Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Rosenheim-Cops
Die Rosenheim-Cops
Die Rosenheim-Cops
eBook296 Seiten4 Stunden

Die Rosenheim-Cops

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Rosenheim - ländliche Voralpenidylle am Chiemsee; Touristen aus aller Welt lieben diese Landschaft, Einheimische sind stolz auf Ihre schöne Stadt. Doch es gibt auch hier wie überall auf der Welt schlechte Menschen, die vor Verbrechen nicht zurückschrecken, und es gibt Polizisten, die diese Verbrechen aufklären. Indes ist die Art der Aufklärung unter weißblauem Himmel ein bisschen anders - weniger hektisch und verbissen. Hier kennt man sich. Unsere Kommissare könnten unterschiedlicher nicht sein: Korbinian hat im Nebenberuf eine kleine Landwirtschaft, lebt dort mit seiner Schwester und ist ein urbayerischer Typ, der seine Fälle am liebsten auf dem Traktor löst. Ulrich ist aus der Schickimicki-Metropole München in die Provinz strafversetzt worden. Er ist es gewohnt, bei seinen Ermittlungen die Möglichkeiten der modernen Technik voll auszuschöpfen, ist ein lebhaftes Redetalent und denkt über seine Schlussfolgerungen stets laut nach. Was sie jedoch vereint, ist die Liebe zu ihrem Beruf, zu den Frauen und zum hiesigen Weißbier...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Nov. 2022
ISBN9783475549786
Die Rosenheim-Cops

Ähnlich wie Die Rosenheim-Cops

Titel in dieser Serie (3)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Die Rosenheim-Cops

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Rosenheim-Cops - Michael Peter

    Der Tote am See

    Korbinian Hofer stieß einen Fluch aus, als sein ehrwürdiger Traktor den Dienst quittierte. Gerade war er vom Feld auf die schmale Landstraße eingebogen.

    »Kruzifix! Hast dich bei dem bisserl Pflügen wohl schon überanstrengt, hm? Freunderl, dich werd ich schon wieder zum Laufen bringen!«, trat er in Zwiesprache mit seinem fahrbaren Untersatz.

    Er griff unter den Sitz und kramte einen Schraubenschlüssel hervor, dann kletterte er umständlich herunter und klappte die Motorhaube auf. »Schauen wir amal, mich führst nicht an der Nase herum, mein Lieber! Dafür kenn ich dich und deine Mucken zu gut!«

    Abwechselnd schraubend und schimpfend beugte er sich über den Motor. »Aha! Mit deiner Einspritzpumpe da herinnen bin ich immer noch fertig worden!«

    Korbinian legte den Schlüssel beiseite, schlenderte nach vorne zum Führerstand und drückte den Anlasserknopf. Da erst sah er den Z3 mit Münchner Kennzeichen, der hinter seinem Traktor stand, und hätte er ihn nicht gesehen, dann hätte er ihn spätestens jetzt gehört, denn der Fahrer drückte ungeduldig auf die Hupe.

    Jetzt streckte er seinen mit einer bombastischen Sonnenbrille verzierten Kopf aus dem Autofenster. »He, Meister! Bin ich da richtig nach Rosenheim?«

    »Nach Rosenheim?« Hustend und spuckend nahm der Diesel seinen Dienst wieder auf, während Korbinian weiterredete: »Immer der Nase nach, dann kommen S’ schon hin … Meister!« Der Traktorfahrer grinste und ging wieder zurück, um dem Motor einen erneuten Besuch abzustatten.

    Der BMW-Fahrer trommelte auf seinem Lenkrad herum. »Könnten S’ nicht so nett sein und auf die Seite fahren? Der Karren läuft doch wieder!«

    »Aber nicht richtig«, gab Korbinian seelenruhig zurück. »Fahren S’ halt links vorbei.«

    Der Mann im Sportwagen knurrte unwillig. Dann gab er Gas und rollte langsam weiter, halb über das Bankett. Das war natürlich unbefestigt und außerdem feucht vom letzten Regen, sodass der glänzende Lack des BMW hernach mit einer Mischung aus Gras und Dreck verziert war.

