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Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet
Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet
Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet
eBook429 Seiten5 Stunden

Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet

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Über dieses E-Book

Dieses Buch erzählt die unglaubliche und wenig bekannte Geschichte des Schweizer Terroristen und späteren CIA-Agenten Bruno Breguet. Der Autor Adrian Hänni konnte dazu kurz vor Drucklegung Einblick in bisher unzugängliche Quellen nehmen und mit verschwiegenen Weggefährten von Bruno Breguet sprechen. Er taucht in seiner Biografie tief in die Ereignisse des Nahostkonflikts im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ein, untersucht die «Carlos-Gruppe» und bietet neue Perspektiven auf die Auseinandersetzung der Schweiz mit dem Nahostterrorismus.
Breguet wurde 1970 als erster Nichtaraber wegen terroristischer Vergehen in Israel verhaftet und zu einer langen Haftstrafe verurteilt, nachdem er sich als Gymnasiast der Volksfront zur Befreiung Palästinas angeschlossen und im Libanon eine militärische Ausbildung erhalten hatte. In den 1980er-Jahren stellte sich der Tessiner dann als Attentäter in den Dienst des legendären «Carlos», auch bekannt als «der Schakal». Das Buch beschreibt erstmals, wie Breguet zu Beginn der 1990er-Jahre die Seiten wechselte und der CIA bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus half, ehe er 1995 von einer Fähre im Mittelmeer verschwand.
SpracheDeutsch
HerausgeberNZZ Libro
Erscheinungsdatum13. Feb. 2023
ISBN9783907291887
Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet

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    Buchvorschau

    Terrorist und CIA-Agent - Adrian Hänni

    Adrian Hänni

    Terrorist und

    CIA-Agent

    Die unglaubliche Geschichte

    des Schweizers Bruno Breguet

    NZZ Libro

    Autor und Verlag danken herzlich für die Unterstützung:

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2023 (ISBN 978-3-907291-87-0)

    © 2023 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel

    Lektorat: Karin Schneuwly, Zürich

    Korrektorat: Ulrike Ebenritter, Giessen

    Umschlagabbildung: KEYSTONE

    Umschlaggestaltung: Katarina Lang Book Design, Zürich

    Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz

    Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Daten­verarbeitungs­anlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts­gesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

    ISBN Druckausgabe 978-3-907291-87-0

    ISBN E-Book 978-3-907291-88-7

    www.nzz-libro.ch

    NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.

    Inhalt

    Vorwort

    Prolog an der Höllenpforte

    Via Mondacce

    1969: Als der Nahostterrorismus in die Schweiz kam

    Der Weg nach Haifa

    Der Prozess

    Geheimverhandlungen

    Im Gefängnis

    Freiheit für Bruno Breguet!

    In den Klauen des Schakals

    Carlos, der «Superterrorist»

    Münchner Tango

    Luca und Lilly

    Syriana

    Der Verrat

    Das Verschwinden

    Anmerkungen

    Literaturverzeichnis

    Abbildungsverzeichnis

    Über den Autor

    Vorwort

    Den Advent 2017 verbrachte ich mit meiner Frau in Berlin Schöneberg, wo wir uns irgendwo zwischen traditionellen Berliner Kneipen und einer Sardinenbar in einem Altbau einquartiert hatten. An einem kalten Winterabend fand ich in der Wohnung, die wir von einer kurzzeitig verreisten Diplomatin gemietet hatten, ein kleines Wandversteck. Dort lag ein handgeschriebener Brief eines gewissen Bruno Breguet, eines Landsmanns von mir, wie sich bald herausstellen sollte. Das war der Beginn von jahrelangen Recherchen, die letztlich zu diesem Buch führten.

    So zumindest würde dieses Vorwort beginnen, wenn die vorliegende Biografie nicht akribisch der historischen Wahrheit verpflichtet wäre, sondern sich gelegentlich journalistische Zuspitzungen erlauben würde. Zwar hatte Breguet tatsächlich einst im selben Berliner Haus (wenn auch nicht in derselben Wohnung) gelebt, in dem ich damals Weihnachten und Neujahr feiern durfte. Das war vor gut vier Jahrzehnten, als Leute wie David Bowie und Iggy Pop das bohemehafte Viertel der geteilten Stadt in Beschlag nahmen. Davon sollte ich allerdings erst viel später erfahren, zu einem Zeitpunkt, als ich längst einen Buchvertrag unterschrieben hatte. In Wirklichkeit stiess ich 2017 auf keinerlei Spuren des (Anti-)Helden dieser Geschichte.

