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Reif genug für einen Mord
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eBook256 Seiten3 Stunden

Reif genug für einen Mord

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Über dieses E-Book

Ein Mord an einem 10-jährigem Mädchen, der auf einer Waldlichtung inszeniert wird, stellt die Ermittler, wegen der spärlichen Spurenlage, vor Probleme. Der Verdacht eines Sexualverbrechens erhärtet sich nicht, obwohl viele Hinweise in diese Richtung deuten. Dann geschieht ein zweiter Mord an einem Mädchen in gleichem Alter. Die Parallelen zum ersten Fall deuten auf Mobbing. Dennoch scheint ein Missbrauch immer wieder wahrscheinlich, der nicht zum Äußersten ging. Es ist erschreckend, wie viele Personen sich verdächtig machen. Wird ein weiterer Mord geschehen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Nov. 2023
ISBN9783384061928
Reif genug für einen Mord
Autor

Erwin Sittig

Erwin Sittig wurde 1953 in Güstrow geboren. Sein Studium an der TU Dresden schloss er 1977 als Dipl.-Ing. für Informationstechnik ab. Heute lebt der Schriftsteller mit seiner Frau in Ludwigsfelde. Da er auch Hobbyfotograf ist, erstellt er gelegentlich seine Cover selbst.

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    Buchvorschau

    Reif genug für einen Mord - Erwin Sittig

    Reif genug für einen Mord

    1

    Es war ein ungewöhnlich schöner Tag. Die Sonne strahlte unaufdringlich, ein laues Lüftchen wehte und der Duft des Waldes sorgte für eine wohltuende Atmosphäre. Die Tiere genossen diesen Frieden und strichen entspannt durch die Natur. Mitten auf der Lichtung des Waldes, die sich in sattem Grün vor ihnen erstreckte, lag ein zierliches kleines Mädchen. Es war nichts, was sie beeinträchtigte oder gar störte. Das Leben lief in normalen Bahnen weiter.

    Stunden später wurde diese Ruhe durch hektisches Treiben abgelöst. Menschen füllten die Lichtung und befestigten ein Absperrband an den in den Boden getriebenen Stangen. Das Bild, das sich ihnen geboten hatte, hätte idyllischer kaum sein können. Die langen schwarzen Haare des Mädchens waren sorgfältig ausgebreitet, so dass das Gesicht wie von einem Fächer eingerahmt wurde. Auch das Kleid war exakt fächerartig ausgerichtet. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig und entspannt, die Augen geschlossen. Sie war dezent geschminkt.

    Alle Anwesenden dachten unabhängig voneinander an Schneewittchen, das hier von den Zwergen aufgebahrt worden war. Doch dieser Mord hatte nichts Märchenhaftes. Die Würgemale am Hals rückten diesen Anblick ins richtige Licht. Während der rechte Arm ausgestreckt neben dem Körper ruhte, lag der Linke auf ihrer Brust.

    In der Hand hielt sie einen Spiegel, auf dem mit Lippenstift ein Smiley gemalt worden war, der sie mit herabgezogenen Mundwinkeln zu verspotten schien.

    Kriminalhauptkommissarin Leni Laurenzi stand mit ihrem Kollegen Henk Kuffner fassungslos vor diesem unschuldigen Mädchen, das ihr ganzes Leben noch vor sich sähe, wenn es nicht ein gewissenloser Mörder anders gewollt hätte. Die Spurensicherung wirbelte emsig herum, bemüht, nichts zu übersehen, das sie zum Täter oder der Täterin führen könnte. Doch in stiller Übereinkunft traute diese Tat niemand einer Frau zu. Die Kleine war circa 11 Jahre alt. Sie war eine Schönheit, wirkte beinahe wie eine Puppe.

    In dem beschaulichen Städtchen, in der Schorfheide, blieb man weitestgehend von Gewaltverbrechen verschont. Eigentumsdelikte, Betrug, Unfälle, gelegentliche Randale, Lärmbelästigung, mal ein Selbstmord, das war es schon fast. Leni Laurenzi musste schon tief in ihr Gedächtnis hinabsteigen, um sich an den letzten Mord zu erinnern.

    „Wenn die Obduktion nichts anderes hervorbringt, können Sie davon ausgehen, dass das Kind erwürgt worden ist", erklärte die Mitarbeiterin im atmungsaktiven Schutzanzug aus Tyvek.

    Selbst ein Laie hätte diese Diagnose stellen können, da die Druckstellen am Hals unübersehbar waren.

