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Die Rosenheim-Cops: Neueste Fälle
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Die Rosenheim-Cops: Neueste Fälle
eBook266 Seiten3 Stunden

Die Rosenheim-Cops: Neueste Fälle

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Über dieses E-Book

Freunde der Serie kennen die Hauptfiguren schon sehr gut: Korbinian Hofer ist Kriminalhauptkommissar und seiner Rosenheimer Heimat tief verbunden. Der eher Schweigsame mit der bayerischen Körperfülle lebt mit seiner allein erziehenden Schwester Marie auf einem Bauernhof und hilft ihr, wenn es die Ermittlungen zulassen, bei der Arbeit. Sein Kollege Ulrich Satori ist nicht ganz freiwillig in der Provinz, eigentlich wäre er lieber wieder in München, wo man auch viel mehr Verständnis für seine Vorliebe für moderne Kommunikationsmittel aufbringt. Reibereien zwischen unseren ungleichen Cops sind an der Tagesordnung. Wenn es jedoch um die Aufklärung von Verbrechen geht, lösen die zwei auch die kniffligsten Fälle erfolgreich.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum2. Jan. 2023
ISBN9783475549793
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    Buchvorschau

    Die Rosenheim-Cops - Michael Peter

    Das Bauernopfer

    Wenn ein stattliches Mannsbild wie der Hauptkommissar Korbinian Hofer ins Straucheln geriet, dann drohte allemal Gefahr. In erster Linie deshalb, weil reichlich über zwei Zentner für das - oder den oder die worauf sie schließlich unsanft zu landen drohten, eine ziemliche Belastung bedeutet hätten. Das ist ungefähr mit einer Lawine zu vergleichen, die dann, wenn sie erst einmal ins Rutschen gekommen ist, so leicht von nichts und niemandem mehr aufgehalten werden kann. Sie walzt alles, was ihr im Weg herumsteht, kurz und bündig platt.

    Und eine Art von menschlicher Lawine aus Fleisch und Knochen war der Hofer halt schon, wenngleich er sich selber niemals als dick, sondern höchstens als stark gebaut bezeichnete (die Untertreibung des Jahres, wie seine zierliche Schwester Marie immer spöttelte). Wogegen ihr Sohn - also sein Neffe - Vincent schon eher auch einmal gewisse Vergleiche aus anderen Bereichen heranzog. Natürlich nur, wenn Korbinian weit genug entfernt war. Denn dann musste der Bub nicht fürchten, von seinem »stark gebauten« Onkel ein wenig am Ohr gezupft zu werden - eher freundschaftlich als ernsthaft, das versteht sich von selber, denn die beiden waren ansonsten ein Herz und eine Seele.

    Wie dem auch sei, dieses Mal ging es jedenfalls noch gut, als Korbinian in Begleitung seines Kollegen Ulrich Satori am Morgen das Vorzimmer ihres Büros betrat. Er fing seinen Stolperer nämlich rechtzeitig ab. Und zwar bevor er mit seinem gesamten Lebendgewicht gegen den Schreibtisch von Frau Stockl donnern konnte, auf dem selbige mit gekreuzten Beinen und hochgerutschtem Rock hockte - die Augen geschlossen und die Hände in der Gebetspose eines buddhistischen Mönches ineinander gelegt. Aus einem Radiorecorder dudelte so etwas wie indische Weltuntergangsmusik. Oder womöglich war die ausführende Band auch noch dabei, ihre Instrumente zu stimmen; wer weiß, das ist ja heutzutage manchmal schwer zu definieren.

    Das mit dem hochgerutschten Rock der hübschen Sekretärin registrierte Ulrich Satori mit Vergnügen, der Rest aber ließ ihn ebenso die Stirn runzeln wie seinen Kollegen.

    »Ja Sakrafix!« Korbinian starrte missmutig auf den Boden. »Müssen S’ Ihre Schuhe direkt da mittendrin stehen lassen, Frau Stockl? Stellen S’ wenigstens a Warnschild auf oder eines für a Umleitung!« Er grunzte. »Und überhaupt, was machen S’ eigentlich? Ist Ihnen noch net aufgefallen. dass S’ nimmer daheim in Ihrem Bett liegen!«

    »Ommmh!«, machte Miriam Stockl und öffnete erst das eine und schließlich das andere Auge. »Sie haben mich brüsk aus meiner mentalen Konzentration gerissen, Sie unsensibler Trampel! Und von wegen Bett! Ich bin schon länger hellwach als Sie!«