    Das Leben von Bruno Breguet ist ohnehin viel verrückter, spannender und rätselhafter als jede Fiktion. Es ist eine Geschichte von (verlorenen) Idealen und (fehlgeleitetem) Idealismus, von Recht und Gerechtigkeit, von Freiheit und Gefangenschaft, von Loyalität und Verrat. Die Vita des Tessiners führt uns zudem in die verborgenen, sich häufig berührenden Welten von Terrororganisationen und Geheimdiensten. So erfährt die Leserschaft etwa, wie Diplomatinnen und Spione in Ost und West terroristische Gruppen infiltriert und zerschlagen, mit ihnen bisweilen aber auch geheime Verhandlungen geführt oder sie sogar unterstützt haben. Nicht zuletzt kreist dieses Buch aber auch um eine Frage, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat: Was bewegt einen jungen Menschen, den Weg der politischen Gewalt einzuschlagen?

    Vielen Leuten bin ich zu Dank verpflichtet, weil ohne sie dieses Buch nicht in dieser Form zustande gekommen wäre. Vorneweg dem Historiker Thomas Skelton-Robinson, der mir Zugang zu einem wichtigen Quellenbestand im Hamburger Institut für Sozialforschung ermöglicht hat. Corina Bucher, Robert Wolff und die Journalistenlegende Thomas Scheuer haben mir ebenfalls grosszügig Kopien von Quellenmaterial zur Verfügung gestellt. Helmut Stalder, der Verlagsleiter von NZZ Libro, hat seit dem ersten Moment an dieses Projekt geglaubt. Im Weiteren danke ich den Zeitzeugen, die mir ihre mitunter sehr berührenden Erinnerungen anvertraut haben: Magda Bianchini, Marina Berta, Giorgio Bellini, Olivier de Marcellus, Mauro Cavagna, Sergio Mantovani, Jean-Pierre Garbade und einige mehr haben mir geholfen, Bruno Breguet besser zu verstehen und das aus den Archivquellen gewonnene Bild von ihm zu schärfen. Besonders hervorheben möchte ich drei Persönlichkeiten, mit denen ich stundenlange Gespräche führen durfte und die mich darüber hinaus mit wertvollen Kontakten und Dokumenten unterstützt haben: Breguets Locarneser Freund Gianluigi Galli, sein Schulkamerad und Banknachbar Gianni Quattrini und sein Bruder Ernesto Breguet.

    Nicht zuletzt mit Blick auf Familie und Freunde ist mit diesem Buch auch ein Funke Hoffnung verbunden: Vielleicht lässt sich über das Schicksal Breguets nach seinem geheimnisvollen Verschwinden im Jahr 1995 doch noch Klarheit gewinnen.

    Abb. 1: Der Nahe Osten aus der Feder von Bruno Breguet, gezeichnet 1977 für ein frühes Manuskript seiner Gefängnismemoiren.

    Prolog an der Höllenpforte

    Die Zeiger standen auf halb acht, als die «Enotria» am Morgen des 23. Juni 1970 im Hafen von Haifa anlegte. Unter den Passagieren, die vom Deck des italienischen Dampfschiffs in Richtung Zollstation schlenderten, liess sich ein gut aussehender junger Mann mit kurzen dunklen Haaren und kastanienbraunen Augen ausmachen. Adrett gekleidet, eine Super-8-Videokamera japanischen Fabrikats um den Hals und einen Reisekoffer im Schlepptau gab er einen passablen Touristen ab.¹ Dennoch ruhten die Augen des Zöllners lange auf seinem Schweizer Reisepass. Das Dokument schien die Aufmerksamkeit des Beamten geweckt zu haben. Er tätigte einen ersten Anruf, dann untersuchte er sorgfältig Koffer und Videokamera. Unterbrochen wurde er bei dieser Tätigkeit nur von zwei weiteren Telefonaten. Offenbar fragte man ihn am anderen Ende der Leitung nach verschiedenen Passangaben. Während der Zöllner den scheinbaren Urlauber in ein etwas förmliches Gespräch über die Super 8 verwickelte, näherten sich zwei Polizisten in Zivilkleidung.

    Die beiden Beamten baten den Schweizer in einen Nebenraum, wo sie sich an die erneute, diesmal akribische Durchsuchung des Koffers machten. Um den Inhalt einer Dose Rasierseife zu überprüfen, schufen sie mit sichtlicher Freude und Bewunderung einen kleinen weissen Berg Rasierschaum auf dem Tisch. Aber da war nichts Verdächtiges. Dasselbe galt für die Videokamera. Erstaunt studierten die zwei Polizisten noch einmal den Reisepass. Schliesslich machte sich einer der beiden an eine Leibesvisitation.