    »Jetzt schauen S’ Ihnen das an!« Der Cabriofahrer schien ernsthaft aufgebracht. »Sie meinen scheint’s, die Straße gehört Ihnen allein! Dabei zahl ich mit meinen Steuern eure Subventionen!«

    »Aber nicht genug, dass die Schlaglöcher auf der Straße geflickt werden«, brummte Korbinian. »Passen S’ auf, da kommen gleich welche!«

    Eben das hatte der BMW-Pilot auch gerade bemerkt, als sein schöner Wagen mit Karacho in eine der Vertiefungen krachte, was ernsthaften Protest von Federn und Stoßdämpfern nach sich zog.

    »So ein sturer Bauernschädel! Der kann mich noch kennen lernen!« Leise vor sich hin schimpfend drückte er aufs Gaspedal und war rasch hinter der nächsten Biegung verschwunden.

    Korbinian schüttelte verächtlich den Kopf.

    »Stutzer, g’schniegelter! Na, ein jeder so, wie er kann.«

    Er schraubte noch einige Minuten am tuckernden Motor herum, dann schien er zufrieden zu sein, klappte die Haube wieder zu und nahm hinter dem Steuer Platz. Und als er seinen Hof erreichte, hatte er die Begegnung mit dem »geschniegelten Stutzer« schon wieder vergessen.

    >Café, Restaurant und Pension Zum Löwen<, stand auf einem Schild, neben dem der Z3 parkte. Es war früher Abend und noch nicht viel los. Darum hatte Bobby Lewinsky Zeit, sich persönlich um seinen neuen Gast zu kümmern.

    »Darf man fragen, wie lange Sie hier Urlaub machen, Herr …?«

    »Satori. Ulrich Satori.« Der BMW-Fahrer zuckte die Achseln. »Mit Urlaub ist’s leider nix, ich muss arbeiten.«

    »Oh.« Bobby nickte. »Da suchen Sie sicher hier eine Wohnung, gell? Und so lange wollen S’ bei mir in der Pension …«

    »Könnt sein, dass ich gar nicht lang in Rosenheim bleib«, wurde er von Ulrich Satori unterbrochen. »Erst amal schauen, wie’s weitergeht. Haben S’ jetzt ein Zimmer oder nicht?«

    »Ja, grad ist eins frei geworden.« Bobby blätterte in seinem Notizbuch und blinzelte, weil die tief stehende Sonne um eine Ecke des Lokals lugte, und zwar geradewegs in seine Augen. Sie standen draußen auf der Terrasse, wo die Tische gerade für die ersten Abendgäste vorbereitet wurden. Drüben auf der anderen Seite war ein junger Mann damit beschäftigt, die Sonnenschirme zuzuklappen. »Da haben Sie verdammt Glück, es ist nämlich grad furchtbar viel los bei uns. Wegen dem Konzert vom Urbauer-Andi, den kennen S' doch sicher?«

    »Ist das nicht so ein Jodelheini?« Ulrich rümpfte die Nase. »Na ja, Volksmusik ist nicht so mein Fall.« Sein Blick wanderte zur gläsernen Terrassentür, aus der gerade eine hübsche junge Frau nach draußen trat. Er lächelte ihr zu, und sie erwiderte das Lächeln.

    So etwas schon eher, dachte er.

    »Marie?« Bobby Lewinsky winkte ihr zu. »Gehst jetzt?«

    »Ja, ich muss schnell einmal heim. Wir sehen uns später.«

    »Das hoffe ich!«, rief der Wirt ihr nach. »Da wird der Laden brummen, also komm bittschön pünktlich.« Er wandte sich wieder Ulrich Satori zu. »Ausgemacht, ein Einzelzimmer bis auf weiteres! Welchen Beruf darf ich eintragen?«

    Ulrich zögerte unmerklich. »Beamter«, sagte er dann. »Ich bin Beamter.«

    »Macht ja nix. Ich mag Beamte. Weil, die tun doch nix!« Bobby lachte schallend über seinen eigenen Witz. »Und solange Sie nicht vom Finanzamt sind!«

    Ulrich Satori hatte seine Reisetasche aus dem Wagen geholt und das Zimmer einer kurzen Inspektion unterzogen. Da gab es nichts zu meckern. Es war zwar klein, aber gemütlich, und es gab sogar einen Balkon.