    »Den Eindruck hab ich aber ganz und gar net, wenn S’ mir diese Feststellung verzeihen können!« Korbinian schnupperte, und als er die beiden Duftstäbchen entdeckte, die auf einer Untertasse energisch vor sich hin qualmten, rümpfte er die Nase. »Und was ist das für a stinkertes Zeug da? Wollen S’ irgendwas räuchern?«

    Frau Stockl schwang die Beine vom Schreibtisch und schlüpfte in ihre Schuhe. »Das täten Sie sowieso net verstehen«, stellte sie schnippisch fest. »Der Herr Satori schon eher, gell? Der hat bestimmt gleich gesehen, dass ich auf einer transzendentalen Tour durch mein tiefstes Inneres bin, und zwar, um mich selbst zu finden.«

    »Ähem.« Ulrich Satori nickte verdutzt. »Und? Wie nah sind Sie sich schon gekommen?«

    »Ich bin mir sozusagen dicht auf den Fersen«, erwiderte Frau Stockl. »Und Sie, Herr Hofer, sollten’s amal mit a bisserl mehr Gelassenheit probieren. Sie haben zum Beispiel noch net einmal >Guten Morgen< gesagt!«

    »Morgen«, brummte daraufhin der Hofer und drückte den Aus-Knopf des Radiorecorders. »Schluss jetzt mit dieser tibetanischen Trauermusik, so was macht mich sonst ganz damisch. Hätten S’ net wenigstens a Blasmusik einlegen können oder an Jodler?«

    »Ja Herrschaftszeiten!« Frau Stockl stemmte ihre Hände in die Hüften. »Warum sind S’ denn an einem so schönen Tag dermaßen schlecht drauf?«

    »Das war er auch schon auf der Fahrt hierher«, verkündete Ulrich. »Und das nur, weil seine Schwester ein neues Bett braucht. Beim alten is’ nämlich die Matratze durchgelegen.«

    »Des versteh ich net«, wunderte sich die Stockl. »Was ist denn da schlimm dran?«

    »Erstens, dass so ein Bett, wie’s die Marie haben will, einen Haufen Geld kostet.« Ulrich grinste. »Und zweitens, dass sie, so lange sie das neue Bett noch nicht hat, bei ihrem Freund Leo übernachtet und der Kollege Hofer sich während dieser Zeit sein Essen selber herrichten muss, vom Abspülen möcht ich gar net reden.«

    »Au weh, jetzt bring ich’s zusammen!« Miriam Stockl grinste boshaft. »Wenn ich mich recht erinner, kocht der Herr Hofer ungefähr so gut wie a Krähe singt. Da kann man sich grad wünschen, dass die Marie noch ein bisserl länger auf ihr Bett warten muss. Denn nachher kommen S’ uns bestimmt bald rank und schlank ins Büro, gell?«

    »Es gibt auch Fertiggerichte, die man bloß aufwärmen muss«, widersprach Korbinian genervt. »Und jetzt kümmerts euch amal net so rührend um mein leibliches Wohlergehen! Is’ da net irgendwas Interessantes, mit dem wir uns beschäftigen könnten?«

    »Jetzt, wo Sie’s sagen!« Fran Stockl nickte eifrig. »Da hat doch grad der Michi angerufen und gemeint, Sie zwei sollen so schnell wie möglich zum Lettner-Hof ’nauskommen!«

    »Wieso denn das?« Ulrich zog eine Packung Kaugummi aus der Tasche und schob sich einen Streifen in den Mund. »Hat der Herr Mohr bloß wieder wie üblich geplappert, oder hat er auch was Näheres gesagt?«

    »Doch, hat er. Dass da a tote Leiche wär, und zwar die vom Konrad Lettner.«

    »Eine Leiche!« Korbinian schnappte nach Luft. »A tote auch noch! Ja, Herrschaftszeiten! Hätten S’ uns des net eher sagen können?«

    »Jetzt stellen S’ Ihnen doch net a so an«, sagte Frau Stockl pikiert. »Eine Leiche is’ eine Leiche, oder? Die läuft Ihnen doch net davon!«

    Darauf fiel dem Korbinian so auf die Schnelle keine passende Retourkutsche ein, also zog er sich aus der Affäre, indem er sich umdrehte und grummelnd aus dem Sekretariat nach draußen auf den Flur walzte.

