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Häuschen in der Grube: Wer baut, braucht Humor. Und einen guten Anwalt. Eine wahre Geschichte über die Schicksalsschläge beim Hausbau, die die fünfköpfige Familie erfahren musste. Von der Bauherrin mit Augenzwinkern erzählt
Häuschen in der Grube: Wer baut, braucht Humor. Und einen guten Anwalt. Eine wahre Geschichte über die Schicksalsschläge beim Hausbau, die die fünfköpfige Familie erfahren musste. Von der Bauherrin mit Augenzwinkern erzählt
Häuschen in der Grube: Wer baut, braucht Humor. Und einen guten Anwalt. Eine wahre Geschichte über die Schicksalsschläge beim Hausbau, die die fünfköpfige Familie erfahren musste. Von der Bauherrin mit Augenzwinkern erzählt
eBook389 Seiten4 Stunden

Häuschen in der Grube: Wer baut, braucht Humor. Und einen guten Anwalt. Eine wahre Geschichte über die Schicksalsschläge beim Hausbau, die die fünfköpfige Familie erfahren musste. Von der Bauherrin mit Augenzwinkern erzählt

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Über dieses E-Book

Die fünfköpfige Familie Auerswald steht auf der Baustelle plötzlich vor den Tatsachen: Das neue Haus neigt sich radikal zur Seite. Von da an jagt ein Schicksalsschlag den nächsten. Ein Abrisstrupp muss her, Handwerker entpuppen sich als geldgierige Versager, der Bauleiter verschwindet in den Dauerurlaub, die Finanzierung gerät aus den Fugen und der Anwalt legt eine Akte nach der anderen an, während die Familie in eine Bruchbude mit Schweinestall umziehen muss. Mit Selbstironie und Humor erzählt die Bauherrin, wie der Traum von Eigenheim immer mehr zum Albtraum ausartet.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum2. Juni 2021
ISBN9783347210028
Häuschen in der Grube: Wer baut, braucht Humor. Und einen guten Anwalt. Eine wahre Geschichte über die Schicksalsschläge beim Hausbau, die die fünfköpfige Familie erfahren musste. Von der Bauherrin mit Augenzwinkern erzählt

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    Buchvorschau

    Häuschen in der Grube - Jana Auerswald

    Teil 1 – Man baut nur einmal

    Krisenstimmung

    Ich hörte sie, noch bevor ich sie sah. Gerade kehrte ich mit den Kindern vom Einkaufen nach Hause zurück, da ertönte das Brüllen eines schwer verletzten Elefanten aus Richtung unseres Gartens.

    Ich stellte den Wagen vor der Garage ab, fuhr das Fenster hoch und stieg aus. Dann befreite ich die Kinder aus ihren Gurten, wir kletterten über ein verrostetes und verbeultes Fahrrad, das jemand achtlos fallen gelassen hatte und hasteten gemeinsam hinter unser Haus, wo der Lärm herkam.

    Im angrenzenden Garten erblickte ich Theodor, unseren siebzigjährigen Nachbarn, wie er durch die Gegend stakste, ein Saxofon malträtierte und ihm quälende Töne entlockte. Dabei warf er immer wieder ekstatisch Kopf, Arme und Instrument in die Höhe, als wolle er den Musikgott um Gnade anflehen – was ich an seiner Stelle unbedingt getan hätte. Begleitet wurde das Spektakel von einer heulenden E-Gitarre, die von seiner gleichaltrigen Frau geschunden wurde. Thekla, ihre flammend roten Haare hochgesteckt zu einem Adlernest beachtlicher Größe, gab sich ebenso verzückt dem Konzert hin wie einige im Garten herumlungernde Gleichgesinnte, die Hochprozentiges aus Flaschen tranken, rauchten und mit den Köpfen nach einer nicht vorhandenen Melodie wippten. Dabei waberte mir ein Geruch entgegen, der mich an einen Campingplatzurlaub vor über zehn Jahren in Amsterdam erinnerte.

    Thekla hatte uns erspäht, ließ die Gitarre sinken und winkte mich herbei. »Sie! Kommen Sie mal her«, schrie sie und grub mit einer Hand in den Taschen ihres wallenden Gewandes.

    Auch Theodor legte eine künstlerische Pause ein, der Lärm erstarb.

    Thekla streckte mir ihre Hand entgegen, kaum dass wir uns an der Hecke gegenüberstanden. »Sehen Sie das hier?« In ihrer Handfläche lag ein schmutziges Ei – nicht größer als das einer Wachtel.

