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SeelenTattoo: nach wahren Begebenheiten
SeelenTattoo: nach wahren Begebenheiten
SeelenTattoo: nach wahren Begebenheiten
eBook471 Seiten6 Stunden

SeelenTattoo: nach wahren Begebenheiten

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Über dieses E-Book

Die Autorin schreibt auf interessante und mitfühlende Weise, über ihre Erfahrungen mit zwei Freunden, die alkoholabhängig waren. In ihrem Erfahrungsbericht geht es auch um Themen wie gesunde Ernährung, spannende Lebensfragen, Liebe, und die eigene Lebensreise.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Jan. 2022
ISBN9783347490741
SeelenTattoo: nach wahren Begebenheiten

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    Buchvorschau

    SeelenTattoo - Claudia Feltkamp

    Claudia Feltkamp · SeelenTattoo

    Claudia Feltkamp · Das kalte Pizza-Brötchen

    Zur Autorin:

    Ich liebe das Schreiben. Als ich 12 Jahre alt war, saß ich in den Sommer­ferien auf der Terrasse und schrieb meine ersten Kurz­geschichten über Pferde. Die Begeisterung am Schreiben ist immer geblieben und da ich in vielen verschiedenen Einrichtungen gearbeitet und durch meine Reisen viel erlebt habe, gibt es auch immer etwas, ­worüber ich schreiben kann.

    Claudia Feltkamp

    SEELENTATTOO

    nach wahren Begebenheiten

    &

    DAS KALTE

    PIZZA-BRÖTCHEN

    Impressum:

    Tredition Verlag

    Halenreie 40–44

    22359 Hamburg

    1. Auflage 2014:

    SeelenTattoo als eBook

    2. Auflage 2021:

    SeelenTattoo

    1. Auflage 2021:

    Das kalte Pizza-Brötchen

    Layout & Satz: Die BUCHPROFIS, München

    ISBN Softcover 978-3-347-49072-7

    ISBN Hardcover 978-3-347-49073-4

    ISBN E-Book 978-3-347-49074-1

    ISBN Großdruck 978-3-347-49075-8

    SEELENTATTOO

    nach wahren Begebenheiten

    1

    »Wo ist denn die Küchenschere?«, rief Mika.

    »An dem Haken wo sie immer hängt«, antwortete ich aus dem Badezimmer. »Hast du sie gefunden?«

    Als ich keine Antwort von Mika erhielt, trat ich aus dem Badezimmer heraus und ging den schmalen Flur mit den großen Fenstern in die halboffene Küche. Hier war er nicht. Ich verließ die Küche und blickte in den Wohnraum, wo er sich auch nicht aufhielt. Somit blickte ich in sein Zimmer, dass von dem großen Wohnraum abging und sich direkt neben dem Zimmer befand, von dem aus man auf die Dachterrasse gelangen konnte.

    »Was machst du denn da?«, fragte ich erstaunt.

    »Verschwinde Mira!«, schrie Mika sofort, »lass mich in Ruhe!«

    »Das ist eine Küchenschere und keine Nagelschere.«

    Ich war baff. Da saß er doch tatsächlich in seinem Zimmer auf seinem selbstgebauten Bett aus Paletten mit zwei Matratzen darauf und schnitt sich mit meiner Küchenschere seine Fußnägel. Ich war fassungslos. Entsetzt stand ich in der Tür seines Zimmers.

    »Hau ab!«, brüllte er mich wütend an.

    Ich blieb verwundert und erschrocken stehen wo ich war. Warum schrie er mich so böse an?

    Mika stand fluchend auf, schlug die Tür mit voller Kraft zu und schimpfte: »Verpiss dich endlich! Du kannst manchmal so nerven, furchtbar! Aber das wird sich jetzt ändern. Ich habe da keine Lust mehr drauf. Meine Geduld mit dir ist am Ende.«

    Ich zuckte zusammen, hielt die Luft an und machte einige Schritte zurück. Erschrocken über seine heftige Reaktion schnappte ich nach Luft. Da stand ich nun vor seiner Zimmertür, die er mir soeben mit voller Wucht vor der Nase zugeschlagen hatte. Was hatte er geschrien? Ich würde ihn manchmal nerven und das sich das ab jetzt ändern würde?

    Ich war innerlich tief getroffen. Bis eben gerade ging es mir noch gut, doch das hatte sein Wutausbruch nun wieder einmal innerhalb von Sekunden geändert. Betrübt ging ich langsam in das Badezimmer zurück. Ich wollte nur nicht weiter an das denken, was er eben gesagt hatte und konzentrierte mich mit aller Kraft auf das Bürsten meiner Haare. Am besten das Geschehene von eben verdrängen und hinunterschlucken.

    Es dauerte nicht lange und ich hörte, wie Mika seine Tür wieder öffnete. Da ich nicht wollte, dass er mich sah, lehnte ich schnell die Badezimmertür an. Allerdings half das nichts, denn er stieß sie auf und strahlte mich an.

