Circumnavigation: Kreuzfahrt um die Erde
Von Michael Zilz
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Über dieses E-Book
Wie haben die Menschen an Bord, Passagiere und Offiziere, diese Situation in den Weiten der Südsee wahrgenommen und verarbeitet?
Was hat die Fernsehreihe "Goodbye Deutschland" mit dieser Reise zu tun? Weshalb laufen Pumas frei in den Nobelvierteln von Malibu umher? Erschoss man wirklich den letzten Tiger Singapurs in der Bar des "Raffles Hotel"? Warum wurde die Muskatnuss mit Gold aufgewogen?
Im Stil der klassischen Reiseerzählung nimmt der Autor den Leser mit auf eine spannende Reise um die Welt. Er beschreibt die Reise und die Charaktere der Passagiere. Er berichtet über positive und packende Momente, aber auch über tragische Geschehnisse auf dieser Kreuzfahrt um den Globus.
Nicht jeder Passagier kehrt gesund oder gar lebend von dieser Weltreise zurück. Der erfahrene Kreuzfahrer und der Neuling erfahren einige wichtige und unbezahlbare Tipps für die nächste Kreuzfahrt. Das ideale Buch für Freunde der spannenden Reiseliteratur, für Globetrotter und Träumer!
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Buchvorschau
Circumnavigation - Michael Zilz
Inhalt
Vorwort
Das Schiff
Vorbereitungen
Reisebeginn
Marseille
Barcelona
Silvester
Madeira
Zwischen Europa und Amerika
Auf dem Atlantik
St. Lucia
Grenada
Curaçao & Aruba - Niederländische Antillen
Cartagena de Indias - Kolumbien
Puerto Limon - Costa Rica
Panamakanal - Panama
Puerto Vallarta - Mexiko
Cabo San Lucas – Mexiko
San Diego – USA
Venice Beach – USA
Los Angeles & Malibu - USA
San Francisco - USA
An Bord
Hawaii – USA
Die Gala-Abende
Pago-Pago – amerikanisch Samoa
Die gute Tat
Suva – Fiji
Die Seenotrettung
Auckland – Neuseeland
Wellington – Neuseeland
Sydney & Botanischer Garten - Australien
Sydney, Stadtbummel – Australien
Blue Mountains – Australien
Melbourne – Australien
Seetage von Melbourne nach Perth
Die Gitarrenstunde
Publikum am Bord
Fremantle & Perth – Australien
Familie einfliegen lassen
Singapur
Port Klang – Malaysia
Phuket – Thailand
Colombo – Sri Lanka
Epilog
Vorwort
Die erste Circumnavigation kann der Magellan-Elcano Expedition im Jahre 1519-1522 zugeordnet werden. Der große Seefahrer startete 1519 zur ersten Weltumsegelung überhaupt. Bedingt durch seinen tragischen Tod auf jener Reise, führte Juan Sebastian Elcano die Expedition zu Ende und kehrte 1522 nach Spanien zurück.
Eine Circumnavigation beschreibt die Überquerung aller Längengrade auf einer zusammenhängenden Reise um die Erde.
Dieses Buch ist der Abdruck persönlicher Tagebuchaufzeichnungen während meiner Circumnavigation, hauptsächlich auf einem modernen Kreuzfahrtschiff. Auf ihrer ersten Weltreise führt die Costa-Deliziosa die Passagiere in einhundert Tagen einmal um den Globus.
Ich berichte über positive aber auch tragische Ereignisse. Nicht jeder Passagier kehrt nach dieser langen Kreuzfahrt gesund oder gar lebend zurück. Man erfährt so einiges über die Charaktere von Mitreisenden, über Reisekoller, Land und Leute und über die Menschen, die an Bord ihrer Arbeit nachgehen.
Der Leser erfährt auch, weshalb wir den Globus drei Tage schneller als Phileas Fogg umrundet haben.
Viel Spaß beim Lesen.
