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Proseccolügen: Krimi aus dem Veneto
Proseccolügen: Krimi aus dem Veneto
Proseccolügen: Krimi aus dem Veneto
eBook357 Seiten4 Stunden

Proseccolügen: Krimi aus dem Veneto

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Über dieses E-Book

Mit der Idylle ist es vorbei, als im La Quercia nahe der Proseccostraße mysteriöse Unfälle geschehen. Doro Ritter, Tochter von Sternekoch Sascha Ritter und selbst leidenschaftliche Köchin, ist viel zu neugierig, um ihre Nase nur in Kochtöpfe zu stecken. Stattdessen wühlt sie in einer tragischen Familiengeschichte, die bald mörderische Blüten treibt. Verdächtige gibt es genug und auch für Doro wird es gefährlich. Aber das hält sie nicht auf - sie will die Wahrheit wissen.
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum17. Apr. 2019
ISBN9783839259221
Proseccolügen: Krimi aus dem Veneto

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    Buchvorschau

    Proseccolügen - Gudrun Grägel

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    Gudrun Grägel

    Proseccolügen

    Krimi aus dem Veneto

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    Zum Buch

    Blut ist dicker Doro Ritter, Tochter von Fernseh- und Sternekoch Sascha Ritter und selbst leidenschaftliche Köchin, reist ins Veneto, um im Hotel La Quercia einer befreundeten Hotelchefin unter die Arme zu greifen. Kaum angekommen, erleidet ein Gast einen mysteriösen Unfall. Tote Hunde, eine tragische Familiengeschichte, Mord inklusive – Doros Interesse ist geweckt. Ihre Neugier bringt sie in Lebensgefahr, was sie aber nicht davon abhält weiter zu ermitteln. Ganz im Gegenteil, jetzt will sie es wissen: War es ein Unfall oder Mord? Und wo liegt das Motiv? Verschmähte Liebe? Rache? Oder muss sie tiefer in der Vergangenheit graben? Wird es Doro mit Witz und Kombinationsgabe gelingen, die Wahrheit ans Licht zu bringen? Neben ihrem Ausflug in kriminalistische Untiefen lebt Doro als Köchin ihre Leidenschaft für alles Kulinarische aus und genießt die Zeit mit ihrem Freund Vincent. Vielleicht der Mann fürs Leben?

    Gudrun Grägel, 1964 geboren, lebt mit ihrer Familie in Königsbrunn. Neben ihrem Beruf schreibt die pharmazeutisch-technische Assistentin, wobei ihr die Ausbildung auf dem Gebiet Pädagogik/Psychologie und ihr pharmazeutisches Wissen nützliche Dienste leisten. Menschliche Abgründe, gewürzt mit südlicher Sonne und einem Schuss Romantik – das ist wie Urlaub am Schreibtisch für sie. Mit ihrem Krimidebüt „Proseccolügen" startet sie eine kulinarische Krimireihe um die junge Köchin Doro Ritter, die mit Witz und Charme dunklen Machenschaften auf die Spur kommt. Augsburg – München – Italien – nennt die Autorin ihre persönliche Inspirationsachse – und überall, wo es interessante Menschen, gutes Essen und das gewisse Flair gibt.

    Impressum

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Immer informiert

    Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

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    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

    Herstellung/Kartengestaltung: Julia Franze

    E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Maurizio Targhetta / fotolia.com

    ISBN 978-3-8392-5922-1

    Widmung

    Die Vergangenheit lieben, den Augenblick genießen, sich auf die Zukunft freuen.

    Für Brigitte – mit Dank für Inspiration und stundenlange Autorengespräche

    Für Martin und Florian – meinen beiden wichtigsten Ankern

    Für meine Eltern, Geschwister, Familie – meinen Wurzeln

    Für meine Freunde – danke fürs Zuhören, Korrekturlesen, konstruktive Kritik, technische Hilfe und sonstige Tipps

    Karte

    Proseccostrasse_Karte.jpg

    Prolog

    Fanfaren, Aufbruchsstimmung, Freude und Abschiedstränen. 44 Tage an Bord stehen an.

    Touristen, Einheimische, Freunde und Verwandte winken am Hafen. Beeindruckend, diese Kreuzfahrtriesen. Die MS Princess. Der Gigant läuft aus und tutet es lautstark in die Welt hinaus.

    Ich kneife die Augen zusammen.