    Wenige Augenblicke später sah der vermeintliche Tourist die Läufe mehrerer Uzi-Maschinengewehre auf sich gerichtet. Denn die Gegenstände, die man auf dem jungen Mann fand, gehören nicht gerade zu den Utensilien, die man traditionell auf eine Urlaubsreise am Mittelmeer mitführt. Ein weisser Stoffgürtel, der eng um seine Brust gebunden war, enthielt zehn Päckchen, jedes von ihnen mit 200 Gramm einsatzbereitem sowjetischem Sprengstoff gefüllt. In den Taschen seines Vestons steckte eine hermetisch verschlossene Zigarettenpackung der Marke Marlboro, in der allerdings bloss noch die Filter aufgereiht waren. Der dadurch entstandene Hohlraum war gefüllt mit einem elektrischen Zünder, einer japanischen Batterie mit dem sinnigen Namen «flying bomb» und zwei Kontrolllämpchen. Weiter kam eine Schweizer Armbanduhr der Marke Rexo zum Vorschein, die zu einer Präzisionszündvorrichtung umgebaut worden war. Schliesslich fand man in seinem Besitz noch sechs kleine Metallplatten mit der Aufschrift «PFLP». Das Kürzel steht für die Volksfront zur Befreiung Palästinas, eine bewaffnete Palästinenserorganisation, die damals quer durch Europa spektakuläre Anschläge verübte und dabei solche Medaillons zurückzulassen pflegte.²

    Der Mann, der dieses kleine Arsenal auf sich trug, war ein 20-jähriger Tessiner Gymnasiast namens Bruno Breguet. Nach Israel war er gereist, um im Auftrag der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) einen Bombenanschlag auf den Shalom Tower in Tel Aviv zu verüben. Der 34-stöckige Wolkenkratzer im Herzen der israelischen Hauptstadt war damals, seit seiner Eröffnung im Jahr 1965, das höchste Gebäude im Nahen Osten, ein Wahrzeichen Tel Avivs und Symbol des modernen Israels. Stattdessen klickten für Breguet nun die Handschellen. Als ihm einige Minuten zuvor bewusst geworden war, dass es für ihn aus dieser Situation kein Entrinnen geben würde, hatte er für einen Augenblick mit dem Gedanken gespielt, den Sprengstoff auf seinem Körper zur Explosion zu bringen. Es hätte aber zu viel Zeit gebraucht, das Zündsystem vorzubereiten, erklärte er einige Jahre später.³ Hätte er die Bombe hochgehen lassen, wäre Breguet der erste Schweizer Selbstmordattentäter geworden – und diese Geschichte, seine Geschichte, um manches Kapitel, manches Rätsel und manche unerwartete Wendung kürzer.

    Via Mondacce

    Die Geschichte von Bruno Breguet beginnt in der kleinen Gemeinde Minusio bei Locarno. Hoch über dem Lago Maggiore zieht sich die schmale Via Mondacce dem Hang entlang, vorbei an Villen und kleinen Weingärten. Das Panorama ist atemberaubend. Von der Magadinoebene schweifen die Augen des Besuchers über den Monte Ceneri und die Tessiner Alpengipfel. Weit unten spiegelt sich das Städtchen Locarno im ruhigen blauen Wasser, in der Ferne lassen sich die Umrisse der Brissago-Inseln erahnen. Einzig vereinzelte Palmen scheinen einen Schatten auf diese paradiesische Welt zu werfen. Von hier ist es ein weiter Weg nach Haifa.

    Fast am Ende der Via Mondacce steht das Haus, in dem Breguet nach seiner Geburt am 29. Mai 1950 aufgewachsen ist und das bis zu einem schicksalhaften Novembertag im Jahr 1995 einen Fixstern in seinem Leben bildete. Sein Vater Ernesto Breguet war ein Zugezogener aus dem Bauerndorf Coffrane im Neuenburger Jura. Die wenigen dort ansässigen Betriebe der Uhrenindustrie verschwanden bereits im frühen 20. Jahrhundert, der Uhrenmachername Breguet hatte sich jedoch gehalten. Ernesto baute als Zimmermann und Dachdecker ein erfolgreiches Geschäft auf, dem er seine ganze Aufmerksamkeit widmete und dank dessen die Familie in passablen finanziellen Verhältnissen lebte. Stark von seiner Arbeit absorbiert, zeigte er wenig Interesse an seiner Familie oder der Erziehung seines Sohnes.¹ Auf die Politisierung von Bruno hatte er jedenfalls keinerlei Einfluss. Selbst nicht politisch und ohne jegliches intellektuelle Interesse, war er einer dieser Menschen, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie jemals ein Buch gelesen haben.²