    »Herr Hofer!«, rief ihm die Stockl mit zuckersüßer Stimme hinterdrein. »Haben S’ net was vergessen?«

    Es dauerte nicht lange, und Korbinian streckte noch einmal seinen Kopf zur Tür herein. »Was is’ denn jetzt noch?«, grantelte er. »Was soll ich vergessen haben?«

    Miriam Stockl lächelte ihm zu, nunmehr nicht nur zucker-, sondern sogar honigsüß. Und dann sagte sie strahlend: »Ommmh!«

    »Sappralot! Sie mich auch!« Diesmal entfloh Korbinian so fix, dass der grinsende Ulrich förmlich einen Luftsog zu spüren glaubte, der seinem Kollegen folgte wie das Kielwasser einem Ozeandampfer …

    Der Lettner-Hof lag idyllisch zwischen sanften grünen Hügeln und ausgedehntem Mischwald eingebettet. An das große Wohnhaus schloss sich eine Scheune an, die wiederum an die Stallungen grenzte; und an deren Ende erhob sich schließlich ein Hochsilo, das man der schöneren Optik wegen mit Holz verkleidet hatte.

    Schaut alles aus, als wohnten hier nicht die ärmsten Leute, dachte Ulrich Satori, als sie durch ein schmiedeeisernes Tor auf den gepflasterten Hof eingebogen waren. Wer immer dem bedauernswerten Konrad Lettner als Erbe nachfolgte, würde bestimmt nicht schlecht dabei abschneiden.

    Was die Leiche anging, hatte Frau Stockl natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn weggelaufen war sie selbstverständlich nicht. Stattdessen lag der Tote offenbar bereits in einem Zinksarg, den zwei Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens soeben in einen Leichenwagen schoben. Sie machten dabei den Eindruck, als könnte sie nichts und niemand erschüttern.

    »Das wird auch allerweil besser!« Korbinian stieg aus dem Dienstwagen und schüttelte den Kopf. »Seit wann tragen die schon die Leiche davon, noch bevor wir überhaupt einen Blick darauf geworfen haben?« Er winkte Polizeihauptmeister Michael Mohr heran, der ein paar Meter abseits gelangweilt an seinem Streifenwagen lehnte. »Geh, Michi, wenn’s erlaubt ist, täten wir uns das Opfer gern noch einmal anschauen! Aber grad, wenn’s keine Umstände macht!«

    »Des war doch grad a Unfall«, entgegnete Michi achselzuckend und ignorierte die Ironie im Ton seines Vorgesetzten. »Der Doktor war sogar schon da und hat offiziell den Tod bescheinigt. Aber wenn ihr unbedingt wollts. Hallo, ihr da!« Die beiden Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens drehten sich nach ihm um. »Seids so nett und machts die Kiste noch amal auf, gell?« Die zwei Männer gehorchten achselzuckend.

    »Also, das is’ der Konrad Lettner«, sagte Michi Mohr. »Oder besser, das war er. Schaut aus, als tät er bloß schlafen, gell? Na ja, jedenfalls ist der arme Kerl in sei’m eigenen Silo erstickt. An Sauerstoffmangel, wenns mich fragts. Der hat scheint’s vergessen, dass er ’s Gebläse einschalt’; oder er hat’s net für notwendig gehalten.«

    Ulrich Satori betrachtete die Leiche eingehend. Mohr hatte Recht, der Tote schaute aus wie ein Schlafender. Bis auf die blasse, unnatürliche Gesichtsfarbe.

    »Sauerstoffmangel, hm?« Er klopfte Michi auf die Schulter. »Das is’ eine wirklich geniale Schlussfolgerung, Herr Mohr. Zumal Ersticken meistens mit Sauerstoffmangel einhergeht.«

    »Sag ich doch.« Der Polizeihauptmeister grinste. »War’s das? Ich mein’, kann der Lettner jetzt abtransportiert werden?«

    »Von mir aus«, nickte Korbinian, worauf die beiden Bestatter den Sarg wieder schlossen und die Heckklappe des schwarzen Wagens zufallen ließen. »Aber den Toten bringts mir zuerst in die Gerichtsmedizin, geil? Ich möcht eine genaue Obduktion mit der exakten Todesursache, habts mich?« Er tippte Michi mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Dafür bist du mir verantwortlich. Am besten fährst denen gleich hintennach.«

