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Diagnose Reisefieber: Länder Menschen Erlebnisse
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eBook401 Seiten3 Stunden

Diagnose Reisefieber: Länder Menschen Erlebnisse

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Über dieses E-Book

Viele träumen davon, die Arbeit aufzugeben und auf Reisen zu gehen. Hildegard und Jochen machen es wahr: Sie verkaufen Haus, Auto und Firma und gehen auf Tour - 10 Jahre lang. Sie leben mehrere Jahre im Mittelmeer auf einem 13-Meter-Segelschiff und erzählen, auch für Nichtsegler verständlich, aus dem Leben der Langzeitsegler: von schönen Ankerplätzen und einsamen Buchten, interessanten Menschen aus aller Welt, aber auch von Problemen, die so ein Leben mit sich bringt. Mit dem Wohnmobil erkunden sie Australien und seine faszinierende Tierwelt. Der Leser erfährt den Unterschied zwischen Koalas und faulen Rentnern und liest von Kokosnüssen, die darauf warten, den Beiden auf den Kopf zu fallen. Eine mehrjährige Reisepause verbringen sie in der Türkei. Sie kaufen dort eine Wohnung und beschreiben das Leben in dem Land. Einen Winter leben sie auf den Kanaren. Als es Frühling wird, ziehen sie nochmals um: in ein Wohnmobil. Und gehen erneut auf Tour: durch Europa und die Türkei. Sie berichten von Gegenden, in denen Touristen bestaunt werden, sowie von Einladungen, die man besser nicht ablehnen sollte.

In einem amüsanten, lockeren Schreibstil nehmen sie die Leser mit auf die Reise, beschreiben ihre Erlebnisse und vermitteln Eindrücke von Land, Leuten und Tieren. Pannen, Mißgeschicke und Fettnäpfchen nehmen sie von der humorvollen Seite. Unter dem Motto "Wir sind ja flexibel" planen sie, einen Winter in der Türkei zu verbringen, und landen in Spanien. So weit ist es ja schließlich nicht von der Türkei nach Spanien... Hauptsache nicht im kalten Deutschland...

Ein Buch, das so informativ wie unterhaltend ist. Anhand von Landkarten kann der Leser die Reisen nachvollziehen. 264 Seiten (DIN-A 5) mit über 200 Bildern vermitteln einen anschaulichen Eindruck über diese Zeit. Kommentare von Lesern: "Das Buch kann man in einem Rutsch weglesen" und "Man hat das Gefühl, dabei zu sein".
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Jan. 2015
ISBN9783732318261
Diagnose Reisefieber: Länder Menschen Erlebnisse

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    Buchvorschau

    Diagnose Reisefieber - Jochen Ohlmeier

    1. Segeln im östlichen Mittelmeer

    März 2000 bis Mai 2003

    Als langjährige Freizeitsegler konnten wir uns im Jahr 2000 einen langgehegten Traum erfüllen: die Arbeit an den Nagel hängen und auf einem Segelschiff leben.

    1999 fingen wir mit den Vorbereitungen an: unser „bürgerliches Dasein" auflösen und ein Segelschiff suchen. Wir wußten auch schon, wie unser Traumschiff aussehen sollte: etwa 12 bis 13 Meter lang, stabil, mit Mittelcockpit. Mittelcockpit sollte es sein, weil nur bei dieser Bauart eine geräumige Schlafkoje mit Stehhöhe möglich ist. Wo das Schiff sich befand, war uns eigentlich egal – nur warm mußte es dort sein. Nachdem wir den Bootsmarkt erkundet hatten, standen uns zwei Schiffe zur Auswahl.