    Da waren sie wieder. Diese zwei Gesichter von ihm. Vor wenigen Minuten hatte er noch ein zorniges, wütendes Gesicht gehabt und mich beschimpft. Jetzt stand er lächelnd in der Tür und fragte interessiert: »Was machst du denn da?«

    Ich sah kurz zu ihm hinüber. Da stand er. Mika, der ungefähr 1,80 m groß war. Schlank, mit leicht muskulösem Oberkörper, schönen, blauen Augen und blonden Haaren, die er sich allerdings meistens sehr kurz rasierte. Seinen Körper schmückten drei Tattoos, die ihm viel bedeuteten. Er war 29 Jahre alt und somit ein Jahr älter als ich selbst.

    Ich antwortete ihm nicht. Wozu auch, er sah doch, dass ich mich schminkte.

    »Wenn du weniger Zeit im Bad verbringen würdest, hättest du mindestens eine Stunde mehr Zeit am Tag zur Verfügung.«

    Er grinste vergnügt vor sich hin und ich dachte nur, dass er mal wieder total übertrieb.

    »Nein, ganz ehrlich Mira. Wozu brauchst du eine Tagescreme, eine für die Augen, eine andere für die Nacht und dann noch dieses Öl? Was war das doch gleich?«

    »Arganöl«, antwortete ich knapp.

    »Ja, genau. Alles völlig unnötig. Zeitaufwendig und Geldverschwendung. Nimm dir ein Beispiel an mir. Ich nehme nur eine Creme und habe tolle Haut.«

    »Ich kann machen, was ich will. Außerdem tut das alles meiner Haut gut«, widersprach ich trotzig.

    »Bitte nicht in diesem Ton Mira. Ich habe lediglich meine Meinung gesagt. Da muss man nicht gleich patzig werden, oder denkst du nicht?«

    Ich schwieg, da ich keine Lust hatte, ihm darauf zu antworten.

    »Geht das jetzt schon wieder los?«, wollte er leicht genervt wissen.

    »Was denn?«

    »Dass du jetzt wieder nicht mit mir reden willst?«

    »Eben noch hast du mich angeschrien und mir die Tür vor der Nase zugeschlagen.«

    »Na und?«, fragte er provozierend.

    »Was heißt denn da na und?«, wollte ich von ihm wissen und sah ihn aufmerksam an.

    »Na ja, ich fühlte mich eben erwischt«, entgegnete Mika.

    »Erwischt?«

    »Ja«, er dehnte das Ja etwas länger aus und lehnte sich an den Türrahmen.

    »Du hast meine Küchenschere genommen um deine Fußnägel zu schneiden«, ich empfand es immer noch nicht richtig, eine Küchenschere für so etwas zu verwenden.

    »Wenn du wüsstest, was ich sonst schon alles mit deiner Schere angestellt habe«, feixte Mika und lachte leise.

    »Das will ich besser gar nicht wissen, aber warum schreist du mich so an?«

    »Sei froh, dass ich dich nur anschreie und nicht zuschlage.«

    Hatte er das eben wirklich gesagt? Meinte er das ernst? Ich starrte ihn entgeistert an.

    »Also, wenn du mich nicht anschreien würdest, dann tätest du also zuschlagen?«

    »Ich schreie nur, aber andere Männer schlagen stattdessen eine Frau«, erklärte er mir gelassen.

    »Hast du nicht eben gerade gesagt, ich soll froh sein, dass du mich anschreist und nicht gleich zuschlägst?« Ich war irritiert.

    »Oh Mann, was bist du denn nur immer so empfindlich Mira. Das ist echt nervig an dir. Außerdem interpretierst du immer alles falsch«, verteidigte er sich.

    »Ich weiß doch, was ich eben gehört habe«, argumentierte ich aufgebracht, sah jedoch wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte und fragte mich sogleich, ob seine anscheinende gute Laune nun wieder verflogen war?

    »Du solltest besser hinhören und nachdenken, bevor du mich für etwas beschuldigst, dass ich nicht gesagt habe Mira. Ich sagte »andere« würden zuschlagen. Hör also endlich auf, ständig Streit zu provozieren.«

    Seine Augen blitzen mich finster und böse an. Hatte er wirklich »andere« gesagt? Hatte ich mich tatsächlich verhört?

    »Ja, genau. Denk mal besser vorher über deine Aussagen nach Mira.«

    Ich merkte, dass mir Tränen in die Augen stiegen und drängte sie energisch zurück. Nein, nicht weinen. Ich wollte nicht, dass er mich wieder zum Weinen gebracht hatte. Doch meine Bemühungen scheiterten. Die Tränen füllten meine Augen. Warm und salzig liefen sie mir über die Wangen. Ich legte augenblicklich meinen Kajal weg, den ich noch in der Hand hielt und drängte mich an ihm vorbei aus dem Bad hinaus. Ich ging schnellen Schrittes in mein Zimmer, welches sich gleich neben dem Bad und der Eingangstür befand. Energisch schloss ich die Tür. Als ich auf dem Bett mit der harten Matratze aus Stroh saß, flossen die Tränen ungehindert über meine Wangen, in meinen Mund und an meinem Hals hinunter. Was war denn nur schon wieder mit ihm los? Oder lag es doch an mir selbst? War ich so empfindlich? Interpretierte ich alles falsch?