    Im Gegensatz zum Vater war die Mutter, Zita, eine gebürtige Tessinerin. Das Haar dieser kleinen Frau war bereits ergraut und ihr Gesicht ein wenig zerknittert, bevor sie wegen Brunos Festnahme in Israel schreckliche Ängste durchlebte.³ Dennoch sollte sie über 100 Jahre alt werden. Von seiner Mutter erfuhr Bruno viel Zuneigung, und die beiden verband eine enge Beziehung.⁴ Neben Bruno wuchsen im Haus Breguet ausserdem drei Geschwister auf. Die Schwestern Renée und Madeleine, noch in den Kriegsjahren geboren, waren deutlich älter. Renée wanderte bald nach Brasilien aus. Ob Südamerika deshalb auch für den jungen Bruno zu einem Sehnsuchtsort wurde? Madeleine wiederum heiratete einen Zeichner der Maggia Kraftwerke, zog nach Locarno und verschwand so ebenfalls früh aus dem Elternhaus.⁵ Die liebevolle Beziehung mit Bruno blieb jedoch erhalten. Der drei Jahre jüngere Ernesto junior schliesslich war ganz anders veranlagt: Politisch nicht interessiert und weniger begabt für manuelle Tätigkeiten; sehr entschlossen, aber wenig einfühlsam.⁶ Die beiden Brüder waren so unterschiedlich, dass sie in ihrer Jugend kaum etwas miteinander unternahmen.⁷

    Politisch illustre Nachbarn der Breguets an der Via Mondacce waren Guido Cavagna und seine Familie. Cavagna war eines der Gründungmitglieder der Partei der Arbeit (PdA) und in den Nachkriegsjahrzehnten einer der Anführer ihrer Tessiner Sektion. In den 1950er-Jahren stieg er ins Zentralkomitee der PdA auf, später sogar ins Politbüro, und vertrat die Partei acht Jahre lang im Tessiner Grossen Rat. Sein Sohn Mauro und Bruno Breguet spielten als Kinder viel zusammen, häufig Indianer, manchmal Fussball. Bruno ging im Haus Cavagna ein und aus. Als die Buben die Primarschule besuchten, traf Bruno den drei Jahre jüngeren Mauro wohl ohne böse Absicht mit einem Stein am rechten Auge. Die Verletzung war schwer, Mauro trug eine lebenslange Sehbeeinträchtigung davon. Noch heute ist er enttäuscht, dass weder Bruno noch seine Eltern ihn im Spital besuchten und er nie eine Entschuldigung erhalten hat. Er bezeichnet Bruno daher als sonderbaren, eigenartigen Charakter. Ausserdem, so erinnert sich Cavagna, habe Bruno als Kind und Jugendlicher einen starken Überlegenheitssinn gezeigt.⁸ Diese Eigenschaft sollte auch später immer wieder durchscheinen, wie wir noch sehen werden.

    Die beiden Sprösslinge blieben allerdings in ihrer Jugend eng miteinander verbunden. Auch Vater Guido Cavagna zeigte sich nach Breguets Verhaftung in Israel nicht nachtragend. In einem Schreiben, das vor Gericht den guten Charakter des verhinderten Bombenlegers attestieren sollte, kam er zum Schluss, dass seine Beurteilung von Bruno Breguet nur positiv ausfallen könne.⁹ Einige Jahre später rühmte er ihn in einer Ansprache im Tessiner Grossen Rat sogar als gutes Beispiel für Idealismus.¹⁰

    «Es ist nicht ganz einfach, vom Terroristen Breguet Bruno ein Bild zu zeichnen, das ihm gerecht wird», beschied einmal ein Kommissar des Tessiner Nachrichtendiensts seinen Kollegen bei der Bundespolizei (BUPO) mit einem resignierenden Seufzer, der wohl durch den Gotthard zu hören war.¹¹ Grundsätzlich kann man dem Commissario zustimmen. Wenn man indes mit den Leuten spricht, die Breguet damals näher gekannt haben, ergibt sich zumindest ein sehr klares Bild, was seinen Charakter und sein Verhalten als Jugendlicher betrifft. Bruno Breguet war sanft, sehr freundlich, bisweilen herzlich, korrekt und versuchte stets Konfrontationen zu vermeiden. Gleichzeitig war er verschlossen, schüchtern, zurückhaltend, fast schon ängstlich. Er sprach wenig, erst recht nicht über sich.

    Abb. 2: An der Via Mondacce in Minusio, hoch über dem Lago Maggiore, thront das Elternhaus von Bruno Breguet.