    Von einem früheren Karibik-Segeltörn hatten wir noch Kontakt zu einem Schiffseigner, der auch zufällig das passende Schiff besaß. Sein Boot lag in der Karibik, er selbst hielt sich zu der Zeit in Deutschland auf. Eigentlich wollten wir uns nur einige Tipps zum Langzeitsegeln von ihm holen. Dabei stellte sich heraus, daß er die Segelei beenden und sein Schiff, das wir ja kannten, verkaufen wollte. Also haben wir uns getroffen, wurden uns auch einig und hatten verabredet, daß er den Kaufvertrag wie besprochen aufsetzt. Da das Schiff außerhalb der EU lag, mußten wir bei der Einfuhr damit rechnen, daß auf den Kaufpreis möglicherweise Mehrwertsteuer gezahlt werden mußte. Die Regeln für die private Einfuhr von Booten waren recht undurchsichtig - trotz intensiver Erkundigungen konnten wir diesen Punkt nicht definitiv klären. Daher hatten wir vereinbart, für den Fall, daß bei der Einfuhr Mehrwertsteuer fällig werden sollte, diese gemeinsam zu tragen. Leider sah der Vertragsentwurf dann anders aus: Das Mehrwertsteuer-Risiko hatte er komplett auf uns abgewälzt. Das konnte ja wohl kein „Versehen" sein - damit war dieses Boot für uns ausgeschieden.

    Die Alternative befand sich in der Marte-Marina in Orhaniye, Türkei, in der Nähe von Marmaris: eine Moody 419, knapp 13 Meter lang, mit Mittelcockpit. Im Februar 2000 wurden wir uns mit dem Besitzer, einem Holländer, einig. Ich bin dann allein hingeflogen, habe das Schiff besichtigt und Hildegard telefonisch das OK gegeben, den unterschriebenen Vertrag an den Verkäufer zu faxen. Damit besaßen wir schon mal ein Bett für unser neues Leben.

    Unser Zuhause: Segelyacht „Flair"

    Am Tag vor dem Abflug verließen wir unsere Wohnung, die wir ja auch verkauft hatten. Für unsere letzte Nacht in Deutschland haben wir bei Freunden um „Asyl" gebeten.

    Am 01.03. steigen wir in den Flieger Richtung Türkei. Bis auf eine Bankverbindung, Freunde und Familie bleibt nichts in Deutschland zurück. Alles andere haben wir verkauft oder verschenkt. Vier Reisetaschen und 23 Kartons Umzugsgut, von einer Spedition nachgeliefert, begleiten uns. Für die erste Zeit haben wir ein Hotel in der Nähe der Marina gebucht. Natürlich will Hildegard sofort am nächsten Tag unser neues Zuhause sehen. Aber der Vorbesitzer hat es noch nicht freigegeben. Er wollte den Kaufpreis auf ein Konto in Gibraltar überwiesen haben, das Geld ist noch nicht angekommen. Auch in Holland leben wohl nicht nur brave Steuerzahler… So darf sie das Schiff nur kurz, unter Aufsicht des Sicherheitspersonals der Marina, besichtigen.

    Nach 16 Tagen Hotelaufenthalt ist das Schiff so weit eingerichtet, daß wir einziehen können. Eine Woche nach dem Einzug bekommen wir die Nachricht, daß unsere 23 Umzugskartons beim Zoll in Antalya eingetroffen sind. Jetzt gilt es, diese durch den Zoll zu bringen. Zusammen mit einem Einheimischen fahre ich zum Zollamt in Antalya. Dort starten wir eine Odyssee durch türkische Amtsstuben. Amtsstube 1: Papiere vorlegen, Schmiergeld hinzufügen, Stempel abwarten… - Amtsstube 2: Papiere vorlegen, Schmiergeld hinzufügen, Stempel abwarten… - Amtsstube 3: Papiere… Ich bin mir nicht sicher, ob alle dazugelegten Scheine wirklich bei den Beamten gelandet sind. Oder ob mein einheimischer Begleiter das eine oder andere Scheinchen in seine Tasche umgeleitet hat… Jedenfalls: Nach acht Stunden haben wir endlich alle notwendigen Stempel zusammen, nehmen unsere verplombten Kartons in Empfang und kommen um Mitternacht wieder in der Marina an.

