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Die seltsamen Reisen des Dr. O.: oder wie ich lernte, Afrika zu lieben
Die seltsamen Reisen des Dr. O.: oder wie ich lernte, Afrika zu lieben
Die seltsamen Reisen des Dr. O.: oder wie ich lernte, Afrika zu lieben
eBook266 Seiten3 Stunden

Die seltsamen Reisen des Dr. O.: oder wie ich lernte, Afrika zu lieben

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Über dieses E-Book

Reisen in Afrika: eins der letzten großen Abenteuer unserer Zeit. In gleichermaßen spannender wie unterhaltsamer Weise wird dem Leser ein Konzentrat teilweise haarsträubender Erlebnisse aus über dreißig Reisen auf dem Schwarzen Kontinent geboten.
Am Ende wissen wir eins: Afrika ist nicht so romantisch, wie es uns oft dargestellt wird, aber auch längst nicht der Alptraum, mit dem dieser Kontinent nur allzu oft in Verbindung gebracht wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Okt. 2013
ISBN9783732261352
Die seltsamen Reisen des Dr. O.: oder wie ich lernte, Afrika zu lieben
Autor

Thomas Olthoff

Thomas Olthoff, Jahrgang 1957, lebt und arbeitet als freiberuflicher Biologe und Marktbeschicker in Hamburg. Neben einigen wissenschaftlichen Publikationen ist dies sein Erstlingswerk im belletristischen Bereich.

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    Buchvorschau

    Die seltsamen Reisen des Dr. O. - Thomas Olthoff

    Inhalt

    Vorwort

    Mauretanische Impressionen

    Zwischen Wüste und Meer – eine ganz normale Fahrt

    Warum eigentlich immer Afrika?

    Zurück zu den Anfängen: Iran und die große Jordanienfahrt

    Dann eben Marokko

    Auf in den Sudan

    Das erste mal Schwarzafrika

    Endlich Transsahara

    Der Dreifuffziger

    Von Zauberei und anderen Gefahren

    Ouallen

    Über die Liebe

    Liberia und ein guter Freund

    Im Wald

    Kathi

    Nachwort

    Vorwort

    Eine Reise muss beschwerlich sein, darauf habe ich mich kürzlich mit meinem alten Freund und Reisepartner Jörn geeinigt. Es müssen unvorhergesehene Dinge passieren können, und damit meine ich nicht etwa einen tropfenden Wasserhahn oder ein paar Kakerlaken im Hotelzimmer. Alles andere ist Urlaub. Auch das kann sehr schön sein, aber es fehlt der gewisse Nervenkitzel, den zu suchen in der Natur des Menschen zu liegen scheint. Einige zieht es auf die höchsten Berge, andere in die Abgründe der Ozeane, wieder andere stürzen sich aus Flugzeugen in die Tiefe.

    Und mich, wie auch viele andere, zieht es immer wieder mit dem Auto nach Westafrika. Es ist wie ein Virus, eine Sucht, die einen nicht mehr loslässt. Wie oft habe ich selbst schon gesagt, ich habe die Schnauze voll, ich will nach Hause, ich fahre nie wieder, wenn sich unterwegs mal wieder irgendwelche Probleme häuften. Auto kaputt, tagelanger Sandsturm, durchgedrehte Zöllner, verlorene Papiere, enormer Durchfall, oder all das zusammen. Aber kaum wieder in der Heimat fängt man auch schon wieder an, sich ganz unverbindlich nach dem nächsten Reiseauto umzusehen. Selbst Leute, die aus familiären oder beruflichen Gründen schon ewig nicht mehr gefahren sind, hört man sagen, einmal muss ich es noch machen, einmal fahre ich noch, und wenn ich meine Stellung dafür kündige.

    Nach der Lektüre dieses Buches könnte man das als eine skurrile Spielart des Masochismus abtun, doch ich denke, es steckt mehr dahinter. Diese Mischung aus grenzenloser Freiheit und niederschmetternden Unwägbarkeiten birgt für das alltägliche Leben zu Hause ein großes Entspannungspotenzial. Man kann sich, wenn man unterwegs eine anfangs schier aussichtslose Situation gemeistert hat, jedes mal sagen, das hast du mal wieder geschafft. Man wird auf das Existenzielle, das wirklich Wichtige reduziert. So ist mir kühles, klares, sauberes Wasser, das hier zulande gedankenlos in ungeheuren Mengen verschwendet wird, zu einem wertvollen Gut geworden. Gestresste Manager bezahlen Unsummen, um auf minutiös vorausgeplanten Survivalseminaren einen Hauch von ähnlichen Erfahrungen empfinden zu dürfen.