    Gestern Abend war er doch noch so gut gelaunt und gesprächig gewesen. Wir hatten lecker zu Abend gegessen, uns sehr angeregt unterhalten, gelacht und später noch einen Film angesehen. Vielleicht war es nur wieder ein guter Abend gewesen, weil er schon nachmittags die erste Flasche Wein aufgemacht und zum Abendessen dann die zweite Flasche geöffnet hatte?

    Erst gestern Morgen brachte ich die vielen leeren Weinflaschen weg und entsorgte sie dort, wo mich niemand sah und keiner mich kannte. Es war mir peinlich, dass im Haus so viele leere Weinflaschen herumstanden, die er alle innerhalb von nur einer Woche leer getrunken hatte. In den Wochen davor hatte er gar nichts getrunken und dann leerte er auf einmal wieder innerhalb von nur einer Woche ein bis zwei Weinflaschen pro Tag.

    »Krass, also ich brauche erst einmal eine Zigarette«, hörte ich ihn laut schnaubend verkünden.

    Natürlich, jetzt brauchte er eine Zigarette, in die er selbst angebautes Marihuana hinein streute, um sich wieder zu beruhigen, weil ich ihn ja so aufregen würde. Angeblich sei ich ja sowieso manchmal kaum ohne Zigarette zu ertragen. Das kannte ich mittlerweile schon von ihm, dachte ich und schniefte.

    Wenig später schaute Mika durch die eine zerbrochene Fensterscheibe meiner Zimmertür und blies den Rauch seiner Zigarette in mein Zimmer hinein. Er wusste ganz genau, wie sehr ich das hasste. Doch ich schaute weg und schwieg. Jetzt brauchte ich meine Kraft, um erneute Tränen zu unterdrücken.

    »Hey, nun sei doch nicht so. Ich habe es doch nicht so gemeint«, versuchte er mich nun zu beschwichtigen.

    »Aber du hast mich angeschrien«, schluchzte ich vor mich hin und versteckte mein Gesicht hinter meinen langen, blonden Haaren. Mein schlanker Körper zitterte ein wenig.

    Ich fühlte mich in so einer Situation sofort wieder in meine eigene Kindheit zurück versetzt. Mit einem Choleriker als Stiefvater, der von einem Moment auf den anderen wütend los schrie und mich oft beschimpft hatte. Als Kind hatte ich immer schweigend dagesessen und war froh gewesen, wenn er mich dann endlich auf mein Zimmer schickte, wo ich alleine war. Damals wagte ich nie etwas zu sagen, doch mittlerweile war ich ja erwachsen und konnte etwas dazu sagen, wenn ich beschimpft oder angeschrien wurde.

    »So schlimm war es nun aber auch nicht. Du bist eben viel zu sensibel und wirklich eine schwierige Person. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe, wenn ich es dir sage?«

    »Na toll!«, stieß ich aus und stand auf. Ich wollte jetzt nicht mehr weinen, öffnete die Tür und ging an ihm vorbei wieder ins Bad zurück.

    Ja, vielleicht war ich wirklich sensibel. Auf jeden Fall konnte ich impulsiv sein. Und das ich eine schwierige Person sei, hatten schon einige Männer zu mir gesagt. Obwohl, so schwierig und kompliziert empfand ich mich selbst gar nicht. Wenn man mich kannte und verstand, kam man gut mit mir zurecht. Eigentlich wünschte ich mir Freunde, die mich so mochten und akzeptierten, wie ich war. Das tat wohl jeder, oder?

    »Jetzt krieg dich mal wieder ein, wir wollen schließlich gleich zum Flohmarkt und Geld verdienen. Warum sind wir sonst gestern Morgen extra um 6:00 Uhr früh schon auf dem Grundstück gewesen und haben Tüten voller Äpfel gesammelt?«

    »Ja, keine Sorge. Muss mich nur noch fertig machen.«

    Ich trocknete meine Augen, nahm den Kajal und schminkte mich zu Ende, allerdings empfand ich mich heute als nicht so hübsch, was sicherlich an den leicht geröteten Augen lag.

    Ich konnte, nein ich durfte ihm nie lange böse sein. Nein, ich hatte in kürzester Zeit gelernt, nicht nachtragend zu sein, so dass alles wieder in Ordnung schien und wir unseren Tagesablauf zusammen durchführen konnten. Gesprochen wurde sowieso nie noch einmal über das, was er gesagt oder wie er sich mir gegenüber verhalten hatte. Wenn er betrunken gewesen war, konnte er sich angeblich am nächsten Tag sowieso nicht mehr an viele Dinge erinnern, die er gesagt oder getan hatte. Nein, er war davon überzeugt, dass ich immer übertreiben würde.

