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Geheimnisvolle Suche
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eBook450 Seiten6 Stunden

Geheimnisvolle Suche

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Über dieses E-Book

Eric Kirsing, ein junger Pilot, entschließt sich zu einer Expedition zu den Bahamas, da seine Eltern mit ihrem Boot dort spurlos verschwanden. Er ist auf Sponsoren angewiesen, wenn er seine junge Firma nicht gefährden will. Um Interesse zu wecken, bemüht er den alten Mythos um das Bermuda-Dreieck, zumal die Bahamas eine der Begrenzungen darstellen. Doch auch der Aspekt interessiert lediglich den Herausgeber eines Skandalblattes, der jedoch Beweise fordert, dass seine Suchaktion erfolgreich sein kann. Eric sucht daraufhin andere Hinterbliebene auf, die Verwandte vor den Bahamas verloren haben. Diese wollen sich seinem Unternehmen anschließen. Doch nur Kristin Faltal steuert neue Erkenntnisse bei, die letztendlich den Sponsoren überzeugen. Ihr Vater war vor vielen Jahren von dort zurückgekommen, während seine Frau vor den Bahamas verschwand. Er hatte eine Tätowierung auf der Brust und ein identisches Amulett an einem unzerstörbaren Metallband mitgebracht. Das Amulett zersetzte sich bei seinem natürlichen Tod. Die Untersuchung des Bandes ergab, dass es aus einem Material besteht, dass auf der Erde nicht bekannt ist. Dies veranlasst den Herausgeber der Zeitschrift, persönlich an der Expedition teilzunehmen. Diese bunt zusammengewürfelte Truppe, die unterschiedlicher nicht sein könnte, begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse, ihren möglichen Tod in Kauf nehmend. Ihr Flugzeug stürzt ab und sie stoßen auf eine geheimnisvolle Welt, die bald erste Opfer fordert. Der bissige Humor Dagmars lockert die Stimmung auf. Trotz vieler Fehlschläge bleibt der Optimismus ungebrochen, ihre Verwandten zu finden.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum29. Sept. 2020
ISBN9783347118775
Geheimnisvolle Suche
Autor

Erwin Sittig

Erwin Sittig wurde 1953 in Güstrow geboren. Sein Studium an der TU Dresden schloss er 1977 als Dipl.-Ing. für Informationstechnik ab. Heute lebt der Schriftsteller mit seiner Frau in Ludwigsfelde. Da er auch Hobbyfotograf ist, erstellt er gelegentlich seine Cover selbst.

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    Buchvorschau

    Geheimnisvolle Suche - Erwin Sittig

    Geheimnisvolle Suche – Teil 1

    Eric Kirsing rutschte in seinem Sessel hin und her. Der Fernseher, schüttete drohend seine Nachrichten aus. Im Atlantischen Ozean gab es wieder mal ein Schiffsunglück. Es war nur ein kleines Schiff. Die Namen der Passagiere waren bisher nicht bekannt. Trotzdem erfasste Eric eine starke Unruhe. Eigentlich wartete er auf seine Lieblingsserie, von der er keinen Teil verpasste. Er liebte das Flair des Überirdischen und genau das fand er darin.

    Vielleicht hatte er darum diesen Drang, in die Wolken aufzusteigen, seine Füße der Erde zu entreißen, um zu sehen, was die Welt in luftigen Höhen für ihn bereit hielt.

    Seine Eltern waren wohlhabend und ermöglichten ihm die Mitgliedschaft im besten Fliegerclub der Stadt. Eric war stolzer Besitzer verschiedener Flugscheine. Sogar viermotorige Maschinen durfte er fliegen. Anfangs hatten seine Eltern Bedenken, bei dem Hobby ihres Sohnes, aber bald gestanden sie sich ein, dass sie gegen seine Leidenschaft nicht ankämen. Die Fluglehrer sprachen in höchsten Tönen von Eric. Er war kein Bruder Leichtfuß. Sein ganzes Leben schien in der Fliegerei aufzugehen.

    Im vergangenen Jahr hatten sich seine Eltern dazu durchgerungen, ihm eine eigene zweimotorige Transportmaschine zu schenken. Sein Traum erfüllte sich. Mit der Bürgschaft der Eltern gründete er ein kleines Transportunternehmen. ‚Trans-Eric‘ leuchtete in schwungvollen Lettern von seiner Maschine. Ein kunstvoll gestalteter Albatros, als Logo, schenkte der Firmenpräsentation den letzten Kick. Nachdem er gemerkt hatte, dass das Geschäft gut lief, kaufte er auf Kredit eine zweite Maschine. Ein Partner war schnell gefunden. Die Jungs in seinem Klub rissen sich darum, zumal sie nur wenig Kapital einzubringen hatten. Eric entschied sich für Egon Bartsch. Er war zwar nicht seine Kragenweite, aber der beste Pilot in der Mannschaft. Da konnte man schon mal über seine vulgäre Ausdrucksweise hinwegsehen. Mit ihm lief das Geschäft zur Zufriedenheit weiter. Sie hatten eher zu viele Aufträge, als zu wenig. Außergewöhnliche Transporte schreckten die beiden Aufsteiger nicht ab. Größeres Risiko bedeutete höherer Gewinn. Solange die Kredite nicht abbezahlt waren, bevorzugten sie diese Art Aufträge. Dadurch hatten sie schon eine Menge von der Welt gesehen.