    Ich habe einige von den Erlebnissen niedergeschrieben, die ich in Afrika und teilweise auch anderswo erlebt habe. Es handelt sich weder um ein Tagebuch noch um einen Reiseführer, sondern vielmehr um eine Zusammenstellung von Begebenheiten aus verschiedenen Reisen. Eine korrekte zeitliche Abfolge und die Charakterisierung der Protagonisten, mich eingeschlossen, erscheint mir daher nebensächlich. Es geht um die Sache an sich, alles andere ist mehr oder weniger austauschbar. Also, noch mal tief durchatmen, und dann nichts wie hinein in den Strudel der Ereignisse.

    Mauretanische Impressionen

    Januar 1996. Lautlos gleitet die Piroge über den Fluss. Nur Frösche und Insekten sind am Ufer zu hören. Unser Fährmann ist stumm. Hat ihm die Maurenmafia die Zunge herausgeschnitten, um ihn für ihre Dienste nutzbar zu machen? Gibt es am Ufer hinter uns Grenzpatrouillen? Wenn ja: werden sie schießen, wenn sie uns entdecken? In der Phantasie drängen sich Bilder auf von im Wasser treibenden Gepäckstücken, der sinkenden Piroge, dazwischen reckt sich lautlos noch ein letztes Mal eine Hand aus dem Wasser...

    Doch nichts passiert, wir erreichen unbehelligt das andere Ufer, wo wir am Steg eines traumhaft schönen Hotels abgesetzt werden. Trotz der ungewöhnlichen Uhrzeit, es ist inzwischen vier Uhr morgens, trägt der Portier ohne Fragen zu stellen unser Gepäck herein. Erst als wir auf den Anmeldeformularen lesen „Republique du Senegal" fällt jegliche Spannung von uns ab und selbst Jörn, der Antialkoholiker, kippt in dem besinnungslosen Freudentaumel innerhalb kürzester Zeit drei Bier in sich hinein.

    Was war geschehen? Wir waren zum ersten Mal auf der so genannten Atlantikroute nach Westafrika unterwegs, nachdem es in Algerien, Mali und Niger Anfang der neunziger Jahre aufgrund des Touargaufstandes zu unsicher geworden war, und waren prompt der mauretanischen „Automafia" auf den Leim gegangen. Schon der einheimische Führer durch die Wüste, der für uns Neulinge in dieser Gegend unverzichtbar war, hatte uns die ganze Zeit traumhafte Preise für unsere Autos ins Ohr geflüstert, Jörns Peugeot könne ohne weiteres 3000 DM, mein Mercedes 5000 DM erzielen. Der Verkauf des Reiseautos ist eine gängige Praxis, die Reisekosten zu minimieren oder sogar einen kleinen Profit zu erwirtschaften, aber dazu später mehr.

    Kaum in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott angekommen, kamen auch schon zwei überaus freundliche und Vertrauen erweckende Herren auf uns zu, die exakt die uns eingeimpften Beträge bar in französischen Francs bei sich hatten. Unsere Bedenken bezüglich der in die Pässe eingetragenen Fahrzeuge wurden mit der Bemerkung zerstreut, dass man natürlich beste Beziehungen zum Zollchef in Rosso, dem Ausreiseort nach Senegal, unterhalten würde und sich so die lästige Verzollung ersparen könne. Die ganze Sache war eindeutig illegal, doch nach kurzer Besprechung ließen wir uns auf den Deal ein, zumal wir das Geld sofort ausgehändigt bekamen und die Autos nebst Schlüsseln und Papieren vorerst zur eigenen Nutzung behalten durften. So viel Vertrauen seitens unserer Geschäftspartner fanden wir direkt rührend, denn in unserer Naivität dachten wir, dass wir ja theoretisch auch einfach verschwinden und uns so doppelt bereichern könnten.