    Seit Anfang Oktober wohnten wir nun schon zusammen in diesem Haus auf La Palma. Jetzt hatten wir Mitte Dezember und schon sehr viel gemeinsam erlebt. Als ich noch in Deutschland war, wo ich von ungefähr April bis September bei meiner Großmutter in einem Vorort von Hamburg wohnte und als Pädagogin in Vertretung arbeitete, hatte Mika mich per Mail angeschrieben und gefragt, ob ich an einer WG interessiert sei. Er könne ein Haus für nur 300,- Euro mieten und ich hatte natürlich Interesse daran gehabt. Er selbst kam aus Berlin, wo er als Lehrer tätig gewesen war, bis irgendetwas vorgefallen ist, dass ihn kündigen ließ und auf die Kanarischen Inseln getrieben hatte. Was genau geschehen war und warum er nicht mehr als Lehrer arbeiten wollte, erzählte er mir noch nicht einmal wenn er betrunken war, obwohl das die Momente waren, in denen er immer am meisten von sich selbst preis gab.

    Als wir uns dann schließlich auf La Palma, der drittkleinsten der Kanarischen Inseln, kennen lernten und zusammen in dieses Haus einzogen, war noch alles in Ordnung gewesen und wir verstanden uns wunderbar.

    Wir stellten Möbel um, strichen mein Zimmer zusammen, was sehr lustig und schön war. Denn zuerst hatte ich alleine gestrichen, aber Mika meinte, ich solle ihm etwas vorlesen und er würde weiter streichen. Am Ende strich er tatsächlich mein gesamtes Zimmer, worüber ich mich sehr freute. Wir hatten viel zu tun, verstanden uns gut, hatten eine wirklich tolle Zeit und er trank nie Alkohol. Ich dachte sogar darüber nach, ob wir uns ineinander verlieben könnten. Wie schön wäre es gewesen, einen Partner zu finden, der ähnlich lebte wie ich selbst. Ein halbes Jahr in Deutschland arbeiten und dann auf die Kanaren zum Überwintern. Diese Gedanken verflogen allerdings ziemlich bald wieder.

    Mitte Oktober begann ich, wie auch schon im letzten Winter, in dem kleinen Naturkostladen in El Paso zu arbeiten. Doch wann immer es möglich war, erkundeten wir die Insel zusammen, kauften fehlende Sachen für das Haus und legten einen Gemüsegarten an. Unser Heim wurde immer wohnlicher und schöner. Doch eines Tages im November kaufte er die erste Flasche Wein und es sollte nicht die letzte gewesen sein. Schleichend veränderte er sich in seinem Verhalten. Zuerst dachte ich, es lag daran, dass er betrunken war, doch auch nüchtern, so wie heute früh, gab es nun oft Streitigkeiten.

    »Mira, bist du jetzt endlich soweit?«, wollte er mit genervten Ton wissen.

    »Ja, bin ich. Wir können losfahren«, gab ich mit freundlicher Stimme kund.

    Ich kam aus dem Badezimmer, zog mir Jacke und Schuhe an und ging zu meinem Auto. Ich fuhr seit zwei Jahren immer mit dem Auto von Deutschland nach La Palma und liebte meinen alten, weißen VW Passat, mit dem ich schon viel auf der langen Reise erlebt hatte. Als ich jetzt zu meinem Fahrzeug ging, wusste ich schon, dass noch Zeit war, um das Auto zu wenden, weil er wie fast jedes Mal, irgendetwas im Haus suchte. Darauffolgend wendete ich das Auto und wartete. Ich sah, wie er die Tür zuschloss und ins Auto einstieg. Es war wieder eine von den Fahrten, auf denen wir über belanglose Dinge plauderten, so als wenn vorher überhaupt nichts gewesen war.

    Mein Handy. Wo ist denn nur mein Handy? Auf dem Wohnzimmertisch. Ich lege es immer dorthin. Zumindest, wenn ich auf dem Sofa einschlafe. Timo, denk nach. Wo ist es denn nur wieder? Ah, da ist es ja. Unter den Briefen und Rechnungen. Gut versteckt. Verflixt, es ist schon 8:00 Uhr. Mist!

    Schnell aufstehen und los. Neue Klamotten? Nein, die sehen noch gut aus. Kaffee. Ich brauche immer morgens meinen Kaffee. Mit einer Zigarette. Zu spät. Oder doch noch schnell einen Kaffee machen? Nein, ich darf nicht zu spät sein. Zigarette muss heute reichen. Verdammt noch mal. Wo ist mein Tabak? Okay, da ist er ja. Filterpapier, Filterpapier.

    Okay, jetzt aber schnell. Feuerzeug. Ah, tut das gut. Der erste Zug am Morgen. Der tut gut. Schnell noch pinkeln und los. In den Straßen von Berlin ist immer viel los. Hektik am frühen Morgen. Ätzend!

    Einen Blick in den Badezimmerspiegel riskieren? Nein, besser nicht. Schuhe anziehen, Jacke und Tasche. Abschließen. Schlüssel nicht vergessen mitzunehmen. So wie gestern, war echt peinlich. Los jetzt. Wie stressig. Ich hasse es eilig zur S-Bahn laufen zu müssen. Noch 6 Minuten, das schaffe ich. Da ist die S-Bahnhaltestelle Neukölln. So viel los immer hier. Jeden Morgen dasselbe. Aus dem Weg. Habe es eilig.