    Kapitel 1

    La bella Italia

    Giovedi (Donnerstag) – 31. Juli

    Ich, Doro Ritter, 25 Jahre, gelernte Köchin, Tochter des bekannten Fernsehkochs Sascha Ritter, fahre mit Vincent Wolkenberg, meinem aktuellen Freund, vom Gardasee ins italienische Inland.

    Tut mir in der Seele weh, dass ich weg muss vom Wasser. Weg vom Lago di Garda. Am Westufer die schmale Uferstraße entlang, Limone, Gargano, Toscolano … durch alte und neue Tunnels, Schattenspiele durch Tunnelfenster. Spiele das Spiel ›Wie lang ist der Tunnel‹ – darin bin ich ziemlich gut, liege selten mehr als ein paar Meter daneben. Aber ich kann’s nicht lassen, immer wieder Gejammer und Gemotze, weil ich weg muss vom See. Auf der Karte schreit es mir förmlich entgegen! Von Montebelluna, unserem Ziel, wäre es nicht mehr weit ans Mare.

    »Du wolltest ins Venetogebiet.« Knapp, aber völlig entspannt erträgt Vincent meine Launen.

    Klar wollte ich dahin. Ist einfach eine geniale Region für kulinarische Studien. Mit dem Zug ist es von dort nach Venedig eh nur eine halbe Stunde. Also stell dich nicht an, verordne ich mir. Denn wenn es nach meinem Vater und seines Zeichens meinem Arbeitgeber gegangen wäre, würde ich jetzt nicht hier, sondern in seiner Küche schwitzen.

    Papa war von meiner Auszeit nicht begeistert. Fernsehauftritte, Urlaubszeit, Personalmangel. Da hätte er mich gern im Restaurant gesehen. Tja, passen tut’s nie. Ich nütze gnadenlos meinen Tochterbonus, sein kleines Mädchen for­ever – auch wenn ich bald 26 bin! Valdobbiadene – Prosecco und italienische Küche studieren. Ein Argument, dem er schlecht widersprechen konnte. Aber warum eine Woche Gardasee? Diesen Einwand hab ich konsequent ignoriert. Greta, eine ehemalige Schulfreundin von mir, hat sich dort einen Italiener geangelt und ist in sein Familienhotel mit eingestiegen. Mit allem, was dazugehört. Riesenhochzeit, Flitterwochen auf Hawaii – und: zwei Kinder aus erster Ehe und Schwiegereltern, die alles fest im Griff haben. Na, ich danke! Greta löchert mich schon lange, dass ich sie besuchen soll. Jetzt hat’s gepasst. War echt super. Das Prozedere im Hotel nicht viel anders als bei uns im Restaurant. Nette Gäste, blöde Gäste, manche unangenehm bis zum Erbrechen, nur mit dem Unterschied, dass sie hier nicht nach ein paar Stunden verschwinden.

    »Sie ist noch wie früher. Einfach ziemlich relaxed.« Sag ich zu Vinc und wundere mich ein bisschen. Ehealltag, Hotel, Kinder … hat sich in mir irgendwie ein anderes Bild festgesetzt.

    Vinc sagt nichts dazu. Hat er Angst, einen Heiratsantrag von mir zu bekommen? Ich grinse und schweige.

    »Was?«, lässt Vinc sich herbei zu fragen.

    »Niente.« Ich fläz mich in den Sitz. Heiß hier. Ich lass das Fenster herunter. Wie ein heißer Föhn bläst mir die Luft ins Gesicht. Tut trotzdem gut. Ich genieße den Ausblick.

    Die Gegend wird immer südlicher. Es riecht nach Sommer und Sonne. Schön.

    Aber wir hatten schon viel früher auf die Autobahn gewollt. Haben irgendwie die Ausfahrt verpasst.

    Das Navi spinnt. Wahrscheinlich die Hitze. Eine Stunde Kühlschrank wird es wiederbeleben. Fairerweise muss man sagen, das Teil ist schon vier Jahre alt und durfte noch kein Datenupdate genießen. Und ein neuer Kreisverkehr nach dem anderen – da muss der arme Kerl ja schlappmachen!

    Ich schnüffle. Langsam versagt mein Deo. Aber wer fährt heute auch noch ohne Klimaanlage? Ich. Mit der alten Karre von Vincent, mintmetallic.

    »Eine Frage der Ehre«, besteht er und meint das erstaunlicherweise ernst. Muss ich nicht verstehen, muss nur schwitzen.

