    Und der Küster Arentsen auf dem Küstershof hatte einen Sohn, einen hellen Kopf, der nun seit mehreren Jahren im Süden die Rechte studierte; da besuchte Rosa wohl den jungen Arentsen, wenn sie von daheim fort war. Niemand wußte etwas Bestimmtes. Rosa war so schweigsam.

    Eija. Rosa hatte wohl auch ihre kleinen Geheimnisse und war merkwürdig für sich selbst, so für ihren eigenen Bedarf. Wie zum Beispiel heute. Mußte sie doch schon um vier Uhr morgens in Wald und Feld hinausgegangen sein, um gegen acht Uhr im Gemeindewald sein zu können. So unternehmend und furchtlos war sie. Auch ihr Vater war ein stolzer und großer Mann, in seinen Freistunden ging er auf die Jagd und trieb allerlei Tierfang. Aber außerdem war er ein berühmter Kanzelredner.

    Ein paar Stunden lang gingen Benoni und Rosa plaudernd dahin, und sie fragte ihn nach vielen Dingen. Sie setzten sich und hielten Rast. Benoni bot ihr von seinem einfachen Mundvorrat an, und sie aß tüchtig davon, um ihn zu ehren. Dann gingen sie noch eine Stunde; es fing an warm und in Strömen zu regnen und Rosa schlug vor, daß sie sich irgendwo unterstellen sollten. Aber Benoni, der die Post des Königs trug, hatte keine Zeit dazu. Sie gingen noch eine Weile, da glitt Rosa im Schmutz aus und konnte nun nicht mehr so recht gehen.

    Benoni sah sie an und die Dame dauerte ihn. Er blickte zum Himmel auf und erkannte, daß der Regen in kurzer Zeit aufhören würde; um ihr einen Gefallen zu tun, sagte er:

    Wenn Sie damit vorlieb nehmen wollen, unter einem einfachen Felsen zu sitzen.

    Sie gingen zu einem steilen Felsen, dort war eine richtige Höhle.

    Hier kann man ja großartig sitzen, sagte Rosa und kroch ganz hinein. Wenn man nun auch noch deine Löwentasche bekommen könnte, Benoni, um darauf zu sitzen.

    Das wage ich nicht, antwortete Benoni entsetzt. Aber wenn Sie eine getragene Joppe nicht verschmähen.

    Damit zog Benoni seine Joppe ab und gab sie der Dame, damit sie sich darauf setzen konnte.

    Wie flink er ist! dachte sie wohl ihrerseits, und der junge Mann gefiel ihr recht gut. Sie scherzte mit ihm und wollte auch den Namen seines Mädchens wissen.

    Als ungefähr zehn Minuten verstrichen waren, stieg Benoni wieder ans Tageslicht und erforschte noch einmal den Himmel. In diesem Augenblick kam ein Lappe vorbeigewandert und sah ihn. Und das war noch dazu der Lappe Gilbert.

    Regnets noch? fragte Benoni, um etwas zu sagen. Er war ein wenig verlegen.

    Nein, es ist klar, antwortete der Lappe.

    Benoni holte die Posttasche und seine Joppe aus der Höhle, und die Pfarrerstochter folgte ihm nach.

    Das beobachtete der Lappe  .....

    Und der Lappe Gilbert ging zur Küste und brachte die Neuigkeit in der Gemeinde herum und ging damit sogar bis in den Laden auf Sirilund.

    Du, Benoni, sagten die Leute von diesem Tag an im Scherz, was triebst du denn mit der Pfarrerstochter Rosa in der Höhle? Du kamst halb nackt und ganz erhitzt aus der Höhle heraus und hattest keine Joppe an. Was soll man davon halten?

    Du sollst davon halten, daß du eine Klatschbase bist, antwortete Benoni, als die Obrigkeit, die er war. Laß mich nur den Lappen treffen, der das gesagt hat!

    Aber die Zeit verging, und der Lappe Gilbert wagte wieder Benoni zu begegnen.

    Hallo, was hast du damals in der Höhle gemacht und was hast du dort verrichtet? sagte er vorsichtig. Und er lächelte mit kleinen Augen, als sähe er in die Sonne.

    Kümmere dicht nicht darum, sagte Benoni unergründlich und lächelte auch. Mehr tat er dem Lappen nicht.