Die Route
19.03.2010
Vorbereitungen
„In 100 Tagen um die Welt". Mit diesem Slogan wirbt Costa-Crociere in einem Werbeprospekt, gut zwei Jahre vor Reisestart. Uns Stammkunden schickt man solche Prospekte meist vor der öffentlichen Vermarktung und ich halte den bunten Flyer nun in meinen Händen. Nach kurzem Durchblättern und ein wenig träumen wie es denn wohl sein würde auf einem neuen und supermodernen Kreuzfahrtschiff einmal um die ganze Welt zu reisen, lege ich den Prospekt beiseite. Einige Tage später, ich räume gerade meinen Schreibtisch auf, fällt mir der Prospekt wieder in die Hand und ich zerreiße ihn, bevor er den üblichen Weg in den Papierkorb antritt.
Aber irgendwie lässt mich das Thema nicht los und ich fange an zu grübeln. Ich hole die Prospektschnipsel wieder hervor und klebe alles wieder notdürftig zusammen. Wie bei solchen Werbeaktionen üblich, lockte ein besonders günstiger Startpreis mit unglaublichen 9.999€.
Okay, diesen Preis konnte man sofort außer Acht lassen, da es sich um einige fensterlose Innenkabinen handelt. Dieser Preis diente nur als optischer Aufmacher, um die Neugier zu wecken. Aber auch die anderen Preisvarianten waren für so eine Reise recht interessant. Mittlerweile lag der notdürftig zusammengeklebte Prospekt gute fünf Tage bei uns rum und inzwischen waren wir der Meinung, diese Reise sollten wir buchen!
Allerdings nur, wenn einige wichtige Voraussetzungen erfüllt werden können. So muss gesichert sein, dass ich auf der Kabine eine funktionierende Internetverbindung vorfinde um von Bord aus meiner Arbeit nachgehen zu können. Weiterhin sollte es eine Außenkabine mit Balkonterrasse und in den hinteren, oberen Stockwerken sein. Eine Mini-Suite, wäre auch nicht schlecht.
Die Antworten auf all diese Fragen, kann uns nur unsere Agentin, Frau Glaser von der Firma „Der Kreuzfahrer" beantworten. Frau Glaser hat bislang all unsere Kreuzfahrten bearbeitet und immer beste Leistung abgeliefert. Ich rufe Frau Glaser an und berichte ihr von unseren Plänen, eine Circumnavigation bei ihr zu buchen. Der Begriff Circumnavigation beschreibt eine Weltumrundung mit der Überquerung aller Längengrade auf einer Reise.
Unser Anliegen hatte ich kaum ausgesprochen, unterbricht sie mich, teilt kurz und knapp mit, die Reise sei schon zwei Tage nach Veröffentlichung des Prospektes ausverkauft gewesen!
Die Nachfrage sei so riesig, dass Costa die Reise zweimal hätte verkaufen können und man plane für das Folgejahr, also für 2013 schon die nächste Weltumrundung. Sie betonte aber, sie habe noch einige wenige Kabinen, die von ihren Kunden noch nicht zu einhundert Prozent bestätigt wurden. Ich lasse mir sofort die Kabinennummern geben und schaue auf den mir vorliegenden Deckplänen nach, um welche Kabinen es sich handelt. Das Glück ist uns hold und es ist noch eine Traumkabine frei!
Auf Deck 8, dem höchsten Passagierdeck, eine wunderbare Außenkabine mit Balkonterrasse. Kabine Nummer 8366.
Wunderbar auf Backbord und im hinteren Teil des Schiffs gelegen. Keine zwanzig Meter von der nächsten Treppe zum Lido Deck und den Fahrstühlen entfernt. Abgesehen von einigen großen Suiten gehört die Kabine mit 29.929€ pro Person leider zu den teuersten auf dem Schiff. Unter Berücksichtigung diverser Nachlässe wie Frühbucherrabatt, Bonus für Stammkunden, Nachlass unserer Agentur, wurde das Preis-Leistungsverhältnis aber schnell interessant und wir zögerten auch keinen weiteren Tag mit der endgültigen Buchung. Das war auch nötig, denn inzwischen waren auch die allerletzten Kabinen fest gebucht worden.
Ab jetzt wartet eine Menge Arbeit auf uns. Die gebuchte Passage beinhaltet die Reise ab Savona in Italien. Die Anreise nach Savona muss in Eigenregie geplant werden. Weiterhin müssen die ganzen Impfungen und Visa besorgt werden. Bei so einer langen und umfangreichen Reise kommt einiges an Anforderungen zusammen und die Liste der zu erledigenden Hausaufgaben wird immer länger. Zum Glück ist die Vorlaufzeit recht lang um alle Aufgaben in Ruhe und wohlüberlegt angehen zu können.
