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Unterwegs. Sieben Erlebnisse: 7 Geschichten
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eBook113 Seiten1 Stunde

Unterwegs. Sieben Erlebnisse: 7 Geschichten

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Über dieses E-Book

Unterwegs sind in diesem Buch Menschen, die eine Heimat oder gemeinsame Erfahrungen suchen. Ob ein Mann sich nach einer Heimat an der Seite eines Kameraden sehnt, den er aus Brasilien kennt und am Ende doch weiterziehen muss, ob das in der ersten – und zugleich längsten – Erzählung jemand ist, der seinen Eltern nach Südafrika folgen musste, weil sein Großvater in die verbrecherische deutsche Vergangenheit verstrickt war, ob es Paare sind, die Geborgenheit in gemeinsamen Erlebnissen suchen, oder ob Lohmeyer in der letzten Erzählung die Gemeinsamkeit verfehlt: Manchmal finden sie diese Gemeinsamkeit noch, aber nicht immer.

Wenn sie sie finden, ist dies mit äußersten Anstrengungen verbunden: Die erste Erzählung beschreibt, wie Florian sich große Mühe dabei gibt; die letzte zeigt – ganz am Schluss und in Lohmeyers Worten –, wie jemand dem Ziel nahekommen, es aber dann doch verfehlen kann.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Mai 2016
ISBN9783869920160
Unterwegs. Sieben Erlebnisse: 7 Geschichten

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    Buchvorschau

    Unterwegs. Sieben Erlebnisse - Heinz Wetzel

    Erlebnisse

    Freunde

    Die beiden traten aus dem Friedhof, der den Dom umgab. Die abendliche Stille und die Dämmerung hüllten alles ein, bis sie in einer erleuchteten Telefonzelle jemanden stehen sahen, der ein Notenheft aufgeschlagen hatte und sang. Hören konnten sie ihn nicht. „Der ist ebenfalls im Kirchenchor, aber er übt nicht zu Haus; es wird wohl zu laut sein, sagte der eine zum andern. „Das ist rücksichtsvoll von ihm, erwiderte der. Dann kamen sie an einem Haus vorbei, das bunt mit großen Blumen bemalt war. „Das ist der Kindergarten, sagte der erste wieder. „Darin werden die Kinder nicht nur aufbewahrt; sie werden auch auf die Schule vorbereitet.

    Inzwischen hatte es angefangen zu nieseln. Sie gingen weiter. Als sie unten am See angekommen waren, sagte der zweite: „Hier liegt das Boot, von dem ich Ihnen erzählt habe. Von hier muss ich hinüber zum Zeltplatz rudern. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mit mir auf dem Kirchenhügel herumgelaufen sind. – „Es hat mir Freude gemacht, Ihnen alles, was man in dieser Dunkelheit sehen kann, zu zeigen, erwiderte der erste. „Hoffentlich finden Sie auch in den nächsten Tagen immer eine gute Unterkunft. " Damit ging er.

    Der andere machte das Ruderboot los, das er an einen Ast zwischen jetzt unbenutzten Ausflugsdampfern gebunden hatte, setzte sich hinein, ergriff die Ruder und fuhr los. Es wehte ein leichter Wind, der die Oberfläche des Sees kräuselte. Während er im Nieselregen zum Zeltplatz hinüberruderte; er hatte seinen Jackenkragen hochgeschlagen, weil er etwas fror, sah er, dass der ganz aus Backsteinen gebaute Dom angestrahlt wurde. Es war aber kein grelles Licht. Eher war es gedämpft und etwas gelblich. ‚Die Leute hier haben einen guten Geschmack; sie wissen, wie ihre Kirche den besten Eindruck macht‘, dachte er. Und indem er den Gedanken weiter verfolgte, sagte er sich: ‚Früher haben sie geglaubt, dass Gott den Dom betrachtet; jetzt denken die meisten nur daran, dass er Touristen anziehen soll. Ob er dadurch im Lauf der Zeit nicht auch ein etwas anderes Aussehen angenommen hat?‘

    Dann erinnerte er sich an die Musik, die er gerade gehört hatte. War es nicht mit den Choralvorspielen von Johann Sebastian Bach ähnlich gewesen? Niemand hatte mehr die Texte der Choräle im Sinn, die von ihnen eingeleitet wurden; allen war nur noch die Musik wichtig. Gewiss, Bach hatte sein Bestes gegeben; er hatte die Melodien und die Akkorde so schön gesetzt, wie es ihm nur möglich war. Er war aber Christ gewesen, und deshalb hatte er nur Texte komponiert, die ihm nahegingen.

    Während man noch auf den Organisten wartete, hatte der Nachbar Florians, so hieß derjenige, der jetzt im Kahn seinem Zelt zustrebte, ein Gespräch angefangen, und Florian hatte Auskunft gegeben: dass er gestern früh aus seinem südafrikanischen Wohnort in Europa angekommen sei, dass er in Schweden einen Volvo übernommen habe, dass er, weil es schon gestern überall kräftig regnete, schnell ein Landgasthaus, das ganz für sich an der Straße lag, aufgesucht habe und ganz gegen seine Gewohnheit nicht mehr ausgegangen sei, sondern den Fernseher angestellt, dort aber nur einen einzigen Sender bekommen habe, in dem eine Zirkusschau gelaufen sei. Die aber habe einen dermaßen langweiligen und trüben Eindruck auf ihn gemacht, auch sei ihm die schwedische Sprache so gemächlich vorgekommen, dass er nur noch vom Clown eine Besserung seiner Stimmung erwartet habe. Als der dann endlich gekommen sei, habe aber auch er so langsam und so traurig gesprochen, als würde es ihm immerfort ins Gemüt regnen. Er, Florian, habe nun keinerlei Hoffnung mehr gehabt und sich nicht mehr lange wachgehalten.