    Er räumte seine Sachen n den Schrank, stellte die lasche obendrauf und ging die schmale Stiege wieder hinunter, um das Auto in die Garage zu fahren, die ihm der Hauswirt zugewiesen hatte. Er würde es heule nicht mehr brauchen, erst morgen wieder, wenn er seinen Dienst antreten musste.

    Ein säuerlicher Ausdruck trat in sein Gesicht. Was für eine Karriere! Von München nach Rosenheim, schneller konnte man die Leiter nicht herunterfallen. Und all das, weil er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte, den Großkopferten mit ihren Beziehungen … Ach, vergessen wir’s, dachte er. Es war passiert und nicht mehr zu ändern, da biss die Maus keinen Faden ab.

    Als er seinen Wagen abgestellt hatte und zum Haus zurückkam, verharrte er unschlüssig vor dem Eingang. Er überlegte noch, ob er einen kleinen Erkundungsgang unternehmen sollte, als ein großes Plakat seine Aul merksamkeil auf sich lenkte. Großer Gala-Abend mit Andi Urbauer, stand darauf. Stadthalle Rosenheim. Karten im Vorverkauf und an der Abendkasse.

    Direkt vor der Plakatwand stand ein MercedesSportcoupé, hinter dem ein junger Mann soeben seine Harley-Davidson abgestellt hatte.

    Ulrich pfiff leise durch die Zähne. Der Mann, der hinter dem Steuer des Mercedes saß, war derselbe, der überlebensgroß von dem Plakat herunlergrinsie und so lat, als spiele er auf einer Gitarre. Donnerwettei; da lernte er ja gleich die lokale Prominenz kennen … Andi Urbauer höchstpersönlich! Nun, er würde bestimmt nicht hinrennen und um ein Autogramm bitten. Wenn Rod Stewart dagesessen wäre, dann vielleicht. Aber Andi Urbauer? Und außerdem schien ja bereits ein Fan bei ihm zu sein, der Harley-Fahrer; jedenfalls sprachen die beiden angeregt miteinander.

    Ulrich betrachtete das Motorrad wohlgefällig und bekam dabei auch einiges von der Unterhaltung mit, die die beiden Männer führten.

    »Du solltest drüber nachdenken, Paul«, hörte er den Urbauer sagen. »Ich biete dir doch wirklich einen Haufen Geld!«

    Der junge Bursche namens Paul winkte lässig ab. »Vergiss es, Andi. Du kennst die Bedingungen.« Er drehte sich um. »Überleg dir’s noch einmal.« Mit diesen Worten ließ er den Musiker einfach stehen.

    Urbauer schaute wütend drein. »Paul, horch mir halt amal zu! Können wir nicht in Ruhe drüber reden? Ich find, da treibst es jetzt zu weit!«

    Paul, der inzwischen fast bei Ulrich Satori angekommen war, wandte sich noch einmal um. »So kannst es vergessen, Andi. Das Geschäft läuft nicht. Also nachher, servus!«

    Der Mann im Mercedes machte den Eindruck, als wolle er noch etwas sagen, tat es aber schließlich doch nicht. Er startete den Motor und fuhr davon, und sein Gesicht war so rot wie das einer überreifen Strauchtomate.

    Ulrich räusperte sich. »Tja, die Maschine tät ich auch nicht verkaufen«, sagte er. »Die ist wirklich ein Prachtstück.«

    »Hm?« Paul war stehen geblieben. »Was sagen Sie?«

    »Na, der Herr im Mercedes«, erwiderte Ulrich leichthin, »ist doch scheint’s ganz scharf auf Ihre Harley! Aber Sie geben s’ nicht her? Oder wollen Sie grad den Preis ein bisserl in die Höhe treiben?«

    »Ach so, Sie meinen …?« Paul grinste. »Könnt schon sein, ja. Haben Sie gesehen, wer das war?«

    Ulrich nickte zu dem Plakat hinüber. »Der Volksmusiker, freilich. Andi Urbauer.«

    »Stimmt genau.« Das Grinsen des jungen Mannes verstärkte sich. »Auf dem Plakat schaut er jünger aus als Mitte vierzig, gell? Der Typ hat Kohle noch und noch, das sag’ ich Ihnen. Da täten Sie sich doch auch nicht abspeisen lassen, oder?«