    »Kannst du mal halten? Ich muss mal«, fällt mir ein.

    Vincent sagt nichts dazu.

    Kapitel 2

    Prosecco internationale

    Am gleichen Tag

    Ankunft in Montebelluna. Ortsteil Biadene. Hotel La Quercia. Maria, die Hotelchefin, empfängt uns.

    Vincent ist müde. Schnappt sich eine Liege am Pool und will ’ne Runde schlafen. Ich bin mittlerweile versöhnt mit nix Mare. Setze mich auf die Terrasse und bestelle einen Espresso. Weiße Tischdecken, bestickt, passende Sitzkissen. Geschmackvoll.

    Am übernächsten Tisch lebhaftes Gelächter. Zwei ältere Damen, vielleicht 60, elegant, eine junge Frau in meinem Alter, kurze, dunkle Locken, kein Modepüppchen. Ein älterer Mann, nicht sehr groß, genießt sichtlich seine Rolle als Hahn im Korb. Vom rechten Ohr führt ein Kabel zur Innentasche seines Sommerjacketts. Hat der alte Herr einen MP3-Player?

    Ich kann nicht genau hören, welche Sprache er spricht. Die Frauen sprechen jedenfalls Englisch. Aus dem Gesprächsverhalten kann ich erkennen, dass eine der Damen zu dem Mann gehört, die andere Dame mit dem Paar befreundet ist, die junge Frau kann ich nicht zuordnen.

    Sie trinken Prosecco und sind gut aufgelegt. Die junge Frau geht rücksichtsvoll ein Stück beiseite, als sie eine Zigarette rauchen will.

    Blickkontakt. Ich nicke rüber. Lächle.

    »Do you speak English?«

    »A little bit, but much better German.« Ich lache. »I am german.«

    Die ältere Dame freut sich. Endlich jemand, mit dem sie ihre Deutschkenntnisse vertiefen kann.

    »Ich war Sprachlehrerin für Deutsch«, erzählt sie.

    »Deutsch und Schottisch sind sehr schwer. Kirk auf Schottisch ist Kirche in Deutsch, versteht ihr?«

    Die anderen nicken. Ich auch, beeindruckt.

    »Sie kommen aus Schottland?«, frage ich höflich.

    Sie zwinkert den anderen zu, bevor sie mir erklärt: »Ja, aber das ist lange her. Wir leben jetzt alle in Australien, in Adelaide.«

    Ich hebe die Augenbrauen. Das interessiert mich jetzt wirklich.

    Maria bringt mir ein Glas Prosecco.

    »Zum Kennenlernen.« Sie ist ein Schatz.

    Ich proste dem Nebentisch zu.

    »My name is Hannah Rodari«, stellt sich die Dame vor. »Und das ist meine Tochter Margaret.« Englisch und Deutsch werden vermischt. Kein Problem.

    »Und das sind Eve und Emilio Zarbo.«

    Meine Stirnfalte wird spürbar tiefer. Rodari? Zarbo? Das sind keine schottischen Namen und auch nicht typisch australisch, soweit man da von typisch sprechen kann. Ich weiß das. Habe schließlich ein halbes Jahr mit Daddy im Aussiland gelebt. Als ich 16 war. Sydney. Horizonterweiterung, nannte es Dad. Was für mich Sprache lernen und Schule bedeutete, für ihn hieß es, Mariella zu folgen, seiner damaligen Flamme, die dort modelte – und, ich muss fair bleiben, er schnüffelte in jede nur mögliche Küche, die sich ihm auftat. Landestypische Imbissbude genauso wie Luxushotelküche …

    Hannah lächelt. »Ich sehe die Frage in Ihren Augen. Eve und ich sind in Schottland geboren. Wir waren jung und wollten Abenteuer erleben. In Australien waren Frauen, die einwandern wollten, gefragt. Da haben wir uns entschieden. Und bald haben wir Luigi und Emilio kennengelernt. Zwei Freunde aus Italien. Die wollten sich hier ein neues Leben aufbauen. Aus vier mal eins wurde zwei mal zwei. Mein Luigi hat es leider nicht mehr geschafft, in seine alte Heimat mitzukommen.«

    Ein Schatten huscht über die heiteren Züge von Hannah.