    Sein Nachbar fragte ihn, warum er denn über Schweden gefahren sei und warum er überhaupt einen Volvo gekauft habe. Er antwortete: „Dieses Auto gilt als besonders stabil. Ich habe an meine Jagdleidenschaft gedacht und an die wilden Tiere bei mir zu Hause, besonders an die Büffel und Nashörner, und auch an die Elefanten. Mit letzteren habe ich früher fast einmal einen Unfall gehabt. Damals wäre ich froh gewesen, wenn ich schon einen gehabt hätte. Ich habe mir jedenfalls geschworen, dass ich bei der nächsten Gelegenheit einen Volvo kaufe, damit ich mich wenigstens ein wenig sicherer fühlen kann."

    Er habe einen guten Grund gehabt, gleich abzufliegen, als es in Südafrika Ferien gegeben habe, und morgen wolle er seine Freundin, die gleich ihm in Pietermaritzburg in Südafrika Lehrerin sei, in Berlin auf dem Flughafen Tegel treffen. Als er hier in Ratzeburg, der ersten norddeutschen Stadt auf seiner Route, angekommen sei, habe er von den Choralvorspielen Johann Sebastian Bachs gelesen. Eigentlich wollte er sofort hinfahren, aber er habe dieses Vorhaben zunächst aufgeben müssen, denn er sei erst auf den Zeltplatz gekommen, als es schon dunkel wurde, und geregnet habe es auch schon wieder. Er habe aber nicht in einer ihm völlig fremden Stadt und mit einem Auto, das ihm auch noch fremd gewesen sei, um den See fahren wollen, um zum Dom zu kommen, und das noch im Regen. Das habe er der Besitzerin des Zeltplatzes gesagt, die sich daraufhin als Sängerin im Kirchenchor entpuppt habe. Sie habe ihm angeboten, heute abend in ihrem Ruderboot über den See zu fahren, das sei viel näher, um doch noch die Choralvorspiele Bachs hören zu können. Durch diese Großzügigkeit sei er nun hier. Die letzten Sätze hatte er schnell und leise gesprochen, denn inzwischen hatte der Organist auf der Orgelbank Platz genommen.

    Sein Nachbar hatte daraufhin noch schnell mit ihm verabreden können, dass er nach dem Orgelkonzert mit ihm über den Kirchenhügel gehen wolle, damit er die Stadt von oben sehen könne. Leider sei es dann schon dunkel, sodass er ihre ganze Schönheit nicht erkennen könne. Aber die alten Gebäude, die angestrahlt würden, sowohl der Dom als auch die Lichterketten der Straßenlaternen, ließen die Schönheit wenigstens ahnen.

    Florian hatte sofort zugestimmt. Er war von der Freundlichkeit, die er bei der Besitzerin des Zeltplatzes und bei seinem Nachbarn getroffen hatte, so begeistert, natürlich später auch von den Choralvorspielen Johann Sebastian Bachs, denen immer die erste Strophe des jeweiligen Chorals vorausging, die von einem jungen Mädchen gesungen wurde, dass er diese Begeisterung auf das ganze Land übertrug, in das er heute morgen gekommen und das ursprünglich seine Heimat gewesen war.

    Er bedauerte seinem Nachbarn gegenüber, nicht länger hierbleiben zu können; er sei in einem solchen Tohuwabohu aus Südafrika aufgebrochen, dass er einen längeren Aufenthalt in der alten Heimat auf das nächste Jahr verschieben müsse. Auch seine Freundin, die ebenfalls aus Deutschland stamme und mit der zusammen er das Land jetzt nur ganz oberflächlich erkunden könne, indem er mit ihr von Berlin nach München fahren werde, wolle ihn dann wieder begleiten; das hatten sie sich vorgenommen. Da hatte er seinem neuen Bekannten versprechen müssen, dass die beiden dann wieder in seine Stadt kommen und ihn besuchen würden, und zwar am Tage, wenn alles zu sehen sei.

    Am nächsten Tag fuhr er nach Berlin, übernachtete mit seiner Freundin Ines in einem Hotel am Flughafen und fuhr einen Morgen später mit ihr nach München. Unterwegs erzählte sie ihm, was nach seiner Abfahrt aus Pietermaritzburg noch geschehen war. Das war das „Tohuwabohu", das er tags zuvor seinem neuen Bekannten gegenüber erwähnt hatte.

    Florian hätte eigentlich in Pietermaritzburg Schulleiter werden sollen, aber Jolánda, eine aus Ungarn stammende Kollegin, die dieselbe Absicht hatte, missgönnte ihm das – so jedenfalls sah er es. Sie hatte üble Geschichten über ihn verbreitet, die ihn weder bei den anderen Lehrern noch bei den Eltern der Schüler beliebt machten.

    Von einer nicht gut beleumundeten Kollegin hieß es plötzlich, dass sie von Florian verführt worden sei. Keiner glaubte das wirklich, aber keiner wollte auch wissen, wer hier wen verführt habe; so oder so war die Geschichte einfach zu unterhaltsam. Die Kollegen wussten, dass die Dame den Schlüssel zu dem Zimmer besaß, in dem die Schullandkarten aufbewahrt wurden, und dass sie dieses Zimmer schon wiederholt für ihre amourösen Abenteuer benutzt hatte. Jolánda behauptete nun steif und fest, sie habe gesehen, wie Florian mit ihr in dem fraglichen Zimmer verschwunden sei.

    Nur Ines wollte Genaueres wissen, weil sie sehr wohl erkannte, dass

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