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Schicksalsjahre einer Mutter: Eine Familiensaga
Schicksalsjahre einer Mutter: Eine Familiensaga
Schicksalsjahre einer Mutter: Eine Familiensaga
eBook622 Seiten9 Stunden

Schicksalsjahre einer Mutter: Eine Familiensaga

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Über dieses E-Book

In diesem Buch wird eine Familie beschrieben die, die Nazizeit, den Zweiten Weltkrieg und die Besatzungszeit mit erleben musste, Zeiten voller Grausamkeiten. Es ist auch ein Buch, in dem über das Eheleben berichtet wird, dass für Menschen nicht immer ein Zuckerschlecken ist.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. Sept. 2022
ISBN9783347721951
Schicksalsjahre einer Mutter: Eine Familiensaga
Autor

Egon Harings

Egon Harings wurde in Düsseldorf geboren. Nach Schulbesuchen in der ehemals französischen und britischen Besatzungszone machte er eine Ausbildung als Industriekaufmann. Später studierte er Betriebswirtschaft und war in der Stahlindustrie beschäftigt. Heute ist er Rentner und lebt mit seiner Frau in der Nähe von Düsseldorf. Mit dem Schreiben von Büchern begann er um 2010. Veröffentlicht wurden bereits Werke von ihm in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. In Deutschland erfolgte im Jahre 2013 die erste Veröffentlichung in deutscher Sprache.

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    Buchvorschau

    Schicksalsjahre einer Mutter - Egon Harings

    Prolog

    Dieses Buch ist vor vielen Jahren bereits unter dem Titel ‘Freud und Leid einer Familie‘ veröffentlicht worden. Trotz Anfangserfolge war es jedoch nur kurze Zeit auf dem Markt, da der damalige Verlag Insolvenz anmeldete. Jetzt hält der Leser eine Neuauflage des Buches mit neuem Titel und überarbeitet in den Händen, und er ist hoffentlich so begeistert, wie es die Leser des Buches mit dem ursprünglichen Titel waren.

    Es ist die wahre Geschichte einer Familie, die hier beschrieben wird, die Geschichte der Familie Harings, die in diesem Buch allerdings den Namen Fischer trägt, wie in der ursprünglichen Ausgabe. Vor Jahren geschah es, um eine Verbindung zu den Harings zu vermeiden. Aber warum sollte man den eigenen Namen leugnen? Eine jetzige Änderung erschien jedoch problematisch, so dass es bei dem unwahren Namen Fischer geblieben ist, während die anderen Familiennamen die wahrhaftigen sind, wie im Übrigen alle Vornamen auch.

    Während die ursprüngliche Ausgabe ohne Bilder erschien und es keine Zwischenabschnitte gab, ist dies hier geändert worden. Der Leser hat somit einen leichteren Überblick über das wahre Geschehen, indem ihm die Möglichkeit gegeben wird, dieses Buch auch abschnittsweise lesen zu können.

    In Bad Niederbreisig (heute Bad Breisig) beginnt diese Geschichte in einem Sommer nach dem ersten Weltkrieg. Der schreckliche Weltkrieg, der viel Leid und Elend brachte, war also schon vorbei. Nun hoffte Elsbeth Brandt, die vor Monaten Paul Fischer heiratete und damit auch ihren Familiennamen änderte, dass eine friedliche Zeit anbricht. Leider sollte das nicht sein, denn schon Jahre später sah die Welt wieder anders aus. Es war die Zeit, als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen. Willy Brandt, Elsbeths ältester Bruder, der Journalist und vor der Machtergreifung der Nazis KPD-Mitglied war und sich in der Sozialistischen Arbeiterbewegung betätigt hatte, musste im Jahre 1934, nach dem Verbot der Kommunistischen Partei, Deutschland Hals über Kopf verlassen, um nicht verhaftet zu werden.

    Es wird hier über die wirklich wahre Geschichte von Willy Brandt berichtet. Es ist nicht die Geschichte von Herbert Ernst Karl Frahm, der auch vor den Nazis flüchtete, im Jahre 1949 als SPD-Politiker den Namen Willy Brandt annahm und später Bundeskanzler wurde.

    Kannte Willy Brandt, der Bundeskanzler, den älteren Willy Brandt? Es wäre schön, dies zu erfahren.

    Der Autor

    Glückliche Tage, die aber auch Schattenseiten haben

    Es war ein heißer Sommer. Emilie schaute aus dem Fenster in der Grabenstraße, in Bad Niederbreisig am Rhein. Ihre Kinder, Willy, Egon, Elsbeth und Marianne waren im Garten und genossen die Sonne. Endlich hatte Emilie ihre Kinder mal zusammen. Sie war vor nicht allzu langer Zeit mit ihrem Mann Heinrich, einem Bauernsohn aus dem Braunschweiger Land, an den Mittelrhein gezogen. Davor hatten sie in Düsseldorf gewohnt. Ursprünglich wollten sie nach Bayern ziehen, dort irgendwo eine Pension aufmachen; doch dann ergab es sich, dass in Bad Niederbreisig ein Haus angeboten wurde, das ihren Vorstellungen entsprach. Hier sahen sie nun die Möglich, die Pension ganz nach ihren Wünschen zu eröffnen, was sie auch machten.

    Der erste Weltkrieg war gerade vorbei, und das Geld saß den Bürgern gerade nicht locker in den Taschen, aber Emilie und Heinrich waren voller Zuversicht, dass die Pension trotzdem ein zufriedenstellendes Einkommen sichern würde. Und die Zukunft, so hofften sie, würde sowieso eine Besserung der allgemeinen Situation bringen.

    Das Haus in der Grabenstraße hatte einen großen Garten. Im Hinterhof befand sich ein weiteres Haus, nicht gerade groß, aber es reichte für eine zusätzliche Wohngelegenheit. Und dann der Garten. Gerade die richtige Größe für Heinrich, den Hobbygärtner. Hier konnte er alles das anbauen, was sein Herz begehrte, Bohnen, Kartoffeln, die verschiedensten Gemüsearten und natürlich Kräuter, also alles das, was auch ein Haus mit Vollpension benötigte. Emilie war nämlich eine passionierte Köchin.

    Die ersten Gäste waren so zufrieden, dass sich das herumsprach und bald Leute aus dem Rheinland in der Pension zu Gast waren. Nun musste diese Pension auch einen Namen haben. Nur welchen? Es wurden Überlegungen angestellt, wie könnte ein solches Haus, das einen so guten Zuspruch in kurzer Zeit fand, denn nun heißen? Die Antwort fand sich schnell. Gäste aus dem Bergischen Land fanden ihren Weg zurück in diese Pension, wo sie gutes Essen und Ruhe hatten, dazu eine familiäre Atmosphäre vorfanden. „Wir sind auch in diesem Jahr wieder hier, weil es uns so gut gefällt und wir uns wohl fühlen, wie bei uns in Elberfeld, im Tal der Wupper", waren Worte der Gäste, die Emilie gerne hörte, zumal auch sie im Bergischen Land geboren wurde, in Remscheid, unweit des Tales der Wupper. „Wuppertal" das war doch der richtige Name, das konnte doch zu einem Begriff für Leute werden, die aus dem Bergischen Land kamen, aber auch für Leute, die beabsichtigten, die betriebsamen Städten an Rhein und Ruhr zu entfliehen, um ihren Körper für eine gewisse Zeit die Ruhe zu gönnen, die sie brauchten, um ihre Seele also mal richtig baumeln zu lassen. So wurde die Pension nun „Haus Wuppertal" genannt.