    Irgendwie ähnelte er da seinen Eltern. Auch sie stürzten sich in immer neue Abenteuer. Als Tierfilmer hatten sie sich, mit spektakulären Dokumentarfilmen, einen Ruf aufgebaut, der viele Sponsoren anlockte. Zur Zeit hielten sie sich irgendwo im Atlantischen Ozean auf. Die Inselgruppen hatten es ihnen angetan, wo das Leben noch unberührt dahinstürmte oder zumindest Aufnahmen mit Seltenheitswert versprach.

    Der Atlantische Ozean war riesig. Dieses kleine verschollene Schiff, das eine lohnende Schlagzeile für die Medien bot, musste nichts mit seinen Eltern zu tun haben, aber es war genauso gut möglich.

    Schon lange hatte er nichts mehr von ihnen gehört, obwohl sie gewöhnlich mindestens einmal in der Woche bei ihm anriefen. Inzwischen war ein Monat ohne Nachricht vergangen. Er beschloss, der Sache nachzugehen. Er würde sich bei ihrem Manager erkundigen. Plötzlich schreckte Eric hoch. Ein Begriff, der seit Ewigkeiten die Menschen in Atem hielt, schraubte seine Unruhe in schwindelerregende Höhe - das Bermuda-Dreieck.

    Schon lange gab es keine Hiobsbotschaft mehr, was diesen Bereich des Atlantischen Ozeans betraf. Lag es daran, dass Schiffe und Flugzeuge diese Gegend inzwischen mieden? Wo befand es sich überhaupt? Eric hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. Aber dass es im Atlantischen Ozean liegt, war ihm bekannt. Waren es nur Fantastereien? Die Menschen steckten gern alles, was man nicht zu klären im Stande war, in einen großen mystischen Sack. Eric hatten solche Legenden schon immer fasziniert. Er war sicher, dass sie keinen Grund für seine Eltern darstellen, eine andere Route zu wählen. Gerade das stellte eine Herausforderung dar. Vielleicht war ausgerechnet dieses Gebiet ein Paradies für Tierfilmer.

    Eric hielt die Ungewissheit nicht länger aus. Er rief den Manager seiner Eltern an. Ihm war egal, welche Uhrzeit dort den Ton angab, er brauchte Sicherheit. Das Funktelefon verhöhnte seine Sorgen, indem es ihm mitteilte, dass der Teilnehmer momentan nicht erreichbar wäre. Widerwillig sprach er seine Nachricht auf die Mailbox, in der Hoffnung bald einen Rückruf zu erhalten. Seine X-Akten versuchten ihn vergeblich, zu fesseln. Eric konnte sich auf seine Lieblingsserie nicht konzentrieren.

    Er beschloss, eine Disko zu besuchen, um sich abzulenken. Der Anrufbeantworter war auf Bereitschaft, um jede beliebige Nachricht für ihn zu speichern, egal welche, Hauptsache eine Nachricht.

    Auch bei Kristin Faltal lief diese Nachrichtensendung. Sie zuckte zusammen, als das Bermuda-Dreieck ihr Zimmer stürmte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Ihr Blick saugte sich am Bildschirm fest. Die Bilder verschwammen. Sie fasste sich an die linke Brust und ließ die Hand darauf ruhen. Die Augen hielten die Fülle der Tränen nicht mehr und ergossen einen warmen Strom über ihre blasse Gesichtshaut. Die Nase war wie verstopft und delegierte ihre Aufgabe auf den mühsam atmenden, offenen und ungeschminkten Mund. Der salzige Geschmack ihrer Tränen erreichte ihre Zunge, die bemüht war, die trockenen Lippen von der lästigen Feuchtigkeit zu befreien. Sie kam wieder zu sich und zwang sich, den Blick vom Fernseher zu lösen. Kräftig zog sie die Nase hoch, um sie frei zu bekommen. Sie wischte mit dem Ärmel ihrer locker sitzenden Bluse über die Augen und schaute traurig auf ihre Hand, die immer noch auf ihrer linken Brust lag. Langsam zog sie sie zurück und gab den Blick auf eine hühnereigroße, farbige Tätowierung frei. Einen Büstenhalter brauchte sie nicht. Die Natur hatte es nicht sonderlich gut mit ihr gemeint. Sie war zwar schon 22 Jahre alt, aber ihre Brüste kamen über die Größe einer klitzekleinen Mandarine nicht hinaus.

    Sie sehnte sich nach den begehrenden Blicken der Männer, die sie so freigiebig an andere Mädchen verschenkten. Nur weil sie ihre prallen Brüste im Spiel um die Kerle einsetzten, nahmen sie ihr jede Chance, einen Mann für sich zu interessieren, zumindest in den Diskotheken. Es waren immer vollbusige Schönheiten in ihrer Nähe, die sie zum Mauerblümchendasein verurteilten. Selbst ihre Freundinnen kümmerten sich selten um sie, wenn erstmal ein Objekt der Begierde an der Angel hing. So kämpfte sie jedes Wochenende mit ihren unerfüllten Sehnsüchten.

    Besonders schwer war es für sie, sich diese Tätowierung in die Haut stechen zu lassen.

    Aber es musste sein. Und das genau an dieser Stelle. Auch ihr Vater hatte dieses Motiv - eine halbe Hand breit über der linken Brustwarze.

    Vor drei Jahren war er gestorben. Sie hatte niemanden mehr. Nur die Oma besuchte sie gelegentlich. An Vater und Mutter erinnerten sie nur deren Fotos.