    »Nein, tät ich nicht.«

    Ulrich Satori lächelte. »Passen S’ auf, ich bin neu hier und kenn noch niemand außer so einem Bauernlümmel, der mir auf der Herfahrt den Weg versperrt hat. Haben Sie Lust, dass wir eine Halbe Bier miteinand trinken, Herr …?«

    »Brenninger, Paul«, sagte der Bursche und hob die Schultern. »Warum nicht? Aber ich hab nicht lang Zeit, ich hab heul noch was zu tun.« Und dann fügte er mit bedeutsamer Miene hinzu: »Grad von dem Gehalt als Paketbote kannst ja schließlich nicht leben!«

    Ulrichs Blick huschte zu der teuren Harley hinüber. »Ja«, sagte er etwas verdutzt. »Ja, das glaube ich Ihnen gern.«

    Und dann gingen sie hinein in die Gaststube, tranken ein paar Bier und plauderten belangloses Zeug, bis Paul Brenninger schließlich auf seinem Handy eine SMS-Nachricht bekam und sich verabschieden musste.

    Dies war die erste Begegnung von Ulrich Satori mit Paul Brenniger.

    Es war auch die letzte - jedenfalls in gewissem Sinne.

    Ulrich Satori halte schon immer gefunden, dass die Schauplätze von Kapitalverbrechen sich irgendwie ähnelten. Ganz gleich, ob die Tat auf einem schmuddeligen Hinterhof in München oder - so wie hier - am Ufer des idyllischen Chiemsees geschehen war. Das mochte am immer gleichen Drumherum liegen: Da war das Plastikband, mit dem der Tatort abgesperrt war; die Leute der Spurensicherung in ihrer hellen Schutzkleidung; der Fotograf, der Atzt und die uniformierten Beamten. Die ganze Prozedur war immer dieselbe. Nur die Leichen wechselten.

    Ulrich kniete mit einem der Beamten neben dem Toten und hatte angewidert einen Blick unter das Leichentuch geworfen. Paul Brenninger! Natürlich hatte er den Mann sofort wiedererkannt, auch wenn das auf den ersten Blick nicht leicht war. Da hatte jemand ganze Arbeit geleistet und mit großer Wucht zugeschlagen, und das nicht nur einmal, sondern mehrfach. Einer, der ganz sichergehen wollte.

    »Und das am ersten Tag.« Seufzend richtete er sich auf. »Der Tote hatte einen Ausweis bei sich und ist so identifizierbar. Paul Brenninger, fünfundzwanzig Jahre. Haben wir die Tatwaffe, Herr …?«

    »Mohr, Michael Mohr. Aber alle sagen Micky zu mir.« Der junge Beamte war ziemlich grün im Gesicht. »Nein, bis jetzt haben wir noch nix gefunden, Herr Kommissar. Die Kollegen suchen natürlich weiter, das hab ich veranlasst.«

    »Gut.« Ulrich zog ein Diktiergerät hervor. »Was ist mit der Tatzeit?«

    »Das kann vier, aber auch sechs Stunden her sein, meint der Doc. Möglicherweise auch ein bisserl länger, aber das kann man erst nach der Obduktion genau sagen.«

    »Tatzeit also etwa zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens«, sagte Ulrich ins Mikrophon. »Wie’s aussieht, könnte auch der Täter Blutspritzer abgekriegt haben. Wir …«

    Er hielt inne. Offenbar waren doch nicht alle Tatorte gleich. Zumindest trieben sich normalerweise dort nicht Bauern in Gummistiefeln herum, wie das hier der Fall war.

    »He, Sie da vorn! Was machen denn Sie da?« Er straffte sich und marschierte die zwanzig Meter zu einer Gruppe Haselnusssträucher hinüber, ohne darauf zu achten, dass Micky Mohr ihn zurückhalten und ihm etwas sagen wollte. »Verschwinden Sie, Sie behindern die Ermittlungen der … Ach, jetzt geht’s aber los! Der unverschämte Traktorfahrer! Sie sind mir grad noch abgegangen!«

    Korbinian Hofer hatte sich umgedreht. »Da schau her! Der g’schniegelte Rennfahrer!«