    „Mama, ... draußen bleiben, ... essen hier ... in Garten, rief die kleine Marianne, die gerade drei Jahre alt war, ihrer Mutter zu, die in den Garten kam, um sich zu ihrer Familie zu setzen, die es sich unter einem Kirschbaum gemütlich gemacht hatte. „Hier im Schatten lässt es sich aushalten. „Ja, Willy, und deshalb werden wir den Vorschlag der Göre auch annehmen. Sie ist zwar noch klein, macht aber schon Vorschläge, die von Größeren stammen könnten", antwortet Emilie, während ihr Mann ruhig im Schaukelstuhl saß und seine Pfeife rauchte. Es war keine normale Pfeife, sondern eine sehr lange mit einem weißen Tonkopf, der auf dem Rasen ruhte, wobei „Vadder", wie Heinrich von der Familie nur genannt wurde, mit dem Schaukelstuhl leicht hin und her schaukelte. Er schien mit allem zufrieden zu sein. „Und Elsbeth ... schaust nur auf die Burg Rheineck und siehst wie die Sonnenstrahlen in den Fensterscheiben dort oben reflektiert werden, sagst aber nichts ... denkst wohl an deinen Männe in Düsseldorf. „Na ja, Willy, du denkst doch wohl auch an deinen neuen Schwarm in Düsseldorf ... Du hast doch sicher wieder eine neue Freundin, nachdem die alte Liebschaft geplatzt ist ... Oder? „Woher willst du überhaupt wissen, dass ich eine Freundin hatte und nun wieder habe? „Du bist 18 Jahre alt, und ich denke, dass das ein Alter ist, wo man bereits eine Freundin hat, zumal du mir vor kurzem auch noch mitteiltest, dass dir ein Mädchen den Laufpass gegeben hat. Oder war es nicht so? „Wie?, fragte Emilie, die alles mitbekommen hatte, ihren ältesten Sohn. „... Du hattest bereits eine Freundin, mein Junge? Denke lieber an deine Ausbildung, die noch vor dir ist. Emilie hätte gerne bald einen Ausbildungsplatz für ihren Sohn gefunden. Noch ging er auf ein Gymnasium in Düsseldorf. Ihr Wunsch war, dass er einmal Journalist wird und für eine namhafte Zeitung in Zukunft arbeitet. „Ja, Mutter, du hast recht. Schließlich soll ja mal etwas Vernünftiges aus mir werden. – Nicht wahr, meine liebe Schwester? Mit dieser Frage richtete Willy seinen Blick auf Elsbeth. „Willy, ich weiß ja, was du sagen willst. Mein Paul stammt aus den einfachsten Verhältnissen und ist ein Arbeiter, der aber sein Geld verdient und auch eine Familie ernähren kann. „Und ein Hallodri ist, der auch anderen Frauen den Kopf verdreht. Apropos Hallodri, warum ist Paul nicht bei uns? Hat wohl keine Zeit, spielt lieber Geige in den nicht so feinen Tanzcafés in Düsseldorf. Seine beiden Freunde, mit denen er zusammen in diesen Cafés spielt, sind auch nicht gerade der rechte Umgang für einen frischvermählten Ehemann, der mit einer gutbürgerlichen Tochter aus einem wohlhabenden Haus verheiratet ist. „Er muss arbeiten und da, wo er spielt, hat er einen Vertrag, den er einhalten muss. Und übrigens ... in drei Tagen reise ich auch wieder ab ... „Einen Vertrag? Ich denke, er spielt mal da und dort!? „Ja, aber durch eine Agentur vermittelt. „Bist du sicher? In diesem Moment unterbrach Emilie das Streitgespräch ihres Nachwuchses. „Kinder, streitet euch nicht ... Und Elsbeth, du willst wirklich wieder abreisen, wo du doch gerade gekommen bist? „Ja, Mutter, es muss sein. „Richtig, Paul muss wieder unter die Fittiche seines geliebten Weibes, wer weiß nämlich, was er sonst anstellt ... ich meine mit den vielen Damen, die ihn anhimmeln. „Willy, nicht schon wieder. Über dich lästert hier auch keiner. „Richtig, Mutter, es hat nämlich keiner einen Grund dafür und meine Freunde, mit denen ich verkehre, sind alle aus einem besseren Haus, nicht wie die, mit denen Paul verkehrt. „Und die Familien deiner Freunde mögen dich nicht, erwiderte Elsbeth, „... denn du bist nicht fein genug für sie, nicht wohlhabend genug! Nicht wahr? „Nun aber genug", schaltete sich Emilie erneut ein. Der Streit zwischen den Geschwistern sollte jedoch noch einige Zeit andauern. Aber trotz des Disputs unter den Geschwistern, sollte es noch ein schöner Tag werden.

    Fremdenheim (Pension) Haus Wuppertal

    Bad Niederbreisig am Rhein

    Das Essen wurde aufgetischt. Es gab Schweinebraten mit Soße, Klößen und Gemüse. Also nicht gerade ein übliches Essen in jener schweren Zeit. Französische und belgische Truppen hatten im Januar das Ruhrgebiet besetzt. Frankreich und Belgien wollten sich wegen der aus ihrer Sicht zahlungsunwilligen Deutschen schadlos halten. Durch den Friedensvertrag von Versailles hatte sich das Deutsche Reich nämlich verpflichtet, Wiedergutmachungszahlungen zu leisten, die mit seiner angeblichen alleinigen Kriegsschuld begründet waren. Der Vertrag legte vorläufig bis zum 1. Mai 1921 Leistungen von 20 Mrd. Goldmark fest, nicht aber die Gesamthöhe der Reparationen. Die Festlegung der Gesamtsumme blieb somit ein Zentralproblem. Putschversuche, separatistische Bewegungen, Ruhrbesetzung und eine Hyperinflation stellten die deutsche Republik auf eine ernsthafte Belastungsprobe. Es war wahrlich eine schwere Zeit im Sommer des Jahres 1923, besonders für Familien, die nicht immer ein entsprechendes Einkommen hatten. So konnte Emilie zufrieden sein, dass es ihrer Familie verhältnismäßig gutging. Durch den Hausverkauf in Düsseldorf und eine Erbschaft aus ihrem elterlichen Haus ließ sich ein kleiner Wohlstand aufrechterhalten. Auch Paul, der Ehemann ihrer Tochter, verfügte über ein Einkommen, das zum Leben reichte, zwar gerade noch, aber es reichte.