    Emilio radebrecht etwas dazwischen. Englisch? Na ja, Aussi-Englisch ist recht eigen, aber gemischt mit Italienisch? Ich verstehe nur Bruchstücke. Emilio springt auf und schmettert ein kräftiges »O sole mio« – respektabler Tenor. Ich applaudiere. Er verbeugt sich, lächelt verschmitzt. Eine nette Gruppe. Die Leichtigkeit des Wohlstands umweht sie.

    Maria kommt zurück.

    »Kann ich dich kurz sprechen, Doro?«

    Maria spricht Italienisch, Deutsch, Englisch, Französisch, ihr nächstes Ziel ist Chinesisch, sagt sie. Immer mehr Gäste von dort. Japanisch, Chinesisch hat mich ehrlich gesagt noch nie interessiert – obwohl ich Sprachen durchaus liebe. Italienisch zum Beispiel. Kann ich so leidlich.

    »Du willst eine Weile hierbleiben? Ein bisschen mit mir kochen? Sascha hat bei mir angerufen.«

    Jaja, mein Paps. Hat seine berühmten Finger immer gerne im Spiel. Passt in der Regel und ist oft ganz bequem. Wie jetzt. Er kennt Maria aus ihrer Zeit in München. Die beiden haben einige Kochkurse bei diversen Küchengrößen absolviert und eine freundschaftliche, leicht erotisch angehauchte Konkurrenzzeit erlebt – Originalton Paps. Erotisch angehaucht? – Geht dich nichts an, Spatz! Ebenfalls O-Ton Paps.

    Die beiden zusammen? Maria entspricht nicht seinem Beuteschema, das sich – bös gesagt – im Bereich »Weibchen« bewegt. Andererseits flirtet er einfach gerne, zugegebenermaßen gut, wie ich oft beobachten darf, und Maria ist eine schöne Frau – nur eben kein Weibchen mit Modelmaßen …

    Schluss jetzt, Doro! Geht dich wirklich nichts an, setze ich einen Punkt hinter meine voyeuristischen Gedanken und bin wieder ganz bei Maria.

    »Ja, die regionale Küche, da bist du Meisterin, hat Papa geschwärmt.«

    Maria lacht geschmeichelt. »Schön, dass du die Leidenschaft für unseren Beruf hast. Nur so kannst du gut werden. Besser als gut.«

    Wir sind uns einig.

    Vincent will ein paar Tage bleiben, kein Problem, das Zimmer ist groß genug.

    Liegt im Tiefparterre. Ein bisschen düster. Aber ich bin ja nicht nur Gast, sondern auch Angestellte. Kost und Logis frei. Helfen, wenn Hilfe nötig ist.

    »Da habe ich schon ein Problem …« Maria sieht mich treuherzig aus ihren dunkelbraunen Madonnenaugen an.

    Das Problem ist ein Galadiner am nächsten Tag. Hier im Hotel. Maria bräuchte dringend Unterstützung in der Küche. Und ihr Aushilfskellner hat abgesagt.

    Ich zucke mit den Schultern. »Das schaukeln wir schon. Solche Situationen kenne ich von Paps.«

    Maria umarmt mich erleichtert.

    Geht ja flugs in medias res. Vincent wird sich freuen. Ich grinse, eine Prise Schadenfreude schwingt durchaus mit. Er wird sich damit abfinden müssen, zu kellnern, statt sich selber mit Prosecco, Pasta und anderen Köstlichkeiten verwöhnen zu lassen. Sollte es mit uns was Ernsteres werden, muss er sich an solche Spontanitäten sowieso gewöhnen! Außerdem kann er mal wieder die Luft der Gastronomie schnuppern, immerhin hat er nach dem Abi eine Lehre im Servicebereich angefangen. Hat nach einem halben Jahr beschlossen, doch lieber zu studieren, BWL, geht das Ganze locker an. Gefällt mir. Sich den Luxus leisten zu können, den »Ernst des Lebens« noch ein wenig hinauszuschieben, schätze ich sehr. Und ein Mann, der mich für andere Lebenspläne begeistert hätte, ist mir noch nicht untergekommen. Wenn ich ehrlich bin, hat mich bis jetzt noch kein Mann zu gemeinsamen Lebensplänen inspiriert. Ich mag Männer, ich mag Beziehungen, aber ich liebe meine Unabhängigkeit.