    „Keine Spuren sexueller Gewalt", ergänzte die Mitarbeiterin.

    Es war typisch, dass man bei einer Kinderleiche immer zuerst einen Missbrauchsfall vermutete. Wohin hatten uns die gesellschaftlichen Veränderungen der Neuzeit getrieben? Die Praktiken vieler Medien lebten von sexuellen Reizen, die vermutlich oft genug eine Wunschspirale in Gang setzten und mit Sicherheit so manchen Täter hervorbrachten. Leni war froh, dass diesem Mädchen eine Vergewaltigung erspart geblieben war, obwohl sie dem Tod dennoch nicht entkam.

    „Eine Tat im Affekt? Haben Sie unter den Fingernägeln Abwehrspuren gefunden?"

    „Nein. Es scheint sehr schnell gegangen zu sein. Darum tippe ich auf einen Mann, der mit aller Entschlossenheit vorgegangen ist."

    Leni schaute zu ihrem Kollegen Henk hinüber. Die Sorte Mann, denen man Gefühle noch ansehen konnte.

    „Wieso verhöhnt der Täter sein Opfer? Eine Tat im Affekt ist da vermutlich auszuschließen", überlegte Henk laut.

    „Wie viel Hass muss in dem Täter schlummern, wenn er so ein Ritual durchführt", entgegnete Leni, ohne auf seine Überlegung einzugehen.

    „Du denkst, dass er es schon mal getan hat?"

    „Keine Ahnung. Wir sollten aber unsere Datenbanken deutschlandweit nach vergleichbaren Fällen durchstöbern. Ich habe kein gutes Gefühl."

    Lenis sorgenvolles Gesicht brachte ihre herben Züge noch stärker zur Geltung. Obwohl sie schon 44 Jahre zählte, stylte sie ihr glattes schwarzes Haar stets mit Gel auf. Es unterstrich ihr italienisches Flair, das schon durch ihren Nachnamen heraufbeschworen wurde. Henk hob sich stark von ihr ab. Ungefähr 10 Jahre jünger, die Seiten fast kahlrasiert und ein blonder Teppich auf dem Haupt. Sein Körper war durchtrainiert, was seine lockere Kleidung nicht kaschieren konnte.

    Obwohl er oft den Eindruck eines knallharten Polizisten erweckte, war er innerlich butterweich. Leni meinte sogar bei ihm zurückgedrängte Tränen entdeckt zu haben, als er das Opfer betrachtet hatte.

    „Finden wir erst mal heraus, wer die Kleine ist. Vielleicht gibt es Ungereimtheiten in ihrem Umfeld. Habt ihr eigentlich Reifenspuren oder Fußabdrücke gefunden?"

    „Es ist ein vielbefahrener Forstweg. Vermutlich sind die Spuren bereits von neueren überdeckt worden. Das Gras und Moos hat sich bereits wieder aufgerichtet. Der Täter hat genau darauf geachtet, keine Sandflächen zu betreten. Doch ein, zwei Vertiefungen, ohne Profil, hat er hinterlassen. Tippe auf Schuhgröße 43. Der Hund führte uns nur bis zum Parkplatz."

    „Eine Allerweltsgröße. Hoffen wir, dass er an anderer Stelle unvorsichtiger war."

    „Denkst du, dass es wegen des Lippenstifts auf dem Spiegel eine Frau gewesen sein kann? Auch Frauen leben manchmal auf großem Fuß", warf Henk ein.

    „Es reicht auch, eine zu haben. Hat er den Mord langfristig geplant, könnte er sich sogar einen gekauft haben?"

    „Du meinst für weitere Morde."

    „Beschreie es nicht."

    Sie schaute nochmals auf das Mädchen. Ihre Augen verengten sich und bildeten eine tiefe Stirnfalte aus. ‚Warum hatte sich der Täter die Mühe gemacht, sie auf der Lichtung wie eine Dekoration zu präsentieren? Unwahrscheinlich, dass er sie in den Wald gelockt hatte, ging es ihr durch den Kopf.

    2

    Der Fernseher lief. Elsa und Heinz Oswald wurden hellhörig, als man vom Mord an der kleinen Carina Möwius berichtete. Sie war im gleichen Alter, wie ihre Tochter Olivia. Instinktiv verbanden sie deren Schicksal mit einer Bedrohung für ihr Kind. Der Mord geschah in ihrer Stadt. Solange der Täter nicht gefasst war, schalteten sie auf höchste Alarmstufe.