Die Visa für die USA und Australien können online beantragt und erledigt werden. Das Visum für Indien ist jedoch nur mit Hilfe einer speziellen Visa-Agentur zu bewältigen. Die Inder stellten sich schlimmer an als die USA und das Visum kostete das fünffache des USA Visums. Man hat das Gefühl, kräftig Eintritt zahlen zu müssen, um nach Indien einreisen zu dürfen.
Recht früh, im August 2010, lassen wir uns bezüglich notwendiger und wichtiger Impfungen beraten. Als kompetenteste Anlaufstellen sind hier die Tropeninstitute zu nennen, die flächendeckend in Deutschland zu finden sind. Neben den unumgänglichen Impfungen kommen da auch einige empfohlene Maßnahmen hinzu. So wurde gegen Gelbfieber, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis, Typhus, Hepatitis-A&B, Tollwut, Tetanus, Cholera, ETEC geimpft. Insgesamt waren es vierzehn Impftermine, verteilt auf die Monate vor der Reise. Was wir nicht haben machen lassen, war eine Grippeschutzimpfung, was uns auf der Reise noch zu schaffen machen wird. Alleine die Kosten für die Impfungen, schlagen mit ca. 1400€ zu Buche.
Bei der Anreise nach Savona, waren wir uns erst nicht schlüssig, ob wir fliegen, mit dem Bus oder mit dem eigenen Pkw anreisen sollen. Für jede Variante gab es gute Gründe dafür und Gründe dagegen. Ich plädierte dafür, auf jeden Fall zu fliegen. Der Gedanke, vierzehn Stunden in einem Bus sitzen zu müssen, ist der blanke Horror. Das Gleiche gilt natürlich für den eigenen Pkw, sodass nur die Fluganreise übrig blieb. Um mit dem Flieger nach Savona zu kommen gibt es aber nur zwei kommerzielle Möglichkeiten. Entweder man fliegt nach Genua oder nach Mailand. Der Vorteil bei Genua; man fährt mit einem Shuttlebus nur dreißig Minuten bis Savona. Leider hat man nach Genua aber nicht so eine große Auswahl an Flügen. Bei Mailand sieht das schon anders aus. Hier werden täglich viele Flüge von und nach Deutschland angeboten. Costa unterhält vom Mailänder Flughafen auch einen eigenen Shuttleservice. Nachteil, man verbringt zwei bis drei Stunden im Zubringerbus von Mailand nach Savona. So entscheiden wir uns für den Flug von Düsseldorf nach Genua, via München.
28. Dezember 2011
Reisebeginn
Am Flughafen Düsseldorf fangen die Probleme an. Am Check-in Schalter teilt man uns mit, die vorgesehene Lufthansa-Maschine nach München muss wegen eines technischen Defektes gewechselt werden, man würde eine kleinere Ersatzmaschine nach München einsetzen. Soweit kein Problem.
Vor dieser Nachricht hatten wir bereits unsere vier Überseekoffer aufgegeben, alle knallhart an der Grenze der zulässigen 23kg. Für zwei der vier Koffer zahlen wir dann zusätzlich einhundert Euro für das Übergewicht. Das aufgegebene Gepäck soll direkt bis nach Genua durchgeleitet werden. Bedingt durch die entstandene Änderung, erkundige ich mich, ob unser aufgegebenes Gepäck nun auch automatisch in den richtigen Flieger kommt, was man mit großer Selbstverständlichkeit bestätigt.
In Genua angekommen, fehlt unser gesamtes Gepäck. Mit uns sind circa zwanzig Passagiere betroffen, unter anderem auch einige Passagiere der Costa-Concordia, die ja am 13. Januar 2012 verunglücken wird.