    Unser „Hausrat": Wir warten auf die Freigabe durch den Zoll

    Jetzt kommt Verwaltungsakt Nummer zwei: Der örtliche Zoll aus Marmaris muß die Kartons nochmals prüfen und die Plomben entfernen. Heute ist allerdings Freitag, vor Montag kommt niemand. Also verbringen wir auch dieses Wochenende noch in unserem Nothaushalt: zwei Messer, zwei Gabeln… Und blicken sehnsüchtig auf unsere verplombten Kartons, die auf dem Steg vor unserem Schiff gestapelt sind. Am Montag kommt dann ein Zollbeamter aus Marmaris, prüft einige Kartons und gibt unseren Hausrat frei.

    Am Schiff, 15 Jahre alt, muß einiges getan werden. Zudem haben wir einige Umbauten geplant. Daß wir als „Bürokraten" das nicht selbst machen können, ist von vornherein klar. Das einzige Werkzeug, mit dem wir gut umgehen können, sind Papier und Bleistift… Aber da wir in den letzten Jahren so einiges aus der Segelliteratur gelesen haben, wissen wir auch, daß es unter den Langzeitseglern viele gibt, die sich ihren Lebensunterhalt unterwegs verdienen. Und unser Plan funktioniert: Wir finden die passenden Leute, vom gelernten Schiffselektriker bis zum Schiffsingenieur, die günstig die notwendigen Arbeiten durchführen.

    Ein großes Problem ist im ersten Jahr die Kommunikation mit Deutschland. Egal, ob der Kontakt mit Freunden und Familie oder die restliche Abwicklung unseres „bürgerlichen Daseins": Es ist eine fürchterlich nervige Angelegenheit. Das Internet war seinerzeit bei weitem noch nicht so ausgereift wie heute, Online-Banking lag noch in den Anfängen - unsere Bank ging erst Ende 2000 ins Netz -, und die Internet-Technik in der Türkei lag noch einige Jahre hinter dem deutschen Stand zurück.

    Ein Beispiel, wie nervig der Kontakt mit Deutschland verläuft. Ich möchte ein Fax zu meiner Bank schicken. Nachdem ich dies drei Tage hintereinander im Marina-Büro erfolglos versucht habe, erfahre ich durch Türkei-erfahrene Bootsnachbarn, daß das Faxgerät mit den computergesteuerten Telefonanlagen in Deutschland nicht zurechtkommt. Also mit dem Bus nach Marmaris zur Post. Ergebnis: Faxen ja, aber nicht nach Deutschland. Ich werde es dann bei einem Bekannten, der in Marmaris eine Firma hat, glücklich los. Zeitaufwand für ein Fax: ein halber Tag.

    Noch ein Beispiel: Im November 2000 geht meine Bank in Deutschland endlich ins Internet. Also versuche ich bei unseren nächsten Marmaris-Besuchen, im Internet-Café meine Bank zu erreichen. Das Ergebnis von vier Sitzungen: Dreimal bis zur Seite meiner Bank vorgedrungen, dann aber: einmal Leitungsabsturz, einmal Störung beim Server, einmal falsch geklickt und rausgeflogen. Ok, letzteres war eigene Dusseligkeit. Aber das kann schon mal passieren - vor allem, wenn man genervt ist. Zeitaufwand: 4-5 Stunden. Erreicht: nichts. Das einzige, was zu der Zeit zuverlässig funktionierte, war das Telefon - allerdings zu Freudenhauspreisen.

    Für Mitteleuropäer ist die türkische Mentalität in den Touristengebieten „gewöhnungsbedürftig". Die Einheimischen sind sehr freundlich. Aber - zumindest in den Touristengebieten - immer mit Blick auf unser Portemonnaie. Man bekommt erst mal Preise genannt, die - manchmal ein Vielfaches - über den üblichen Preisen liegen. Man kann (muß!) zwar handeln, aber bei Ausländern sind die Verkäufer in punkto Rabatt nur begrenzt zugänglich. Insbesondere für uns, die einiges für das Schiff zu kaufen haben, gilt: Das Handeln müssen wir ganz schnell lernen! Schließlich geht es bei den Schiffsarbeiten nicht um Kleinbeträge. Dazu kommt: Es gibt etliche Schlitzohren, die versuchen, ohne Gegenleistung ans Geld anderer Leute, insbesondere der Ausländer, zu kommen.