    „Olivia! Kommst du mal bitte?", rief die Mutter in den Raum.

    „Was ist? Ich mache gerade Schularbeiten."

    „Komm bitte. Es ist wichtig."

    Langsam schlenderte Olivia ins Wohnzimmer.

    „Ein Mädchen ist ermordet worden. Sie ist aus unserer Stadt. Kennst du sie?"

    Sie schaute sich interessiert den Bericht an, der das Bild der toten Carina permanent in der oberen Ecke des Bildschirms zeigte. Man bat um Hinweise, wer das Mädchen wann zuletzt mit wem und wo gesehen hätte.

    „Sie ist nicht von unserer Schule. Aber ich habe sie schon mal gesehen, bei einem Sportfest."

    „War sie sehr sportlich?"

    „Sie ist mir nicht durch sportliche Aktivitäten aufgefallen. Ist eher so eine eingebildete affektierte Zicke, die lieber tratschend mit ihrer Clique herumstand."

    „Das Kind soll erst 11 sein."

    „Na und? Manche fangen schon mit 7 an, von Germany‘s Next Topmodel zu schwärmen. Und so benehmen sie sich auch."

    „Nicht zu fassen. Die sollten sich lieber auf ihren Arsch setzen und was lernen", empörte sich der Vater.

    „Kann ich wieder gehen?"

    „Sieh dich vor, Olivia. Der Kerl läuft immer noch frei herum. Steige zu keinem …"

    „Jaaaa, ich weiß", maulte Olivia gelangweilt.

    „Steige zu keinem ins Auto, schreie um Hilfe, wenn dir jemand zu nahe kommt, laufe weg, wenn du bei Menschen ein schlechtes Gefühl hast, blablabla. Ich kann es schon singen."

    „Nimm es nicht auf die leichte Schulter. Die Welt ist krank. Als wenn es nur noch Perverse gäbe."

    „Ja, Mutti. Aber sie wurde nicht vergewaltigt."

    „Egal. Aber sie ist tot. Papa bringt dich ab morgen zur Schule."

    Olivia verdrehte die Augen und sah ihre Mutter empört an.

    „Soll er auch neben mir auf der Schulbank sitzen?"

    „Sei nicht albern. Wir wollen dich schließlich noch eine Weile behalten."

    „Er kann nicht ständig bei mir sein. Also lasst es. Ob sie von der Schule aus entführt wurde, ist überhaupt nicht sicher."

    Olivia schweifte mit den Gedanken ab. Sie hatte sich sehr gut an Carina erinnern können. Wo sie auftrat, stand sie immer schnell im Mittelpunkt und wurde nicht nur von den Jungs angehimmelt. Das Leben hatte sie mit einer Schönheit beschenkt, die die Mitmenschen dahinschmelzen ließ. Es machte ihr vieles leichter, weil sie nachsichtiger behandelt wurde. Manchmal hatte sich Olivia gewünscht, dass sie ein wenig von dieser Schönheit abbekommen hätte.

    Sie war zwar nicht hässlich, aber etwas kantig. Wenn sie ihrem Vater gegenüber erwähnte, dass sie gern auch so schön wäre, sobald ein paar Models über den Bildschirm wackelten, wiegelte er ab. Das sei alles nur Schminke und Frisur.

    „Du würdest dich wundern, wie die nackt unter der Dusche aussehen. Außerdem wirst du mal viel schöner als die. Es gibt genug Beispiele, wo besonders hübsche Kinder im Alter hässlich werden und umgekehrt. Außerdem hast du eine innere Schönheit, die nach außen strahlt. Das ist viel mehr wert."

    3

    Erwartungsgemäß hatten die Datenbanken keine vergleichbaren Fälle ausgespuckt. Henk war die Erleichterung anzusehen, dass sie den Kampf offenbar doch nicht mit einem Serienmörder aufnehmen mussten. Dennoch wollten Sie den Fall schnellstmöglich aufklären. Auszuschließen war es nicht, dass weitere Opfer folgen würden. Darum hatten sie sich entschieden, unverzüglich die Medien einzuschalten, obwohl ihr Chef jetzt noch keinen Medienrummel wollte. Letztendlich hatte er klein beigegeben, nachdem sie ihm immer wieder die Fotos des toten Mädchens unter die Nase gehalten hatten. Da die Familie ohnehin kontaktiert werden musste, beschlossen sie, ihr gleich am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten. Entsetzt registrierten sie, dass ein übereifriger Mitarbeiter bereits am Abend zuvor die Meldungen an die Medien herausgegeben hatte.