    Ihre Eltern waren im Bermuda-Dreieck verschollen. Sie war noch klein, gerade 8 Jahre alt. Sie litt unermesslich unter dem Verlust der Eltern. Sieben Jahre später tauchte ihr Vater plötzlich wieder auf. Er war verstört und sagte kaum ein Wort. Diese Tätowierung auf der Haut, brachte er von seiner Reise mit. Eingeborene hätten ihn damals gerettet, als ihr Boot sank, während seine Frau in die Tiefe gerissen wurde. Er hatte auf einer abgelegenen Insel gelebt, zu der keine Schifffahrtswege verzeichnet waren. Recherchen hierzu verliefen ergebnislos - eine Ausrede? Die Tätowierung sei ein Werk der Eingeborenen gewesen. Doch er sprach nie über seine Zeit auf der Insel und wurde ungehalten, wenn Kristin das Thema aufgriff. Er hütete sein Geheimnis bis zum Grab. Wie schrecklich seine Erlebnisse waren, kam erst auf seinem Sterbebett zu Tage.

    Passend zu seiner Tätowierung, hing um seinen Hals ein Amulett. Es zeigte, bis ins kleinste Detail, das gleiche Motiv. Nicht einen Tag, hatte er dieses Amulett abgelegt. Es war aus einem seltsamen Material. Es fühlte sich wie Leder und gleichzeitig wie ein Gummibärchen an.

    Sie hielt es nur ein einziges Mal in der Hand - als ihr Vater starb.

    Eine Woche nach ihrem 19. Geburtstag rief man sie an sein Bett. Es sei die letzte Gelegenheit, ihm ‚auf Wiedersehen‘ zu sagen.

    Es fiel ihm schon schwer, zu sprechen. Immer wieder fuhr seine Hand an das Amulett, als ringe er mit sich, ihr ein großes Geheimnis zu offenbaren. Doch seine Stimme erstickte, sobald er zum Reden ansetzte, während er schmerzerfüllt seine Tochter ansah und ihre Hand drückte. Sie hätte ihn gern anders in Erinnerung behalten, nicht mit den vielen Elektroden auf seinem Körper.

    Ein letztes Mal nahm er das Amulett in die Hand und schaute es intensiv an. Dann wich sein Leben aus ihm und kraftlos sank seine Hand neben das Bett. Tränen waren Kristin nicht vergönnt. Ein dumpfer Schmerz lag wie ein gewaltiger Druck auf ihr. Das Amulett fiel direkt auf sein Gesicht. Zur gleichen Zeit nahm sie ein Geräusch wahr, als erklänge ein Chor von zirpenden Grillen. Gedankenverloren entfernte sie das Amulett von seinem Gesicht, das ihm so viel bedeutet hatte. Es fühlte sich kalt an, obwohl es ständig Kontakt mit seinem Körper hatte.

    Sie spürte, wie es sich langsam erwärmte. Das Gefühl von Leder und Gummibärchen verlor sich. Sie merkte, wie das Amulett weich wurde, sich verformte und sich letztendlich, in ihren Händen, zu einer grünlich, schleimigen Masse auflöste. Sie schrie vor Entsetzen auf und rannte zum Waschbecken, um sich das eklige Zeug von der Haut zu waschen.

    Immer wenn sie sich die Fotos ansah, wurde sie daran erinnert, wie kostbar dieses Amulett für ihren Vater gewesen war. Hatte er darüber eine Verbindung zu ihrer Mutter?

    Vor einem Jahr fasste sie diesen schweren Entschluss. Zweifellos hatte das Amulett eine tiefe Bedeutung für ihre Eltern. Es wäre wundervoll, etwas bei sich zu haben, was sie stets an sie erinnert. Zum Glück hatte sie genug Fotos, die ein scharfes Bild der Tätowierung wiedergaben. Genau diese, sollte sie immer begleiten.

    Ihre Scham zu überwinden, war eine Herausforderung. Dort wo die Tätowierung ihren Vater schmückte, würde sie das Motiv stechen lassen. Sie hatte sich extra einen BH besorgt. Sie hoffte, dass es ohne Striptease möglich sein würde, ihr Vorhaben zu verwirklichen. Der Wunsch verstärkte sich, als sie ein junger Mann begrüßte, der ihren Auftrag übernommen hatte.

    „Kriegen Sie die auch genau so hin?", fragte sie vorsichtig.

    „Zeigen Sie mal her." Lange schaute er darauf. Dann legte er das Foto auf den Kopierer und stellte eine Vergrößerung her.

    „Eine schöne Arbeit, wo möchten Sie die hinhaben?"

    „An die gleiche Stelle, wie auf dem Foto." Sie errötete, als die Worte heraus waren.

    Der Jüngling zog eine erwartungsfrohe Grimasse und forderte sie auf, den Oberkörper zu entblößen.

    „Alles?", fragte sie zaghaft.

    „Natürlich alles! Oder wollen Sie das Bild auf der Kleidung tragen?"

    Genüsslich sah er ihr zu, wie sie die Bluse auszog. Dann fiel schlagartig die Enttäuschung auf sein Gesicht. Sie hätte ihn dafür am liebsten ausgepeitscht. Einen kurzen Augenblick überlegte Kristin abzubrechen, um einen anderen Laden aufzusuchen. Doch es war ungewiss, was sie dort erwarten würde. Sie wollte ihren Körper nicht der ganzen Stadt zur Schau stellen. Wer weiß, ob sie sich ein zweites Mal überwinden kann.

    Sie legte schnell den BH ab und sich auf die Pritsche. Dann schloss sie die Augen, um die peinliche Situation nicht zu sehen.

    Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Knabe anfing. Als er ihre Haut desinfizierte, oder wer weiß, was es war, zuckte sie zusammen. Noch nie hatte ein Mann den Wunsch, sie dort zu berühren. Sie stellte sich oft die Frage, ob es an ihr oder dieser verdammten Miniausgabe von Brust lag. Aus diesen Minderwertigkeitsgefühlen heraus, kapselte sie sich immer mehr ab. Sie wurde patzig, abweisend und aggressiv. Die Männer waren alle Schweine. Zu oft hatten sie sie verletzt. Und jedes Mal hatte sie den Eindruck, dass es an diesen unscheinbaren Beulen lag.

    Eine warme Hand legte sich auf ihre Brust. Empört wollte sie hochfahren, doch dann sah sie, dass das Interesse des Mannes nur der Vorbereitung ihrer Haut galt. Sie schloss die Augen und genoss das Gefühl warmer, sanfter Hände. Wider Willen wurden ihre Brustwarzen hart, was sie mit einem erneuten Erröten begleitete. Wie unabsichtlich strich der Jüngling darüber, worauf sich ihr Brustkorb etwas stärker hob und senkte. Der Kerl musste, unter der aufgelegten Hand, ihren erhöhten Herzschlag spüren.

    „Ruhig, Lady, sagte er. „So doll werden die Schmerzen nicht sein.

    Gott sei Dank hatte er nicht die wahre Ursache ihrer Erregung erkannt. Es wäre noch peinlicher. Dann registrierte sie die ersten Stiche und langsam fand sie zur normalen Atemfrequenz zurück.

    Nun stand sie öfter, nach dem Duschen, vor dem großen Spiegel und betrachtete sich. Es war eine gelungene Arbeit und es erregte sie jedes Mal. Immer erinnerte sie sich dabei an die sanften Hände, die dieses Werk vollbracht hatten.

    Als sie sich heute betrachtete, war es anders. Die Hände wurden durch das Bermuda-Dreieck ersetzt. Sie konnte sich nie etwas darunter vorstellen, aber dieses Stückchen Erde war für sie verlorene Elternliebe und ein nicht zu löschendes Leid.

    Sie traute sich in den nächsten Tagen nicht mehr, das Fernsehgerät einzuschalten. Diese Nachrichten hatten in ihrem Kopf nur Schmerz erzeugt.

    Sie zog sich an und kam unweigerlich an dieser Wand vorbei, wo Bilder aus glücklichen Tagen daran erinnerten, dass sie zu einer Familie gehörte. Kunstvoll hatte sie diese Galerie eingerichtet. Am liebsten hatte sie dieses Gruppenporträt, das sie von einem Fotografen anfertigen ließen.

    Ihre Mutter war eine schöne Frau. Ihr warmes Lächeln legte sich über das ganze Bild und schien der Familie Halt zu geben. Der Blick des kleinen Mädchens Kristin, streckte sich zur Mutter empor und wurde von einem unbeschwerten Lachen begleitet. Die Augen des Vaters suchten bewundernd seine Frau. Sie war der Quell dieser glücklichen Familie, bis alles mit dieser verfluchten Reise zerbrach.

    Kristin hatte vergessen, was ihre Eltern damals in diese Gegend getrieben hatte. Doch das Bermuda-Dreieck setzte sich in ihr fest, wie bei anderen Kindern „der schwarze Mann".

    Lange hatte sie ihren Schmerz verdrängt, bis diese Nachrichten in sie einstachen.

    Sie hielt es in ihrer Wohnung nicht mehr aus. Nichts wie raus. Sie schnappte sich ihre Jacke und verließ überstürzt das Haus.

    Die Disko war laut und rauchgeschwängert. Die richtige Kombination, um zu vergessen.

    Eric vollführte einen Rundflug durch den Saal, wie er es nannte. Viele hübsche Mädchen verstanden es, durch geschmeidige Bewegungen ihren Körper zur Geltung zu bringen. Als wäre es ihre Berufung. Die Kleidung betonte ihre Formen und ein Chor von Balzrufen schwirrte durch die Luft. Die Herren der Schöpfung versuchten, durch albernes Machogehabe zu überzeugen. Eric hatte sich schon oft gefragt, ob aus diesen Beziehungen überhaupt etwas Dauerhaftes hervorgehen kann. Und doch zog es ihn immer wieder hier her. Sein Herz hatte jedoch andere Vorstellungen als seine Augen. Er wusste, dass er bei den Mädchen ankam, auch wenn er eher zurückhaltend auftrat. Er suchte heute Ablenkung. Dabei war ihm egal, was die Ablenkung für ein Mensch war. Er benötigte Spaß, der seine Sorgen tötet.

    Die Suche verlief kurz. Es gab genug Mädchen, die nur deswegen hier waren.

    Kaum saß er an der Bar, da stand sie schon neben ihm, mit einem Blick voll unbändigem Durst.

    „Hallo Süßer. Wieso ist so ein Prachtexemplar, wie du, allein hier?"

    Eric hasste diese billigen Anmachen. Aber sie war ein Mädchen, das durchaus aus einer Illustrierten herausgefallen sein könnte. Eine schwarze Löwenmähne passte perfekt zum braunen Teint und den vollen, knallig roten, Lippen. Ein superkurzer, Stretch-Minirock betonte ihre langen Beine und endete unter einem sonnenbankgebräunten, straffen Bauch, der sich mit makelloser Haut präsentierte. Ein eng anliegendes, hellblaues Bustier aus feiner Baumwolle drängte sich an ihre wohl geformten, prallen Brüste und versprach einen heißen Abend. Das Bustier stand unten so weit ab, dass man gern einen unauffälligen Blick aus der Tiefe riskiert hätte, wenn gütigerweise eine Kleinigkeit zu Boden gefallen wäre. Für Eric lag sie schon wie auf dem Transportband, vor der Kasse am Supermarkt. Nur noch ein paar Drinks spendieren und er würde seine Sorgen im Bett zerquetschen.