    Die Aufenthaltsgenehmigung für die Türkei gilt nur für jeweils drei Monate. Eigentlich müßten wir das Land dann für einige Tage verlassen und könnten anschließend erneut für drei Monate einreisen. Alte Hasen aus der Segelszene erklären uns, wie man das umgeht. Da es nur einige Kilometer zur nächsten griechischen Insel sind, meldet man sich „offiziell bei den türkischen Hafenbehörden ab, um nach Griechenland zu fahren. Tatsächlich verbringt man drei Tage „unauffällig im türkischen Hafen und geht anschließend erneut zur Hafenbehörde, um wieder einzuklarieren: „Wir sind zurück aus Griechenland." Das ist zwar immer ein wenig Papierkram und Lauferei - Hafenmeister, Gesundheitspolizei, Paßbehörde und Zoll - aber einfacher und billiger, als eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Das hat auch die ganzen Jahre problemlos funktioniert - die Hafenbehörden kennen den Trick und nehmen ihn stillschweigend hin.

    Eine einsame Bucht -genau richtig, um das Ankern zu üben

    Die wichtigsten Reparaturen und Umbauten an unserem Schiff -wir haben es „Flair getauft - sind bis Mai erledigt. Da wir von unserer Segelei in Holland nur das Anlegen am Steg kennen, geht unsere erste Fahrt in eine benachbarte, einsame Bucht: ankern üben. Das Anlegen am Steg, wie wir es gewohnt sind, gibt es hier eher selten. Üblicherweise wird hier geankert. Wenn Platz genug ist, „frei. Ansonsten, und das ist die Regel, „römisch-katholisch": Hierbei läßt man den Anker fallen, fährt rückwärts ans Ufer bzw. an den Steg heran und macht dort die Leinen fest. Das Schiff hängt praktisch zwischen Anker und Leinen.

    Das Unangenehme daran: Oft, vor allem in der Hochsaison, liegen die Schiffe dicht nebeneinander. Entsprechend liegen auch die Anker nicht weit auseinander. Beim Ankerversuch eines Neuankömmlings wird dann schon mal ein liegender Anker bzw. dessen Leine oder Kette getroffen und der Anker des Nachbarn blockiert oder sogar herausgerissen. Die Folge: Beim Ablegen gibt’s „Ankersalat. Ankersalat ist für die, die nicht betroffen sind, immer eine interessante Angelegenheit: „Hafenkino.

    Wie sich später herausstellt, war die Entscheidung, das Ankern zu üben, eine gute Entscheidung. Wir sehen im Laufe der Zeit etliche Schiffe, die wegen fehlender Anker-Kenntnisse mächtig Probleme haben - meistens nachts, wenn die Fallwinde von den Bergen in die Buchten pfeifen. Uns bleibt dieses Schicksal, von einer Ausnahme abgesehen, erspart.

    Den Sommer und Herbst hangeln wir uns an der türkischen Südküste von Bucht zu Bucht, sammeln Erfahrung und machen „Urlaub".

    Türkisches Fischerboot

    In den Buchten liegen wir oft frei vor Anker, teilweise aber auch an Restaurantstegen. An den Restaurantstegen kann man kostenlos liegen, bekommt in der Regel auch Wasser und Strom, muß als Ausgleich allerdings in dem jeweiligen Restaurant essen gehen.

    Auf diesem Törn entlang der Küste merken wir dann, daß das Segeln auch im Mittelmeer nicht nur Freude bringt. Das wissen wir zwar schon von unserer Segelei in Holland. Allerdings traten Probleme hier in der Türkei doch gehäufter auf.