    Micky Mohr war feixend hinzugekommen. »Darf ich vorstellen, Herr Satori? Das ist Hauptkommissar Hofer, Korbinian Hofer. Kommissar Hofer, das ist Ihr neuer Kollege, Hauptkommissar Ulrich Satori. Frisch aus München eingetroffen.«

    Ulrich zog verblüfft die Brauen hoch. Dann grinste er und ließ seinen Blick über den Blaumann und die derben Gummistiefel von Korbinian schweifen. »Sehr erfreut, Herr Kollege. Hübsche Dienstkleidung habt’s ihr hier, das muss ich echt sagen. Dann ist vielleicht der Traktor von gestern Ihr Einsatzfahrzeug?«

    »Ach, da haben s’ uns einen neuen Hauskomiker geschickt, hm, Micky?« Korbinian lächelte müde und hielt einen bläulichen, offensichtlich benutzten Kaugummi in die Luft. »Der ist an einem Ast geklebt, außerdem war das Gras vor den Büschen zertrampelt. Ich schätz, hier ist der Monier gestanden und hat auf sein Opfer gewartet. An so einem einsamen Fleck! Der muss gewusst haben, dass der Paul Brenninger da irgendwann vorbeikommen würde.«

    Micky Mohr nahm den Kaugummi und steckte ihn in einen durchsichtigen Plastikbeutel. »Ich lass im Labor eine DNA-Analyse machen, gell.«

    »In Ordnung«, sagte Ulrich. »Haben Sie auch sein Handy gefunden?«

    »Öha«, mischte sich Korbinian verwundert ein. »Woher wissen denn Sie, ob der Brenninger ein Handy gehabt hat?«

    »Weil ich ihn gestern Abend zufällig kennen gelernt habe«, erklärte Ulrich. »Wir haben im >Löwen< miteinander ein paar Halbe getrunken, später hat er dann eine SMS gekriegt und ist ruck, zuck auf und davon. Geschäftlich, hat er gesagt.«

    »Nachher sind Sie ja einer von den Letzten, die ihn lebend gesehen haben!« Korbinian musterte ihn. »Wie ist’s dazu gekommen? Ich mein’, wie haben Sie ihn kennen gelernt?«

    »Ich hab mitgekriegt, wie wer seine Maschine kaufen hat wollen. Ein gewisser Andi Urbauer. Ich interessiere mich für Motorräder, und so sind wir ins Reden gekommen.«

    »Das Motorrad haben wir gefunden und wegbringen lassen. Das war da vorn hinter den Büschen aufgebockt, man hat’s erst auf den zweiten Blick sehen können. Eine Harley«, meinte Micky eilfertig.

    Korbinian schien mit anderen Überlegungen beschäftigt. »Der Urbauer? So, so«, brummte er. Er ließ die beiden anderen Polizisten stehen und ging die paar Schritte zum See hinüber. Ein hölzerner Bootssteg führte etwa zwanzig Meter hinein, an seinem Ende war ein Ruderboot vertäut. Das Ufer fiel hier flach ab, und man konnte bis auf den Grund sehen. Die Sonne war inzwischen über die Berge gekrochen und tauchte das Wasser in ein rotgoldenes Licht.

    >Nicht der richtige Platz für einen Mord<, dachte er.

    >Aber was ist schon der richtige Platz?<

    Ulrich war ihm gefolgt.

    »Was ist? Glauben Sie, dass die Tatwaffe im See gelandet ist?«

    »Ich hätt sie da hineingeschmissen«, nickte Korbinian. »Natürlich nicht so nah am Ufer. Ich bestell zwei Taucher her, die sollen sich das einmal anschauen.« Er drehte sich zu Ulrich um. »Die SMS, von der Sie gesprochen haben - die könnte ja von seinem Mörder gekommen sein, meinen S’ nicht?«

    »Nein, das passt nicht ganz zu der ungefähren Todeszeit, die der Doktor ermittelt hat«, widersprach Ulrich. »Wir haben uns so gegen zehn getrennt, und zwischen Mitternacht und zwei Uhr ist er umgebracht worden.«

    »Also war er noch woanders. Hm.« Korbinian deutete auf ein nicht allzu großes Holzhaus, das gute fünfzig Meter abseits halb hinter einem Wäldchen lag. »Schaut bewohnt aus. Ob die etwas gesehen haben?«