    Nach zwei Tage hatten wir genug von der Stadt gesehen und wollten weiter nach Süden Wir brachten die Autos zu den Käufern, die uns erklärten, dass der Transport zur Grenze erst am Abend erfolgen könne. Gegen zehn Uhr kamen zwei ihrer Gehilfen, um uns mit einem klapprigen Peugeot die 200 km nach Rosso zu bringen.

    Nach etwa 20 km der erste Zollposten an der Straße. Rund 10 Mann, schwer bewaffnet, Nagelbretter am Straßenrand, Gepäck auspacken. Die Autopapiere kommen zum Vorschein, die wir quasi als Pfand für unsere Sicherheit bis zur Grenze bei uns behalten wollten. Auch dies wieder eine törichte Übertragung europäischen Denkens auf afrikanische Verhältnisse, denn in den Händen der richtigen Leute ist hier ein Auto ohne Papiere genau so viel Wert wie eines mit Papieren. Mit spitzen Fingern werden die verdächtigen Gegenstände in die Luft gehalten, so, so, was haben wir denn hier? Unsere paar faulen Ausreden helfen nichts. Wir geben uns auch wenig Mühe, verlassen wir uns doch auf unsere Schleuser, die gewiss große Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen haben. Aber nichts da, völlig unbeteiligt und auch unbehelligt drücken sie sich abseits des Geschehens herum. Nach kurzer Zeit wird von einem Zöllner in barschem Ton die exorbitante Summe von 12000 Francs in den Raum gestellt, immerhin knapp 2000 Euro, dann könne man noch mal ein Auge zudrücken. Dies für einen Scherz haltend, fangen wir an zu handeln, was hier ja nicht unüblich ist. Doch wir haben die falsche Strategie gewählt und werden uns dem Ernst der Lage erst bewusst, als unser Gepäck ohne weiteren Kommentar auf einen Zollwagen geworfen und uns befohlen wird, einzusteigen. Wir sind total überrascht, und schlagartig wird uns klar, dass dies hier ist kein Spaß mehr ist.

    Es geht zum Zollhauptquartier, unsere Chauffeure sind auch mit von der Partie. Dort angekommen raunt mir einer der beiden zu, ich solle ihm noch schnell das geforderte Geld geben, vielleicht ließe sich ja doch noch etwas machen. Dies ist der einzige Ausweg, der sich momentan überhaupt abzeichnet, deshalb lasse ich mich darauf ein, obwohl ich es eher für unwahrscheinlich halte, dass der Bursche das Geld seinem eigentlichen Zwecke zuführen wird. Im Geiste sehe ich ihn schon im nächsten Bordell verschwinden und alles fröhlich verprassen. Das Geld ist gut in meinem Seesack versteckt, sonst hätte man es wohl auch schon bei der Kontrolle am Posten entdeckt. Aber wunderlicherweise lässt man mich unbehelligt an meinem Gepäck herumnesteln, bevor es in Gewahrsam genommen wird. Ich stecke ihm das Geld zu und er verschwindet, wir werden kurz darauf in eine doch immerhin recht saubere Zelle gesperrt. Während der ganzen Nacht sitzt ein Wachposten vor unserer Tür, ein uralter Mann, ausgerüstet mit einer vorsintflutlichen Flinte und einem Kofferradio. Unentwegt dudelt maurische Musik, die eher an ein schrilles Kreischen erinnert und einen schon unter normalen Umständen an die Grenzen der nervlichen Belastbarkeit bringt.

    Morgen früh um neun, wenn der Chef da ist, sollen wir verhört werden, so viel hatte man uns noch gesagt, bevor die Tür ins Schloss fiel. Dumpf vor uns hinbrütend sitzen wir auf unseren Schlafsäcken, die wir mit hereinbringen durften. Unsere Gedanken drehen sich um das morgige Verhör beim Chef, bestimmt ein böser Mann, dem es den größten Genuss bereiten wird, uns fertig zu machen. Wir werden uns kaum herausreden können, zumal er uns schon sprachlich weit überlegen sein wird, bei unserem rudimentären Französisch. Wir sind sicher, dass sie uns alles Geld wegnehmen werden, aber es wird nicht genug sein, deshalb werden sie uns noch ins Gefängnis stecken, unter drei Monaten geht das bestimmt nicht ab. Oh Gott, oh Gott, hätten wir das doch bloß alles nicht gemacht. Gegen Morgen gelingt es uns, in einen nervösen Schlaf zu fallen.

