Und morgen will ich einen Esel !: Anekdoten und KURTs-Geschichten aus der Provence
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Über dieses E-Book
Es gibt Monster, Kittelschürzen, Krokodile, eine Prinzessin und eine ruchlose alte Dame. Einen frommen Ochsen, der eigentlich eine Ziege ist. Und Kurt, dem so einiges schiefläuft. Und den lieben Trüffel, um nur einige zu nennen.
Mit liebevollen Illustrationen
von Klaus Stuttmann
Ähnlich wie Und morgen will ich einen Esel !
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Buchvorschau
Und morgen will ich einen Esel ! - Hannelore Salinger
Eine Reise ins Ungewisse
Gabi war achtzehn und ich siebzehn Jahre alt und alles begann an einer Bushaltestelle. Wir hatten den Bus zum Flughafen knapp verpasst, als ein Auto hielt.
Es sollte meine erste Reise ans Mittelmeer werden, nach Lido di Jesolo. Am Samstag sollte es losgehen, zusammen mit meiner Freundin Gabi, ihrer Mutter und deren Verlobten.
Aber dann! Der Verlobte sagte kurzfristig ab, um mit seiner Ehefrau und den Kindern in die Toscana zu fahren. Gabis Mutter war am Boden zerstört und wir stinksauer. Und jetzt? Zu Hause bleiben? Zur Oma auf´s Land? Niemals. „Wir fahren jetzt zum Flughafen, sagte Gabi, „und schauen, ob wir einen billigen Flug kriegen und den nehmen wir dann. Sofort und egal wohin.
Und dann fuhr uns der Bus vor der Nase weg und der Wagen hielt.
„Na, Mädels, habt ihr den Bus verpasst?, fragte die Fahrerin. „Wo wollt ihr denn hin?
Genau das war die Frage. Wir wussten es nicht.
Sie nahm uns mit bis nach Heidelberg und organisierte an der Tankstelle die Weiterfahrt. Diesmal war es ein junger Mann, der bis nach Bern fuhr. Danach hielt ein Pärchen und wir landeten in Grenoble, weiter ging es mit einem italienischen Transporter in Richtung Küste. Und wir stritten uns während der ganzen Fahrt. Gabi wollte an die Adria, ich an die Côte d’Azur. Wenn schon, dann richtig! Dass ich gewonnen habe, war reiner Zufall.
Irgendwie sind wir in unserer ersten französischen Nacht in einem kleinen Hotel in Saint Maxime gelandet und wussten immer noch nicht, wie das alles hatte passieren können. Und trafen dort Georg, einen Jungen, der auf der gleichen Schule war wie wir, nur zwei Klassen höher. So ein Glück aber auch! Er sah das genauso und lud uns prompt zum Essen in ein schönes kleines Restaurant direkt am Meer ein. Mit dabei war sein französischer Freund Michel, und es war ein schöner Abend. Allerdings hätten wir stutzig werden müssen, als die Jungs jeder im eigenen Auto vorfuhren. Auf dem Rückweg, ich sollte bei Michel mitfahren, bog er plötzlich in einen Waldweg ab und klack, starrte ich entsetzt die Wagendecke an. Michel hatte meinen Sitz in die waagerechte Position gebracht. So nicht, Freundchen! Und dann bin ich halt zurück zum Hotel gelaufen, fünfzehn Kilometer weit und allein auf weiter Flur. Immer, wenn ein Scheinwerfer aufleuchtete, versteckte ich mich irgendwo im Dunkel.
Jahre später bin ich diese Strecke mit dem Auto abgefahren und habe sie nicht wiedererkannt. Wo damals Kakteen und Büsche standen, waren jetzt Häuser, eins neben dem anderen, zum Teil geschmacklose Appartementbauten. Das kleine Restaurant am Strand aber gibt es immer noch.
Im Hotel angekommen, war von Gabi keine Spur. Sie kam erst morgens gegen sechs, paniert mit Sand wie ein Wiener Schnitzel … Das Hotel konnten wir uns auf Dauer nicht leisten. Die nächste Nacht verbrachten wir unter der Brücke von Saint Maxime und teilten Nachtlager, Käse, Baguette und Wein mit etwa 30 Globetrottern aus aller Herren Länder.
Nicht nur Europäer, mehrere Amerikaner, drei Australierinnen, sogar ein Peruaner und zwei Chinesen. Ein paar hatten ihre Gitarren dabei, wir sangen Blowing in the Wind, den Text konnte jeder, und ich zog an der ersten und einzigen Haschtüte meines Lebens.