    »Dann hätten die sich doch längst gemeldet«, meinte Ulrich herablassend. »Oder glauben Sie, die haben von dem Theater hier noch nix mitgekriegt?«

    »Manche Leut haben einen gesunden Schlaf, und es ist ja auch noch früh«, sinnierte Korbinian und setzte sich in Marsch. Es gab keinen richtigen Zufahrtsweg, sie mussten über eine bucklige Wiese gehen. »Also kommen S’, wir fragen dort nach. Vielleicht kriegen wir sogar einen Kaffee. Die haben mich heut in der Früh vom Melken weggeholt, und ich hab noch keinen trinken können.«

    Ulrich Satori schloss sich ihm an. »Vom Melken? Sagen Sie, was sind Sie eigentlich? Hobby-Kriminaler oder Hobby-Landwirt?«

    »Lassen S’ Ihnen überraschen«, brummte der Hofer ungnädig. »Glauben S’ mir, bei uns können Sie allerhand Überraschungen erleben!«

    »Das hab ich schon gewusst, wie ich Sie das erste Mal gesehen hab«, murmelte Ulrich verdrießlich.

    Dann waren sie bei dem kleinen Haus angekommen und klopften.

    Als die Tür geöffnet wurde, besserte sich ihre Laune prompt, denn sie sahen sich einer jungen und ausnehmend hübschen Frau gegenüber, die aussah, als hätten sie sie gerade aus dem Bett geholt. Sie schien sich in aller Eile ein Shirt übergestreift und in die Jeans gezwängt zu haben, aber ihre Haare waren noch ungekämmt, und sie trug weder Schuhe noch Strümpfe.

    »Na, da geht ja die Sonne aufi« Ulrich zauberte sein charmantestes Lächeln hervor. »Wer hätt denn das gemeint, dass sich ein so ein unerfreulicher Tag dermaßen schnell bessert?«

    Während ihn die Frau verständnislos anstarrte, stieß Korbinian einen tiefen Seufzer aus und warf einen Blick auf das Türschild. »Frau Lena Hirschfeld? Tut mir Leid, wenn wir stören, aber auch wenn’s nicht so ausschaut, wir sind von der Polizei. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«

    »Polizei?« Sie runzelte die Stirn. »Ja, bitte, kommen S’ nur grad.« Dann ging s e voraus ins Haus.

    Ulrich hielt seinen fülligen Kollegen, der ihr folgen wollte, zurück. »Bei Ihnen schaut's nicht so aus, als ob wir von der Polizei sind, Herr Kollege«, flüsterte er. »Bei mir schon, wenn ich bitten darf. Was ist, wollen Sie mir das Reden überlassen?«

    Korbinian blieb stehen. »Wieso das? Haben Sie etwa ein Patentrezept?«

    Ulrich zuckte die Achseln. »Wir müssen zuerst einmal die Atmosphäre lockern, mein Lieber, ihr Vertrauen gewinnen. Ich könnt mich zum Beispiel als Forscher ausgeben, der gerade mit seiner neuesten Entdeckung aus Papua-Neuguinea zurückgekommen ist - dem cromonitischen Affenmenschen.« Er grinste. »Dann haben Sie es ganz leicht. Plappern Sie einfach wie bisher weiter!«

    »Cromonitischer Affenmensch!«, grantelte Korbinian. »Sie sind mir so ein Gaudibursch!«

    »Was ist denn?«, rief Lena aus der Küche. »Kommen S’ jetzt herein oder nicht? Ich tät schon ganz gern wissen, was passiert ist! Und mögen Sie einen Kaffee?«

    »Gern«, erwiderte Ulrich und fügte, an Korbinian gewandt, hinzu: »Und was trinken Sie? Kokosmilch?«

    »Mit der Bemerkung«, sagte Korbinian grimmig, »haben Sie sich sehr geschadet!«

    Der weitere Tag verlief für Ulrich Satori nicht gerade erfolgreich. Zuerst hatte er vor dem Polizeirevier seinen neuen Chef kennen gelernt, den Kriminalrat Balthasar, indem er nämlich kurzerhand - oh Peinlichkeit! - dessen Parkplatz besetzt hatte. Dann wäre ihm auf dem Weg ins Büro fast der ganze Karton mit den Utensilien für seinen Schreibtisch herunlergefallen, wenn ihm nicht im letzten Moment die nette Frau Stockl, die Sekretärin im Morddezernat, unter die Arme gegriffen hätte. Nachdem er sich auch mit ihr bekannt gemacht hatte, musste er feststellen, dass Korbinian Hofer den Schreibtisch seines Vorgängers in die dunkelste Ecke des Büros gerückt hatte, was natürlich erst einmal korrigiert werden musste.