    Benoni hatte angefangen durch das große Gerede, das von ihm und Rosa, der Pfarrerstochter, umlief, ein wenig hoffärtig zu werden. Es ging auf Weihnachten zu; als er mit seinen kläglichen Genossen beim Weihnachtsbranntwein saß, war er tatsächlich ein Mann, der es weit gebracht hatte. Jetzt hatte der Lensmann ihn auch zum Gerichtsboten erwählt, und es gab keine Auktion oder Verpfändung mehr, bei der Benoni nicht zugegen war. Da er im Lesen und Schreiben gut bewandert war, durfte er auch ohne weiteres die Bekanntmachungen des Lensmannes am Kirchberg oben verlesen.

    Ja, das Leben war gefällig, das Leben war höflich gegen Benoni, gegen Postbenoni. Und alles, womit er sich befaßte, glückte ihm. Rosa, die Pfarrerstochter, war bald nicht mehr im geringsten zu gut für ihn.

    Damals in der Höhle! sagte er und schnalzte mit der Zunge.

    Du wirst wohl nicht behaupten, daß du sie gehabt hast? fragten die Kameraden.

    Benoni antwortete:

    Es ging schon gar nicht anders.

    O Wunder! Und jetzt sollst du sie bekommen?

    Benoni antwortete wieder:

    Mach dir keine Sorgen. Das kommt jetzt einzig und allein auf den Benoni und mich an.

    Aber was wird der Nikolai vom Küstershof dazu sagen?

    Was der Nikolai dazu sagen wird? Der hat gar nichts dabei zu sagen.

    Nun war es heraus.

    Und es wurde so oft und von so vielen wiederholt, daß es doch seine Richtigkeit haben mußte. Wer weiß, vielleicht fing Benoni selbst an, es zu glauben.

    II

    Inhaltsverzeichnis

    Wenn der angesehene Pfarrer im Nachbarkirchspiel, Herr Jacob Barfod, jemand durch einen Boten wissen ließ, daß er mit ihm sprechen wollte, blieb nichts anderes übrig als hin zu gehen. Er hatte zwei Türen vor seinem Arbeitszimmer, die eine hinter der anderen, und die Leute pflegten schon zwischen diesen beiden Türen die Mütze abzunehmen.

    Als Benoni das nächstemal mit der Post kam, sandte der Pfarrer einen Boten nach ihm.

    Das habe ich jetzt für meine Großsprecherei! dachte Benoni voll Angst. Der Pfarrer hat gehört, womit ich geprahlt habe, und jetzt will er mich zugrunde richten und vernichten. Da aber der Bote nach ihm gesandt worden war, blieb ihm nichts anderes übrig als zu gehen. Benoni nahm die Mütze zwischen den beiden Türen ab und trat ein.

    Doch der Pfarrer war heute nicht gefährlich. Im Gegenteil, er wollte Benoni um einen Gefallen bitten.

    Du siehst diese Blaufuchsfelle hier, sagte er. Ich habe sie schon seit dem Frühwinter hier. Ich werde sie nicht los. Nimm sie mit zu Mack auf Sirilund.

    Benoni war so wunderbar erleichtert, daß er zu schwätzen anfing:

    Ja, das will ich wirklich gerne tun. Und noch diesen Abend, heute abend um sechs Uhr.

    Sage Mack von mir, daß der Blaufuchs auf acht bis zehn Speziestaler steht.

    Benoni schwätzte in seiner großen Erleichterung wieder:

    Zehn Speziestaler? sagen Sie zwanzig. Sie sollen sie nicht um einen Spottpreis hergeben, wirklich nicht.

    Und dann bringst du mir das Geld, Benoni.

    Ja, das nächstemal. So sicher, wie ich hier vor Ihnen stehe  ... Ich werde das Geld hier auf Ihren Tisch legen.

    Als Benoni über das Gebirge heimging, fühlte er weder Hunger noch Müdigkeit vor lauter Zufriedenheit mit sich selbst und dem Leben. Sieh an, der Pfarrer begann schon, ihn zu Dienstleistungen zu benützen, er gliederte ihn gewissermaßen der Familie an. Eines Tages würde Fräulein Rosa wohl noch einen Schritt weiter gehen.

    Er bekam ganz richtig zehn Taler für das Stück, und brachte das Geld getreulich und sicher zurück. Diesmal aber war der Pfarrer abwesend, er traf seine Frau und mußte ihr das Geld abliefern. Er bekam Kaffee und Schnaps für seine Mühe.