Dann der Stress am Lost&Found Schalter. Die italienischen Flughafenmitarbeiter haben ganz die Ruhe weg, machen sich überhaupt keine große Mühe irgendwie nachzuforschen, wo denn unser aller Gepäck sein könnte. Man reicht jedem ein vorgefertigtes Formblatt und verlangt darauf unsere Unterschriften. Ich habe mich der Unterschrift verweigert, denn wenn ich erst mal auf dem Schiff bin und unser gesamtes Gepäck nicht rechtzeitig auftaucht, kann ich die Reise auf keinen Fall antreten. Immerhin handelt es sich in unserem Fall nicht um eine achttägige Kreuzfahrt im Mittelmeer. Da könnte man sicher mal etwas improvisieren. Bei drei Monaten sieht das schon ganz anders aus. Mittlerweile konnte ich auch andere Betroffene davon überzeugen, die Sache nicht so locker zu sehen und nicht einfach einen Blankoschein zu unterschreiben. Nun wurden auch die vom italienischen Kundenservice etwas nervös und telefonierten wenigstens mit irgendjemandem.
Als dann das Ergebnis deren Recherche benannt werden konnte, teilte man uns mit, die Koffer seien in München nicht auf die relativ kleinen Zubringermaschinen der Air-Dolomiti gepackt worden, weil sonst das zulässige Gesamtgewicht der Propellermaschinen überschritten worden wäre. Der Grund für diese ungewöhnliche Aussage liegt daran, dass fast alle Passagiere der kleinen Air-Dolomiti Maschinen auch Passagiere der Weltreise waren und jeder natürlich mehr als das normale Urlaubsgepäck dabei hatte. In der Regel mindestens doppelt so viel!
„Man werde die Gepäckstücke mit der nächsten Maschine nachfliegen lassen". Mit dieser Aussage geben wir uns erst einmal zufrieden und fahren mit dem Costa-Shuttlebus nach Savona. Im modernen Costa-Kreuzfahrtterminal in Savona ist schon reichlich was los. Alles ist im Zeichen der Weltreise dekoriert. Auch für Costa ist diese Weltreise eine Premiere, denn man hatte die letzte Weltreise vor mehr als fünfzig Jahren veranstaltet. Damals waren es aber eher Teilstrecken und keine komplette Umrundung des Planeten.
Vor dem Eingang des Kreuzfahrtterminals werden die Passagiere bereits von einer Musikkapelle mit exotischen Rhythmen empfangen. Überall wird um die Wette gelächelt, jeder Mitarbeiter hat irgendein exotisches Kostüm an. Hat man diese erste Hürde genommen, führt eine Rolltreppe in den ersten Stock, in die große Terminalhalle. Beim Betreten bekommt jeder Passagier eine Nummer zugewiesen, ähnlich wie in manchen Behörden. Wird diese Nummer später auf den Bildschirmen angezeigt, begibt man sich zum Check-in, Richtung Schiff. Natürlich erst nach reichhaltiger Pass- und Gepäckkontrolle. So wird unnötiger Stress beim Einschiffen der Menschenmassen vermieden. Immerhin wollen ca. 2500 Passagiere und 800 Mitarbeiter auf diesen Ozeanriesen. Das lange Warten ist eine entspannte Angelegenheit. Locker in der Halle verteilt, spielt irgendwo ein Kammerorchester leise Kaffeehausmusik, woanders hört man klassische Klänge und überall werden Getränke gereicht. Gaukler zeigen kleine Kunststücke, hübsche Menschen flanieren in exotischen Kostümen umher und bieten die erste Kulisse für einen Schnappschuss. Eine schöne Einstimmung auf die außergewöhnliche Reise.
Die ganze Szenerie erinnert mich an die Blütezeit der großen Seereisen um 1900, als die Welt noch groß war, der Weg das Ziel und wo Reisen noch zelebriert wurde. Mir schwirren die großen und berühmten Passagierdampfer wie die der damals legendären Bremen, Queen Mary-I, Île-de-France im Kopf umher.
(Zu diesem Thema empfehle ich das wunderbare Buch von Catherine Donzel: „Legendäre Ozeanreisen–Die große Zeit der Passagierschiffe 1850-1930")
Als wir am Check-in Schalter wegen des nicht vorhandenen Gepäcks etwas zu klären haben, spricht mich von hinten eine Italienerin mit meinem Vornamen an. Verdutzt schaue ich mich um und erkenne eine meiner FACEBOOK Bekannten, welche ich im Vorfeld der Reise dort kennengelernt habe. Viel Konversation können wir nicht machen, da sie nur italienisch spricht und wir im Augenblick auch andere Probleme haben. Ein kurzes „Hallo" und eine mit Händen und Füßen geführte Erklärung zu unserer Gepäcksituation, mehr war fürs Erste nicht drin.