    Darum überraschte es sie nicht, dass sie eine total verheulte Mutter vorfanden, die sie wortlos einließ. Bisher hatten sie nur herausgefunden, dass Carina zwischen Freitag und Sonnabend Mittag ermordet worden war. Nachdem sie ihr Beileid ausgedrückt hatten, entschuldigten sie sich, dass sie den Tod ihrer Tochter aus den Medien erfahren mussten.

    „Ist schon okay, sagte der Vater. „Sie werden genug damit zu tun haben, den Täter zu finden.

    „Ihre Tochter vermissen Sie seit wann?"

    „Sie ist Freitag Abend nicht heimgekommen", sagte die Mutter, während sie sich erneut schnäuzte.

    „Wieso haben sie Carina erst am Sonntag Nachmittag vermisst gemeldet?"

    „Zunächst dachten wir, sie übernachtet bei einer Freundin, wie sie es manchmal zu tun pflegt", erklärte Matthias Möwius.

    „Als sie am nächsten Tag immer noch nicht kam, riefen wir alle Freunde und Bekannte an. Erst als das nichts brachte, informierten wir die Polizei."

    „Hat ihre Tochter so viel Freiheiten, dass sie ohne Erlaubnis bei ihren Freundinnen übernachten darf? Haben Sie als Vater da keinerlei Bedenken?"

    „Er ist nicht ihr Vater, mischte sich die Mutter ein. „Ich habe bei der Heirat seinen Namen angenommen. Aber nein, wir vertrauten ihr. Wir dachten, sie hätte es nur vergessen.

    Unsicher sah sie ihren Mann an. Der wirkte jedoch recht gelassen.

    „Könnten wir mal das Zimmer Ihrer Tochter ansehen?"

    „Selbstverständlich. Sie war ein sehr ordentliches Mädchen und hat immer auf ihr Äußeres geachtet."

    Als sie das Zimmer betraten, schien die Mutter vergessen zu haben, dass es ihre Tochter nicht mehr gab. Sie schwärmte, wie schön Carina doch sei, und führte die Kommissare zu einem großen gerahmten Foto. Auf diesem war Carina wie ein Model aufgestylt. Die Haare waren onduliert. Haarreif, Kette und riesige Ohrringe schmückten das Mädchen. Das aufwändige Make-up ließ vermuten, dass es von einer Kosmetikerin ausgeführt worden war, bevor sie den Weg zum Fotografen antraten.

    „Ist sie nicht wunderschön?, schwärmte die Mutter. „Sie hat noch eine große Karriere vor sich. Sie möchte mal … Da erst fiel ihr ein, dass ihre Tochter nicht mehr am Leben war. Ein neuer Heulkrampf schüttelte sie. Leni führte sie zu einem Stuhl, bevor sie sich weiter umsahen. Bilder von verschiedenen, erfolgreichen Models, hatte sie an die Wand gepinnt. Vermutlich aus Zeitschriften ausgeschnitten. Sie besaß einen richtigen Schminktisch mit allerlei Beautyprodukten. Dagegen wirkte ihr Schreibtisch kümmerlich. Das Zimmer war jedoch, wie angekündigt, vorbildlich aufgeräumt.

    Sie gingen wieder hinunter, wo sich der Vater inzwischen den Fernseher angestellt hatte. Er schaute Sport. Leni spürte, wie es in Henk zu kochen begann. Sie wunderte sich, dass ihn der Fall so mitnahm. Er hatte keine Kinder.

    „Das geht Ihnen völlig am Arsch vorbei, dass Ihre Tochter ermordet wurde, oder?", blaffte er Matthias Möwius an.

    „Stieftochter", korrigierte er gelangweilt und sah nur kurz zu Henk auf.

    „Sie ist tot. Meinen Sie, sie wird wieder lebendig, wenn ich hier Trübsal blase?"

    „Wie fanden Sie Ihre Stieftochter?"

    „War ganz cool. Ein Sahneschnittchen. Die wusste, was sie wollte. Hätte sie gern als Model erlebt."

    „Das war ihr großes Ziel, Model zu werden?", nahm Leni den Ball auf und wandte sich der Mutter zu.

    „Sie wäre ein außergewöhnliches Model geworden. So ungewöhnlich schön, so elegant, wie sie sich bewegen konnte. Schade, dass es bei uns nicht solche Wettbewerbe für Kinder gibt, wie in Amerika."