    Wir erwachen, als die Zellentür geöffnet wird. Sofort ist die Angst wieder da. Draußen ist es schon hell, aber ist es denn schon neun, ist es wirklich schon so weit? Doch wir werden nicht zum Chef gebracht, sondern ohne jeden Kommentar in ein Auto gesetzt, das Gepäck liegt schon auf der Ladefläche. Verdutzt und ratlos sitzen wir auf der Rückbank, während die Fahrt kreuz und quer durch die Stadt geht. Aber es macht sich so etwas wie Hoffnung breit, kuck mal an, da tut sich irgendwas. Vielleicht hatte das Schmiergeld ja doch etwas bewirkt.

    Die Fahrt endet vor einem Privathaus irgendwo in der Stadt, wir werden über den Hof in einen kahlen, halbdunklen Raum geführt, und wieder schließt sich eine Tür hinter uns. Da stehen wir nun, und sind so schlau wie zuvor. Sind wir nun beim Chef zu Hause? Gibt er uns jetzt eine Privataudienz, um uns ohne Zeugen noch besser abzocken zu können? Fragen über Fragen, doch da geht unvermittelt die Tür auf, unser Gepäck wird hereingebracht und uns, wir können es kaum glauben, unsere Pässe ausgehändigt, während zum ersten mal während dieser ganzen Affäre so etwas wie ein Lächeln über das Gesicht eines der Zöllner huscht.

    Obwohl wir nun wieder eingesperrt sind, denn die Tür wurde sorgfältig von außen verschlossen, fühlen wir uns auf einmal frei. Von offizieller Seite hatten wir jetzt wohl nichts mehr zu befürchten, sonst hätte man die Pässe einbehalten. Aber je länger wir hier sitzen, es müssen schon Stunden vergangen sein, umso klarer wird uns, dass wir immer noch Gefangene sind. Eine Bewachung haben wir auch wieder, aber zu unserem Leidwesen sitzt sie diesmal drinnen und nicht draußen. Es ist eine alte Frau, die ständig debil vor sich hinbrabbelt, sich die grindigen Beine mit einer übel riechenden Tinktur einreibt und sich in krampfartigen Hustenanfällen enormer Mengen Auswurfes entledigt, den sie einfach irgendwo in den Raum rotzt. Statt Angst macht sich nun während der unendlich langsam verrinnenden Stunden Apathie breit. Wir dämmern in absoluter Ungewissheit, wie es weiter gehen wird, vor uns hin. Einige Male wird die Tür von einem schweigsamen jungen Mann geöffnet, der uns zum Klo im Hof führt. Bei diesen Gelegenheiten bekommen wir auch etwas zu trinken, einmal wird auch warmes Essen hereingereicht, ein sehr ordentlicher Couscous mit Fleisch und allem drum und dran, man meint es also gut mit uns.

    Gegen Mitternacht draußen Rumoren, die Tür geht auf, die beiden Jungs, die uns außer Landes bringen sollen, sind wieder da. Schnell, schnell, wir müssen sofort los, zur Grenze. Unsere Nerven sind von null auf hundert wieder zum zerreißen gespannt. Unterwegs schärfen sie uns ein, dass wir uns auf ein bestimmtes Kommando hinten im Fußraum des Autos ganz, ganz klein machen müssen, und einer der beiden seinen Umhang über uns werfen wird, damit wir an Kontrollposten nicht entdeckt werden. Man könne auf diese Weise weiteren Komplikationen vorbeugen, indem man einfach so täte, als gäbe es uns gar nicht. Da ist es auch schon so weit, der eine zischt „Couche, couche completement". Während wir uns grotesk zusammengekauert gegenseitig unseren stinkenden Atem ins Gesicht keuchen, hören wir sie mit den Kontrollposten Witze reißen und sich kaputtlachen. Vermutlich über uns.