    Und wieder ging Benoni heimwärts zu seiner Hütte an der Küste. Er hatte viele Gedanken. Jetzt mußte Fräulein Rosa etwas tun; es ging auf den Frühling zu und es war Zeit zu einer Entscheidung.

    Da schrieb er einen Brief an die Tochter des Pfarrers, und er geriet ihm gut.

    Schließlich bat er sie mit offenen Worten, sie möchte doch die Hand nicht ganz von ihm abziehen. Und ehrerbietigst Benoni Hartvigsen, Gerichtsbote.

    Den Brief überbrachte er selbst  ...

    Jetzt aber war das Leben nicht mehr höflich gegen Benoni.

    Seine Prahlerei und die schamlose Erdichtung beim Weihnachtsschnaps hatten endlich das Nachbarkirchspiel und Rosa erreicht. Jetzt kamen schlimme Zeiten.

    Der Pfarrer sandte wieder einen Boten zu ihm. Benoni hatte sich wie stets in letzter Zeit schön und gut angezogen und trug eine Joppe über der anderen, um die äußere aufschlagen zu können, und außerdem hatte er ein besonders schönes Kattunhemd an.

    Es ist die Antwort auf den Brief, dachte Benoni, er möchte meine Absichten kennen lernen, er hat ja recht, es gibt viele niedrige Verführer und Betrüger auf dieser Welt, aber dazu gehöre ich nicht.

    Benoni ist beklommen. Auf dem Pfarrhof angelangt, ging er zuerst in die Küche, um dort irgend eine Neuigkeit zu erfahren, vielleicht konnte ihm auch ein Gesichtsausdruck etwas verraten.

    Der Pfarrer wollte mit dir sprechen, sagten die Mädchen.

    Na, mehr wie ein Nein würde er auf seinen Brief auf keinen Fall bekommen. Und das wollte er schon wie ein Mann ertragen. Gar so versessen war er ja auf die Pfarrerstochter auch niemals gewesen.

    Jawohl, antwortete er den Mädchen und richtete sich auf. Ich werde schon zum Pfarrer hineingehen. Und er fuhr sich durch seinen Haarpelz; er hatte so dickes und zottiges Haar.

    Er will mich nur um einen neuen Gefallen bitten, dachte er auf seinem Weg zum Arbeitszimmer.

    Dort standen, als er eintrat, der Pfarrer und auch seine Tochter. Keines beantwortete seinen Gruß. Der Pfarrer hielt ihm ein Papier hin und sagte:

    Lies das!

    Dann begann der Pfarrer im Zimmer auf und ab zu gehen, während Rosa aufrecht und stumm am Schreibtisch stand.

    Benoni las. Es war eine Erklärung – daß ich das, was ich, Benoni Hartvigsen an ehrenrührigen Erfindungen über mich und Fräulein Rosa Barfod verbreitet habe, hiermit öffentlich zurücknehme und das Ganze für eine schändliche Unwahrheit erkläre.

    Benoni hatte Zeit genug, es zu lesen. Schließlich fragte der Pfarrer, durch Benonis immer stärker zitternden Hände und dessen langes Schweigen gereizt:

    Hast du es noch nicht zu Ende gelesen?

    Doch, antwortete Benoni leise.

    Was sagst du dazu?

    Benoni stammelte:

    Es ist wohl so. Es war nicht anders zu erwarten.

    Und Benoni schüttelte den Kopf.

    Der Pfarrer sagte:

    Setz dich hierher und schreibe deinen Namen unter die Erklärung.

    Benoni legte seine Mütze auf den Boden, ging zusammengesunken an den Tisch und schrieb. Er vergaß nicht einen langen Schnörkel unter seinen Namen zu machen, wie er es sich angewöhnt hatte.

    Dieses Papier wird jetzt an den Lensmann in deinem eigenen Kirchspiel zur Verlesung auf dem Kirchberg gesandt, sagte der Pfarrer.

    Benoni war ganz dumpf und schwer im Kopfe, er antwortete:

    Ja, das wird es wohl.

    Während dieser ganzen Zeit stand Rosa aufrecht und stumm am Schreibtisch  ...

    Das Leben war nicht mehr höflich. Bald kam der Frühling, die Krähen fingen an Zweige zusammenzutragen; wo aber waren die Freude, der Gesang, das Lächeln und die Herrlichkeit? Und was scherte sich Benoni jetzt um den reichen Heringsfang! Er hatte an drei Großnetzen, die einen Fang gemacht hatten, kleine Anteile und hatte im stillen gedacht, dies könnte ihm und Rosa, der Pfarrerstochter, zugute kommen, – wie jämmerlich töricht war er gewesen!