    »So a Schmarren«, murrte der Mohr. »Der Arzt hat doch gesagt, dass er erstickt is’. Was wollts denn an dem noch obduzieren?«

    »Frag net so blöd, tu’s einfach«, beschied ihm Korbinian. »Und sag einmal, der Tote war doch verheiratet, glaub ich? Wo is’ denn die Frau Lettner? Ist das die Dame da hinten auf der Bank?«

    Michi wies mit dem Daumen über seine Schuller und nickte. »Freilich, dort neben dem Haus. Sehr traurig ist die scheint’s net, wenn ihr mich fragts.«

    »Sie fragt aber jetzt keiner«, meldete sich Ulrich Satori zu Wort. »Und jetzt schleichen S’ Ihnen einmal, wir übernehmen ab jetzt. Wenn wir Sie brauchen, melden wir uns schon.«

    »Ja, wenns ihr wieder amal a Flasche Saft oder a Pizza ins Büro haben wollts«, maulte Michi und zog beleidigt ab. »Dafür is’ unsereins gut genug, gell? A Schand is’ das …«

    Er schimpfte noch eine Weile vor sich hin, stieg in den Streifenwagen und folgte dem Leichenauto, das bereits droben auf der Straße angekommen war.

    Korbinian schmunzelte. »Der gute Michi sieht sich allerweil schon als Kollege bei der Kripo, ha? Ich bin g’spannt, wann er den nächsten Antrag stellt. Man hört, er geht jetzt sogar aufs Abendgymnasium, damit er ’s Abitur nachmacht.«

    »Ich weiß«, erwiderte Ulrich säuerlich. »Letztens hab ich ihm nämlich seine Englisch-Hausaufgaben gemacht.«

    »Da schau her, das war aber a feiner Zug von Ihnen.« Der Hofer klopfte ihm auf die Schulter. »Ich befürchte nur, da wird der Michi sich noch öfter an Sie wenden, wenn S’ das jetzt einmal angefangen haben, Herr Kollege.«

    »Glaube ich kaum«, antwortete Ulrich und verzog das Gesicht. »Ich hab da ein paar … na ja, ein paar kleine Fehler hineingebaut. Und die Lehrerin hat dem Mohr gesagt, wer ihm bei den Aufgaben geholfen hat, der sollt das nächste Mal mit zum Unterricht kommen … er könnt’s brauchen.«

    »Tatsache?« Korbinian feixte. »Nehmen S’ das net so tragisch. Es is’ ja schon a paar Jahre her, dass Sie die Schulbank gedrückt haben.« Er tat so, als würde er nachdenken. »Vielleicht sollten Sie sich der Frau Stockl anschließen auf ihrer Reise ins transzendentale Innere. Wer weiß, vielleicht stoßen S’ da auch auf die Überreste von Ihren Englischkenntnissen!«

    Damit ließ er Ulrich stehen und machte sich auf den Weg zum Haus, vor dem Theresia Lettner, eine immer noch sehr attraktive Frau in mittleren Jahren, auf einer Bank saß und ihnen aufmerksam entgegensah.

    Der Michi Mohr hat Recht, dachte Ulrich kurz darauf, als er mit seinem Kollegen der Witwe gegenüberstand. Diese Frau schien tatsächlich nicht gerade vor Traurigkeit zu zerfließen. Vielmehr hatte er den Eindruck, sie sei eher wütend als betroffen.

    Natürlich wusste er, dass die Menschen ganz, unterschiedlich auf den Verlust eines Angehörigen reagierten. Manche taten so, als wäre überhaupt nichts geschehen, andere bekamen auf der Stelle Schreikrämpfe oder verfielen in tiefe Depressionen. Bei wieder anderen wurde aus dem Ganzen eine Art Cocktail, bei dem mal die eine, mal die andere Zutat an der Oberfläche schwamm.

    Die Frau Lettner zählte also, wie Ulrich konstatierte, offenbar eher zur ersteren Sorte. Fast halte er den Eindruck, als wäre ihr noch gar nicht aufgegangen, dass sie ihren Mann verloren hatte - und das auch noch auf eine nicht alltägliche Weise.