    »Hey, pass doch auf Mann.«

    Ja, du auch. Steh doch nicht auf der Treppe herum. Oh nein, S-Bahn fährt ein. Schneller. Ich muss anfangen Sport zu treiben. Meinen kleinen Bauch wegbekommen. Brauche auch mehr Kondition. Geschafft. Natürlich kein Platz mehr frei. Typisch!

    Sport? Was soll ich denn für Sport machen? Joggen? Nein, nicht gut für meine Knie. Fitnessstudio? Zu teuer, habe kein Geld. Schwimmen? Ja! Nein, kostet auch Geld.

    Wir erreichen Tempelhof. Wo ist Mr. Coca Cola Light? Ah, da ist er. Denselben Platz wie immer. Hinten links. Der hat Glück. Cola Light schon in der Hand. Bis zum nächsten S-Bahnhof hat er sie leer getrunken. Jeden Morgen. Genau 0,75 Liter. Und immer eine light.

    Ein Gedrängel hier. Schrecklich. Etwas kalt ist es noch. Stickig und voll. Aber auch lustig. Menschen beobachten. Mag ich total. Oh, schon am Südkreuz. Nun steigt Mr. Apple ein. Ja, da ist er. Heute keinen Sitzplatz für dich. Egal, Apfel ausgepackt und los. One apple a day, keeps the doctor away. War doch so, oder? Jeden Morgen einen Apfel für Mr. Apple. Abgeknabbert bis auf das Gehäuse. Sorgfältig genagt, um nichts verkommen zu lassen.

    Bye, Mr. Coca Cola Light. Wir verabschieden uns hier von dir. Bis morgen. In Schöneberg steigt Mrs. Lipstick ein. Sie ist da. Vielleicht noch erkältet. Nein, wieder gesund. Sie wird wieder da sein. Hab ich es doch gewusst. Da ist sie. Mrs. Lipstick im Minirock. Sitzplatz im mittleren Gang, wie immer. Röckchen nach unten gezupft. Hingesetzt. Warum eigentlich immer Miniröcke? Und dann das ständige nach unten Ziehen und Zupfen. Handtasche aufgemacht. Gesucht und gefunden. Handspiegel und roter Lippenstift. Schnell noch mehr rote Farbe auf die schon rot geschminkten Lippen. Warum denn immer doppelt? Hält das besser? Ja, die Haare sitzen auch. Spiegel und Lippenstift wieder eingepackt und Röckchen glattgestrichen.

    S-Bahnhof Bundesplatz. Ich muss aussteigen. Ob der Chef schon im Büro ist? Natürlich wird er schon dort sein. Ah, nein. Warte. War heute nicht ein Termin? Vielleicht habe ich Glück. Warum muss die Eingangstür immer so schwer zu öffnen sein? Oder bin ich zu schwach?

    »Halt. Ich fahre noch mit.«

    »Bist heute wieder spät dran Timo?«

    »Danke für das Türen aufhalten Jan.«

    Geschafft. Ich mag keine Treppen steigen. Mit dem Fahrstuhl ist doch viel bequemer.

    »Ich dachte, du bist auch bei dem Treffen wegen der Firmenhomepage dabei?«, wollte Jan von mir wissen.

    »Nein, ist unser Chef schon weg?«

    »Der war noch gar nicht hier. Die treffen sich doch gleich dort.«

    »Ach ja.«

    »Er hat gestern Abend noch etwas für dich auf den Schreibtisch gelegt. Kannst gleich mit der Arbeit beginnen Timo, auch wenn du so fertig aussiehst.«

    »Tue ich das?«

    »Ja, hast du gefeiert?«

    »Nein, schlecht geschlafen.«

    Kann ja nicht jeder so gut wie du aussehen. Durchtrainierter Körper. Immer gut gekleidet. Der charmante Jan. Von allen Frauen begehrt. Zweite Hand vom Chef. Und ich? Etwas pummelig, mit kleinem Bauchansatz. Haare ganz kurz rasiert. Immer stoppeliger Bart. Converse an den Füßen und die passende Tasche umgehängt. Immer bemüht 100% zu geben. Perfektion! Das ist mein Bestreben. Stets bemüht und dennoch nie ausreichend genug. Ab und zu spät dran. Oft zu langsam. Immer vergesslich. Tja, der chillige Timo halt. Ich hasse Stress. Ständiger Druck macht mich fertig. Kann ja nicht jeder ein Workaholic wie Jan und der Chef sein.

    Endlich da. Aussteigen und weg.

    »Dann mal an die Arbeit und vergiss den Termin um 14:00 Uhr nicht.«

    »Nein, Jan. Keine Sorge.«

    Was gehen den meine Termine an? Wieso weiß er denn überhaupt davon? Natürlich, der Chef hat geredet. Jetzt aber erst einmal einen Kaffee. Vorher geht gar nichts. Wenigstens Kaffee ist schon fertig. Schwarzes, köstliches Getränk. Das tut gut.