    „Was trinkst du?" Er kramte dabei sein strahlendstes Lächeln heraus. Aber es war etwas ramponiert. Er wühlte es von ganz unten hervor. Das Mädchen bemerkte davon jedoch nichts. Sie kannte ihn nicht.

    „Einen Schlüpferstürmer", säuselte sie und präsentierte ihm, mit einer gekonnten Drehung ihres Oberkörpers und sich leicht senkenden Lidern, ein vielversprechendes Lächeln.

    Fast alle gemixten alkoholischen Getränke hatten ähnlich anzügliche Namen. Eric gefielen die primitiven Gepflogenheiten in dieser Disko nicht so recht. Aber seine ganzen Freunde verkehrten hier, so weit man sie Freunde nennen konnte. Es waren eigentlich nur die Kumpel aus dem Fliegerclub. Dort wurde er anerkannt. Durch sie lernte er dieses andere Leben kennen. Zugegeben, er ertappte sich manchmal dabei, dass es ihm gefiel, aber es war nicht sein Leben.

    Eric bestellte die Drinks und begann eine oberflächliche Unterhaltung mit dem Mädchen, das an seinem Angelhaken zappelte. Schon die Tatsache, dass er Pilot war, erhob ihn zum Star für sie. Er konnte es sich nicht erklären, aber die Mädchen verbanden mit diesem Beruf immer die Vorstellung von heißem Sex. Das kam ihm heute gelegen, versprach es doch schnellen Erfolg.

    Als er die zweite Runde Schlüpferstürmer bestellte, rief jemand seinen Namen durch den Saal. Es war Erics Partner Egon. Das fehlte ihm noch.

    „Hallooooo, platzte er heraus, während sein Blick ungeniert auf den Brüsten der schwarzhaarigen Schönheit hängen blieb. „Da hast du dir ja ein exquisites Appetithäppchen rausgepickt. Dann strich er langsam mit der Längskante seines Zeigefingers über ihre Brust. „Sind die echt, Püppi?"

    Eric, kannte solche Aktionen von Egon. Er wollte sich für das Mädchen starkmachen, doch die kam ihm zuvor. Sie griff blitzschnell zwischen Egons Beine und drückte kräftig zu, dass er sich vor Schmerz krümmte.

    „Hast du dein Gehänge im Pfandhaus, oder warum habe ich eben ins Leere gegriffen, Schnullerboy?"

    Eric konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Das hätte er der Kleinen nicht zugetraut.

    Egon rappelte sich schnell wieder hoch.

    „Dann werd ich mal nicht länger stören", maulte Egon.

    „Lass dein gutes Stück vorher versichern, Eric, bevor du deine Reitstunden nimmst." Missgelaunt zog er davon.

    Eine fiese Ratte, aber der beste Pilot. Manchmal bereute Eric, gerade ihn zum Partner genommen zu haben. Er kochte vor Wut. Die Lust, hierzubleiben, war ihm vergangen.

    Er stammelte eine Entschuldigung und verabschiedete sich von der Schönheit.

    „Darf ich mitkommen?", fragte sie mit einer Schüchternheit, die so gar nicht zu ihr passte.

    „Tut mir leid, ich bin heute nicht in Stimmung für ….. so was."

    „Für was?"

    Es wurde ihm peinlich. Er druckste herum.

    „Na, du weißt schon …. ich meine, ich mag heute nicht."

    „Was?" Es bereitete ihr Freude, ihn zu verunsichern.

    Eric war das zu blöd. Er schaute sie eine Weile an und drehte sich dann um und ging.

    Schnell holte sie ihn ein und hielt ihn am Arm zurück.

    „Du denkst, ich hab‘ nur das Bumsen im Kopp?….. Nimm mich mit und ich beweise dir das Gegenteil."

    Sie schaute ihn so bittend an, dass er kurz nickte und sie an der Hand hinter sich herzog.

    Es war angenehm, als sich die laute Musik langsam entfernte und die milde Abendluft seinen Kopf erfrischte. Schweigend lief das Mädchen neben ihm her. Sie wartete, bis Eric das Gespräch eröffnete. Es war ihm anzusehen, dass er ein Problem mit sich herumschleppte.

    „Wie heißt du eigentlich?"

    „Sarah."

    „Ich heiße Eric." Sie schlenderten schweigend weiter.

    „Warum wolltest du unbedingt mitkommen?"

    Sie war froh, dass er das fragte.

    „Weil du anders bist, als die anderen Kerle. Du siehst in mir nicht nur eine Sexpuppe von Beate Uhse."

    Es war paradox. Gerade vorhin hatte er die Vorstellung vom Supermarkt.

    „Du irrst dich. Ich bin nur deswegen dort hingegangen."

    „Mag sein. Aber ich habe dich beobachtet. Du gehörst nicht dahin. Du hast Seele. Die andern haben sie längst verkauft. Sie sind nicht mehr fähig, über sich selbst hinaus zu denken."

    „Wenn dich das so stört, warum gehst du dahin?"

    „Wo kann ich sonst hingehen? Im Nähzirkel ist es ätzend und es machen ziemlich wenig Jungs dort mit. Für den Seniorenklub fehlen mir noch ein paar Jährchen und in den Billardclubs gibt es auch keine besseren Typen."