    »Das ist ein Ei«, sagte ich verwundert.

    »Ei, wer hätte das gedacht, oder?«, schnarrte sie. »Das haben mir Ihre Kinder an den Kopf geworfen, gestern, als ich auf der Gartenliege entspannen wollte. Das ist Körperverletzung! Ich kann so etwas nicht dulden!«

    Prüfend sah ich nacheinander meine Kinder an, die alle drei unschuldig aus der Wäsche schauten. »Aber, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen …«

    »Was Sie sich vorstellen, ist mir egal!«, fiel Thekla mir barsch ins Wort. »ICH stelle mir vor, dass ICH in meinem Haus und in meinem Garten meine Ruhe habe. Bringen Sie das Ihren Kindern endlich bei.«

    »Na hören Sie mal!«, blaffte ich zurück. »Woher wissen Sie denn, dass das meine Kinder waren?«

    Thekla musterte mich aus kalten Spinnenaugen. »Wer soll es sonst gewesen sein?«

    »Wenn Sie so fragen: Jeder hätte einen Grund dazu!«

    Sie schnappte nach Luft. »Das ist eine Frechheit! Das lasse ich mir nicht bieten! Wenn überhaupt, kommen nur Kinder auf so eine idiotische Idee!«

    »Sie können uns gar nichts beweisen!«

    »Ich sage Ihnen eins: Wenn das noch einmal passiert, rufe ich die Polizei. Und …«, sie hackte mit ihrem Hexenfinger in Richtung der Kinder, »schreit gefälligst nicht dauernd so herum. Dieser Lärm ist nicht zum Aushalten!«

    Das war zu viel. »Was nicht zum Aushalten ist, ist der Lärm, den Sie veranstalten!«, schrie ich.

    Doch Thekla ignorierte mich, hatte sich umgedreht und war erhobenen Hauptes davonstolziert.

    Ich seufzte. »Kommt, lasst uns reingehen.«

    Ich schloss den Kindern die Haustür auf, kehrte zum Wagen zurück und trug die Einkäufe ins Haus. Dort angekommen nahm ich mir meine drei Sprösslinge vor. »Ganz ehrlich: Wer von euch war das mit dem Ei?«

    »Ich nicht, Mama, die spinnt doch! Die ist voll bescheuert!«, sagte mein zehnjähriger Sohn Ramón.

    »Ich auch nicht – ich schwörʼs«, beteuerte Manuel, sein achtjähriger Bruder.

    Meine Tochter Leonie, mit fünf Jahren die Jüngste, schüttelte den Kopf, dass ihre blonden Locken wippten. »Die ist eine blöde Kuh«, sagte sie trotzig.

    »Also war es niemand.«

    Einvernehmliches Nicken.

    Wer Kinder hat, der kennt ihn: NIEMAND. Fragt man, wer auf die brillante Idee kam, die Limonadenflasche im Tiefkühlschrank zu lagern, bis sie platzte, war es NIEMAND. Will man wissen, wer das Versteck mit den Süßigkeiten geplündert hat, war es NIEMAND. Und garantiert NIEMAND meldet sich, wenn man in die Runde fragt, wer den Tisch deckt oder den Müll rausträgt. Und da sich kein Schuldiger in der Eiersache feststellen ließ, bekamen meine Kinder und NIEMAND eine Generalstandpauke.

    Die drei verzogen sich in das Kinderzimmer und ich schaltete die Kaffeemaschine ein. In diesem Moment heulte die E-Gitarre erneut auf. Seufzend ließ ich mich auf einen Küchenstuhl sinken und sah aus dem Fenster. Die Sonne strahlte, mitten im März schien aus heiterem Himmel der Frühling einzukehren. Es war ein herrlicher Tag, doch Thekla hatte mir gründlich die Laune verdorben.