    Verträumt sah sie zum Fenster, als könne sie in eine Zukunft sehen, die es nun nicht mehr geben würde.

    „Und wie waren die schulischen Leistungen? War sie da auch so außergewöhnlich?"

    „Sie kam zurecht. Dort wo sie hinwollte, muss man kein Mathegenie sein."

    „Ihre Freundinnen ticken genauso?"

    „Natürlich träumen sie auch von einer Modelkarriere, haben aber sehr schnell gemerkt, dass sie Carina nicht das Wasser reichen können."

    „Gab es Neider?"

    „Ich würde sie eher Bewunderer nennen."

    „Wer bewunderte sie denn so?"

    „Na, ihre Freundinnen und die anderen Mädchen. Auch ein Lehrer war von ihr sehr angetan. Sie erzählte sehr viel von ihm."

    „Hört sich so an, als hätte sie ihn bewundert. Wer war es?"

    „Der das Computerkabinett betreut, ich glaube, Elias hieß er."

    „Sie nannte ihn beim Vornamen?"

    „Ja, wie Kinder halt so sind, wenn sie für jemanden schwärmen und ein positives Feedback bekommen."

    „Lief da etwas zwischen den beiden?"

    „Was reden Sie denn da? Carina war erst 11 Jahre alt."

    „Sieht aber schon viel älter aus. Wie war es mit Jungs? Hatte sie einen festen Freund?"

    Sofort fing sie wieder an, in Erinnerungen zu schwelgen, und schien erneut den Tod ihrer Tochter vergessen zu haben.

    „Leonardo. Ein wunderbarer Junge. Ist eine richtige Sportskanone. Passte auch optisch wunderbar zu unserer Prinzessin. Sie wären später ein schönes Paar geworden. Seine Eltern sind Ärzte. Haben eine Prachtvilla, von der wir nur träumen können. Sie mochten unsere Carina auch."

    „War sie oft dort?"

    „Sie machte bei Leonardo gern ihre Schularbeiten. Die Beziehung tat ihr gut. Seitdem ist sie richtig aufgeblüht. Er ist schon dreizehn Jahre alt. Es war nicht nur sein Wissen, das ihre Entwicklung voranbrachte."

    „Haben Sie mal die Adresse für uns?"

    „Was möchten Sie von den Hansens?"

    Irritiert schaute sie zu Leni auf.

    „Er wird uns sicher mehr zu Carina sagen können. Ihre Bekanntschaften, ihre Vorlieben, auffällige Personen in ihrer Nähe."

    „Aber natürlich."

    Sie schrieb ihnen die Adresse von Helena und Enrico Hansen auf einen Zettel.

    „Finden Sie den Mörder unserer Tochter", forderte Gudrun Möwius eindringlich, während Sie die Kommissare hinausbegleitete.

    „Er soll dafür bezahlen!"

    „Es hörte sich so an, als erwartet sie vom Mörder eine finanzielle Entschädigung für die entgangene Karriere ihrer Tochter", lästerte Henk, als sie zum Wagen gingen.

    „Dieser Junge, Leonardo. Meinst du, er wollte mehr von dem Mädchen, als in dem Alter üblich ist?"

    „Wenn er auch so ein verkorkstes Weltbild implantiert bekommen hat, wäre es schon denkbar. Als angebliche Sportskanone hätte er sicherlich auch die Kraft besessen, die Tat auszuführen, besonders wenn er wütend war, weil sie sich ihm nicht fügte."

    „Na komm, Henk. Das ist nun doch etwas weit hergeholt. Aber das Elternhaus sollten wir unbedingt unter die Lupe nehmen."

    4

    Immer wieder lief Gisela Zubert vor ihrem kleinen Haus im Wald auf und ab. Sie schaute unruhig in alle Richtungen, ob sich dort irgendetwas bewegen würde. Paul wollte längst zurück sein. Nicht auszudenken, wenn er eines Tages ausbliebe. Was sollte sie dann tun? Mit ihren 21 Jahren hatte sie sich die Angst bewahrt, die sie schon ein halbes Leben mit sich herumschleppte. Jeden Tag kroch sie weiter mit ihrem Schatten auf sie zu. Sie war sich sicher, dass sie sie auffressen würde, wenn ihr Schatten über sie käme. Noch hatte sie Paul, der wie ein leuchtender Stern diese Gefahr hinwegfegte, sobald er erschien. Bereits mit 12 war sie in diese Waldhütte gezogen. Seitdem war Paul der einzige Mensch,

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