    Nach fünf Jahren an der Primarschule in Minusio besuchte Breguet ab dem Sommer 1963 das Gymnasium in Locarno, wo man ihm nach fünf weiteren Jahren ein Abschlusszeugnis in die Hand drückte. Im Sommer 1968 wechselte er ans kantonale Liceo in Lugano, um eine Matura – das Schweizer Pendant zum Abitur – vom mathematisch-naturwissenschaftlichen Typus C anzustreben. Dazu pendelte Breguet jeden Wochentag morgens vom Elternhaus in die Tessiner Metropole und abends zurück an die Via Mondacce. Beim Liceo selbst handelte es sich um ein grosses Gebäude, noch aus dem 19. Jahrhundert, das zwar nur wenige Schritte vom Luganersee mit seinem mediterranen Flair entfernt lag, dessen Gänge aber kalt und dunkel waren. In den Nischen lauerten die Büsten von Tessiner und italienischen Persönlichkeiten, die die Schüler reglos anglotzten, wenn sie aufgeschreckt vom ohrenverletzenden Klang eines uralten Gongs in die Klassenzimmer eilten.¹²

    Bruno zählte zu den besten Schülern. Er war fleissig, intelligent und kreativ. Selbst als sich die Absenzen mehrten, konnte er mit der Klasse scheinbar mühelos mithalten. «Aus ihm hätte etwas werden können. Das Zeug dazu hätte er gehabt», urteilte der Vizedirektor des Liceo, ein Signore Caccia, nach Breguets Verhaftung in Israel etwas wehmütig.¹³ Zweimal musste er im Unterricht eine Präsentation halten. Einmal sprach er zur Nuklearenergie, einmal über den Vietnamkrieg, der damals seinen blutigen Höhepunkt erreichte.¹⁴ Gelegentlich schwärmte er von Südamerika und Kuba.¹⁵ Ein Mitschüler erinnert sich ausserdem an eine gemeinsame Recherche zu Albert Camus in der Bibliothek. Bruno sei vom französischen Existenzialisten begeistert gewesen.¹⁶ So weit, so zeitgeistig.

    Obwohl schüchtern, schweigsam und verschlossen, war Bruno in seiner Klasse nie isoliert. Er stand mit allen auf gutem Fuss, und die ihm eigene Hilfsbereitschaft zeigte sich, wenn er die Kommilitonen bei den Schulaufgaben unterstützte.¹⁷ Grundsätzlich habe unter den Klassenkameraden ein Klima des Respekts geherrscht, Rüpel und Raufbolde hätten keine ihr Unwesen getrieben, erinnert sich Graziano Monzeglio, der heute als Tonexperte in der Filmbranche tätig ist.¹⁸ Bruno war aber im Grunde ein Einzelgänger. In der Mittagspause ging er nicht mit den anderen essen. Stattdessen zog er sich zum Lernen in das örtliche Pensionszimmer zurück, das der Klassenkamerad Monzeglio bewohnte und ihm für diese Stunden als Refugium zur Verfügung stellte.¹⁹ Generell lernte Bruno sehr viel. Abends ging er fast nie aus. An Partys war er nie anzutreffen. Er rauchte nicht, trank keinen Alkohol.²⁰ Stattdessen las und lernte er.

    Auch amouröse Beziehungen unterhielt Breguet damals nicht, obwohl viele Mädchen dem blendend aussehenden und zuvorkommenden jungen Mann Avancen machten. Doch Bruno war zu schüchtern und vielleicht auch nicht interessiert.²¹ Immerhin entwickelte er zwei Schulfreundschaften: Da war einerseits Gianni Quattrini, sein Banknachbar aus der hintersten Reihe, der den sensiblen, belesenen und ihn schulisch unterstützenden Bruno als Kameraden sehr interessant fand. Der begnadete Sänger Quattrini mag wohl auch an Breguets Form des leisen Widerstands im Klassenzimmer seine Freude gehabt haben. Immer wenn ein Lehrer etwas sagte, das Bruno nicht passte, stimmte er sotto voce die Internationale an – die einzige Musik, die ihm gefiel, wie sich Quattrini erinnert.²² Andererseits war da noch Pio Bianchini, von dem noch die Rede sein wird. Die drei Freunde verbrachten viel Zeit zusammen, in der Schule und abends bei Spaziergängen. Bruno sprach dabei viel über Kommunismus und von Che Guevara. Gianni gab er Ches Buch Der Partisanenkrieg zur Lektüre, in der Schule diskutierten sie zusammen über das Werk.²³

    Zu Hause unterstützte Bruno die Mutter in der Küche. Noch heute erinnert man sich an die «Biscotti», die er für Familienmitglieder und Bekannte gebacken hat. In freien Stunden, vor allem in den langen Sommerferien, half er seinem Vater bei der Arbeit, lernte dessen Metier. Mit seinen geschickten Händen baute er unter anderem schon bald selbstständig kleine Mauern.²⁴ Ob zum Guten oder zum Schlechten, sein handwerkliches Talent sollte in allen Etappen seines Lebens durchscheinen.