    So, was steht denn nun auf dem Zettel vom Chef. Ah, ich soll einen Flyer für ein Konzert entwerfen. Kenne die Band gar nicht. Fotos und Daten finde ich in meinem Mailpostfach. Na, dann mal gleich nachsehen. Ich mag Flyer entwerfen. Kreativ tätig sein. Das ist meine Leidenschaft! Habe viele tolle Ideen. Mag Herausforderungen. Immer neue Aufträge. Mal Flyer, dann wieder eine Homepage entwerfen. Bin froh, Mediengestalter als Beruf gewählt zu haben. Leider sucht zurzeit niemand einen Mediengestalter in Vollzeit. Abwarten. Bin jetzt erst einmal hier. Teilzeit ist besser als vom Amt abhängig zu sein. Selbstständig Geld verdienen. Zu wissen wofür. Tut doch gut.

    Die Fahrt zum Flohmarkt, den man auf La Palma Rastro nennt und der sich in Los Llanos, der zweitgrößten Stadt dieser Insel befindet, dauerte von El Paso, wo unser Haus lag, ungefähr 20 Minuten die Berge hinunter.

    Unseren Stand bauten wir dieses Mal neben den Tischen von Lia und Guno auf. Zwei ganz besondere Menschen, wie ich fand. Vor allem Lia mochte ich sehr gerne. Sie war Griechin und hatte als Lehrerin in Griechenland gearbeitet, bis sie ihren Job kündigte, sich einen VW Bus kaufte und nach La Palma gefahren war, wo sie Guno kennen lernte, der aus der Slowakei kam und in einer Höhle wohnte. Die beiden verliebten sich und waren nun schon seit 8 Jahren ein Paar. Den Winter verbrachten sie auf La Palma und ansonsten reisten sie mit ihrem VW Bus durch Europa. Sie machten schönen Schmuck aus Naturmaterialien und lebten nur von dem, was sie auf Märkten verkauften und das taten sie mit großem Erfolg. Auch dieses Mal konnte ich beobachten, wie fröhlich und freundlich Lia mit den Leuten sprach. Sie strahlte immer, war jedes Mal gut gelaunt. Mit ihren vielen bunten Tattoos, den zahlreichen Armbändern und Ohrringen, die sie ja selbst herstellte und der Hippie Kleidung, sah sie immer fantastisch aus.

    Lia nahm und überreichte das Geld immer mit einer Art Respekt und manchmal verkaufte sie ein Schmuckstück etwas günstiger.

    Ich wollte heute auch Ohrringe zum Geburtstag meiner Chefin im Naturkostladen kaufen und trat an ihre Tische heran. Dort stand schon ein Mädchen mit seiner Oma, das sich die Perlenarmbänder anschaute.

    »Was kosten die Armbänder mit den Perlen?«, wollte sie von Lia wissen.

    »Die kosten 3 Euro.«

    Das Mädchen schüttete sein Kleingeld in seine Hand und zählte nach.

    »Oh, mein Geld reicht nicht.«

    »Das ist kein Problem«, sagte Lia, »Es ist mir eine Freude dir ein Armband zu geben. Welches Armband willst du denn haben?«

    Sie reichte ihr einige Armbänder rüber. Das Mädchen schaute seine Oma an. Die nickte.

    »Das hier«, sie tippte auf ein Armband.

    »Sehr gute Wahl«, erklärte Lia. Sie nahm das Armband und reichte es dem Mädchen. Die gab ihr das Kleingeld und ohne es zu beachten, bedankte Lia sich bei dem Mädchen und steckte das Geld in ihre Tasche. Sie hatte es noch nicht einmal gezählt, staunte ich.

    »Hey Mira. Suchst du etwas Bestimmtes?«

    »Ja, Ohrringe zum Geburtstag meiner Chefin und diese hier gefallen mir.«

    Dabei zeigte ich auf ein Paar Ohrringe aus Palmblättern und mit Samen.

    »Meine Lieblingsohrringe«, strahlte Lia und zwinkerte mit einem Auge.

    »Willst du sie lieber behalten?«, scherzte ich.

    »Nein, ich gebe sie dir sehr gerne.«

    »Danke, was sollen sie kosten?«

    Lia schaute auf das kleine Schild. Es stand 15,-Euro darauf.

    »Gib mir 10,-.«

    »Sicher?«

    »Absolut.«

    »Okay. Danke.«

    Während ich nach dem Geld suchte, steckte Lia die Ohrringe in ein Tütchen. Ich überreichte Lia einen 10- Euroschein, den sie mit einer leicht angedeuteten Verbeugung entgegen nahm und mir das Tütchen überreichte.

    »Bis später dann und weiterhin viel Erfolg beim Verkaufen«, meinte ich und ging zurück zu unserem Stand.

    »Dir auch und viel Freude. Lege mir bitte eine Tüte mit Äpfeln zurück. Die sind echt lecker gewesen letzte Woche.«

    Ich nickte ihr zu.

    »Mache ich.«

    Lia lachte und redete schon wieder mit dem nächsten Interessenten an ihrem Stand. Sie war einfach toll.