    Kapitel 3

    Uomini e donne (Männer und Frauen)

    Am gleichen Tag

    »Hicks … I’ve got lost.« Mit bedenklichem »Seegang« kommt mir Emilio Zarbo entgegen. Erst check ich nicht, was er meint. Aber klar. Er sucht sein Zimmer. Ein Grinsen rutscht mir unwillkürlich raus.

    Ich hake ihn unter.

    »What’s your roomnumber?«, frage ich. Immerhin bin ich ja ein bisschen hier angestellt. Zimmer 21. Ich liefere ihn bei seiner Frau ab.

    Erster Stock. Ich nehme die Treppe in den Keller.

    Der dunkle Teppich auf den ausgetretenen Holzstufen müffelt, schluckt Schritte und Licht und schlägt Falten wie die Haut eines Greises. Das Licht funktioniert nicht, aber zum Glück gibt es auf halber Höhe einen Absatz mit einer Glastür, die irgendwohin nach draußen führt. Trotzdem ist es düster hier. Noch nicht ganz unten, sinkt die Temperatur urplötzlich ab. Es ist richtig kalt. Erinnert mich an die Eislöcher in Südtirol bei St. Eppan. Von einem Schritt zum anderen zehn Grad weniger. Kommt dort von den besonderen Gesteinsformationen, hier ist es schlicht und einfach der Keller.

    Da ist noch eine Tür. Aus schwerem Eisen. Sie steht halb offen. So was hasse ich. Schnell will ich daran vorbeihuschen, dann hör ich was. Mir bleibt fast das Herz stehen vor Schreck. Da drinnen ist jemand. Shit, ich hasse das! Ein tiefes Knurren. Verdammt, was ist das? Ich setze zum ultimativen Blitzstart an. Bloß weg hier!

    »Basta, Cesare!«

    Okay, das Ungeheuer ist anscheinend in menschlicher Gesellschaft. Die Neugier siegt. Ich schleiche mich zu der Tür und wage einen Blick ins Dunkel. Der Strahl einer Taschenlampe zuckt hin und her. Plötzlich geht das Licht an. Den Alten, der da am Sicherungskasten hantiert, habe ich schon durchs Haus schlurfen sehen. Mein Puls fährt wieder runter in Normalbereiche. Nur Carlos, das Hausfaktotum. Sein Hund, der scheinbar wie ein Schatten an ihm klebt, starrt mich mit undefinierbarem Blick an. Mit einem hastigen »Buon giorno« schlag ich die Tür von außen zu und flüchte zu meinem Zimmer.

    Vincent grinst nur, als ich ihm von dem Schreck erzähle, er grinst allerdings nicht mehr ganz so, als ich ihm von seinem Einsatz als Kellner am morgigen Abend berichte.

    »Spinnst du? Du kannst doch nicht einfach so über mich verfügen.«

    Vincent ist anscheinend echt sauer. Ganz untypisch für ihn. Dass ihm das so viel ausmacht, hätte ich nicht vermutet.

    Ich bin enttäuscht.

    »Du wirst dir schon keinen Zacken aus der Krone brechen«, kritisiere ich wütend seine Ablehnung.

    »Mann, Doro! Darum geht es doch gar nicht!« Seine Stimme klingt schon wesentlich weicher. Puhh! Ich bin erleichtert.

    »Ich will einfach nur vorher gefragt werden, klar?«

    »Klar.« Ich nicke reumütig und hebe die Finger zum Schwur. Alles wieder gut. Vincent und ich knutschen inniglich … fühlt sich gut an …

    Ich habe mich gerade wieder angezogen – Vincent lümmelt noch faul auf dem Bett –, da klopft es.

    »Hey, zieh wenigstens das Laken hoch«, verlange ich von meinem trägen Liebhaber, bevor ich die Türe öffne.

    Maria.

    »Scusi, Doro, aber ich fahre jetzt zum Einkaufen, für morgen. Magst du mit?«

    Ich mag. Und es lohnt sich. Nix Supermarkt und Massenware. Heute zumindest.

    »Weißt du, Nudeln, Toilettenpapier und Duschbad kaufe ich schon im Supermercato, natürlich nur bestimmte Sorten«, fügt sie einschränkend hinzu.

    »Aber lieber unterstütze ich die regionalen Anbieter. Die Qualität überzeugt, du wirst sehen.«

    Nudeln und Toilettenpapier? Leckere Mischung. Ich nicke. »Ist bei uns genauso.«

    Maria gibt ein wissendes Grunzen von sich.