    „Kinder, genießt die Stunden dieses Tages. Wer weiß was morgen ist. „Das werden wir, Mutter, riefen die beiden ältesten Kinder Emilies wie auf Kommando. „Was haltet ihr davon, wenn wir einen Spaziergang durch die Felder machen, denn eine Bewegung nach dem Essen tut uns sicher allen gut. „Gute Idee, Elsbeth, antwortete Willy spontan. Ich jedenfalls könnte etwas Bewegung vertragen. „Alle beeilten sich nun, das Geschirr ins Haus zu tragen. Nur die kleine Marianne und Vadder Heinrich beteiligten sich nicht an dieser Aktion. Abwasch sollte später erfolgen, erst einmal etwas Bewegung, einen Spaziergang, das wollten alle, trotz der Sonne, die vom Himmel brannte. Aber unterwegs, auf den Feldern, standen einzelne Bäume, in deren Schatten man immer wieder eine kurze Pause einlegen konnte. Dazu wehte ein angenehmer Sommerwind, so dass die Hitze erträglich war. „Da hinten ist ein Plätzchen für eine längere Rast, sagte Elsbeth plötzlich und alle folgten ihrem Vorschlag, sich für einige Minuten im Schatten des Baumes, auf den Elsbeth zeigte, niederzulassen. Es war ein schönes Plätzchen, man konnte über die Felder bis zur anderen Rheinseite schauen, dort wo die Burg Arenfels stand, die Burg, die, so sagte man, so viele Fenster wie Tage im Jahr, so viele Türen wie Wochen im Jahr und so viele Tore wie Monate im Jahr hatte. Rings um die Burg waren die Weinberge, die einen vorzüglichen Rheinwein abgaben. „Jetzt über den Rhein und im Burghof dort drüben ein kühles Glas Wein trinken, das wäre was. Nicht wahr? „Natürlich, mein Sohn. Aber was verstehst du schon in deinem Alter von Wein? ... Du hast doch wohl nicht bereits schon einmal tief in ein Weinglas geschaut? „Nein, Mutter. Oder doch? ... Ja, aber nichts daraus getrunken, antwortete Willy. „Und das soll ich dir jetzt glauben. Na gut, mein Sohn ... Aber für ein Glas Wein müssten wir erst einmal über den Rhein fahren und zu Hause wartet der Kaffee und eine leckere Torte, die ich gestern noch gebacken habe. „Na, dann sollten wir hier nicht mehr allzu lange verweilen, denn das, wovon wir gerade hörten, ist doch sicher etwas für uns alle, sagte Elsbeth und sprang bereits auf. „Na, nicht so schnell, meinte Emilie, „... seit dem Mittagessen ist noch nicht allzu viel Zeit vergangen, und das Essen sollten wir schon noch etwas verdauen.

    Die Familie befand sich bald auf dem Heimweg. Egon, der zweitälteste Sohn von Heinrich und Emilie, hatte während der ganzen Zeit kein Wort gesprochen. Er war ein ruhiger Junge, zurückhaltend und fiel niemanden ins Wort. Für Emilie manchmal zu ruhig und zu zurückhaltend. Sie wünschte sich von ihm nämlich, dass er etwas mehr Temperament und Eigeninitiative zeigte als bisher, wozu Egon jedoch nicht in der Lage war. Es waren Eigenschaften, die aber Willy besaß. So schlenderten alle nun heimwärts, die kleine Marianne an der Hand von Emilie und Heinrich, der kein Wort sprach, nur gedankenverloren seine Schritte vorwärts tat. Er dachte an seinen geliebten Schaukelstuhl, an seinen Garten, in dem er noch einiges herrichten wollte und an den Genuss der Pfeife. „Beim Kaffee werde ich über eine Neuigkeit berichten", sagte Elsbeth plötzlich. Obwohl alle diese Worte vernahmen, reagierte keiner, und so sollte es bei diesen Worten bleiben, die auf dem Heimweg noch gesprochen wurden.

    Kaum waren alle zu Hause angekommen, suchte schon jeder seinen gewohnten Sitzplatz unter dem Kirschbaum im Garten auf. Nur Emilie ging ins Haus, um den Kaffee vorzubereiten. Sie war eine richtige treusorgende Mutter, die sich um ihre Familie kümmerte, während die übrigen Familienmitglieder es eher mit der Bequemlichkeit hatten. Aber das sollte sich auch eines Tages ändern. „Oh, da kommt Mutter mit dem Kuchen bereits, sagte Elsbeth. „Und Kirschkuchen, den ich besonders mag, flocht Egon ein. „Was ich mag, sagt keiner, ergänzte Willy Egons Worte. Nur Vadder blieb ruhig wie immer. Er saß bereits wieder in seinem geliebten Schaukelstuhl und stopfte sich die Pfeife. „Den Kaffee kannst du aber mal holen, sagte Emilie zu ihrer Tochter Elsbeth. „Oder ich, antwortete Willy. „Meine liebe Schwester will uns ja noch eine Neuigkeit erzählen, und dafür braucht sie sicher noch eine Vorbereitungszeit. Nicht wahr, geehrte Schwester? „Sei nicht so zynisch, erwiderte Elsbeth. „Selbstverständlich hole ich jetzt den Kaffee; danach werde ich euch über das informieren, was mir schon seit einiger Zeit auf der Zunge liegt. „Wir sind alle gespannt, kam es nun wie aus einem Munde. „Dann beeile dich auch, meine allerliebste Schwester, kamen dann noch Worte mit einem gewissen zynischen Unterton von Willy. Er konnte es nicht lassen, seine Schwester immer wieder zu reizen. Elsbeth ignorierte jedoch solche Untertöne. Sie stand auch bald schon mit der gefüllten Kaffeekanne vor dem Tisch im Garten und goss in jede Tasse das köstliche Nass. „Nun die Neuigkeit, mein liebes Kind. Wir warten schon alle ungeduldig darauf", drängte Emilie ihre Tochter nach dem ersten Schluck aus ihrer Tasse.

    Elsbeth musste erst einmal tief Luft holen, bevor sie ihrer Familie mitteilen konnte, dass sie schwanger war. Sie war zwar verheiratet, aber trotzdem irgendwie gehemmt, eine ganz natürliche Sache ihrer Familie zu offenbaren. Nachdem sie Luft geholt hatte, schoss es aus ihr heraus. „Ich bin schwanger. „Ja und, mein Kind, deshalb brauchst du doch nicht so gehemmt zu sein, um uns das mitzuteilen. Wir freuen uns alle für dich! Nicht wahr Vadder? „Ja sicher, Emilie, war die kurze Antwort von Heinrich. „Gratulation auch an deinen Paul; dann sind wir ja bald Großeltern, ergänzte Heinrich seine Worte aber noch. „Und wir sind Onkels, ... hörst du Egon? Wir sind bald Onkels", musste Willy noch bemerken. Die Familie hatte die Neuigkeit also leichter aufgenommen als Elsbeth befürchtete, ja, im Gegenteil, alle schienen hocherfreut zu sein, dass die Familie wuchs.

    So ging im allseitigen Einvernehmen der Tag bald zu Ende. Wenige Tage später waren Emilie und Heinrich mit ihren beiden jüngsten Kindern alleine. Willy war wieder in seinem Schulheim in Düsseldorf und Elsbeth bei ihrem Paul. Sie hatten eine kleine Wohnung in der Apollinarisstraße, ebenfalls in Düsseldorf.