    Die Sonne brannte vom strahlend blauen Himmel und leider standen wir dieses Mal auch genau in der Sonne. Es gab nicht so viele Schattenplätze auf diesem Platz und wenn man nicht früh genug hier war konnte es sein, dass man eben nur noch einen Platz in der Sonne bekam.

    »Puh, ist das warm hier«, stöhnte ich an unserem Stand.

    »Natürlich, wir befinden uns schließlich nicht mehr auf 600 Meter Höhe, wie bei uns zu Hause.«

    »Ich weiß, aber sonst stehen wir dort hinten im Schatten.«

    »Ja, aber das kommt nur dadurch, dass du heute Morgen so herumgetrödelt hast.«

    »Gewiss, es lag mal wieder nur an mir«, argwöhnte ich. Ich mochte es nicht, wenn ich immer an allem schuld sein sollte. Auch so eine Sache aus der Kindheit. Mein Stiefvater war nämlich davon überzeugt, dass ich immer Schuld an allem hatte und andere niemals.

    »An mir lag es bestimmt nicht. Ich war schon längst fertig, doch du standest ja immer noch im Bad herum.«

    Darauf entgegnete ich nichts mehr, da es einfach keinen Sinn hatte.

    An diesem Sonntag waren nicht so viele Besucher auf dem Rastro. Somit verkauften wir auch nicht viel, außer unserer Äpfel, die immer sehr schnell gekauft wurden. Dieses Mal hatten wir so viele Äpfel, die wir für 1,- Euro das Kilo verkauften, dass wir tatsächlich 50,- Euro zusammen bekamen. Wir beschlossen gegen 12:30 Uhr einzupacken und wieder nach Hause zurückzufahren. Während ich mein Auto holte, stellte Mika schon die Sachen bereit, so dass wir sie nur noch in das Auto legen mussten. Die Fahrt hinauf zu unserem Haus war kurvenreich, wie fast alle Straßen auf La Palma, der steilsten Insel der Welt. Wir sprachen auch nicht viel, was mir ganz gelegen kam.

    Bei uns zu Hause angekommen spürte man sofort, dass es kühler war. Man sagte von La Palma, dass mit jedem 100 Meter Höhenunterschied jeweils ein Grad mehr bzw. weniger herrschte. La isla bonita, so wie diese sehr grüne, schöne Insel auch genannt wurde, war wirklich faszinierend und wunderschön.

    Wir ließen erst einmal alle Sachen im Auto und entschieden uns dafür, dass wir Crêpes essen wollten. Mika bereitete den Teig zu, denn er konnte wirklich sehr gut kochen. Deshalb kochte er auch hauptsächlich und ich genoss es, ihm dabei zuzusehen und etwas zu lernen.

    Ich sah, wie er Mehl, Eier und Milch in der Schüssel verrührte und stellte schon einmal die Pfanne auf den Gasherd und zündete die Flamme an. Er kam mit der Schüssel zum Herd und goss erst Teig in die Pfanne, als diese wirklich heiß war.

    »Siehst du«, erklärte Mika und zeigte auf die Pfanne, »sie muss immer erst richtig heiß sein, damit du etwas hinein tun kannst.«

    »Ich weiß.«

    »Und warum kannst du dann nie abwarten und tust immer alles zu früh in die Pfanne?«

    »Ich bin eben etwas ungeduldig, wenn es um das Kochen geht«, verteidigte ich mich und stellte zwei Teller auf den Tisch.

    »Du bist in allem ungeduldig.«

    Er sah mich provozierend an und schmunzelte. Ich versuchte mich nicht darauf einzulassen und wechselte das Thema.

    »Möchtest du einen kalten Tee trinken? Dann mache ich dir welchen.«

    »Ja, gerne.«

    Ich begann die Tees für uns zuzubereiten. Im Gegensatz zu mir trank Mika nie heißen Tee, sondern ließ ihn immer kalt werden oder tat Eiswürfel hinein, damit er noch kälter wurde.

    »Hier hast du schon den ersten Crêpe. Sieht gut aus, he?«

    »Ja, sehr gut«, lobte ich sein Werk und stellte die Tees auf den Küchentisch. Als auch der zweite Crêpe fertig war, setzten wir uns beide an den Tisch und begannen zu essen. Während ich mir Mandelmus von La Palma auf den Crêpe strich, nahm Mika Avocado auf seinen Crêpe und schnitt eine Tomate klein.

    »Wie kannst du nur so viel süßes Zeug auf deine Crêpes machen und nie etwas Frisches?«

    »Es schmeckt mir eben.«

    »Kann ich echt nicht verstehen.« Er kaute genüsslich weiter.

    »Musst du ja auch nicht.«

    »Man muss doch immer etwas Frisches dazu essen.«

    »Du vielleicht.«

    Er schüttelte den Kopf.

    »Du bist echt merkwürdig.«

    »Du trinkst doch auch nur kalten Tee.«

    »Ja und? Was hat das damit zu tun?«

    »Du magst kalten Tee und ich mag süße Crêpes.«

    »Ich verstehe den Vergleich nicht ganz, aber lass es jetzt besser gut sein, denn dieses Gespräch fängt an mich zu nerven.«

    Ich sah seine Zornesfalte zwischen den schönen, blauen Augen und schwieg besser.