    „Versuches mit einer Anzeige."

    „Bin ich ein Grufti? Auf so was antworten doch nur Schlaftabletten ….. Außerdem habe ich dich gefunden."

    „….. An mir wirst du nicht viel Freude haben. Ich fürchte, ich bin eine von diesen Schlaftabletten."

    „Manchmal ist Schlafen gesund."

    Eric blieb stehen. Er hatte sich in Sarah getäuscht. Sie schien ein ganz patentes Mädchen zu sein. Ihre Stirn zog sich in Falten, als sie ihn erwartungsvoll ansah.

    Ihm gefiel nicht nur ihre Art, auch ihre Stimme hatte einen angenehmen Klang, was für ihn ein wesentlicher Punkt für erotische Ausstrahlung war. Sie waren vor seiner Wohnung angekommen.

    „Kommst du auf einen Sprung mit hoch. Wir könnten noch einen Schluck trinken. Aber Schlüpferstürmer kann ich dir nicht bieten."

    Ohne zu antworten, folgte sie ihm.

    „Bitte setze dich, ich muss nur noch schnell was nachsehen."

    Er schloss die Wohnungstür, während sie die Jacke auszog und sich dann aufs Sofa setzte.

    Eric erfasste die alte Unruhe. Wie vor einer Ziehung der Lottozahlen begann sein Herz wieder zu hüpfen.

    Teilnahmslos starrte ihn sein Anrufbeantworter des Computers, ein Symbol auf dem Display, an. Eric sah sofort, dass eine Nachricht angekommen war. Warum zögerte er? Vielleicht würde sie ihm eine angenehme Gewissheit bringen. Wenn bloß dieses „vielleicht" nicht wäre.

    „Eine schöne Wohnung hast du." Sarah war aufgestanden und lief im Zimmer herum.

    Ja, seine Eltern hatten ihm immer ein angenehmes Leben ermöglicht. Aber er hatte sich nicht auf die faule Haut gelegt. Er wusste, was er ihnen schuldig ist. Irgendwann würde er es wieder gutmachen.

    Fasziniert schlenderte Sarah durch den Raum. Von allem hatte er das Modernste.

    Ein leistungsstarker Computer war für ihn Videoanlage, Fernseher, CD-Player und Fax. Mit dem Zugriff aufs Internet stand ihm die größte Bibliothek der Welt zur Verfügung, die ihn hoffentlich in seiner Angelegenheit vorwärts bringen wird.

    Alles ordnete sich perfekt in eine maßgeschneiderte Möbellandschaft ein, die schon fast an moderne Architektur erinnerte. Geschwungene Linien verbanden sich gekonnt mit einfachen geometrischen Formen, die in dezenten Pastelltönen eine behagliche Atmosphäre entstehen ließen. Sarah wandelte in ihrem Diskolook wie durch ein Traumland. Sie stach grell von dem Flair der Wohnung ab und ordnete sich zugleich, durch ihre makellose Schönheit, perfekt in das Bild ein. Für einen Moment vergaß er den Anrufbeantworter. Ein kurzes Glücksgefühl entführte ihn, während er tief durchatmete. Dann riss er sich los und widmete sich erneut der kleinen, blinkenden Ikone auf dem Computerschirm.

    Sie wollte ihre Last loswerden.

    Eric berührte mit dem Finger die Ikone, worauf sie sofort ihr Blinken aufgab und die gespeicherten Informationen preisgab.

    „Hallo Eric!" Eric erkannte an der Stimme sofort, dass es der Manager seiner Eltern war.

    „Es tut mir leid, dass ich dich nicht früher benachrichtigt habe, aber ich wollte dich nicht beunruhigen. Die Vermisstenmeldung, von der du wahrscheinlich übers Fernsehen erfahren hast, habe ich aufgegeben. Du kannst mich zu jeder Zeit anrufen. Ich werde in Bereitschaft bleiben. Mach dir keine Sorgen."

    Das war’s. Sarah wurde hellhörig. Nun ahnte sie, welches Problem er hatte. Sie sah ihm an, dass er sie nicht einweihen wird. Mit zittrigen Händen goss er ihr ein Glas Bourbon ein und trank seins auf einen Zug aus. Sie verstand seinen bittenden Blick und zog sich wieder auf‘s Sofa zurück.

    Wie auf einem Klavier tippte Eric verschiedene Ikonen auf dem Bildschirm an, die immer neue Menüs öffneten, bis er die gewünschte Telefonverbindung hatte. Der Lautsprecher war eingeschaltet, so dass er sich bequem im Kniestuhl zurücklehnen konnte, während er sprach. Die Hände hatte er hinter dem Kopf verschränkt und wartete mit geschlossenen Augen auf das Freizeichen.

    Marianne hatte das Geschäft mit ihrem Kunden hinter sich gebracht. Langsam zwängte er seine schwabbeligen Massen wieder in die dafür zu engen Klamotten. Es kostete sie diesmal sehr viel Überwindung, Liebe vorzugaukeln. Der Kunde war zufrieden. Sein entspanntes Gesicht war sogar zu Scherzen fähig. Bevor sich Mary, wie sie hier genannt wurde, mit ihm beschäftigte, stand ihm der Frust auf der Stirn.

    Mary war eine Zauberin. Sie gab verzweifelten Menschen etwas Wärme mit auf den Weg, was diese innerhalb von Minuten veränderte. Auch wenn sie als Prostituierte keine staatliche Anerkennung fand, so war sie doch davon überzeugt, dadurch so manches Verbrechen verhindert und einige Ehen gerettet zu haben.