    Gefühlte hundert verschlungene Gässchen weiter biegt Maria in einen Hof ein. Mindestens acht Minikätzchen, Babys oder einfach nur mager, wuseln ohne Scheu herum. Neugierig pirschen sie sich an, als wir aussteigen. Ich gehe in die Hocke.

    »Das sind ja Minimiezen. Gerade mal ein Schenkel von unserem Kater. Miez, miez, miez …«, locke ich entzückt mit Babykatzenlocksprache ein paar der kleinen Racker an.

    Maria sieht mich ungläubig an.

    Eine Handvoll weißgraues maunzendes Etwas leckt an meinem Daumen, während ich das Köpfchen zwischen den Ohren kraule.

    »Ungelogen, unser Rambo wiegt 7,1 Kilo. Gewogen auf der digitalen Körperwaage, die mein lieber Daddy zur Gewichtskontrolle täglich besteigt.«

    Maria lacht.

    »Eitel war er ja schon immer, der liebe Sascha. Aber auch ganz schön knackig.«

    Knackig? Mein Vater?

    Maria lacht weiter, sie hat offenbar meine Skepsis bemerkt, aber beschlossen, das Thema zu wechseln.

    »Sieben Kilo? Bist du sicher, dass du von einer Katze sprichst? Die muss ja riesig fett sein.«

    Fett! Ich bin fast ein bisschen beleidigt.

    »Nein, Rambo ist nicht fett, er ist halt groß und kräftig …«

    Die mageren Kätzchen umschmeicheln meine Beine, ich fühle die Knochen von meinem weißgrauen Schmuser, dann setze ich ihn wieder zu den anderen und stehe auf.

    »Na ja, vielleicht ein bisschen fett.«

    Maria und ich prusten gleichzeitig los, dann machen wir uns an die Einkäufe. Das unrentable Geschäft mit den Milchkühen haben die Besitzer zu einem mittlerweile florierenden Hofladen umgerüstet.

    Lucia, die Chefin, bedient uns selbst. Käse, Ricotta, Salami, Milch, Mozzarella, Butter und ein paar andere Köstlichkeiten mehr landen in Marias Einkaufskorb. In meinem Magen landet jede Menge Käse. Entzückt von meiner Begeisterung für ihren Laden, besteht Lucia darauf, dass ich jede Sorte Käse probiere, bevor sie in Marias besagtem Korb landet. Langsam wird mir schlecht. Lecker, aber mengenmäßig zu viel. Leichte Lactoseunverträglichkeit. Egal. Hat sich gelohnt. Der beste Käse, den ich jemals gegessen habe.

    Im Auto meint Maria: »Nur noch ein bisschen Obst und frisches Gemüse, alles andere haben wir.«

    Wieder zurück im Hotel, übergibt Maria die Einkäufe einem jungen Mädchen, das an der Bar steht und gerade nichts zu tun hat.

    »Giulia, das ist Doro aus Deutschland. Sie hilft hier in nächster Zeit ein wenig aus, hauptsächlich in der Küche.« Maria wendet sich zu mir.

    »Doro, Giulia übernimmt meistens nachmittags die Rezeption und die Bar. Wenn du etwas brauchst, hilft sie dir sicher gerne. Alora, ich fahre jetzt nach Hause. Heute Abend bin ich wieder hier, dann trinken wir ein Gläschen von unserem Rotwein und machen den Speiseplan, okay?«

    »Okay.« Habe ich eine Wahl?

    Aus dem Gläschen werden zwei Fläschchen, und wir sind noch nicht am Ende. Vincent bemüht sich ebenfalls sehr darum, und Maria wird hier im Hotel schlafen. Na bitte!

    Aperitivo: Hauseigener Vino bianco frizzante mit gefrorenen Erdbeeren und Minzblättern. Ein Häppchen Salat mit Krabben, dazu Olivenbruschetta. Danach ein Löffelchen Risotto mit Steinpilzen. Hauptgericht: Bandnudeln mit Entenfleisch oder Crostatini, Rindfleischstreifen auf Rucola und Parmigiano reggiano, dazu selbstgebackenes Weißbrot. Espresso und Nachspeisenteller mit Tiramisu, Feigenzimt­parfait à la Maria, Apfeltarte an »salsa canella« à la Maria.

    »Und der Koch muss alles probieren«, stöhne ich, »das wird mich glatt ein oder zwei Kilo kosten«, reibe mir dabei aber wollüstig mein Bäuchlein und feixe in Richtung Vincent.