    »So, das war der letzte Crêpe. Jetzt werde ich erst einmal ein wenig ausruhen und eine Zigarette rauchen«, verkündete Mika freudestrahlend und stand auf. Ich erhob mich ebenfalls, doch nicht um mich auszuruhen, sondern um abzuwaschen.

    Als ich damit fertig war, ging ich in den Gemüsegarten und goss das angepflanzte Gemüse. Obwohl wir schon Dezember hatten war es immer noch so sonnig und warm, dass das Gemüse gut wuchs und lecker schmeckte. Einer der Gründe, warum es über die Wintermonate so schön auf den Kanarischen Inseln ist. Nachdem ich auch damit fertig war, holte ich alle Flohmarktsachen aus dem Auto und brachte sie in das Haus zurück. Danach fegte ich den Flur und goss auch gleich noch die Blumen, die sich im Haus befanden. Mika schlief und als er erwachte, hatte er seinen Laptop an und machte etwas im Internet.

    »Soll ich Salat für heute Abend hereinholen?«, rief ich fragend aus der Küche heraus.

    »Ja, das kannst du machen«, war seine Antwort.

    »Okay.«

    Ich nahm ein Messer und ging wieder in den Gemüsegarten. Ich entschied mich für einen schönen, offenen Salatkopf und nahm auch eine rote Paprika mit in die Küche. Danach begann ich langsam das Gemüse abzuwaschen, klein zu schneiden und alles in eine Schüssel zu geben. Ich machte eine Joghurtsoße, so wie Mika es mir gezeigt hatte und schmeckte sie ab. Mika kam in die Küche und schaute was ich dort machte.

    »Oh, du machst also auch die Salatsoße?«, stellte er erstaunt fest.

    »Ja, hast du mir doch beigebracht.«

    »Die muss ich aber erst noch abschmecken. Wahrscheinlich fehlt eh wieder etwas«

    Er holte sich einen kleinen Löffel und nahm sich etwas Soße aus der Tasse.

    »Mmh«, überlegte er, »da fehlt noch etwas Salz Mira. Du solltest zwischendurch probieren, ob vielleicht noch ein Gewürz fehlt.«

    »Für dich fehlt überall Salz«, lachte ich und hoffte die Stimmung durch mein Lachen zu erhellen.

    Er reagierte gar nicht auf meine Worte, sondern nahm das Salz und gab noch etwas davon in die Salatsoße.

    »Ich mache Fladen«, beschloss er und holte sich die Schüssel.

    »Oh ja, die machst du immer so gut.«

    Ich versuchte freundlich und nett zu ihm zu sein, doch er ging nicht besonders darauf ein. Ich ertrug es kaum, wenn er so unberechenbar und mürrisch war. Wenn seine Stimmung und sein Verhalten sich sprunghaft veränderten. Ich sehnte mich zurück in unseren ersten Monat. Da hatten wir uns so gut verstanden, zusammen im Haus gearbeitet, uns über alles mögliche unterhalten und viel gelacht. Doch mit dem Alkoholkonsum war seine gute Laune schnell verflogen. Der Alkohol veränderte ihn sichtbar und das war beängstigend. Darum bemühte ich mich stets, ihm keinen Anlass zu geben, genervt von mir zu sein, was mir scheinbar leider nicht immer gelang. Wenn es Mika gut ging, dann ging es mir auch gut. War er schlecht drauf, fragte ich mich, ob es vielleicht an mir lag?

    Das Abendessen verlief ebenfalls schweigsam, bis mein Handy klingelte.

    »Meine Schwester«, stellte ich erstaunt fest.

    »Na, dann geh mal schnell ran.«

    »Hallo Anne. Was für eine Überraschung.«

    Mika stand auf und räumte die Teller vom Tisch in das Spülbecken.

    »Oh, was ist denn Trauriges passiert?«

    Mika trocknete sich die Hände am Küchenhandtuch ab und sah mich an.

    »Oh nein, wie ist das denn geschehen?«

    Für mehrere Minuten lauschte ich nur der Stimme meiner Schwester.

    »Das hätte noch nicht passieren dürfen.«

    Wieder schwieg ich und hörte meiner Schwester zu.

    »Okay, ja ich verstehe. Schreib mir sobald du etwas weißt. Tschau.«

    Ich sah Mika an und mir traten Tränen in die Augen.

    »Meine Oma ist gestorben.«

    »Die, bei der du diesen Sommer gewohnt hast?«

    »Ja, Karla. Bei ihr habe ich seit 3 Jahren jeden Sommer gewohnt und alle meine Sachen sind in ihrem Keller.«

    »Oh, das tut mir Leid.«

    Ich saß in der Küche und die Tränen rannen mir auf einmal die Wangen hinab.

    »Komm her«, meinte Mika mit sanfter Stimme und breitete seine Arme aus.

    Ich erhob mich und ließ mich von ihm umarmen. Dabei flossen die Tränen allerdings nur noch mehr. Er strich mir zärtlich mit der Hand über den Rücken und

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