    Paul, Elsbeths Ehemann, war, nachdem er 21 Jahre alt geworden war, zur Familie Brandt gezogen, die ein Mehrfamilienhaus in Düsseldorf besaßen. Dort stand ihm nur ein Zimmer zur Verfügung, womit er zufrieden war. Er hatte seine älteste Schwester verlassen, von der er nach dem frühen Tod seiner Mutter großgezogen worden war. Sein Vater hatte zum zweiten Mal geheiratet und keine Zeit mehr für seine Kinder aus erster Ehe gehabt. Die ganze Last lag bei der ältesten Tochter, die die fehlende Mutter ersetzen musste. Dass der Vater seine Kinder nach dem Tod seiner ersten Frau so vernachlässigte, verstand keiner, zumal sie alle darunter sehr litten. So hatten sich auch alle an die bereits volljährige Schwester geklammert, die den Mutterersatz spielen musste. Paul, Jüngster aus der ersten Ehe seines Vaters, hatte neben der ältesten Schwester noch eine weitere Schwester und einen Bruder. Vor Paul hatten sein Bruder und die jüngere Schwester das Elternhaus verlassen. Beide waren, wie er und seine älteste Schwester, auch bereits verheiratet. Paul hatte Autoschlosser gelernt, eine feste Anstellung in einer Reparaturwerkstatt und spielte Geige mit Freunden jedes Wochenende in einem der vielen Tanzcafés, die es in Düsseldorf zu jener Zeit gab. Bei der Familie Brandt hatte er sich in die älteste Tochter des Hauses verliebt. Es war Elsbeth, die er dann auch heiratete. Als Elsbeths Familie das Haus in Düsseldorf verkaufte, um sich eine neue Existenz in Bad Niederbreisig aufzubauen, blieb er mit seiner Frau in Düsseldorf zurück und bezog mit ihr eine Wohnung in der Apollinarisstraße. Auch Willy, der älteste Sohn der Familie Brandt, blieb in Düsseldorf zurück. Da er beim Wegzug seiner Eltern 17 Jahre alt war und damit noch nicht volljährig, kam er in ein Schülerheim; brauchte so seine schulische Ausbildung nicht zu unterbrechen und konnte sich auf das Abitur vorbereiten. Die übrigen Familienmitglieder wohnten nun in Bad Niederbreisig, in der Grabenstraße. Egon, der jüngere Sohn der Familie, besuchte eine Mittelschule in Andernach. Da er noch zu klein war, sollte er nicht alleine in Düsseldorf zurückbleiben. Er war zudem auch noch ein gewisses Nesthäkchen, wie die kleine Marianne, und bedurfte besonderer Zuwendung.

    Das Jahr 1923 war eine unruhige Zeit in Düsseldorf. Am 21. Oktober hatten Separatisten mit Unterstützung der französischen Besatzer die Rheinische Republik ausgerufen. In den südlichen Stadtteilen von Düsseldorf folgten einige Leute diesem Aufruf und versuchten die Bewohner von ihren Ideen zu überzeugen, indem sie lauthals mit Transparenten durch die Straßen zogen. Aber ihre Versuche, andere von ihren Ideen zu überzeugen, schlugen fehl, wie im übrigen Rheinland auch. Ihr Vorstoß scheiterte im November endgültig an dem Widerstand der Bevölkerung, die sich in ihrer Mehrheit einen Abfall vom Reich wider-setzte. Paul hatte sich das Treiben einiger Chaoten in den südlichen Stadtteilen angesehen und den Kopf geschüttelt. Zu Hause wieder angekommen, sagte er zu Elsbeth: „Ich kann diese Leute nicht verstehen. „Ich auch nicht, antwortete Elsbeth, „... zumal es uns doch bald besser gehen wird, da die Hyperinflation durch die Einführung der Rentenmark nun zu Ende geht und eine stabile Währung allen eine gewisse Sicherheit bringt. „Du hast recht, Schatz ... aber ... ich habe uns durch die Inflation verhältnismäßig gut durchgebracht. Mein Arbeitgeber konnte mir nämlich immer etwas auszahlen und wenn es nur Naturalien waren, die uns halfen, das Leben erträglich zu machen. Pauls Worte stimmten zwar, er verschwieg jedoch, dass sein Arbeitsplatz nicht mehr sicher war. Noch hatte er Arbeit. Aber wie lange noch? Mit seinen Problemen wollte er aber Elsbeth nicht belasten, noch nicht, denn während ihrer Schwangerschaft konnte das nicht gut sein, sagte er sich. Er wollte, dass sich Elsbeth als werdende Mutter wohlfühlte, ohne Sorgen und irgendwelchen Stress war. Aber er machte sich schon seit geraumer Zeit auch Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Er hatte bezüglich einer neuen Arbeitsstelle bereits Kontakte geknüpft, aber noch keine konkrete Zusage erhalten. Elsbeth wollte er keinesfalls mit negativen Antworten konfrontieren.

    „Schatz, wir haben noch nicht über Bad Niederbreisig gesprochen. Paul versuchte wieder eine Unterhaltung mit Elsbeth zu beginnen, als er von der Arbeit nach Hause kam. Die schlechte Nachricht wollte er ihr noch nicht mitteilen, denn er hatte seine Kündigung erhalten. Zwei Monate später, und er war arbeitslos. Sein Arbeitgeber hatte ihm mitgeteilt, dass er trotz der Einführung der Rentenmark in naher Zukunft mit keiner Besserung seiner wirtschaftlichen Lage rechnet. Es sollte ihm somit schlechter gehen als während der Inflationszeit. Paul konnte das nicht verstehen, aber er musste es hinnehmen. Er hatte keine andere Wahl, als die Kündigung zu akzeptieren. Das bedeutete nun, dass er wenigstens über Weihnachten bis Ende Januar des Folgejahres über ein Einkommen verfügen konnte, das er für sich und Elsbeth zum Leben brauchte. Aber dann? Er wollte jetzt vor Weihnachten noch nicht daran denken. So versuchte er jetzt, sich durch eine Unterhaltung abzulenken. „Es waren sicher schöne Tage, die du bei deinen Eltern hattest. „Ja, das waren sie ... und ich fühle mich immer wohl, wenn ich bei ihnen bin. Willy versuchte mich allerdings hin und wieder zu provozieren in seiner gewohnten Art und Weise ... du weißt schon. Aber es ist ihm nicht gelungen. Ich habe meiner Familie nicht von Anfang an gesagt, dass wir Nachwuchs erwarten. Ich konnte es einfach nicht. Aber als ich es sagte, haben alle meine Worte freudig aufgenommen. Es sei ja eine ganz natürliche Sache der Welt, meinten sie, und schließlich seien wir ja verheiratet. „Ich konnte es nie verstehen, warum du dich so scheniertest, es deinen Eltern zu sagen. Ich hätte es ihnen direkt bei der Ankunft mitgeteilt. „Ja, hm, ... wir sind beide halt anders gestrickt. „Wie haben deine Eltern eigentlich die Inflationszeit mit ihrer neuen Pension überstanden?, wollte Paul nun wissen. „... Die Leute hatten doch kein Geld und trotzdem hattet ihr immer einige Gäste in Bad Niederbreisig. „Mutter hat, soviel ich weiß, in den wenigsten Fällen Geld genommen. Sie hat sich mit Naturalien und Sachleistungen bezahlen lassen. Sachen, die sie dringend benötigte. Vorher wurde schriftlich jedoch die Leistung festgelegt; so konnte sie die ersten Monate ihrer Zeit als Pensionsbesitzerin überstehen. Und die wenigen Gäste, die sie hatte, werden es meiner Mutter auch sicher danken, indem sie in Zukunft bei ihr in Bad Niederbreisig wieder zu Gast sein werden. So hat meine Mutter Stammgäste erworben, denen es sicher in der Pension in der Grabenstraße gefallen hat und so für weitere Gäste werben werden. Da sich kaum jemand in den vergangenen Monaten einen Urlaub erlauben konnte, hatte Mutter ein entsprechendes Publikum zu Gast und wird es in Zukunft auch haben. Denn es waren alles gutsituierte Leute in der Pension, die es sich leisten konnten, ... trotz der Misere. Es waren allerdings auch nicht viele. Die Pension war gerade mal halb belegt. Aber die da waren, waren alles nette und freundliche Leute und Mutter hoffte, dass sie alle im nächsten Jahr wiederkommen. „Na dann ... apropos wiederkommen, wo bleiben wir Weihnachten? Sollen wir in Düsseldorf bleiben oder zu deinen Eltern fahren? Pensionsgäste gibt es ja nicht während der Winterzeit bei euch dort am Mittelrhein. „Vielleicht sollten wir mal zu Hause bleiben, erwiderte Elsbeth. – Und so kam es, dass Paul und Elsbeth in Düsseldorf blieben, obwohl sich Elsbeth nach ihrem (neuen) Elternhaus in Bad Niederbreisig sehnte. Paul erzählte ihr jedoch nicht, dass er seine Arbeitsstelle verloren hatte. Das wollte er ihr erst nach Weihnachten mitteilen, aber auch dann würde er noch Bedenken haben, sie mit Sorgen kurz vor der Geburt des gemeinsamen Nachwuchses zu belasten.