    »Setzen Sie sich doch.« Sie machte eine einladende Handbewegung, nachdem die Cops sich vorgestellt und kondoliert hatten. »Das is’ doch net zum glauben, oder? Wie hat der Konrad so blöd sein können? Wo er doch auch noch Asthma hat! Und nicht einmal das Gebläse ist gelaufen, wie ich hingekommen bin! Dabei is’ ihm dasselbe beinah schon amal passiert.«

    Korbinian nickte verständnisvoll. »Haben Sie ihn gefunden?«

    »Natürlich, der ist direkt hinter der offenen Silotür gelegen. Und nachher hab ich sofort beim Rettungsdienst und bei der Polizei angerufen. Ich kann ihn ja net allein herausziehen.« Sie holte tief Luft. »Die haben bloß noch seinen Tod festgestellt. Den muss es ganz plötzlich erwischt haben, dass er nimmer hinausgekommen ist. So a Leichtsinn, finden S’ net auch? Dabei heißt’s allerweil, ein gebranntes Kind scheut das Feuer!«

    Ulrich war etwas verwirrt. »Und Sie haben ihn nicht davon abgehalten?«

    »Meinen Mann?« Theresia Lettner lachte abfällig. »Da hätt ich mich genauso gut vor a Wand hinstellen und der etwas erzählen können! Der hat sich von keinem Menschen etwas sagen lassen, und von mir schon gleich gar net…«

    Sie wurde durch das Läuten des Telefons im Haus unterbrochen. »Entschuldigen S’, meine Herren. Des ist g’wiss die Sophie, mei’ Tochter. Ich hab vorhin in der Schul ang’rufen, dass sie sofort heimkommen soll.«

    »Kein Problem.« Ulrich und Korbinian erhoben sich höflich. »Wir gehen derweil einmal zum Silo ’nüber und schauen uns den Unglücksort an.«

    »Klären S’ mich amal auf«, sagte Ulrich kurz darauf, als sie an der Scheune vorbei auf das Silo zugingen. »Wie ist denn das mit dem Zeug, das da hineinkommt?

    »Das Zeug heißt man Silage«, erwiderte Korbinian. »Da wird vorher der Mais, das Gras, der Klee und was sonst da ist, klein gehäckselt und dann luftdicht abgedeckt.«

    »Und wozu soll das gut sein?«

    »Ja mei, das is’ landwirtschaftliches Grundwissen.« Korbinian seufzte. »Wie erklär ich das einem, der keine Ahnung hat davon? Also passen S’ auf, wenn das ganze Grünzeug luftdicht im Silo ist, dann vermehren sich darin die Milchsäurebakterien. Die Bakterien ihrerseits bringen den Zuckeranteil der Pflanzen zum Gären, daraus entsteht Milchsäure. Die verhindert das Wachstum von Fäulnisbakterien, was bedeutet, die ganze Silage wird für längere Zeit haltbar. Und außerdem schimmelt das Zeugs unter Luftabschluss nicht. Wenigstens theoretisch net. Verstehen S’?«

    »So einigermaßen«, antwortete Ulrich. »Jedenfalls, da dran kann man ersticken? Das kenn ich bisher bloß im Zusammenhang mit Güllegruben. In so einem Futterdepot dagegen …«

    Sie waren beim Silo angekommen, und Korbinian öffnete mit einiger Mühe die schwere untere Entnahmeklappe.

    »Ersticken?« Er zuckte die Achseln. »Na ja, wie gesagt, im Normalfall ist so ein Silo luftdicht abgeschlossen. Wenn einer da hineinsteigt, muss es zuerst einmal belüftet werden. Aber wenn das Ganze nicht so recht funktioniert und wenn derjenige auch noch Asthma hat wie der Lettner, dann kann das schon passieren. Wahrscheinlich ist ihm dazu auch noch schlecht geworden. Spannen Sie das, wie sauer das ganze Zeug riecht? Na, auf jeden Fall - wahrscheinlich ist er ohnmächtig geworden … und das war’s dann.«

    »Aha.« Ulrich warf einen skeptischen Blick ins Innere des kleinen Turms. »So viel ist ja nicht drinnen.«

    »Logisch, die Ernte kommt ja erst, da hätt’s der Lettner schon wieder aufgefüllt«, gab Korbinian zu bedenken. »Silage wird ja hauptsächlich als Winterfutter genommen, und der letzte Winter ist hart und lang gewesen. Da is’ auch bei mir allerhand aus’m Silo draufgegangen. Wenn S’ mir ab und zu im Stall helfen täten, wär Ihnen das aufgefallen.«

    »Ich wohn aber nur bei Ihnen auf’m Hof und arbeite nicht für Sie«, stellte Ulrich fest. »Außerdem, Sie haben doch gar kein Silo!«