    Der Kollege vom Bauernhof hatte ihm nicht direkt geduldig zugesehen. »Sind S’ jetzt bald fertig? Ich mein’, können wir mit der Arbeit anfangen, oder wollen S’ erst noch die Maler kommen lassen?« Er hob einen durchsichtigen Beutel in die Höhe. »Die Sachen da hat der Ermordete bei sich gehabt. Handy, Schlüssel und ein paar Euro Bargeld. Das Handy ist leer, da müssen wir erst den Akku laden. Mein Ladegerät passt aber nicht, wir werden das Original aus der Wohnung holen müssen.« Er zuckte die Achseln. »Sagen S’, was haben Sie eigentlich für einen Eindruck von der Lena Hirschfeld?«

    Ulrich räumte gerade seinen Schreibtisch ein. »Na, viel hat sie uns nicht weiterhelfen können, oder?«

    »Schon, aber meinen S’ nicht, dass sie ein bisserl arg geschockt war, wie sie die Nachricht von seinem Tod gekriegt hat?«

    »Sie haben’s doch gehört, sie hat ihn seit der Schulzeit gekannt, da ist das doch kein Wunder.« Ulrich ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Oh! Hart, aber unbequem.« Er beugte sich vor. »Die Schlafzimmertür war offen, haben Sie’s gesehen? Ich meine, bevor sie sie zugemacht hat?«

    Korbinian nickte. »Beide Hälften von dem Bett waren unordentlich«, sagte er. »Ich möcht wetten, die hat die Nacht nicht allein verbracht. Da ist jemand da gewesen.«

    »Schaut ganz danach aus«, nickte Ulrich. »Aber scheint’s war es nicht dieser Typ, der nachher dazugekommen ist, dieser Georg Huber.« Er schmunzelte. »Haben Sie gemerkt, dass der Sie glatt ignoriert hat? Der hat Sie wahrscheinlich für den Hausmeister gehalten … Na, wenigstens sind S’jetzt vernünftig angezogen. Obwohl Ihr Anzug mindestens zehn Jahre aus der Mode ist.«

    »Seit zwanzig«, verbesserte Frau Stockl, die gerade Kaffee brachte »Ich sag ihm immer, er soll einmal zum Hirschfeld gehen und sieh einen neuen kaufen.«

    »Hirschfeld?«, nagte Ulrich. »Haben die was mit der Lena zu tun?«

    »Das sind ihre Eltern«, erklärte Korbinian. »Die haben ein großes Modegeschäft, das übernimmt einmal die Lena.« Er warf der Stockl einen giftigen Blick zu. »Und was meinen Anzug angeht, das geht Sie gar nix an! Ich kümmere mich ja auch nicht drum, was Sie für Dessous tragen!«

    Frau Stockl errötete. »Sie! Woher wissen denn Sie, dass ich … ich meine …«

    »Da dafür bin ich Kriminaler«, frozzelte der Hofer trocken. »Ich werd dafür 'zahlt, dass ich alles weiß!«

    Die Stockl musterte ihn misstrauisch. »Ja, wer’s glaubt! Na, auf jeden Fall ist die Lena mit dem reichen Hotelier Huber verlobt, weil, Geld und Geld gesellt sich gern! Dabei ist das Mädel erst sechsundzwanzig, und er ist sechzehn Jahr’ älter! Als ob nicht ich vom Alter viel besser zu ihm passen tät …«

    »Von was träumen Sie denn bei der Nacht? Naa, sagen S’ lieber nix, ich weiß schon!« Korbinian winkte ab. »Sie, Herr Kollege, Sie könnten jetzt einmal zu der Wohnung vom Opfer fahren. Ich hab die Schwester vom Brenninger dahin bestellt, irgendwer muss sich schließlich um den Nachlass kümmern, und die Eltern sind schon länger tot. Ein Unfall in den Bergen, wenn

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1