Die Nacht darauf schliefen wir in zwei kleinen roten, halb aufgeblasenen Gummibooten. Die befanden sich hinter einer Hecke auf einem riesigen Anwesen. Das Haus, eine Prachtvilla, lag völlig im Dunkeln. Wir hatten es eine Zeitlang beobachtet, es schien unbewohnt und niemand würde uns bemerken. Dachten wir! Am Morgen gegen sieben Uhr wurden wir wach, geweckt durch den köstlichen Duft zweier großen Tassen Milchkaffee. Diese gute Seele, wer immer das war, hatte auch noch ein paar Kekse dazu gelegt. Als kleines Dankeschön haben wir die beiden Gummiboote randvoll aufgeblasen. Einen Tag später zogen wir in einen Palast, gelegen in Saint Tropez direkt am Meer! Genau genommen war es das Einmann-Zelt von Jürgen aus Hannover und stand auf einem Campingplatz.
Für uns wurde es zum Luxusdomizil. Jürgen hatte sich in Nadine verliebt, durfte bei ihr einziehen und überließ uns sein Zelt zum sensationellen Preis von einem Zitroneneis pro Tag.
Jetzt begannen die Ferien erst richtig! Tagsüber waren wir am Strand, abends ging es auf die Piste. Wir haben Curd Jürgens gesehen und Brigitte Bardot, die unter tosendem Beifall, lachend und bildschön, auf den Armen von zwei attraktiven Herren in ein Restaurant getragen wurde. Und Udo Jürgens, der live viel besser aussah als im Fernsehen. Eine einsame Soraya, die allein auf dem Oberdeck einer riesigen Yacht im Hafen an ihrem Champagner nippte und einen griesgrämigen Louis de Funés. Er konnte einem richtig Leid tun, er wurde regelrecht belagert und angestarrt in der Hoffnung auf einen seiner berühmten Späße. Hat er aber nicht gemacht, stattdessen schnauzte er mit dem Kellner. Dann wurde unser Taschengeld knapp, und Nadine beschaffte uns einen Job: Wir zogen abends durch die Lokale am Hafen und verkauften Erdnüsse, einmal sogar an Gilbert Bécaud! Er hat zehn Päckchen gekauft und sie uns dann geschenkt. Dann hat er eine Micky Maus auf einen Zettel gemalt und mit „Gilbert" unterschrieben. Der war nett! Und zwischendurch verliebten wir uns in zwei junge Engländer. Es waren die schönsten, die aufregendsten Ferien aller Zeiten.
Auch ihr Ende war durchaus spektakulär. Wir landeten in einer Arrestzelle, festgenommen und inhaftiert wegen Landstreicherei.
Der Tag unser Rückreise war gleichzeitig mein achtzehnter Geburtstag. Wir trampten über Italien, überquerten im Aostatal zu Fuß die Grenze zur Schweiz und wurden von Schweizer Zollbeamten kontrolliert. Damals musste man laut Gesetz 200 Franken vorweisen können, sonst galt man als Landstreicher. Wir kamen zusammen auf nur zehn französische Franc und fünf D-Mark, also ab in die Zelle.
Das Schlimmste aber war, dass die Beamten unsere Erziehungsberechtigten informieren wollten, damit sie uns abholen oder jeweils 200 Franken überweisen.
Die wären aus allen Wolken gefallen, und das hätte richtig Ärger bedeutet. Gabis Mutter wähnte sie bei einer Freundin im Allgäu - Gabi hat sie angelogen - und meine Eltern mich am Strand von Jesolo, in der Obhut von Gabis Mutter. Dann klopfte es am Zellenfenster. „Buon compleanno" rief der italienische Zöllner, der vorher einen Blick in unsere Pässe geworfen hatte. Käse, Brot, Milch und zwei Äpfel wurden durch die Gitterstäbe gereicht. Und er schimpfte wie ein Rohrspatz auf die Schweizer Krämerseelen von nebenan.
In bella Italia wäre die Inhaftierung zweier bella ragazza, von denen eine auch noch Geburtstag hat, ein Ding der Unmöglichkeit. Dann aber, es war bereits nach Mitternacht, wurden wir plötzlich in die Freiheit entlassen. Einzige Auflage: wir mussten einen Wagen finden, dessen Fahrer sich schriftlich verpflichtet, uns erst hinter der deutschen Grenze aussteigen zu lassen. Wir warteten, über eine Stunde lang, und sehnten das Auftauchen von Scheinwerfern herbei. Endlich kam ein Auto und es hatte ein deutsches Kennzeichen.
Am Steuer saß Klaus aus Aachen, der hundemüde war und eigentlich nur noch pennen wollte. Er war nett, er unterschrieb den Zettel mit der Verpflichtung und nahm uns mit bis Baden-Baden. In diesem Sommer begann meine Liebe zur Côte d‘Azur und zur Provence. Eine Liebe, die mit der Zeit ein paar kleine Risse bekam, die aber bis heute gehalten hat. Gabi ist nur 40 Jahre alt geworden. Zusammen sind wir um die halbe Welt gereist, aber sie war nie wieder im Süden Frankreichs.
Mein Traum, eines Tages hier