    Diese demütigende Prozedur müssen wir noch einige Male über uns ergehen lassen, aber je weiter wir uns von Nouakchott entfernen, umso nervöser werden die beiden. Uns wird klar, hier kennen sie niemanden mehr. Vor einem offenbar sehr heiklen Posten wird angehalten und ein Späher vorausgeschickt. Alles klar, keiner zu sehen, kein Licht an, sagt er, wir fahren einfach durch. Doch bald darauf tauchen Scheinwerfer hinter uns auf, die beiden fühlen sich verfolgt und rasen völlig kopflos in die Dünen neben der Straße. Während alle gespannt warten, fährt nur ein harmloses Taxi vorbei. Das Herausfahren aus dem Sand scheitert aber an der rutschenden Kupplung ihres Autos. Die beiden setzen sich hin und schauen den Himmel an. Allah wird´s schon richten.

    Wir sind beide nervlich völlig am Ende. Jörn sagt „mir ist jetzt alles egal, ich leg mich auf die Straße, und wenn die Bullen kommen, ist wenigstens alles zu Ende". Ich halte dagegen, dass wir noch nicht verloren haben, so lange wir uns noch bewegen können. Das leuchtet ihm ein, und wir schleppen die wenigen Steine aus der näheren Umgebung heran, um einen befestigten Anfahrweg zu schaffen. Die Mauren machen derweil keinen Finger krumm. Endlich ist die Trasse lang genug, ein Maure setzt sich ans Steuer, und während Jörn und ich unter Aufbietung der letzten Reserven das Auto schieben, steht der andere Maure mit verschränkten Armen da und lässt seinen Boubou im Winde flattern. Der Wagen kommt frei und schießt mit Geheul auf die Straße, als er wieder festeren Boden unter den Rädern hat.

    Ja, wir hatten wieder gesiegt, dem Schicksal die Stirn geboten. Jetzt wird alles gut, denn alles Elend hat einmal ein Ende, und wir hatten wohl schon jetzt alles Übel abgearbeitet, das in den nächsten Jahren noch hätte kommen sollen. Doch es reicht noch nicht, und nach ein paar Kilometern hat der Wagen einen Platten. Es ist zum Kotzen. Während die Mauren das Rad wechseln, müssen wir uns hinter einem Busch verstecken. Im Hinkauern sticht Jörn sich einen riesigen Akaziendorn in die Hand, doch statt einer normalen Reaktion, aufschreien, fluchen oder heraus ziehen, glotzt er die Bescherung nur schweigend an und sagt dann tonlos: „Ich spüre schon gar nichts mehr".

    Doch erstaunlich schnell sind die Mauren mit dem Radwechsel fertig, wir sind immerhin schon in greifbarer Nähe von Rosso, und sie wollen wohl auch langsam Feierabend haben. Endlich im Ort angekommen halten sie vor einem Haus, gehen kurz hinein und erklären uns bei ihrer Rückkehr, dass der Zollchef nicht zu Hause wäre und deshalb auch leider nichts in unserer Angelegenheit unternehmen könne. Aber es gäbe da noch eine andere, völlig unkomplizierte Möglichkeit. Wortlos fahren wir auf immer schmaleren Wegen aus dem Ort heraus, runter zum Fluss. Jörn und ich stellen schon keine Fragen mehr, wir sind nur froh, dass es irgendwie weitergeht. Wir kreuzen eine Weile am stockfinsteren Ufer hin und her, bis der Lichtkegel der Scheinwerfer einige am Strand lagernde Boote erfasst. Unsere Schleuser wecken einen in der Nähe schlafender Mann und reden kurz und eindringlich auf ihn ein. Dann schieben sie eins der Boote ins Wasser und bedeuten uns flüsternd, einzusteigen, den Mund zu halten und um Himmels Willen nicht zu rauchen.

    Der Anfang dieser Episode ist auch gleichzeitig das Ende, denn es erfolgte nun nur noch die zu Beginn beschriebene Flussüberquerung, auf der wir noch mal ordentlich Blut und Wasser schwitzten. Ich bin auf späteren Reisen jedes Mal an dem besagten ersten Kontrollposten vorbeigekommen. Er war immer vollkommen unbesetzt. Das heißt, dass man an jenem Abend nur auf uns gewartet hat. Führer, Autokäufer und Zoll hatten offenbar zusammengearbeitet und sich den Reibach aufgeteilt. Dies war unsere erste Reise durch Mauretanien gewesen, deshalb hatten wir keine Ahnung von den hiesigen Verhältnissen und waren in diese Falle getappt. Tröstlich an der Sache war, dass ich später etliche Leute getroffen habe, denen es in verschiedenen Variationen ähnlich ergangen war. Ich habe die Lehre daraus gezogen, in diesem Lande niemals mehr auch nur eine Schraube zu verkaufen, auch wenn sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit entspannt haben sollen.