    Das neue Jahr war angebrochen und seit Tagen regnete es in Strömen in Düsseldorf. Paul spielte am Wochenende mal wieder in einem Tanzcafé, aber die Zeiten sollten sich bald ändern, denn Geiger waren nicht mehr gefragt, weil ein neuer Musikstil aus Amerika begann die Welt zu erobern. Paul hatte die Zeit auf den Tanzböden der nicht immer feinen Cafés genossen. Trotz der schweren Zeit waren immer Leute erschienen, die es sich leisten konnten, diese Vergnügungsstätten aufzusuchen. Nur wie bezahlt wurde, das war ihm ein Rätsel. Er hatte in den letzten Monaten vor der Einführung der Rentenmark kein Bargeld mehr bekommen, sondern Naturalien oder Sachen, die er selbst gerade benötigte. Auch Zigaretten gehörten zu den beliebten Zahlungsmitteln, die er gerne annahm. So war es Elsbeth auch gar nicht unangenehm, dass ihr Paul in Tanzcafés spielte, die nicht den besten Ruf genossen. Er blieb keine Nacht fern, was sie beruhigte; brachte sogar immer etwas mit, was für den Haushalt wichtig war.

    Das Regnen, das seit Tagen nun schon andauerte, wollte einfach nicht aufhören, dazu war es noch kalt. Es war die Kälte, die Paul in die Knochen kroch, als er nachts durch die Straßen ging. Er hatte mal wieder etwas zusätzlich in einem der Tanzcafés von Düsseldorf mit Geigenspielen verdienen können. Viele Menschen waren erkältet. Auch auf dem Heimweg begegnete er einigen Leuten, die erkältet waren, aber trotzdem nachts einen Spaziergang durch die Straßen der Großstadt wagten. Woher mögen sie gekommen sein? Auch aus einem Tanzcafé wie er? „Gehe morgen nicht raus, Schatz, sonst erkältest du dich noch ... und das wäre schlecht für deine Schwangerschaft. Ich erledige alles, was nötig ist, sagte Paul zu Elsbeth, die auf ihn gewartet hatte, wie immer, wenn er an den Wochenenden in einem Tanzcafé mit Freunden Geige spielte. „Danke Paul, aber etwas muss auch ich tun. „Du tust schon genug im Haushalt ... Ich muss dir im Übrigen noch etwas mitteilen. Aber das besser morgen früh, wenn du ausgeschlafen hast. Erst wollen wir uns zur Nachtruhe begeben. Ich bin nämlich hundemüde. Neuigkeiten von heute gibt es sowieso nicht."

    Nun kam sie heraus, die Mitteilung, die Paul schon seit einigen Tagen machen wollte, er aber immer wieder hinausschob. Es war bereits Mitte Januar und nun wollte er nicht mehr warten mit seiner Hiobsbotschaft, denn in einigen Tagen würde Elsbeth sowieso darauf kommen. „Schatz ... ich habe die Kündigung bekommen ... schon vor Weihnachten ... aber ich wollte uns das Weihnachtsfest nicht verderben ... Verzeih mir, dass ich es dir jetzt erst sage. Elsbeth war geschockt. Sie dachte sofort an das Kind, das bald zur Welt kommen würde. Wie sollte eine Familie ohne Einkommen überhaupt leben können? So viele freie Arbeitsstellen gab es nicht, dass ihr Paul sofort anderswo hätte anfangen können. Das wusste sie alles und deshalb gingen die schlimmsten Befürchtungen durch ihren Kopf. „Das ist ja eine schöne Sache ... und wie soll es jetzt mit uns weitergehen? Ich möchte momentan nicht daran denken. „Schatz, wir werden nicht verhungern. Vielleicht bekomme ich auch schon bald eine neue Anstellung." Paul sollte mit diesen Worten richtig liegen. Es war zwar keine feste Anstellung, die er im Februar bekam, aber das geringere Einkommen reichte, auch wenn gerade noch, um leben zu können. Einige Straßenzüge weiter, in der Industriestraße, war eine Firma, die gerade Schlosser suchte, diese zwar nicht fest einstellte, sondern nur als Urlaubsvertretung oder bei Ausfällen, die durch Krankheiten verursacht wurden, vorübergehend beschäftigte. Auf jeden Fall war es besser, solch einen Job anzunehmen, als arbeitslos zu sein, zumal Paul damit rechnete, dass er bald auch wieder eine Stätte finden würde, wo er einen festen Arbeitsplatz erhielt.

    Es war März und Elsbeth stand kurz vor der Niederkunft. Paul war zu Hause, denn er brauchte mal nicht zur Arbeit. Kranke gab es gerade keine in der Firma, auch war keiner der Beschäftigten dort in Urlaub, so dass man ihn zurzeit nicht brauchte. „Paul, ich glaube es geht bald los. Ich spüre es." Am nächsten Morgen, es war der 16. März, setzten dann wirklich die Wehen ein. Paul raffte die wichtigsten Sachen schnell zusammen und machte sich mit Elsbeth auf den Weg ins Krankenhaus. Zum Glück lag dieses nur einige Straßen weiter. Es war das Josephskrankenhaus auf der Kruppstraße. Am Nachmittag gebar Elsbeth dann ihren ersten Sohn. Schon wenige Tage später wurde er in der neben dem Krankenhaus liegenden Christuskirche auf den Namen Paul getauft. Für die Familie hieß er jedoch fortan Päule.

    Im Sommer war Elsbeth wieder bei ihren Eltern in Bad Niederbreisig. Diesmal war Paul, und natürlich auch Päule, dabei. Ihre Eltern und ihr jüngster Bruder Egon waren gespannt auf den Familiennachwuchs. Willy war nicht mitgekommen, er hatte gerade sein Abitur gemacht und wollte den Sommer mit Freunden in Düsseldorf verbringen. In einigen Wochen sollte dann das Studium beginnen. Sein Ziel war, einmal Journalist einer bekannten Zeitung zu werden.