    Solche Kleinkriege waren beinah an der Tagesordnung, sodass mein Mann und ich schon länger über einen Umzug nachdachten. Die Nachbarn trieben uns in den Wahnsinn: Theodor und Thekla, die sich aufspielten, als lebten sie allein auf dieser Welt. Und ein pensionierter Lehrer an der anderen Grundstücksseite, der es als seine Aufgabe ansah, als Dauernörgler die Einhaltung des geltenden Nachbarschaftsrechts zu überwachen. Er protokollierte, wie lange wir mit unseren Gästen auf der Terrasse saßen und zögerte nicht, die Polizei zu rufen und Anzeige wegen Ruhestörung zu erstatten, wenn wir nicht auf die Minute zur vorgeschriebenen Nachtruhe im Haus verschwanden. Er hielt seinen Rasen akkurat in Schach, die Hecke im exakten Grenzabstand wirkte wie auf dem Reißbrett entworfen. Kein Zweig wuchs wild. Kein Grashalm war zu lang. Alles hatte seine Ordnung.

    Es war erst eine Woche her, da hatte ich ihn vom Fenster des Kinderzimmers aus erblickt, wie er auf der Gartenleiter gestanden und mit einer Astschere Teile unseres Kirschbaumes gekappt hatte, der dicht an der nachbarschaftlichen Grenze wuchs. Gerade sank schwerfällig ein Ast neben seiner Leiter auf den Boden. Seine Antwort, als ich den Nachbarn dann zur Rede stellte? Unser Wildwuchs verschatte ihm alles und müsse einmal ordentlich gestutzt werden. Außerdem solle ich ihm dankbar sein. Wütend war ich zum Joggen aufgebrochen, und als ich zurückgekehrt war, hatte der arme Baum ausgesehen wie ein einseitig geschorenes Schaf. Dieser Nachbar hatte an allem etwas auszusetzen, nur nicht am Lärm, den Theodor und Thekla veranstalteten. Vermutlich lag das daran, dass er fast taub war.

    Wenigstens gab es unter den Nachbarn noch Oma Liese: Sie herzte unsere Kinder jedes Mal, wenn sie den Weg durch ihren Garten nahmen – eine Abkürzung zur Schule und zum Kindergarten.

    Ich drückte den Knopf der Maschine, die einen Kaffee in die Tasse fauchte, und fing an, die Einkäufe in den Küchenschränken zu verstauen. Plötzlich: ein Poltern, ein Schrei. Ich ließ alles stehen und rannte die Treppe nach oben in das Kinderzimmer.

    »Mama, die Polizisten haben meine Piraten verhaftet!«, rief mir Manuel entgegen, der in der Ecke des Zimmers saß und eines seiner Piratenschiffe fest umklammert hielt, auf das seine Tränen tropften. »Die Polizisten geben sie nicht mehr frei!«

    Die verhaftete Piratenbande war mit Paketband am Bettpfosten fixiert. Ramón war eben dabei, trotzig die Kommandozentrale der Polizei aufzubauen, die offenbar durch einen Tritt seines Bruders bei der gescheiterten Befreiungsaktion verwüstet worden war.

    »Was ist los?«, fragte ich ihn. »Warum sind die Piraten gefangen?«

    »Die haben die Polizeistation überfallen! Einfach so!«

    Ich seufzte. »Gib sie bitte wieder frei. Du siehst doch, dass dein Bruder weint!«

    »Mir doch egal! Der ist selber schuld.«

    »Und wenn ich dir helfe, alles wieder aufzubauen?« Ich kniete mich nieder und half ihm dabei, die Gefängniszelle neben der ausbruchsicheren Mauer festzustecken, in der ich außer einem schwerbewaffneten Polizisten mit Vollbart noch mehr inhaftierte Piraten fand.

    Widerwillig gab mein Sohn nach. Er zog die Bastelschere aus dem Schulmäppchen, schnitt die Klebefesseln der Piraten mit einem Ruck durch und warf die befreiten Geiseln seinem Bruder vor die Füße. Mit »Ich will endlich ein eigenes Zimmer!« polterte er die Treppe hinunter und ließ die Haustür krachend ins Schloss fallen.

    Manuel hockte noch immer schluchzend in der Ecke und knibbelte mit seinen Fingern das Paketband von den Figuren ab.

    »Weißt du was?«, sagte ich. »Komm mit ins Wohnzimmer. Dort kannst du in Ruhe spielen.«

    Er nickte, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von der Wange und lud die Mannschaft auf das Schiff. Dann schipperte ich die Passagiere treppab in das Erdgeschoss, wo Manuel neben dem Sessel den feuerspeienden Vulkan aufbaute und die Akteure in der Landschaft verteilte, denen Leonie wenig später mit ihrem Puppengeschirr einen imaginären Brei in die Münder schaufelte. Der zornige Bruder war inzwischen zurückgekehrt und hatte sich schmollend im Kinderzimmer verbarrikadiert.