    Sie liebte ihren Beruf nicht, aber sie hatte keine andere Wahl. Seit dem Tod ihrer Eltern vermisste sie deren Unterstützung. Das bisschen, was sie geerbt hatte, war schnell verbraucht. Als Langzeitarbeitslose war die Wohnung bald nicht mehr zu halten. Sie zog in eine Bude über einer alten Kaschemme.

    Ein beschissenes Leben. Eine Bekannte hatte sie überredet, es einmal zu versuchen.

    Es war widerlich, aber man gewöhnte sich daran. Und das Geld stimmte.

    Sie hatte nie den großen Sprung zur Edelnutte geschafft, aber ihre Kunden kamen gern zu ihr. Sie war eine gute Schauspielerin.

    Sie konnte es kaum erwarten, bis die Schwabbelbacke ihr Apartment verlässt, um sich unter der Dusche reinzuwaschen. Sie duschte nach jedem Kunden.

    Sie stellte das Radio an, um nicht nur das ununterbrochene Geplapper des Dicken ertragen zu müssen. Es war Nachrichtenzeit.

    Eine monotone Stimme berichtete von Dingen, die sie nicht interessierten. Dann ein Signal, dass sie zu höchster Aufmerksamkeit zwang. Vom Bermuda-Dreieck war die Rede.

    „Ha,ha, ich war auch gerade im Bermuda-Dreieck verschwunden", gab der Kunde zum Besten, wobei er sich über seinen Scherz köstlich amüsierte.

    „Halt die Schnauze!", zischte Mary und warf ihm einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete. So etwas waren ihre Kunden nicht gewohnt. Umso mehr erschreckte es den Mann und ließ ihn augenblicklich verstummen. Er zog sich hastig an, legte das Geld auf die Kommode und verließ, sich dienernd verabschiedend, den Raum.

    Wieder wurde ein Schiff vermisst. Und wieder in diesem verdammten Bermuda-Dreieck.

    Sie wusste auch nicht, warum sie so versessen darauf war, jedes Wort der Nachricht in sich aufzusaugen. Es würde ihr keine neuen Hinweise auf den Verbleib ihres Vaters bringen.

    Er wurde zwar für tot erklärt, aber war er es wirklich?

    Sie nahm einen großen Schluck Weinbrand aus der Flasche, aus der sie sonst gelegentlich ihren Kunden etwas anbot. Ein angenehmes Brennen heizte ihren Körper auf, der sie daran erinnerte, dass sie eine heiße Dusche nehmen wollte.

    Als sie sich auszog, eigentlich war es nur der Morgenmantel, dachte sie an das zurückliegende Leben. Sie war nicht mehr die Jüngste, so Mitte dreißig. Was würde ihr das künftige Leben noch bringen? Wenn sie genug zusammengespart hat, wird sie ins Ausland umsiedeln, weg von den bösen Erinnerungen.

    Heiß prasselte das Wasser auf sie nieder, so dass sie die Temperatur herunterstellte.

    Mit jedem Tropfen rückten die eben gehörten Nachrichten wieder in die Ferne. Vorbei ist vorbei.

    Endlich meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Eric lauschte nach dem anfänglichen Begrüßungsgeplänkel den Auskünften des Managers.

    Seit zwei Wochen waren seine Eltern überfällig. Er wusste nicht die genaue Route, auf der sie die Tieraufnahmen geplant hatten, aber sie verlief zumindest in der Nähe des Bereiches, den man das Bermuda-Dreieck nannte. Das Schiff war nur für zwei Wochen gemietet und nun schon vier Wochen unterwegs, ohne sich über Funk gemeldet zu haben. Der Besitzer des Schiffes forderte vom Manager die Kosten für den Verdienstausfall. Dieser schaltete sofort den Rettungsdienst ein, der mit Hubschraubern eine Suchaktion startete. Es fand sich nicht die geringste Spur. Schließlich stellten sie die Suche ein.

    Man entschloss sich, den Verlust des Schiffes bekannt zu geben. Der Versuch, Trost zu spenden, dass immer noch Hoffnung bestehe, solange keine Trümmer oder andere Zeichen gefunden wurden, stieß bei Eric auf taube Ohren. Für ihn pflanzte sich die Vermutung als Gewissheit ins Hirn. Eine andere, als er sich erhofft hatte, aber Gewissheit.

    Die ganze quälende Unruhe fiel von ihm ab. Er ließ beide Arme sinken und saß reglos da.

    Sarah ahnte, was in ihm vorging. Sie war behütet aufgewachsen und musste, außer beim Tod ihres Großvaters, nicht annähernd solche Schicksalsschläge bewältigen.

    Sie goss ihm erneut ein und reichte ihm das Glas. - Keine Reaktion.

    „Du darfst dich jetzt nicht hängen lassen, Eric." - Keine Reaktion.

    „Der Mann hat Recht, es gibt noch Hoffnung. Vielleicht sind sie irgendwo gestrandet."

    Sie kauerte sich vor ihm hin und versuchte in seinen leeren Augen zu lesen.

    „Du wirst sehen, nicht mehr lange und sie klingeln an deiner Tür." - Keine Reaktion.

    Sie hoffte, dass es jetzt klingeln würde, damit er wenigstens aus seiner Lethargie erwache, aber es geschah nichts. Sie stand auf. Es war sinnlos.

    „Wenn du Gewissheit haben willst, warum gehst du sie nicht suchen?"

    Plötzlich wirbelte sein Kopf herum und starrte sie an.

    „Was hast du gesagt?"