    Eine unserer ersten Stationen ist die Marmaris-Bucht. In der Einfahrt zur Bucht, in Sichtweite zur Marina, wollen wir den Motor starten, da der Wind uns im Stich läßt. Aber der Motor will nicht anspringen. Also funken wir die Marina an, damit sie jemanden zum Abschleppen schickt. Man sagt auch zu - jedoch es kommt niemand. Langsam treiben wir auf das Felsufer zu, ohne etwas dagegen tun zu können. Schließlich kommt zufällig ein anderes Boot vorbei, das uns in den Hafen schleppt. Abends gehen wir in Marmaris auf Altstadt-Tour - schließlich hat Hildegard um 24 Uhr Geburtstag. Bei einem Blumenverkäufer will ich eine Rose für sie kaufen. Allerdings verlangt der für sein Blümchen einen Preis, den Hildegard überhaupt nicht einsieht. Also klaue ich ihr auf dem Rückweg im Vorgarten der Marina eine Blume, die sogar zwei Wochen lang überlebt. Ansonsten ist uns die Nacht in der Marina nicht so toll in Erinnerung: sehr heiß und reichlich aufgeheizter Beton drum herum.

    In einer anderen Bucht machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit den gefährlichen Fallwinden. Wir haben „römisch-katholisch" festgemacht (vorn Anker, hinten Leinen zum felsigen Ufer).

    Bucht mit Bergen = tückische Fallwinde

    Abends setzen starke Fallwinde von den umliegenden Bergen ein. Plötzlich, beim Abendessen im Cockpit, bewegt sich das Ruderrad. Das Ruderblatt hat Grundberührung, unser Anker hält nicht! Also: Leinen los, Anker hoch und im letzten Tageslicht raus vor die Küste. Unsere Leinen lassen wir zurück, dafür haben wir bei dem Wind und kurz vor der Dunkelheit weder Nerv noch Zeit. Draußen, auf dem offenen Meer, ist es absolut windstill. Das sind halt die Tücken der Fallwinde! In der Theorie kannten wir das ja - jetzt kennen wir auch die Praxis. Die Nacht verbringen wir dann vor der Küste. Der „Wachhabende" bewundert die Milchstraße, der andere schläft. Bei Tagesanbruch fahren wir zurück in die Bucht und holen die liegengelassenen Leinen ab. Immerhin sind das 70 Meter Leine im Wert von 700 DM. Das war glücklicherweise das einzige Mal, daß der Anker uns im Stich ließ - abgesehen natürlich von den Fällen, in denen andere Yachten ihn beim Ankerversuch herausgerissen haben. Wir hatten, gerade zu Beginn, hin und wieder schon mal eine unruhige Nacht mit Fallwinden. Mit der Zeit wuchs allerdings unser Vertrauen in den Anker und unsere Ankerkünste.

    In Fethiye, einem netten Örtchen an der Südküste, schreiben wir in einem Internet-Café Mails nach Deutschland. Wir liegen an einem Steg drei Kilometer außerhalb der Stadt und fahren mit dem Bus in den Ort. Da im PC des Internet-Cafés kein Textprogramm installiert ist, können wir die „zu Hause am Laptop vorgeschriebenen Mail-Texte nicht von der Diskette in die Mail kopieren. Also müssen wir im Café alles neu tippen. In den üblichen Internet-Cafés sieht es so aus: voll von daddelnden Jugendlichen, lärmig, verraucht, ungewohnte türkische Tastatur und türkische PC-Fehlermeldungen, die wir anfangs nicht verstehen. In diesem Fall kommt noch hinzu: Nach zwei Stunden mühsamen Tippens kommt die Meldung „Zeitlimit überschritten, und der gesamte getippte Text ist gelöscht. Als wir das Internet-Café, später als geplant, verlassen, ist der letzte Bus schon weg. Also dürfen wir noch einige Kilometer zu unserem Bett laufen…

    Wir tun auch ein wenig für unsere Bildung und besichtigen die lykischen Felsengräber, die sich in einer Felswand oberhalb von Fethiye befinden. Als wir weiterreisen und die Bucht verlassen wollen, sehen wir über dem Meer ein Gewitter heranziehen. Ein Fischer, der gleichzeitig mit uns hinaus will, ist wohl der gleichen Meinung wie wir: Das Gewitter wartet man besser in der Bucht ab. In der Annahme, daß der Fischer weiß, wo man am sichersten liegt, folgen wir ihm und ankern in seiner Nähe. Die Entscheidung, ihm zu folgen, erweist sich als richtig: Dies ist während des Gewitters der ruhigste Teil der ganzen Bucht.