    Am Abend kam mein Mann von der Arbeit heim. Ich lag auf dem Sofa, trank einen Tee und hing meinen Gedanken nach. Mit einem Mal schepperte es, ich fuhr erschrocken hoch.

    »Verdammt!«, schimpfte mein Mann.

    Er war über den Vulkan gestolpert und hatte dabei die Piraten durch das Wohnzimmer gekickt, die, zur Nachtruhe gebettet, unter einem Geschirrtuch geschlafen hatten.

    »Können die Kinder nicht oben spielen?«, knurrte er und ließ sich auf das Sofa fallen, wo er die Socke auszog und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Zehen rieb.

    Ich setzte mich auf. »Du weißt genau, dass ein Zimmer zu wenig ist für drei Kinder. Wie soll das auf Dauer funktionieren?«

    Mein Mann winkte ab. »Ich weiß es doch auch nicht.«

    »Ich schon. Ich will, dass wir umziehen.«

    Mein Mann sah mich an. »Das haben wir so oft diskutiert.«

    »Genau. Und jedes Mal hatten wir die Hoffnung, dass es endlich besser werden würde. Wird es aber nie. Mir reicht es. Ich halte das nicht mehr aus hier. Ärger mit Theodor und Thekla gab es heute auch wieder. Es hat keinen Sinn, mit denen zu sprechen. Egal, was wir sagen, die hören nicht einmal zu. Ich kann sie nicht mehr ertragen. Und ich will auch nicht mehr.«

    Während ich ihm von den Vorfällen des Tages berichtete, zog mein Mann die Socke wieder an und lehnte sich auf dem Sofa zurück.

    »Vielleicht sollten wir einen Schlussstrich ziehen, bevor alles noch schlimmer wird«, sagte er. »Ich habe keine Lust auf Anwälte.«

    »Und ich habe keine Lust mehr auf diese ständigen Streitereien der Kinder. Wir haben ein Platzproblem, ein gewaltiges sogar. Es wird Zeit, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer bekommt.«

    »Wir können uns ja mal umsehen, was es so an Häusern gibt«, sprach mein Mann, erhob sich, gab mir einen Kuss und humpelte mit »Ich geh nach oben, muss noch was arbeiten« die Treppe hoch.

    Ich ging nach draußen auf die Terrasse, wo ich auf der Gartenbank in der Abenddämmerung dem Sonnenuntergang zusah. Da bemerkte ich eine Elster, die ein Ei von einer Gartenmauer stibitze – genauso eines, wie es Thekla mir unter die Nase gehalten hatte. Die Elster flog in den Himmel und ließ das Ei fallen, bevor sie herabstürzte und es erneut in den Schnabel nahm. Das wiederholte sie ein paar Mal, bis es krachend neben mir auf der Terrasse landete, zum Rasen kullerte und schließlich dort liegen blieb.

    Die Elster gab ihr Spiel auf. Laut schnarrend flog sie in den Abendhimmel davon.

    Der Floh im Ohr

    Seelbruch ist ein bescheidenes Dorf im Oberrheingraben. Entlang der Ackerflächen führt eine Straße hakenschlagend in den Ort hinein, hindurch und ebenso wieder hinaus, um nach zwei Biegungen abrupt vor dem Ufer des Rheins zu enden. Das Ausland, wie die Hiesigen den Landstrich auf der anderen Seite des Stromes nennen, erreicht man mit der Fähre oder einige Kilometer entfernt über eine Brücke, die zu den Pendlerzeiten chronisch verstopft ist – noch mehr, wenn sie monatelang saniert wird.

    Seelbruch hatte sich vor acht Jahren für uns entschieden, als mein Mann eine Stelle auf der ausländischen Rheinseite gefunden hatte und wir wenig später eine Bleibe für unsere junge Familie auf dieser, zum Wohnen günstigeren Seite des Flusses: ein Haus aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts, mit Renovierungsstau, aber einer Menge Potenzial. Seitdem wir hier lebten, versuchten wir, den Status der Zugezogenen abzulegen und uns harmonisch in die Dorfgemeinschaft einzufügen, was – wenn es je gelingt – schon mal einige Generationen dauern kann. Solch zarte Bande gibt man nicht leicht auf, vor allem dann nicht, wenn man Kinder hat, die mit ihren Freunden im Dorf aufwachsen und für die es ihre Heimat ist. Für uns stand fest: Wir wollten in Seelbruch bleiben.