    Als der Zug aus Düsseldorf am Bahnhof von Bad Niederbreisig ankam, standen schon Emilie, Heinrich, Egon und die kleine Marianne dort und warteten auf die Ankömmlinge. „Lass schauen Schwester, was du produziert hast und uns mitbringst, waren die ersten Worte des sonst ruhigen und zurückhaltenden Bruders. Es war eigentlich nicht seine Art, so zu reden und auch nicht gerade die Worte, die zu einem Heranwachsenden passten. Deshalb waren seine Eltern auch geschockt, solche Worte aus dem Mund ihres Sprösslings zu hören. Sie wollten sich jedoch nicht mit einer Schelte den Tag verderben. Sie ignorierten seine Woche deshalb einfach. Ihre Freude, die liebe Tochter wiederzusehen, war zu groß, um jetzt auch noch tadelnde Worte an den Rotzlöffel zu richten. „Kind, wie freuen wir uns, dass du mit dem kleinen Wurm bei uns bist, sagte Emilie und drückte ihre Tochter mit Innigkeit, während Vadder Heinrich seiner Tochter nur einen kurzen Kuss auf die Wange gab und sich dann Paul zuwandte. „Schön, dass ihr da seid, waren seine kurzen Worte; dann schaute er in den Kinderwagen, sagte aber kein weiteres Wort. „Ein Prachtkerl, kam aus seinem Mund jedoch, als Emilie Päule eine Minute später auf ihren Armen hatte und dabei sagte: „Vadder sei still. Und Elsbeth, ich muss euren Schatz einfach mal halten. Er ist ein süßer Fratz, dieser kleine Kerl in meinen Armen. Paul stand die ganze Zeit wie auf einem verlorenen Posten da, als ob er nicht anwesend sei. Alle schauten nur auf Päule. Auf dem Weg zur Grabenstraße kam Emilie dann zum Bewusstsein, dass ja auch noch Paul da war. „Paul, entschuldige, aber euer kleiner Hosenscheißer ist zu süß, da habe ich dich einfach vergessen. Ich hoffe nur, du nimmst es mir nicht übel, dass ich dich nicht sofort begrüßt habe. „Ist schon in Ordnung. Päule zieht halt alle in seinen Bann."

    Dunkle Wolken waren am Tag der Ankunft der Düsseldorfer aufgezogen. Es regnete aber auf dem Weg zur Grabenstraße nicht. Der Regen begann erst in dem Moment, wo alle das Haus erreichten. Der Tag endete schließlich mit einer langen Unterhaltung am Abend. Päule schlief in seinem Bettchen, das Emilie mit Vadder noch tags zuvor besorgt hatten. Es stand in einem Gästezimmer, das Emilie extra für Tochter und Schwiegersohn freihielt. Ansonsten waren gerade mal zwei Ehepaare zu Gast, Gäste aus dem Wuppertal. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um die allgemeine Situation in Deutschland, bis Heinrich auch über die Gestaltung des hinteren Gartens am Haus sprach und was er damit vorhatte. „Du, ... Paul, ... du kannst mir sicher bei meinem Vorhaben helfen. Ich möchte nämlich im hinteren Bereich des Gartens Stallungen anbauen. Du weißt, da an der freien Stelle an der Eisenbahn, zwischen Waschhaus und Nachbargrundstück. Mit diesen Worten wandte sich Heinrich an seinen Schwiegersohn, der sich bisher bei der Unterhaltung sehr zurückhielt, was eigentlich nicht seinem Naturell entsprach. „Natürlich, Vadder. Sag schon, was du genau vorhast. „Guck mal, ich bin doch von Hause aus ein Bauernjunge, und nun habe ich die Idee, dass sich der hintere Platz im Garten gut für einen Stall eignet, in dem ich Schweine halten kann. Dazu möchte ich noch Hühner haben, die im Garten frei herumlaufen. Selbstverständlich werde ich dann den Gemüsegarten mit einem Zaun absichern müssen, sonst pickt das Federvieh noch an meinen frischen Pflanzen herum. Das würde besonders Stecklingen nicht guttun. „Selbstverständlich helfe ich dir, solange wir hier sind, Vadder. Wenn du willst, können wir schon morgen anfangen. „Schön, das von dir zu hören ... Das Baumaterial habe ich im Übrigen schon besorgt. Wir brauchen nur einen festen Untergrund gießen, darüber soll dann ein Holzverschlag kommen, natürlich mit entsprechender Stabilität versehen. „Das habe ich mir schon so gedacht, erwiderte Paul und sah zu seiner Frau hinüber, die ihre Unterhaltung mit ihrer Mutter beendete und andeutete, dass es bereits Zeit sei, zu Bett zu gehen. Egon hatte sich schon nach dem Abendessen in sein Zimmer zurückgezogen, während Marianne erst einige Zeit nach dem Essen ins Bett geschickt wurde. Nun begaben sich auch die restlichen Familienmitglieder in ihre Zimmer, um, wie alle hofften, eine geruhsame Nacht zu haben.

    Der Regen hatte zwar die ganze Nacht über an die Fensterscheiben geprasselt, aber keiner konnte am nächsten Morgen sagen, dass er einen schlechten Schlaf gehabt hätte. Nach dem Frühstück begannen die beiden Männer, wie am Vortag abgemacht, mit dem Bau der Stallungen, die unterhalb des Bahnkörpers, der sich direkt an der hinteren Grundstücksgrenze befand, errichtet werden sollte. Der Himmel war zwar noch bewölkt, aber es regnete zumindest nicht mehr, so dass mit den Arbeiten begonnen werden konnten.

    Vadder gab die Anweisungen, was jeweils zu machen war und Paul führte sie wunschgemäß aus. Während der Arbeit ergab sich nun eine kurze Unterhaltung zwischen den beiden Männern. „Fahren die Kohlenzüge nach Frankreich hier eigentlich vorbei?, wollte Paul wissen. „Ja, seit einigen Wochen sogar öfter. Frankreich möchte nämlich keine rückständigen Reparationszahlungen mehr in Kauf nehmen. Da hier kurz vor unserem Grundstück die Bahnstrecke eine kleine Kurve macht, fahren die Züge natürlich auch langsamer bei uns vorbei. Das nutzen einige Leute aus, indem sie auf die Waggons springen, was gefährlich ist. Sie tun es nur, um an ein paar Stück Kohle zu kommen, womit sie wiederum den Winter überstehen können. Sie schmeißen die Kohlestücke von den Waggons und sammeln sie anschließend auf. Manchmal liegen solche Kohlestücke auch auf unserem Grundstück. Wir können sie gut gebrauchen, denn Brennmaterial ist knapp zurzeit. Wir holen ansonsten Holz aus dem Wald, selbstverständlich nur das, was auf dem Boden herumliegt, denn wir schlagen kein Holz, sagte Heinrich zu seinem Schwiegersohn und zwinkerte. „Passieren bei diesen Aktionen der Leute eigentlich keine Unfälle, da das Aufspringen doch gefährlich ist, wie du sagtest? „Doch, mein lieber Schwiegersohn ... Vor einigen Wochen ist eine Frau aus dem Ort tödlich verunglückt. Sie ist zwischen die Waggons geraten. Es war schrecklich. An ihrer Beerdigung haben viele Leute teilgenommen. Einige haben die Beerdigung zum Anlass genommen, gegen die französische Besetzung des Ruhrgebiets zu protestieren. Es waren auch einige Gewalttätige unter ihnen, Leute von diesem Hitler, von dem in den Zeitungen oft berichtet wird. „Von dem berichten auch die Zeitungen in Düsseldorf viel. Aber mit diesem braunen Volk habe ich es nicht. Ich bin mehr links eingestellt. Aber das mit der Frau hier, das ist ja schrecklich ... „Männer, das Essen ist fertig, rief plötzlich eine laute Stimme.