    Einen Tag und eine Nacht lang blieb er vor Gram im Bett liegen und sah sein altes Hausmädchen kommen und gehen und wiederum kommen. Und wenn sie ihn fragte, ob er krank sei, so war er krank, und fragte sie, ob es ihm jetzt nicht besser ginge, so war er nachgiebig und antwortete, doch, es ginge ihm besser.

    Auch den nächsten Tag lag er noch im Bett. Es wurde Samstag. Vom Lensmann kam ein Bote mit einem Paket.

    Ein Mann ist da mit einem Paket vom Lensmann, sagte das Mädchen an seinem Bett.

    Benoni antwortete:

    So. Ja, leg das Paket dorthin.

    Das sind die Bekanntmachungen, die ich morgen verlesen muß, dachte Benoni. Er blieb noch eine Weile liegen, plötzlich steht er auf und öffnet das Paket: Auktionen, entwichene Gefangene, die jährliche Steuerverteilung. Und da lag auch seine eigene Erklärung. Er greift sich mit beiden Händen an den Kopf.

    So sollte er es also selbst tun, sollte am Kirchberg stehen und seine eigene Schande verkünden!

    Er biß die Zähne zusammen und sagte:

    Jaja, Benoni!

    Als aber der nächste Tag kam und heller Sonnenschein, da verlas er seine eigene Erklärung nicht. Alles andere las er vor, aber dies nicht; die Sonne, die Sonne war zu stark, und hundert Augen sahen ihm gerade ins Gesicht.

    In tiefer Niedergeschlagenheit begab er sich nach Hause; er vermied jede Begleitung und nahm den Weg durch Wald und Moore, um allein zu sein. Ach, das war das letztemal, daß ihm eine Begleitung angeboten wurde, die er nicht annahm, es würde sich ihm nie wieder einer anbieten.

    Bald kam es an den Tag, daß Benoni am Kirchberg Papiere unterschlagen hatte. Am nächsten Sonntag setzte sich der Lensmann die Mütze mit dem Goldrand auf und verlas selbst die Erklärung in Anwesenheit von vielen Leuten.

    Etwas Unerhörtes war in der Gemeinde geschehen, und das Geschwätz summte von Berg zu Berg. Benoni war gefallen, er lieferte auch die Tasche mit dem Löwen darauf ab und hatte die Post zum letzten Mal ausgetragen. Jetzt war er zu gar nichts mehr auf Gottes weiter Welt da.

    Er ging heim zu seiner Hütte und grübelte und grämte sich eine Woche lang. Da kam an einem Abend ein Netzmeister zu ihm ins Haus und brachte ihm seinen Anteil am Fischfang. Danke! sagte Benoni. Am Abend darauf kam der Netzmeister Norum, der gleich vor Benonis Hütte einen großen Fang gemacht hatte. Von ihm bekam Benoni drei kleine Anteile am Netz und außerdem einen großen Strandanteil. Danke! sagte Benoni.

    Ihm war es gleich, er war zu nichts mehr zu gebrauchen.

    III

    Inhaltsverzeichnis

    Kaufmann Mack auf Sirilund war mächtig genug, mit einem Menschen etwas Gutes oder etwas Böses zu beginnen, ganz wie er wollte. Und seine Seele war sowohl schwarz wie weiß. Darin, daß er tun und lassen konnte, was er wollte, glich er seinem Bruder Mack auf Rosengaard; aber er übertraf ihn dann und wann dadurch, daß er etwas tat, was er nicht tun durfte.

    Nun ließ Mack durch einen Boten dem Benoni ausrichten, daß er sich sofort auf Sirilund einfinden solle.

    Benoni folgte dem Boten, der noch dazu einer von Macks Ladengehilfen war.

    Benoni hatte jetzt Angst vor allem in der Welt und sagte entmutigt:

    Was will er wohl von mir? Sah er ungnädig aus?

    Ich könnte nicht sagen, was er von dir will, antwortete der Gehilfe.

    Gehen wir also in Gottes Namen! sagte Benoni finster.

    Als er vor Macks Kontor stand, war er niedergeschlagener und demütiger denn je. Er stand so lange da, räusperte sich und machte sich schön, daß Mack selber ihn draußen hörte und die Türe mit einem Ruck öffnete.

    Na – komm herein! sagte Mack selbst.