Dann wird unsere Nummer auf den Monitoren angezeigt und wir reihen uns ein um an Bord zu gehen. Ein Steward begleitet uns auf unserer Kabine „8366", welche größer und schöner ist als es auf den Fotos rüberkommt. Wir fühlen uns sofort wohl. Helles Holz und helle Wände, sowie an einer Seite ein riesiger Spiegel, machen den Raum optisch großzügiger. Die Kabine ist rechteckig, die Grundfläche ca. 320cm breit und ohne Balkon so ca. 700cm lang. Die in dieses Rechteck eingebaute Badkabine hat ungefähr die Maße 230 x 170cm. Das Bad ist mit einer Dusche, WC und raumbreitem Waschtisch bestückt. Eine Badewanne gibt es nicht.
Die gesamte Ausstattung ist geschmackvoll und bis ins Kleinste durchdacht. Der vorhandene Stauraum in den Wandschränken, Anrichten und unter den Betten ist mehr als ausreichend, um die ganzen mitgebrachten Sachen zu verstauen und um reichlich Mitbringsel auf der Reise zu sammeln. Die raumhohe und raumbreite Fensterverglasung sowie die verglaste Balkonbrüstung, fluten die Kabine mit ausreichend Licht. Der dadurch gebotene Ausblick, macht die Kabine zu einem Luxusapartment auf Zeit. Man stelle sich doch mal vor, man wacht jeden Morgen in so einer Kabine auf und blickt auf die schönsten Skylines oder Ozeane dieses wunderbaren Planeten!
Dann lernen wir unsere Kabinen-Stewardess kennen, welche uns auf der gesamten Reise betreuen wird. Ihr Name, Milagros Dogillo von den Philippinen. Eine sehr sympathische junge Dame um die dreißig Jahre. Freunde nennen sie „Mila" und wir gehörten auch bald dazu. Mila kommt aus Manila und arbeitet bereits seit acht Jahren auf Schiffen. Bevor sie bei Costa den Vertrag unterschrieben hat, fuhr sie für diverse amerikanische Kreuzfahrtgesellschaften. Sie bekommt jeweils Zeitverträge, die in aller Regel sieben Monate laufen. Ihr aktueller Vertrag endet mit unserer Reise im April 2012. Da ist Sie dann wieder sieben Monate auf dem Schiff gewesen, ohne ihre Familie gesehen zu haben. Sie hat eine achtjährige Tochter, die von den Großeltern in Manila versorgt wird. Trotz dieser schweren familiären Situation hat Mila großes Glück, denn Ihr Ehemann, ein sympathischer junger Philippine, arbeitet als Kabinen-Butler ebenfalls auf der Deliziosa. Das Ehepaar bewohnt zusammen eine gemeinsame Personalkabine.
Bordpersonal wird bei Costa, bzw. bei allen Kreuzfahrtgesellschaften, sehr schlecht bezahlt und trotzdem sind die Jobs an Bord so beliebt, dass auf eine freie Stelle, mindestens fünf Bewerber kommen. Diese Situation nutzt Costa gnadenlos aus. Ich werde aber später noch etwas dazu berichten. Das Kabinenpersonal steht in der Hierarchie und bei der Bezahlung recht weit oben. Man berichtete uns, wenn eine Person so acht Jahre zur See fährt und sparsam ist, ist mindestens eine Eigentumswohnung in Manila drin. Wenn ein Ehepaar diese Zeit auf See arbeiten kann, sind diese Leute in der Heimat richtig reich und kaufen sich davon locker ein großes Haus. Nach dem Kennenlernen und der Berichterstattung bezüglich unseres nicht vorhandenen Gepäcks, reicht uns Mila ein Notfallpack mit dem Nötigsten wie Kamm, Zahnbürste, Rasierer, damit wir uns wenigstens waschen können. Auch ein T-Shirt für die Nacht ist dabei. Dann bekommen wir noch Bademäntel und unsere einzige Wäsche, die die wir am Leibe tragen, wird kostenlos expressgereinigt.
Vor der Reise hatte ich bei Costa einiges an Sonderwünschen in Auftrag gegeben, damit diese Kleinigkeiten bei unserer Ankunft wie bestellt vorgefunden werden. Nichts von dem, was mehrfach bestätigt wurde, fanden wir auch umgesetzt vor!