    In den folgenden Tagen begab ich mich auf die Suche nach einem neuen Zuhause für unsere Familie, fragte die Nachbarn, stöberte in Zeitungen und durchsuchte im Internet unzählige Immobilienportale und Webseiten von Maklern.

    Das Angebot war ernüchternd. Nach den ersten Besichtigungen waren mein Mann und ich entsetzt, was Interessenten auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf alles zugemutet wurde: Sämtliche Behausungen lagen verkehrsUNgünstig. Sie kamen gebrechlich und elend daher und verströmten muffig ihre prähistorische Aura. Die Elektroanlagen waren marode, Fensterrahmen wurmstichig. Bäder in moosgrün oder gar grellorange sowie Deckentäfelungen in dunkler Eiche begleiteten unsere Suche ebenso wie verschlissene Tapeten mit Rauten. Klapprige Türen gaben sich ein Stelldichein mit bröckelnder Fassade, Fußbodenbeläge mit fleckenresistenten Mustern bildeten eine Allianz mit antiquierten Rippen-Heizkörpern. Energetisch dümpelten alle Objekte jenseits der Energieeffizienzklasse H herum, sodass findigen Maklern nichts anderes übrig blieb, als Interessenten mit dem enormen Potenzial zu umgarnen, als ideal für Handwerker. Sie lockten mit der idyllischen Lage, mit nahen Wanderwegen in der Natur sowie mit der Nähe zur Praxis des Allgemeinarztes. Dass in der Praxis längst kein Arzt mehr praktizierte, wurde geflissentlich verschwiegen.

    »Die spinnen! Wahrscheinlich suchen die alle schon seit Jahren nach einem Käufer für diese schäbigen Bruchbuden! Die will doch keiner haben – und schon gar nicht zu den Preisen!«, regte sich mein Mann einige Tage später auf, als er auf dem Rückweg von der Arbeit eine weitere Besichtigung hinter sich gebracht hatte.

    Ich saß mit meiner besten Freundin Paula am Küchentisch, wo wir uns die nächste Runde Aperol Spritz zusammenmixten, wobei sich das Mischverhältnis zunehmend von Spritz in Richtung Aperol verschob.

    »Wenn wir eine von diesen Hütten kaufen, fangen wir wieder bei null an und renovieren jahrelang herum«, schimpfte mein Mann und ließ sich auf einen Stuhl sinken.

    Ich sah ihn nachdenklich an und nippte an meinem Glas. Er hatte recht. In den letzten Jahren hatten wir unser Haus aufwendig renoviert und uns ein gemütliches Heim geschaffen. Wir hatten nicht nur die dunkle Deckenverkleidung rausgerissen und alle Wände tapeziert und gestrichen, wir hatten auch den Parkettboden abgeschliffen, frisch geölt und in den übrigen Räumen neue Fliesen kleben lassen. Den Bädern hatten wir eine Verjüngungskur gegönnt und der Treppe Stufen aus kanadischem Ahorn. Doch nicht nur das: Inzwischen sammelte eine Solaranlage auf dem Dach die Sonnenenergie ein und speiste die Wärme zusammen mit dem wasserführenden Kaminofen in den Pufferspeicher im Keller ein. Kurz: Unser Heim war kein Vergleich mehr zu dem, das wir vor Jahren übernommen hatten. Wenigstens stünden damit die Chancen, es zu einem attraktiven Preis zu verkaufen, nicht schlecht.

    »Ischelf euch beim renoviern.« Paula nahm einen gierigen Schluck aus ihrem Glas und stellte es wieder ab. »Wände streichn gannich ssso schwer sssein.«

    »Du, lass mal lieber«, bremste ich ihren Eifer aus. »Ich habe auch keine Lust mehr auf Handwerker, Staub und Lärm. Wenn wir umziehen, soll diesmal alles fertig sein.«

    »Aber was sollen wir dann machen?«, seufzte mein Mann. »Was wir suchen, ist nicht aufzutreiben, zumindest nicht, wenn wir hier im Dorf bleiben wollen.«

    Gedankenversunken stapelte ich die Bausteine auf der Tischplatte übereinander, die die Kinder hier liegengelassen hatten. Da kam mir eine Idee. »Und wenn wir bauen?«

    »Du sbinnscht«, platzte Paula heraus, überzeugte Mieterin, die die Spießigkeit der Häuslebauer, ja jeglichen Besitz generell verabscheute und als Imponiergehabe abtat.