    Breguets Politisierung war insofern typisch für die Generation «68». «Man kann die Gründe nicht verstehen, die dazu führten, dass ich so viel Zeit in israelischen Gefängnissen verbracht habe, wenn man sich nicht die politische Atmosphäre vergegenwärtigt, die in Europa gegen Ende der 1960er-Jahre geherrscht hat», erklärte er einige Jahre später selbst in einer autobiografischen Schrift.²⁵

    Breguet las denn auch nicht nur Bücher von Che Guevara, sondern verschlang auch die Schriften vieler sozialistischer und antikolonialistischer Vordenker wie Mao, Lenin oder Frantz Fanon.²⁶ Zudem liess er sich einschlägige Periodika an die Via Mondacce liefern, zum Beispiel aus Havanna die ab 1967 monatlich in Spanisch herausgegebene Zeitschrift Pensamiento critico oder aus Hanoi die französischsprachige Wochenzeitung Le Courrier du Vietnam. Der Vietnamkrieg war für Breguet, wie für so viele der aufstrebenden Neuen Linken, ein herausragendes Ereignis bei der politischen Bewusstseinsbildung.²⁷

    Eine besonders interessante Publikation in Breguets Privatbibliothek stellte die ebenfalls auf Kuba produzierte Zeitschrift Tricontinental der Organization of Solidarity with the Peoples of Africa, Asia, and Latin America (OSPAAAL) dar.²⁸ Diese Allianz gegen den Imperialismus war im Januar 1966 von den Delegierten zumeist linker militanter Bewegungen aus 82 Ländern an der Trikontinental-Konferenz in Havanna gegründet worden. «Für mich», erklärte Breguet, «bedeutete jenes Ereignis den symbolischen Beginn einer neuen Perspektive im Kampf für die Befreiung aller vom Imperialismus unterdrückter Völker.»²⁹

    Die idealistische Vision von OSPAAAL, so beschreibt es die Wissenschaftlerin Anne Garland Mahler, war die «eines interkontinentalen Austausches, der zu einer global vereinten und sich gegenseitig unterstützenden Front» gegen den gemeinsamen imperialistischen Feind führen sollte.³⁰ Durch die Verteilung von grafisch oftmals beeindruckenden und deshalb propagandistisch wirkungsvollen Plakaten, Filmen und Zeitschriften wie Tricontinental entwickelte sich OSPAAAL in den späten 1960er-Jahren zu einer treibenden Kraft des transnationalen Linksradikalismus und seiner politischen Kultur. Breguet jedenfalls gelangte durch die Auseinandersetzung mit ihren medialen Erzeugnissen zur Überzeugung, dass der Kampf für den Sozialismus von ausserhalb der Industriestaaten geführt werden musste.³¹ An den Trikontinentalismus angelehnt war auch die für seinen Weg zur PFLP letztlich wichtige Vorstellung, dass sich die Welt bereits mitten im Dritten Weltkrieg befand, da alle linken bewaffneten Gruppen rund um den Globus gemeinsam für die Weltrevolution kämpften.³²

    Die Einrichtung von Brunos Schlafzimmer, als er im Juni 1970 seine Reise nach Haifa antrat, bot einen materiellen Spiegel dieser Geisteswelt. Den seltenen Besuchern blickte Che Guevara von einem schwarzweissen Porträtfoto entgegen, die Wände waren tapeziert mit dem Manifest «Frantz Fanon, fils de la violence» von Jean-Paul Sartre und einer grossen, farbigen Landkarte von Südamerika (Massstab 1:800 000). Zentral an einem Nagel hing eine kleine, nur leicht gerundete und ansonsten rechteckige Bronzeplakette der PFLP: Die eine Hälfte bildete Palästina ab, die andere einen Guerillakämpfer mit einer Inschrift auf Arabisch und Englisch: «Wir werden den Feind überall bekämpfen.»³³

    Zu Breguets propalästinensischer Radikalisierung kam es allerdings erst, als der Nahostkonflikt plötzlich und mit voller Wucht die scheinbar neutrale Schweiz erfasste. Er wurde zugleich Akteur und Spielball jener Schweizer Terrorjahre.

    1969: Als der Nahostterrorismus in die Schweiz kam

    Die Gründung der PFLP – der Organisation, die Breguet auf seine verhängnisvolle Mission nach Israel schickte – war unmittelbar eine Folge des Junikriegs von 1967, jenen sechs Tagen aus Blut und Feuer, die den Nahen Osten für immer veränderten. Die Ursprünge der Organisation reichen aber weiter zurück und sind eng verwoben mit der politischen Entwicklung der Region in der Nachkriegszeit. Denn personell, ideologisch und hinsichtlich der politischen Zielsetzung war die PFLP ein Sprössling der Bewegung der Arabischen Nationalisten (BAN), die sich 1954 in Beirut um die pittoreske American University (AUB)¹ formierte.