    Kapitel 4

    La festa (Das Fest)

    Venerdi (Freitag) – 1. August

    Die illustren Gäste trudeln nach und nach ein. Emilio Zarbos Familie. Bin gespannt, Emilio offensichtlich auch. Er tigert im Foyer auf und ab, ohne Knopf im Ohr und ohne die gute Laune vom Vortag. Was ist los? Freut er sich nicht? Ist er nicht deshalb aus Australien angereist? Wegen der Familie? Wahrscheinlich ist er nur nervös. Klappt schon alles. Zumindest in der Küche … aber auch nur, wenn ich mich wieder auf meine Aufgaben konzentriere und nicht ständig meine neugierige Nase aus der Küche stecke.

    »Ich habe alles im Griff, du kannst Pause machen«, gibt mir Maria ein paar Minuten frei.

    Gut. Ich knülle die Schürze zusammen, schnappe mir Vincent, der in der schwarzen Hose und dem blütenweißen Hemd fast italienisch aussieht – auf jeden Fall sehr sexy –, um mit ihm draußen eine Zigarette zu rauchen. Kein schlechter Platz. Jeder der Gäste muss an uns vorbei, und anhand der Tischordnung, die Emilio akribisch aufgestellt hat, wird uns das Who’s who nicht schwerfallen.

    Zwölf Personen. Es sitzen im Uhrzeigersinn an der Längsseite Eve und Emilio Zarbo, daneben Salvatore Zarbo, Emilios Bruder, mit Ehefrau Antonietta. An der Stirnseite Rebecca Colucci, Enkeltochter von Salvatore und Anto­nietta, mit ihrem Verlobten, Tommaso Biasini. Gegenüber von Emilio sitzen Paolo Colucci, Rebeccas Vater, Maria Favelli, 90 Jahre alt, gehört quasi zur Familie Zarbo. An­drea Favelli, Marias Sohn, arbeitet schon seit seiner Jugend ebenfalls auf dem Zarboschen Weingut und denkt mit 65 noch nicht an Ruhestand. Neben ihm soll sich Mario Biasini, Tommasos Bruder, platzieren, Margaret und Hannah Rodari um die Ecke schließen den Kreis.

    Durch die Glastür beobachten wir, wie Emilio jeden neuen Gast begrüßt und ihm ein Glas Prosecco in die Hand drückt. Alle stehen ein wenig verloren in der Halle herum, als der letzte Gast eintrifft. Emilios Ebenbild.

    Salvatore, sein Bruder.

    Ein Handschlag, taxierende Blicke, keine Umarmung, wie ich es von zwei Brüdern erwartet hätte, die sich so lange Zeit und durch die gesamte Erdkugel getrennt nicht gesehen haben.

    Ich drücke die Zigarette aus.

    »Komm, gehen wir wieder rein. Ich denke, das Fest beginnt.« Einen sanften Klaps auf Vincents knackigen Hintern kann ich mir nicht verkneifen.

    »Hey! Nur weil ich Kellner bin, bin ich kein Freiwild für lüsterne Frauen«, protestiert er empört – und grinst nicht unlüstern.

    »Genau. Du bist Kellner, und du kriegst heute bestimmt einiges aus der Familiengeschichte mit. Da liegen Spannungen in der Luft. Ich spüre das.«

    »Meine neugierige Doro mit ihren Verschwörungsantennen. Keine Sorge, ich serviere dir alles Wesentliche sozusagen als Betthupferl.«

    »Brav.« Ich nicke zufrieden. Vincent kennt mich schon ganz gut.

    Jetzt aber ab in die Küche. Maria schwenkt gerade die Krabben für den Salat in ein wenig Butter, ich gebe einen Hauch von Dressing über die Salatvariation. Die Krabben darauf verteilt, jetzt ist Vincent dran. Das Risotto dünstet verführerisch duftend vor sich hin. Ich gebe immer im rechten Augenblick Brühe dazu und rühre regelmäßig um. Einen Schuss Weißwein für den Geschmack darf ich nicht vergessen. Und eine Prise Muskat.

    Sektempfang und Aperitif haben die Stimmung gelockert. Es ist eine rege Unterhaltung im Gange. Vincent bestätigt, was ich bei gelegentlichen Blicken aus der Küche erhasche. Alle reden und gestikulieren und freuen sich sichtlich über diesen

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