    »Net so ein Hochsilo wie das da«, sagte Korbinian. »Bei uns daheim, das is’ a Flachsilo. Da wird die Silage mit dem Bulldog hineingefahren, zusammengedrückt und nachher abgedeckt. Sie sollten amal öfters rumschauen bei mir auf’m Hof, dann wüssten S’ das.«

    »Will ich das denn wissen?« Ulrich beugte sich nach vorn. »Für was ist die schwarze Folie da?«

    »Da könnten S’ aber auch selber draufkommen, wenn S’ mir zugehorcht haben. Damit wird’s luftdicht abgedeckt.« Korbinian kletterte ächzend ins Innere des Silos. »Silage ist sehr empfindlich gegen Sauerstoff, deshalb kannst auch immer nur kleinere Mengen entnehmen.« Seine Stimme klang hohl. »Hier ist der Lettner gelegen. Das sieht man noch ganz deutlich.«

    »Aha. Und wie lange wollen Sie jetzt da drinnen bleiben? Wollen Sie auch ein paar Dämpfe schnüffeln?«

    Korbinians Kopf tauchte in der Luke auf. »Ach gehen S’, die Tür kann noch net lang wieder zu sein. Da müsst vorher genug Luft hereingekommen sein.«

    Ulrich kratzte sich am Kopf. »Dann versteh ich das erst recht nicht. Der Lettner ist doch hineingeklettert, also muss die Tür bei ihm ja auch offen gewesen sein. Die Frau Lettner hat grad gesagt, dass sie immer noch offen war, wie sie ihren Mann gefunden hat. Da hätte er doch noch rauskommen müssen. Oder wenigstens nicht gleich über den Jordan schwimmen …«

    »Sagen S’ das net, bei ei’m Asthmatiker weiß man nie.« Er beugte sich vor. »Und was is’, wenn die Klappe gar net offen war?« Korbinian tippte auf die Stelle der Luke, wo der Riegel saß. »Da schauen S’ amal her. Wenn das keine Kratzer sind. Frische Kratzer, und zwar von innen!«

    »Wo?« Ulrich streckte den Kopf hinein. »Tatsächlich.«

    »Sag ich doch.« Der Hofer bückte sich kurz, um etwas aufzuheben. »Ein Taschenmesser. Die Klinge ist abgebrochen. Damit könnt man auch solche Kratzer verursachen.«

    »Sie meinen, der Lettner hat versucht, dass er damit die Verriegelung aufkriegt?«

    »Wenn die Tür zu war, bestimmt.« Korbinian kletterte wieder hinaus und verstaute das Taschenmesser in einer kleinen Klarsichttüte. »Wissen S’, was ich glaub? Dem Lettner hat einer die Tür vor der Nase zugemacht, wie er da drinnen gewesen ist. Und aufgemacht worden ist s’ erst wieder, nachdem er tot war.«

    »Das wäre …«, entfuhr es Ulrich, »… seine Frau?«

    »Das will ich damit net gesagt haben.« Korbinian bewegte die Luke mit sichtlicher Mühe hin und her. »Das is’ damisch schwer, das Trumm. Da hätt’ sich die Frau Lettner ganz schön plagen müssen.«

    »Hm«, machte Ulrich. Sein Blick war plötzlich voll Interesse auf den Boden vor dem Silo geheftet. »Da, schauen S’ amal.« Er zog dünne Plastikhandschuhe über. »Ein Packerl mit Zigarettenpapier. Sieht noch ziemlich neu aus, da fehlen nicht mehr als ein paar Blättchen.«

    »Also, dann hätt die Frau Lettner net nur ziemliche Kräfte, sondern sie dreht auch noch ihre Zigaretten selber«, sagte Korbinian. »Wie so a Mannweib schaut mir die gar net aus. Aber das is’ momentan eh wurscht, a paar Kratzer an der Tür und a Packerl Zigarettenpapier sind noch kein Beweis, dass die Frau gelogen hat und die Tür net offen gewesen wär, wie sie ihren Mann gefunden hat. Geschweige denn, dass sie ihn umgebracht hat.«

    »Ja«, entgegnete Ulrich Satori nachdenklich. »Warten wir ab, ob auf dem Taschenmesser die Fingerabdrücke vom Verstorbenen drauf sind. Das hieße nämlich, er hat es kurz vor seinem Tod benutzen wollen, um die Tür aufzukriegen, und

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