    Kohlestücke werden von den Waggons geworfen

    Emilie hatte bereits aufgetischt. Als alle bei Tische saßen, machte sich Päule in seinem Körbchen lautstark bemerkbar. „Da macht einer auf sich aufmerksam, der sicher Hunger hat, meinte Heinrich. „Ja, Vadder. Päule bekommt gleich was, antwortete Elsbeth kurz.

    Nach dem Essen gab Elsbeth Päule die Brust und die Männer machten sich wieder an die Arbeit. Ein Gespräch zwischen beiden kam jedoch nicht mehr auf, lediglich Anweisungen, die Heinrich gab. So verging der Tag ohne nennenswerte Ereignisse. Auch die folgenden Tage verliefen ähnlich; man sprach über das und jenes. Mittags erschienen die Gäste und erwarteten ihr Essen, nachmittags bereiteten die Frauen das Abendessen vor oder es wurde im Waschhaus des hinteren Gartens gewaschen. Nur an wenigen Tagen gönnten sich die Frauen nachmittags eine Ruhepause. Aber dann bekam Elsbeth meistens doch nicht die Ruhe, die sie mal brauchte, denn Päule meldete sich, um zu zeigen, dass er auch noch da war. So verging die Zeit. Egon hatte hin und wieder mal den Frauen, mal den Männern bei bestimmten Arbeiten geholfen, ansonsten war er mit der Aufarbeitung des im letzten Schuljahr gelernten Stoffes beschäftigt oder traf sich mit Freunden.

    Bald war der Tag der Abreise von Elsbeth, Paul und Päule gekommen. Am Vorabend kam dann noch einmal eine längere Unterhaltung zustande. Diesmal hieß das Hauptgesprächsthema „Nachbarschaft". Paul wollte wissen, wie sich das Verhältnis zu den Leuten verhielt, die links der Pension ein Haus besaßen. Dort wohnte eine Familie Reifscheider (Name geändert!). Die Eheleute Reifscheider hatten zwei Söhne, die noch nicht verheiratet waren und im elterlichen Haus wohnten. Herr Reifscheider hatte sich im hinteren Hof einige kleinere Stallungen errichten lassen, in denen er Schweine und auch einige Hühner hielt. Das hatte Heinrich veranlasst, ihm gleichzutun. Das nachbarschaftliche Verhältnis war gut. Man unterhielt sich öfters, wenn man sich auf der Straße traf, aber gegenseitige Einladungen waren bisher noch nicht erfolgt. Als das Gesprächsthema auf das Grundstück rechts der Pension kam, reagierte Heinrich verärgert. Sein jetziges Haus, das er mit Emilie erworben hatte, war als Doppelhaushälfte geplant gewesen. Es hatte einen schönen Erker, einen Balkon über dem Eingang, war groß und sah, wenn man davor stand, wie ein vornehmes Patrizierhaus aus. Aber rechts, da fehlte was. Von rechts kommend sah es so aus, als ob einer ein noch größeres Haus in zwei Hälfte geschnitten und dann den rechten Teil beseitigt hätte. Nun hatte der Grundstückseigentümer rechts der Pension sein Grundstück an die Deutsche Reichsbahn verkauft und diese plante nun ein freistehendes Mehrfamilienhaus dort zu errichten. „Wie abgeschnitten ... und so bleibt es", waren die einzigen Worte, mit denen sich Heinrich verärgert äußerte. Weiter wollte er auf dieses Thema nicht eingehen. Ansonsten zeigte er volle Zufriedenheit mit dem, was er besaß. Die Pension verfügte über 5 Doppelzimmer und 2 Einzelzimmer, fast alle mit fließendem Wasser, wie es damals hieß. Zimmer mit Kaltwasser zählten zu jener Zeit nämlich schon zu einem gewissen Komfort. Darüber hinaus gab es ein großes Badezimmer in der obersten Etage, das von den Gästen benutzt werden konnte. Jede Etage hatte allerdings nur eine Toilette, was bei vollem Haus schon mal zu Problemen führte. Aber die Gäste waren zufrieden, sonst wäre der eine oder andere Gast nicht schon mehrmals zu Gast im Haus Wuppertal gewesen. So ergab es sich, dass bald eine Gruppe von Stammgästen existierte.

    Das Jahr war schon wieder vorbei, und Paul hatte noch immer keine neue Arbeitsstelle gefunden. Aber es bestanden gute Aussichten, dass sich das im kommenden Jahr ändern könnte. Ein Unternehmer, dem eine Firma für Importe von Orientteppichen gehörte, suchte einen Privat-chauffeur, einen Herrenfahrer, wie es damals hieß. Während eines der wenigen Wochenenden, an denen Paul noch in einem Tanzcafé spielte, hatte er den Tipp von einem Gast, mit dem er sich in einer Tanzpause kurz unterhielt, bekommen. Er solle sich doch bei dem Unternehmer, dessen Anschrift er nannte, bewerben, was Paul auch einen Monat später tat. Er war erfreut, als er schon wenige Tage später die Einladung zu einem persönlichen Gespräch in den Händen halten konnte. Es folgte ein Vorstellungsgespräch, das ihn überraschte. Es war ein Gespräch, von dem er vorher nur träumen konnte. Voller Zuversicht ging er deshalb danach nach Hause. Zu Hause angekommen, sagte er zu Elsbeth dann nur noch: „Ich glaube, es könnte klappen." Und so war es auch. Im Februar des Folgejahres konnte er zum Dienst antreten. Er musste von nun an seinen Dienstherren zu den Kunden fahren und hin und wieder zu Konferenzen, an denen er teilnahm. Er hatte bei den Dienstfahrten immer eine entsprechende Uniform zu tragen, worauf sein Chef einen besonderen Wert legte. Auch im Sommer war Anzug, weißes Hemd und passende Krawatte, sowie Chauffeurmütze Pflicht, was an heißen Tagen nicht angenehm war. Dafür verdiente Paul aber recht gut, und die Arbeit machte ihm Spaß. In den Tanzcafés, die sowieso bald schlossen, spielte er nicht mehr. Ein Grund war auch, dass sich der Tanzstil wie die Mode geändert hatte. Man tanzte seit neuestem Charleston, ein neuer Tanz aus den Vereinigten Staaten, und Geiger, wie er es war, wurden nicht mehr gefragt.

    Es war wieder Sommer und Elsbeth verbrachte die Sommerzeit mit Päule bei ihren Eltern in Bad Niederbreisig. Paul konnte nicht mitkommen, da er noch keinen Anspruch auf Urlaub hatte. Aber Weihnachten wollte er dann wieder dabei sein, und die Feiertage mit Elsbeth und Päule bei den Schwiegereltern verbringen.