    An dieser Stelle sei eine Anmerkung zum Mauren an sich erlaubt. Dieses Wüstenvolk ist anders als die übrigen, was vielleicht an der langen Abgeschiedenheit ihres Territoriums liegen mag, weit weg vom Rest der Welt, wie schon Andreas Altmann sagte. Man pocht hier mal vehement auf islamische Grundsätze, mal auf westliche Liberalität, aber immer entschieden zum eigenen Vorteil. Schon Mungo Park hat in seinen „Reisen ins Innere Afrikas" die Mauren als einen eher unsympathischen Menschenschlag beschrieben, und auch wenn man gelegentlich auf überaus liebenswürdige Mauren trifft, werden doch die meisten, die in dieser Gegend gereist sind, von unangenehmen Erfahrungen berichten können.

    Wenn man zum Beispiel auf der Strandpiste eine Autopanne hat, womöglich noch genau an der weit ins Meer hineinragenden Felsnase, und man weiß genau, die nächste Flut wird das Fahrzeug mit allem Hab und Gut verschlingen, und es kommt ein Maure vorbei, und du sagst Kumpel, hilf mir, zieh mich raus. Dann wird der Maure sagen, der selbe, dem du vor einer Stunde bei seiner Panne geholfen hast, dem du noch einen Reifen geschenkt hast und der ohne sich auch nur umzuschauen weiter gefahren ist, der wird sagen, gut, Kumpel, ich helfe dir, aber dafür gibst du mir tausend Dollar. Wenn du ihm weniger geben willst, wird er sich hinhocken und kalt lächelnd zuschauen, wie die Wellen immer weiter um dein Auto herumlecken, die Räder unterspülen, irgendwann läuft das Wasser zum Fenster herein, und dann ist Schluss, dann ist auch der Motor abgesoffen, das weiß er genau. Dann wird er in sein Auto steigen, das mit deinem Reifen, und wegfahren, ohne sich auch nur umzuschauen.

    Oder du fährst von Nouadhibou nach Choum, entlang der Bahnstrecke, vorbei an Ben Amira, einem der größten Monolithen der Welt, sichtbar schon aus fünfzig Kilometern Entfernung. Die Verkehrsdichte ist auf dieser Nebenstrecke extrem gering, doch da kommt dir ein uralter Landrover entgegen, besetzt mit einer maurischen Familie, Mutter, Vater, drei Kinder. Man hält selbstverständlich an und fragt nach dem Befinden, der Mann sagt, mein Motor verliert Öl, habt ihr was übrig? Klar, man reicht ihm einen 5-Liter-Kanister, er füllt auf, aber der Kanister mit dem restlichen Öl verschwindet sofort in seinem Auto. Habt ihr auch Zucker, ist sein nächstes Anliegen, und obwohl schon etwas von dem Ölklau düpiert reichen wir ihm auch noch eine große Handvoll Würfelzucker. Da kuckt er beleidigt und verlangt noch den Rest der frisch angebrochenen Packung. Denkt doch an meine armen Kinder, greint er. Es reicht, inzwischen sind wir uns sicher, dass der Mann noch zehn Liter Öl und drei Kilo Zucker bei sich hat, denn er würde seine Familie auf dieser Strecke nicht einem derartigen Mangel aussetzen. Wir fragen ihn, ob er uns nicht freundlicherweise noch hundert Liter Diesel abnehmen könne, er stimmt freudig erregt zu, und wir fahren weiter, lassen ihn stehen, ohne uns auch nur umzuschauen.

    Eine weitere Unart ist hier der offen zur Schau getragene Rassismus. Die arabische Mehrheit hat das Sagen, und Schwarze waren hier seit je her Sklaven, und mit der entsprechenden Geringschätzung

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