    Auch mein Mann schien nicht begeistert zu sein. Er schüttelte den Kopf. »Ne. Nicht mit mir. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie stressig Bauen sein kann?«

    »So schwer kann das nicht sein. Das haben andere auch schon geschafft!«

    »Vergiss es. Ein Hausbau ist ein gewaltiges Projekt, das kostet Zeit, Nerven und einen Haufen Geld. Und es geht immer etwas schief.«

    »Vielleicht ist es ja nicht so schlimm«, widersprach ich. Sprangen in der Werbung nicht immer Häuslebauer vor der Kamera herum, die ihr Glück kaum fassen konnten, während Kind und Hund auf dem frischgrünen Rasen herumtollten?

    Für meinen Mann war das Thema abgehakt, er schlurfte zum Sofa und machte es sich vor dem Fernseher gemütlich.

    Paula leerte ihr Glas in einem Zug. »Isch geh dannauch malll.« Sie fiel mir zum Abschied um den Hals und war wenig später weg.

    Die Idee blieb. Ich fand sie großartig, von Anfang an.

    In den nächsten Tagen ließ ich wiederholt Bemerkungen zum Thema fallen. »Schatzilein, wenn wir neu bauen, müssen wir nicht mehr hinnehmen, was andere an unserem Geschmack vorbeigebaut haben. Dann können wir alles genauso machen, wie wir es wollen.«

    Mein Mann nickte, aber er sagte nichts.

    Hatten sich unsere Jungs einen erbitterten Kampf geliefert und schworen beide trotzig, nie, wirklich nie wieder miteinander zu spielen, sprach ich zu meinem Mann: »In einem neuen Haus hätte jedes Kind ein eigenes Zimmer und diese Streitereien wären endlich vorbei.«

    Mein Mann sagte nichts.

    »Außerdem wären wir Theodor und Thekla los, wenn wir umziehen. Wäre das nicht schön?«

    Mein Mann nickte. Ein wenig. Er brauchte länger, um sich mit der Idee anzufreunden. Die Vorstellung musste erst reifen – wie guter Wein, oder wie guter Käse.

    Als an einem dieser Tage der Heizöllaster davondonnerte und mein Mann sich mit der Rechnung in der Hand die Haare raufte, sagte ich: »Stell dir einmal vor, wie viel Energie wir mit einem Neubau sparen könnten.«

    »Vielleicht«, sprach mein Mann und seine Augen leuchteten.

    Energiesparen – das musste das Zauberwort gewesen sein. Und so kam er wenige Tage später selbst auf das Thema zu sprechen. »Hast du schon von intelligenter Haussteuerung gehört? Das ist eine ganz feine Sache. Und falls wir tatsächlich jemals bauen, brauchen wir eine Wärmerückgewinnung mit kontrollierter Frischluftzufuhr. Und auf das Dach gehört eine ordentliche Solaranlage. Alles auf dem neuesten Stand der Technik.«

    Er hatte angebissen.

    »Du hast recht«, sagte ich, denn recht geben ist strategisch immer gut. »Energetisch kann man bestimmt ganz tolle Sachen machen.«

    Mein Mann nickte und strahlte.

    Auf das Schönreden folgte das Schönrechnen. In den nächsten Tagen listeten wir in einer Excel-Tabelle die Kosten auf, bis wir zu dem Ergebnis kamen, dass ein Neubau sogar günstiger wäre als der Kauf und die Renovierung eines gebrauchten Hauses.

    Damit stand unser Entschluss fest: Wir bauen. Keiner ahnte, dass es ein Haus aus Stolpersteinen werden würde.

    Beamte haben es nicht leicht

    Wer ein Stück Land sein Eigen nennen und sich häuslich niederlassen möchte, hat drei Möglichkeiten:

    Nummer eins:

    Er erkundigt sich bei der Gemeinde oder der Stadt, dort gibt man bisweilen Bauland frei. Haben die Vorbesitzer mehr oder weniger freiwillig das Feld geräumt und stehen dem Vorhaben keine Wanderpfade einer Europäischen Schaufelfußkröte oder Einflugschneisen eines reviertreuen Storchenpaares im Weg, wird erschlossen und verkauft.

    Nummer zwei:

    Er kontaktiert Makler, hört sich in der Nachbarschaft um und durchkämmt das Wochenblatt in der Hoffnung, einen Glückstreffer, also eine Liegenschaft in Traumlage und zum Traumpreis zu ergattern.