    In Düsseldorf ereignete sich für die Familie etwas Besonderes. Willy studierte und ließ sich hin und wieder bei seiner Schwester und seinem Schwager sehen; Paul hatte eine Arbeit, die ihn voll in Anspruch nahm. Eine geregelte Arbeitszeit gab es für ihn aber nicht; so konnte er auch keine Pläne machen, die seine Freizeit betrafen. Die letzten Tanzcafés hatten in der Zwischenzeit für immer geschlossen, so dass man ihn als Musiker auch nicht mehr brauchte. Für ihn war es eine schöne Zeit gewesen, die nun zur Vergangenheit gehörte. Auch zu den Freunden, mit denen er zusammen gespielt hatte, bestand kein Kontakt mehr. Wenn man sich zufällig auf der Straße traf, sprach man zwar einige Worte miteinander, aber das war es auch schon. Für Paul drehte sich jetzt alles nur noch um seine Familie und um seine Arbeit, wenn man von seinem Hobby, das Motorradfahren mal absah.

    Weihnachten war die Familie in Bad Niederbreisig mal wieder komplett zusammen, denn auch Willy war diesmal mitgekommen. Für die Familie wurden es ruhige Feiertage. Willy berichtete über sein Studium, und dass es noch ein gutes Jahr bis zu seiner Diplomprüfung dauern würde. Alle hofften, dass er dann eine Anstellung als Volontär bei einer großen Zeitung findet. Paul teilte der Familie mit, dass sein Chef im Frühjahr des folgenden Jahres eine größere Fahrt geplant hätte, eine Tour durch Frankreich, Spanien bis nach Marokko. Veranstalter dieser Tour würde der Automobilclub sein, bei dem sein Chef Mitglied sei. Als er sagte, dass er als Herrenfahrer dann wahrscheinlich längere Zeit nicht zu Hause sein würde, waren alle nicht begeistert davon. Aber Paul stand in festen Diensten und hatte somit keine Möglichkeit, diese Fahrt abzulehnen. Schließlich reizte ihn auch, einmal fremde Länder kennenzulernen. Darüber hinaus hatte er einen Chef, der ihn gut bezahlte, der ihm öfters Spezialitäten aus dem Lebensmittelbereich schenkte, von denen er bisher nur träumen konnte. Er war mit seiner Arbeitsstelle rundherum zufrieden; an eine Ablehnung der Fahrt war aus den verschiedenste Gründen also nicht zu denken; eine solche hätte auch den Verlust seines Arbeitsplatzes bedeutet.

    Es war Februar, Elsbeth und Paul waren seit einigen Wochen mit dem kleinen Päule wieder in Düsseldorf. Paul fuhr seinen Chef zu den Geschäftsterminen und ging an den Wochenenden, in der Freizeit, seinem Hobby nach, dem Motorradfahren, sofern es die Zeit erlaubte, denn die Familie war ja auch noch da. Er besaß eine Maschine, die er selbst zusammengebastelt hatte, aus gebrauchten Teilen, denn für eine neue Maschine hatte er kein Geld. An den Wochenenden traf er sich schon mal mit gleichgesinnten Motorradnarren. Die Freundinnen und Ehefrauen waren meistens dabei, so auch an einem verhängnisvollen Sonntag in diesem Monat.

    Die Männer hatten ein Privatrennen geplant, wovon ihre Frauen nichts wussten. Ein Lokal am Stadtrand von Düsseldorf war der Treffpunkt. Das Renne wurde nun von hier gestartet, während die Frauen bei Kaffee und Kuchen ahnungslos im Lokal auf ihre Männer warteten. Keiner hatte sie über das beabsichtigte Rennen informiert. Die Männer sprachen nur von einer gemeinsamen Probefahrt durch die Stadt, von Begleitung der zwei Kameraden, die sich beide eine neue Maschine gekauft hatten. Sie wollten nur die technischen Möglichkeiten der Maschinen testen. Und das taten sie auch. Nur, dass technische Möglichkeiten hieß, die Höchstgeschwindigkeit der Motorräder mal ausprobieren. So fand ein Rennen durch die Innenstadt statt, ein Rennen, das leichtsinnig und gefährlich war. Paul mit seiner alten, selbst zusammengebastelten Maschine konnte seinen Kameraden kaum folgen und fuhr allen in einem größeren Abstand hinterher. Vor einer scharfen Kurve, hinter der seine Freunde schon verschwunden waren, hörte er plötzlich einen dumpfen Aufprall, der von einer Stelle kam, die hinter der Kurve lag. Es musste also hinter der Kurve etwas passiert sein, denn ein lauter Aufschrei, der durch Mark und Bein ging, folgte noch. Als er nun als letzter Raser um die Kurve bog, sah er schon aus einiger Entfernung das Schreckliche, das passiert war. Die Motorräder seiner Freunde lagen auf der Straße, alle blickten entsetzt nur auf einen Vorgartenzaun. Sie hatten alle sofort abgebremst, ihre Maschinen einfach auf die Straße fallen lassen und waren auf den Zaun zu gerannt, um ihrem Kameraden, der vor ihnen fuhr, zu Hilfe zu eilen. Jegliche Hilfe kam jedoch zu spät. Ihr Kamerad hatte in der Kurve die Kontrolle über seine Maschine verloren, war gegen den Bordstein gefahren und danach im hohen Bogen auf den spitzen Enden des Eisenzaunes eines Vorgartens gelandet. Dort hing nun sein lebloser Körper, aufgespießt von mehreren Eisenspitzen. Seine Kameraden standen geschockt vor dem Zaun; keiner wagte es, den leblosen Körper vom Zaun zu entfernen, zumal auch kein Lebenszeichen von ihm mehr ausging. Passanten verständigten erst Minuten später den Rettungsdienst und die Polizei; keiner von Pauls Motorradfreunden, aber auch er selbst nicht, war in der Lage, überhaupt noch etwas für den Kameraden zu tun; ihr Schock saß zu tief; sie waren nicht fähig, Hilfe zu leisten. Als der Rettungsdienst kam, standen alle noch wie versteinert an der Unglücksstelle.

    Geschlossen fuhren nun alle zum Ausgangspunkt des Rennens, wo die Frauen im Lokal auf die Rückkehr ihrer Männer warteten. Der tödlich verunglückte Kamerad war gerade frisch verheiratet. Was sollten seine Freunde nun seiner Frau sagen, die, wie die anderen Frauen, ja auch auf die Rückkehr ihres Mannes wartete? „Na, wie war die Probefahrt?, wollten einige Frauen wissen. Keiner der Männer, die jetzt das Lokal betraten, antwortete. Sie hatten alle einen Kloß im Hals. „Es ist was Schreckliches passiert, stammelte Paul. Mehr konnte er auch schon nicht mehr sagen. Die Frauen sahen auf die Männer. Wilhelm fehlte. „Was? ... Wo ist Wilhelm?, fragte Wilhelms Frau. „Er ist verunglückt, antwortete einer von Pauls Motorradfreunden, denn Paul war nicht mehr in der Lage zu antworten. „Wo? Wann? Wie? Schlimm?, schrie Wilhelms Frau, sprang auf und rannte zur Ausgangstür. „Wo kann ich ihn finden?, fragte sie noch als sie rausrannte. Ein Freund Pauls, der ihr folgte, hielt sie vor der Tür fest und versuchte sie zu beruhigen. Sie wehrte sich und versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. In der Zwischenzeit hatte Paul den

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