    Und niemand hätte ihm ansehen können, ob er Benoni aufrichten oder hinabstürzen wollte.

    Mack sagte:

    Du hast dich schlecht aufgeführt.

    Ja, antwortete Benoni.

    Aber die anderen haben sich ebenso schlecht aufgeführt, sagte Mack.

    Mit diesen Worten begann er im Zimmer auf und ab zu gehen und sich dann ans Fenster zu stellen und hinauszusehen. Plötzlich wandte er sich um und fragte:

    Du hast in letzter Zeit einen ziemlichen Brocken Geld verdient?

    Ja, erwiderte Benoni.

    Was willst du damit machen?

    Ich weiß nicht. Mir ist alles gleich.

    Du solltest Heringe dafür kaufen, sagte Mack. Hier, gleich vor meiner Türe gibt es Heringe. Du salzt und verarbeitest den ganzen Hering, den du für dein Geld bekommen kannst und sendest ihn nach dem Süden. Tonnen und Salz nimmst du, wenn du willst, von mir.

    Eine Weile verging, ehe Benoni den Mund aufmachen wollte, und Mack fragte kurz und bündig:

    Nun, fängst du morgen an?

    Wenn Sie meinen, antwortete Benoni.

    Mack ging wieder ans Fenster und wandte dem Zimmer den Rücken zu, er überlegte offenbar.

    Ho, Mack war ein großer Herr und ein Denker! Benoni bekam ein wenig Zeit und begann nun auch seinerseits zu denken. Mack war bei Geschäften ein glatter Teufel, seine Seele war vielleicht mehr schwarz als weiß. Benoni wußte, daß Mack den größten Teil des Herings besaß, der im Großnetz vor seiner Hütte stand, jetzt wollte er die Gelegenheit benützen und etwas abstoßen, gut verkaufen. Das Jahr war schon vorgeschritten und der Hering konnte leicht verderben. Außerdem konnte Mack nun von seinem großen Faßlager und von seinem Salz verkaufen.

    Benoni überdachte dies alles und sagte:

    Das kommt eben auf den Preis an. Das ist klar.

    Ich will dir helfen, antwortete Mack und wandte sich um. Du sollst wieder mit irgend etwas in Gang kommen. Du hast gefehlt, aber das haben andere auch getan, jetzt mag es mit der Prüfung genug sein.

    Er meint es wirklich so, dachte Benoni. Er fühlte sich auf einmal weich und dankbar und sagte:

    Ich danke Ihnen vielmals.

    Nun sprach Mack als der mächtige Mack und sagte:

    Ich habe vor, unserem guten nachbarlichen Pfarrer einen kleinen Brief zu schreiben. Im übrigen bin ich Rosas Pate, ich habe ihr und ihrem Vater ein paar Worte zu sagen. Na, das brauchst du ja eigentlich nicht zu wissen. Wieviel Geld hast du?

    Oh, es kann schon etliches ausmachen, alles in allem.

    Du verstehst, sagte Mack, daß deine Taler natürlich weiter keine Rolle für mich spielen. Ich darf wohl behaupten, daß du das ganz genau weißt. Also deshalb geschieht es nicht. Aber ich möchte dir wieder auf die Beine helfen.

    Ja, Dank und Ehre dafür.

    Du fragtest nach dem Preis. Darüber können wir morgen sprechen. Wir treffen uns ja auf dem Schiff.

    Mack nickte zum Zeichen, daß sie fertig wären; aber als Benoni in der Türe stand, rief er:

    Ach höre, da ich schon von dem Brief gesprochen habe, hier ist er. Du kannst ihn wohl in den Postkasten werfen, dann wird er morgen abgesandt  ...

    Benoni wurde Heringsaufkäufer. Er stellte Leute an, die die Heringe ausnahmen und einsalzten und seine Tonnen hin und her rollten. Wenn Mack auf Sirilund ihm sein Vertrauen wieder geschenkt hatte, wer wäre dann so eingebildet gewesen, sich noch zurückzuhalten? Schließlich fühlte Benoni etwas von der alten Freude und Macht in seiner starken Brust.

    Er hatte sich keineswegs zu irgendeinem dummen Kauf von Mack verleiten lassen. Von dem Augenblick an, als ihm die erste kleine Aufmunterung zuteil geworden war, wurde er wieder der rasche und verständige Bursche, und er setzte nicht sein ganzes Geld auf den Hering. Die Hälfte tut es auch! dachte Benoni. Außerdem war jetzt Macks Brief

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1