    Die BAN bestand aus einer Gruppe von Intellektuellen aus verschiedenen arabischen Ländern, in der Mehrheit palästinensische Studierende und Absolventen der AUB, die über linke Politik, Marxismus und Pan-Arabismus diskutierten.² Den israelisch-palästinensischen Konflikt betrachteten sie nicht isoliert, sondern interpretierten ihn im Kontext von Kapitalismus, Imperialismus, Kommunismus und revolutionärem Kampf. Unter den Gründern und der operationellen Führung der BAN ragten zwei palästinensische Medizinstudenten hervor, die später die Geschicke der PFLP bestimmen sollten: George Habasch und Wadi Haddad. Nach ihrem Abschluss an der AUB zogen die beiden orthodoxen Christen weiter in die jordanische Hauptstadt Amman, wo sie für eine Weile eine Praxis für Bedürftige betrieben. Bald wandten sie sich allerdings ganz der politischen Arbeit zu.

    Im Sechstagekrieg von 1967 fügte Israel seinen arabischen Gegnern eine vernichtende militärische Niederlage zu. Israelische Truppen besetzten das von Jordanien verwaltete Westjordanland, den ägyptisch regierten Gazastreifen sowie die syrischen Golanhöhen und entrissen Ägypten für die nächsten 15 Jahre die Kontrolle über die Sinai-Halbinsel. Dies führte bei den bewaffneten palästinensischen Organisationen zu der Erkenntnis, dass sie für einen Sieg über den israelischen Staat nicht auf die arabischen Armeen zählen konnten, sondern ihr Schicksal vielmehr in die eigene Hand nehmen mussten. Zu diesem Zweck schlossen sich in den Monaten nach dem Sechstagekrieg die beiden bewaffneten Flügel der BAN, Vengeance Youth und Heroes of the Return, sowie die zuvor eigenständige, paramilitärische Palästinensische Befreiungsfront (PLF) von Ahmed Jibril³ zur PFLP zusammen.⁴

    Unter der Führung des charismatischen George Habasch wurde die neue Gruppierung 1968 Mitglied der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) – der Dachorganisation zahlreicher politscher Gruppen, die durch den bewaffneten Kampf die Schaffung eines palästinensischen Staates anstrebten und die den exklusiven Anspruch erhob, das palästinensische Volk zu vertreten. Hinsichtlich Grösse und Einfluss wurde die PFLP innerhalb der PLO lediglich von Jassir Arafats Fatah übertroffen.

    Ideologisch oszillierte die PFLP zwischen drei mächtigen Weltanschauungen, dem (palästinensischen) Nationalismus, dem Pan-Arabismus und dem Sozialismus.⁶ Zumindest in den frühen Jahren war das Denken der Gruppe stark vom Maoismus geprägt. Ihr Manifest vom Februar 1969, The Strategy for the Liberation of Palestine, lehnte sich entsprechend eng an Maos Schrift Analysis of the Classes in Civil Society an.⁷ Ideologische Orientierungshilfe bezogen die PFLP-Aktivisten ausserdem von Che Guevaras Lehre vom Guerillakrieg,⁸ die zur gleichen Zeit im Tessin auch Breguet studierte.

    Die PFLP kämpfte in erster Linie für einen palästinensischen Staat. Sie bekannte sich aber nicht ausschliesslich zum kompromisslosen bewaffneten Kampf gegen Israel. Neben diesem nahen Feind nahm die Gruppe von ihrem Hauptquartier in Amman auch weiter entfernte und abstraktere Feinde ins Visier, weil diese als eine Unterstützungsstruktur Israels wahrgenommen wurden: «reaktionäre» arabische Regimes, die globale zionistische Bewegung und der Imperialismus weltweit. Jede Strategie zur Beseitigung Israels musste sich deshalb auch mit diesen fernen Feinden auseinandersetzen.

    Mit diesem ideologischen Spike-Protein war die PFLP empfänglich für transnationale Verbindungen mit radikalen Gruppen der Neuen Linken im Westen und in Japan. In ihrem Selbstverständnis sah sich die PFLP auch von Anfang an unzertrennlich mit anderen revolutionären Kräften verbündet: «Die palästinensische Revolution, die mit der arabischen Revolution und im Bündnis mit der Weltrevolution verschmolzen ist, ist allein in der Lage, den Sieg zu erringen. Die palästinensische Revolution auf die Grenzen des palästinensischen Volkes zu beschränken, würde ein Scheitern bedeuten, wenn wir uns an die Natur der feindlichen Allianz erinnern, der wir gegenüberstehen.»