    Fethiye: Felsengräber

    Auch „Hafenkino erleben wir in diesem Sommer zum ersten Mal. Wie oben schon erwähnt: Hafenkino ist immer dann angesagt, wenn andere Schiffe Probleme mit dem Anlegen oder mit dem Ankern haben, und man selbst nicht betroffen ist. Wenn man also ganz entspannt zusehen kann, wie andere sich mit ihrem Schiff abquälen… In der Nähe von Fethiye liegen wir „römischkatholisch an einem Restaurantsteg -glücklicherweise ganz außen -, als eine Flottille von mehreren Booten ankommt.

    Anstatt sich zu verteilen - es ist Platz genug -, müssen die Boote alle möglichst nah nebeneinander ankern und festmachen. Entsprechend eng liegen auch die Anker.

    Am nächsten Morgen gibt’s zum Frühstück „Ankersalat": Der erste, der seinen Anker hochholt, hat gleich mehrere Ankerleinen am Haken. Bis sie ihre Anker und Leinen sortiert haben, ist der halbe Vormittag vergangen…

    An der Küste vor Knidos zahle ich 100 DM „Lehrgeld" für einen dicken Fehler. Unser Beiboot, zu groß, um es auf dem Schiff unterzubringen, wird unterwegs immer mittels einer Schwimmleine mitgeschleppt. Auf der Fahrt nach Knidos läßt der Wind nach. Ohne Motor ist unser Ziel für die Übernachtung nicht zu erreichen. Eine Schwimmleine - der Name sagt es schon - schwimmt oben. Zumindest, solange sie nicht durch Verwirbelungen der Schiffsschraube nach unten gezogen wird. Dies habe ich jedoch nicht bedacht und starte den Motor. Ergebnis: Die Schwimmleine wird unter Wasser gezogen, wickelt sich um die Schiffsschraube, und der Motor stirbt ab. So liegen wir nun hilflos vor der Küste: ohne Wind und ohne Motor. Meine Tauchversuche, um die Schraube von der Leine zu befreien, bringen auch keine Lösung. Schließlich schleppt uns ein vorbeikommendes Schiff in die Bucht von Knidos. Dort finden wir einen Taucher, der das Problem, allerdings nicht kostenlos, löst. Das war mein 100-DM-Lehrgang zum Thema Schwimmleine.

    Ein anderes Mal versenke ich unseren Bootshaken. Beim Hochholen des Ankers stellen wir fest, daß wir die Ankerkette eines anderen Bootes aufgefischt haben. Beim Versuch, mit dem Bootshaken diese Kette über unseren Anker hinwegzuziehen, rutscht mir der Bootshaken weg und versinkt auf Nimmerwiedersehen.

    Ziemlich rücksichtslos beim Ankern sind die Gullets, große türkische Holzsegelschiffe für Touristenausflüge. Aufgrund der Größe sind diese Gullets natürlich immer die „Stärkeren. Haben die ihre schwere Ankerkette quer über unsere gelegt, haben wir aufgrund des hohen Gewichts keine Chance, unseren Anker hochzuholen. Wir haben mehr als einmal notgedrungen unsere Abfahrt verschoben, bis man unsere Ankerkette wieder „freigegeben hat. Auch draußen vor der Küste sind die Gullets mit Vorsicht zu genießen: Oft kennen sie ihren Gashebel besser als die Vorfahrtsregeln.

    Den Oktober verbringen wir in der Marmaris-Bucht an einem Restaurantsteg. Es sollen noch zwei Einbauten am Schiff vorgenommen werden. Die Handwerker, die diese Arbeiten ausführen sollen, haben ihren Sitz in Marmaris. Wir lassen eine Solaranlage einbauen, damit wir ein wenig unabhängiger werden von der Steckdose an Land. Und ein „Cockpithäuschen".