    „Du sollst sie suchen, wenn … "

    Sie konnte nicht zu Ende reden. Er riss ihren Kopf herunter und drückte einen kurzen, kräftigen Kuss darauf. Dann sprang er auf und tigerte durch den Raum.

    „Das ist es. Warum bin ich nicht darauf gekommen? Wir starten eine eigene Suchaktion. Das will natürlich gut vorbereitet sein. Zunächst brauchen wir Informationen über das Bermuda-Dreieck."

    Und schon saß er wieder vor dem Computer und klinkte sich ins Internet ein.

    Ununterbrochen redete er mit Sarah. Nein, er sprach eher mit sich selbst. Er erwartete keine Antworten. Als wenn er sich Mut einflößen wollte, erläuterte er jeden Schritt, den er ausführte.

    Wortlos nahm Sarah ihre Sachen und verließ die Wohnung. Er bemerkte es nicht.

    Er redete einfach weiter und suchte nach Signalen aus dem Bermuda-Dreieck. Es musste irgendwelche Erkenntnisse geben, die ihm helfen werden.

    Ein kräftiger Wind empfing Kristin. Es war wohltuend, ihm das Gesicht entgegenzustrecken und seine Kraft zu spüren. Sie trotzte schon so manchem Sturm im Leben, aber jetzt floh sie vor einem Sturm, der in ihr wohnte. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie musste sich von ihm lösen. Vielleicht war es falsch, diese Tätowierung zu übernehmen, die nun wie ein frisches Brandzeichen schmerzte. Es war eher ein Schmerz der Seele, aber dieses Symbol auf ihrer Brust war stets bereit, einen Auslöser zu betätigen. Die Nachricht wirkte wie ein Katalysator. Dieses menschenfressende Dreieck würde sie niemals in Ruhe lassen.

    Damals hatte sie gehofft, dass in der Tätowierung die guten Erinnerungen an ihre Eltern bewahrt werden, aber es hatte sich als Mal des Horrors herausgestellt.

    Das Schweigen ihres Vaters hatte sie akzeptiert. Sie war froh gewesen, ihn wieder zu haben. Aber es hatte ihr auch quälende Träume gebracht. Oft hatte sie sich ausgemalt, wie ihre Mutter gestorben ist. War sie qualvoll ertrunken? Ein furchtbarer Tod. Wurde sie von Haien gefressen? Sie könnte nicht einmal sagen, ob es in der Gegend Haie gab. Die Zeitungen hatten damals vom überraschenden Auftauchen ihres Vaters berichtet. Er war jedoch nicht in der Lage, den Unglücksort genau zu lokalisieren. Die Nähe zum Bermuda-Dreieck reichte aus, um die Katastrophe, bei der noch andere Menschen umkamen, diesem zuzuordnen. Er wurde in einem provisorischen Einbaum aufgegriffen, am Ende seiner Kräfte.

    Schnell erkannten die Medien, dass aus ihm nichts herauszuholen war und vergaßen die Angelegenheit wieder.

    Was gäbe sie darum, wenn sie es ebenfalls vergessen könnte.

    In ihrer Stadt lebte noch eine Familie, die damals von dem Unglück betroffen war. Das Reiseunternehmen, das seinerzeit die Reise vermittelt hatte, stand leider nicht mit dem Schiffsausflug ihrer Eltern in Verbindung, so dass sie von dort nichts erfuhr. Es war eine Privatinitiative ihrer Eltern und des Sohnes dieser anderen Familie. Hinze hießen sie, wenn sie sich recht erinnerte. Deren Adresse war ihr noch gegenwärtig.

    Mit wehenden Haaren stemmte sie sich gegen den Wind, um sich zu den Haustüren vorzukämpfen, wo sie angestrengt die Namen las.

    Endlich hatte sie das Haus der Familie Hinze gefunden.

    Was suchte sie hier eigentlich?

    Ratlos stand sie vor der Tür und betrachtete den matt leuchtenden Namen.

    Wenn sie schon mal da war, könnte sie auch klingeln. Vielleicht hilft es ihr, wenn sie einfach nur darüber reden. Dem Klingelton folgte eine lange Stille, so dass sie es nochmal versuchte, da durch die Tür Licht fiel.

    „Ja, ja, wer hat es denn da so eilig?", ertönte eine unwirsche Stimme hinter der massiven Tür.

    Eine stämmige Frau um die Fünfzig öffnete. Ihre Augen blitzten angriffslustig.

    „Was darfs sein, kleines Fräulein?", fragte sie barsch und musterte das Mädchen ungeniert von oben bis unten.

    „Wer ist denn da, Mäuschen?", fragte ein Bass im Hintergrund.

    „Kümmre‘ dich um deinen Kram, damit hast du genug zu tun", geiferte sie zurück.

    „Also was ist nun Kindchen?"

    Auf einmal fühlte sich Kristin total am falschen Platz zur falschen Zeit. Worüber kann man sich mit so einer Frau unterhalten? Vielleicht schließt die Erwähnung ihres Sohnes eine angenehmere Seite dieser Frau auf. Ein Versuch war es wert.

    „Meine Eltern waren damals mit Ihrem Sohn im Bermuda-Dreieck."

    „Na und?"

    „Heute waren diese Nachrichten über ein neues Unglück im Fernsehen und da dachte ich mir … "

    „Mich interessiert herzlich wenig, was sie denken, Kindchen. Ein neues Unglück bringt mir meinen Sohn auch nicht wieder. Lassen sie uns in Frieden. Wenn sie damit nicht fertig werden, gehen sie in die Kneipe und besaufen sich,

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