    Die Palästinenser waren demzufolge auf Verbündete angewiesen, um die starke Allianz zwischen Israel und seinen Helfern besiegen zu können. Gleichzeitig sah die PFLP in der Befreiung Palästinas einen wesentlichen Katalysator für revolutionären Wandel im Nahen Osten und darüber hinaus. Durch diese Linse betrachtet erschien der Kampf der Palästinenser als lediglich einer von zahlreichen revolutionären Brennpunkten in der Dritten Welt.¹⁰ Es ist wenig erstaunlich, wenn eine solche Konzeptualisierung des bewaffneten Kampfs bei Breguet auf Anklang stiess, war sein Denken doch seinerseits von der Vorstellung geprägt, dass die linken bewaffneten Gruppen überall auf der Erde in einem Dritten Weltkrieg gemeinsam für die Revolution kämpften.

    Die Terrorismusstrategie der PFLP

    Wie die Fatah führte auch die PFLP nach ihrer Gründung zunächst von Jordanien aus Guerillaangriffe in Israel durch. Im Frühling 1968 stellte sie mit einigen Tausend Kämpfern eine stattliche Streitkraft.¹¹ Doch die Organisation hielt die Überfälle über die Grenzen bald für ineffektiv und zu verlustreich, weshalb sie rasch ihre Taktik änderte. Wadi Haddad baute innerhalb der PFLP eine klandestine Einheit auf, die «externe Operationen», sprich spektakuläre Anschläge ausserhalb des Nahen Ostens, durchführen sollte, um die öffentliche Aufmerksamkeit im Westen auf das Schicksal der Palästinenser zu lenken.

    Haddad hatte den kommunikativen Charakter dieser neuen Gewaltstrategie bereits an einer Sitzung der PFLP-Führung im Dezember 1967 deutlich gemacht: «Ich meine spektakuläre Einzeloperationen. Diese werden die Aufmerksamkeit der Welt auf die Palästinafrage lenken. Die Welt wird fragen: ‹Was ist das Problem in Palästina? Wer sind diese Palästinenser? Warum tun sie so etwas?› […] Am Ende wird die Welt das Problem satthaben. Sie wird zu dem Schluss kommen, dass mit Palästina etwas geschehen muss. Sie wird uns Gerechtigkeit geben müssen.»¹²

    Die spektakulären Gewaltakte, die sich in den folgenden Jahren insbesondere gegen zivile Passagierflugzeuge richten sollten, zielten damit in erster Linie darauf ab, die Wahrnehmung des Nahostkonflikts in der westlichen Öffentlichkeit grundlegend zu verändern: Die Palästinenserfrage sollte nicht länger als Flüchtlingsproblem, sondern als politischer Konflikt gesehen und die PLO damit als legitime nationale Befreiungsbewegung etabliert werden. «Die Weltöffentlichkeit war nie für oder gegen uns, sie hat uns einfach immer weiter ignoriert», lamentierte der eloquente PFLP-Generalsekretär Habasch.¹³ Der öffentlichkeitsscheue Haddad, der Geheimnisse und Intrigen liebte, sollte dies mit terroristischen Anschlägen in Europa ändern. Oder, wie der britische Journalist David Yallop einst die neue Rollenverteilung der beiden langjährigen Weggefährten beschrieb: «Dr. Habasch gab seiner Organisation die intellektuelle Begründung, während sein Arztkollege Wadi Haddad der Mann war, der durch seine Aktivitäten Habasch eine Weltbühne für seine Rhetorik verschaffte.»¹⁴

    Haddads erster Streich erfolgte am 23. Juli 1968. «Wir sind Palästinenser, und wir haben Ihren Flug übernommen», verkündeten drei als Priester verkleidete Attentäter, die an jenem Tag den El-Al-Flug 426 von Rom nach Tel Aviv in ihre Gewalt brachten und nach Algier entführten.¹⁵ Die Luftpiraten verlangten die Freilassung von 100 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen. Nach 40 Tagen knickte eine verunsicherte israelische Regierung schliesslich ein und stimmte der Freilassung von 16 Gefangenen zu.

    Die Schweiz, zumindest die diplomatische, wurde bereits in diese erste palästinensische Geiselkrise hineingezogen.¹⁶ In Algier hatte nach der Landung der entführten Maschine nämlich die algerische Regierung die Kontrolle übernommen. Während alle Frauen, Kinder und nicht israelischen Passagiere umgehend nach Frankreich ausgeflogen wurden, hielten die Behörden die übrigen Fluggäste sowie die Besatzung in einem Hotel in der Hauptstadt fest und verhandelten mit der israelischen Regierung über ihre Freilassung. Als die El-Al-Crew Mitte August immer noch in Algier festsass, beschloss die International Federation of Air Line Pilots’ Associations (IFALPA) Mitte August einen

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