    „Flair" mit Cockpithäuschen und Solaranlage

    Dies ist ein komplettes „Haus aus Segeltuch und Plastikfenstern rund um das Cockpit. Es bietet Schutz gegen Sonne, Wind, Spritzwasser, Regen und, im Winter, unangenehme Temperaturen. Die Seitenwände sind aufrollbar, sodaß wir bei Bedarf die Seite herunterlassen können, auf der uns das Wetter nicht gefällt. Diese Investition ist, wie sich später zeigt, die beste, die wir machen konnten. Ab da leben wir fast ausschließlich im Cockpit, selbst im Winter in der Marina. Die Handwerker, ein Segelmacher und sein Mitarbeiter, sind sehr freundlich, arbeiten sehr gut - und sind immer durstig. Alle paar Tage kommen die beiden zum Ausmessen oder Anpassen der fertiggestellten Teile. Nach der Arbeit bieten wir ihnen ein Bier an, das sie auch gerne annehmen. Aber auch beim 5. und 6. Bier sagen sie nicht nein. In der Regel laufen die „Arbeitsbesuche so ab: Sie kommen im Laufe des Nachmittags und arbeiten ein oder zwei Stunden. Den Rest des Tages verbringen sie damit, unseren Kühlschrank zu plündern. Wahrscheinlich haben wir für Bier mehr Geld ausgegeben als für das Cockpithäuschen… Aber es sind freundliche Jungs, zu denen wir auch in den nächsten Jahren Kontakt halten. Das eine oder andere Bier haben wir uns im Laufe der Zeit auch zurückgeholt…

    Anfang November sind wir wieder in unserem „Heimathafen" in der Marina in Orhaniye nahe Marmaris. Die Temperaturen sind angenehm, etwa 15 - 20 Grad. Aber den ersten Nachtfrost haben wir auch schon hinter uns. Wir liegen hier mit insgesamt zehn bewohnten Booten und bessern unsere Englischkenntnisse auf. Außer bei unseren beiden deutschen Nachbarn wird überall Englisch gesprochen.

    Die Bucht mit unserer Winter-Marina

    Hildegard ist im Moment rundum glücklich: Sie darf Hund und Katze von zwei Australiern betreuen. Die sind in Heimaturlaub gefahren. Das Komplizierte an der Betreuung: Der Hund ist Türke, die Katze Thailänderin. Hoffentlich gibt das keine Sprachprobleme…

    Türke und Thailänderin

    In den letzten vier Wochen haben wir unsere undichten Fenster ausgebaut und abgedichtet. Nun, Ende November, erfolgt der Härtetest: Seit zwei Tagen regnet es. Ergebnis: alles dicht! Seit einigen Tagen ist auch unsere Stereoanlage in Betrieb, nachdem wir einen Schrank umgebaut und mit Strom versorgt haben. Wir haben uns für die Luxusausführung entschieden: wahlweise Land- oder Bordstrom. Hildegard betreut nun schon seit einigen Wochen Hund und Katze der Australier. Täglich sieht man sie durch die Marina laufen - Hund an der Leine, Katze im Schlepptau…

    Zu Weihnachten schicken wir Grüße nach Deutschland - wegen der Internet-Probleme in der Türkei auf altbewährte Art: per Postkarte. Hildegard fährt mit den geschriebenen Postkarten nach Marmaris zur Post. Glücklicherweise hat man uns vorgewarnt: Es gibt Postbeamte, die die abgegebenen Postkarten in den Müll werfen und das Geld für die Briefmarken in die eigene Tasche stecken. An genau so ein Schlitzohr gerät Hildegard anscheinend. Der Beamte lächelt sie freundlich an, will ihr das Geld für die Briefmarken abknöpfen und meint, den Rest mache er schon. Unter „Rest versteht Hildegard: Karten in die Ablage „P werfen, Geld einstecken. Also gibt sie ihm zu verstehen, er

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