    Nummer drei:

    Er ist ein Einheimischer, dessen Vorfahren seit Beginn der Besiedlung während der Bronzezeit an diesem Ort leben und der in die regionalen Seilschaften verstrickt ist. Engagiert er sich obendrein im örtlichen Karnevalsverein, bei den Freitagswürflern und im Förderkreis für Heimatpflege, gibt es für ihn Land im vereinfachten Vergabeverfahren und mit Klüngelbonus.

    Wir waren Zugezogene, der Härtefall sozusagen; für uns kamen nur die ersten beiden Möglichkeiten in Betracht.

    Bei Maklern hatten wir keinen Erfolg. Das Angebot im Wochenblatt war lausig. Und der private Erwerb freier Baulücken im Ort scheiterte daran, dass Hiesige niemals Grund und Boden hergeben. Im Gegenteil: Wo sich eine Chance ergibt, kauft man dazu, für sich selbst oder für den Nachwuchs, um damit den Einheimischenstatus kommender Generationen zu sichern und um schon heute zu wissen, wo die Kinder und die Kindeskinder künftig ihre Unterhosen auf der Wäscheleine flattern lassen werden.

    Uns interessierte ein Neubaugebiet am Rand von Seelbruch, und so steuerte ich wenige Tage später das Bauamt der Gemeinde an, um das Angebot zu sondieren.

    Das heruntergekommene Fachwerkhaus, das die Baubeamten beherbergte, war winzig und windschief. Mich beschlich ein beklemmendes Gefühl, als das massive Eichenportal hinter mir ins Schloss fiel. Ich fand mich in einem düsteren Treppenhaus wieder, in dem eine weitere Tür in einen dahinterliegenden Flur führte. Dort wurden Kopierer und Aktenschränke von unzähligen Kartons belagert, sodass an ein Durchkommen nur zu denken war, wenn man seinen BMI im Griff hatte. Zwischen den Kartonbergen gingen Türen ab, die allesamt offenstanden.

    Vielleicht würde die bedrückende Atmosphäre den zuständigen Sachbearbeiter dazu bewegen, aus der eigenen Zwangslage heraus jedes Neubauvorhaben als Zukunftsvision turbobeschleunigt zu bearbeiten, dachte ich mir und betrat entschlossen den ersten Raum zu meiner Rechten.

    »Einen wunderschönen guten Morgen, die Herren«, rief ich. »Wo kann ich hier ein Grundstück kaufen?«

    Zwei Mitarbeiter saßen links und rechts an einem Schreibtisch vor flimmernden Monitorklötzen aus dem letzten Jahrhundert und gafften mich an, als wäre ich ein plattgefahrenes Tier.

    »Ich möchte wissen, wo es in Seelbruch freie Bauplätze gibt und was ich tun muss, um einen davon käuflich zu erwerben«, versuchte ich es erneut.

    Immer noch keine Regung. Mein Auftauchen hatte sie offenbar völlig überrumpelt. Waren die beiden taubstumm? Oder nur Dekoration?

    »Hier – bei mir«, vernahm ich eine Stimme aus dem Off, besser gesagt, von der anderen Seite des Flures.

    Ich verließ das Büro, betrat die gegenüberliegende Amtsstube und erblickte im fahlen Licht zwischen Aktenstapeln und Ordnerbergen einen gramgebeugten Mann mit einem Walrossschnauzer.

    »Sehr schön«, freute ich mich über das unverhoffte Entgegenkommen, erwiderte einen schlaffen Händedruck und ließ mich auf dem wurmstichigen Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch nieder. »Mein Mann und ich wollen einen Bauplatz in Seelbruch kaufen. Ich nehme ihn gleich mit, am Stück, nicht in Scheiben. Und packen Sie ihn mir bitte ein«, versuchte ich, mit einem Scherz die trostlose Atmosphäre aufzulockern.

    Der absolut humorresistente Herr ging jedoch nicht auf meine Bemerkung ein, offenbar hatte ich eine komplett spaßfreie Zone betreten.

    »Das ist nicht so einfach, wie Sie denken«, brummte er nur.

    Warum es nicht einfach sei, verriet er mir nicht, sondern verschwand wortlos durch eine offenstehende Nebentür.

    Ich saß da, wartete, nichts geschah. Von irgendwoher

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