So hatten wir getrennt stehende Einzelbetten bestellt und finden ein Doppelbett vor, was aber schnell gerichtet ist, weil man die Betten und die Nachtschränkchen nur anders stellen muss. Das ganze Mobiliar ist für solche Wandlungsaktionen hergestellt und passt dann wieder genau. Weiterhin wünschte ich in der Minibar ausschließlich alkoholfreie Getränke. Auch dieser Wunsch wurde gar nicht beachtet. Ich musste Mila erst darauf aufmerksam machen und sie änderte es am nächsten Tag. Dann möchten wir unseren zugewiesenen Tisch mal sehen, denn wir hatten schon Monate vorher einen der wenigen Tische für zwei Personen bestellt. Auch diese Order war trotz mehrfach schriftlicher Bestätigung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Dafür setzt man uns am ersten Abend an einen Tisch für sechs Personen und dies mit Leuten die uns überhaupt nicht zusagen. Wir sind an diesem ersten Abend auch nicht in der Stimmung um lustig Konversation zu betreiben. Karin geht es auch körperlich schlecht, sie hat schon den ganzen Tag Kopfschmerzen und als wir beim Dinner sitzen, wurde ihr so schlecht, dass sie den Tisch verlassen musste. Karin hat sich in der Nacht auch mehrfach übergeben müssen. Woran es lag, kann ich nicht sagen.
Ich war am ersten Morgen so schlecht drauf, ich hätte ohne mit der Wimper zu zucken die Rückreise angetreten. Ich habe dann festgelegt, dass wir bis Barcelona warten, also zwei Reisetage und wenn dann das Gepäck nicht da sein sollte, muss ich eine endgültige Entscheidung treffen, ob ich die Reise abbrechen muss. Man muss das ja auch mal so sehen:
Habe ich kein Gepäck und unsere Koffer sind in Barcelona noch nicht da, habe ich keine Chance mehr auszusteigen. Jedenfalls nicht bis Madeira. Bis wir Madeira erreichen, ist dann ja schon fast eine Woche vergangen. Eine Woche ohne Wechselkleidung. In den Koffern sind ja auch wichtige elektronische Geräte und Kabel, die ich unbedingt für meine Arbeit brauche. Barcelona ist Deadline!
29. Dezember 2011
Marseille
Nach einer weitgehend schlaflosen Nacht, wachen wir in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille auf und der Tag begrüßt uns mit frühlingshaftem Sonnenschein und kobaltblauem Meer. Wir schauen aus der Kabine nach links und sehen im Morgendunst die Silhouette der Kirche „Notre-Dame" von Marseille. Davor liegen umhüllt von einer Corona aus hellem Nebel einige schroffe Inseln.
Schaut man nach rechts, geht der Blick auf das steinige Küstenufer mit der winzigen Halbinsel Niolon. Hier und da ragt ein Viadukt aus den Felsen, Hinweise auf eine Küstenstraße. Ein schönes Panorama. Zum ersten Frühstück an Bord nehmen wir etwas Lachs, Rührei und Obst zu uns. So gestärkt, sind wir bereit für den ersten Landgang.
Vom Schiff aus geht es mit dem Shuttlebus in die Stadt. Der Bustreffpunkt liegt am Hotel Bellevue, direkt an der Stadtmarina in Marseille. Wir steuern zielgerichtet das Kaufhaus Lafayette an, um das Nötigste zu kaufen, falls unsere Koffer immer noch nicht auftauchen sollten. Also Unterwäsche, Zahnbürsten und solche Sachen. Das noch weihnachtlich geschmückte Kaufhaus, man muss eher sagen das Einkaufszentrum, denn es ist wie alle Einkaufszentren eine überdachte Ansammlung von Geschäften auf zwei Etagen, macht einen guten Eindruck. So verbringen wir den ersten Landgang damit, die nötigsten Einkäufe zu tätigen. Im Großen und Ganzen gefällt mir das, was ich von Marseille gesehen habe. Schöne Altbauten mit üppigem Fassadenstuck, mediterraner Flair.
Rund um die Stadtmarina sind noch die Buden des hiesigen Weihnachtsmarktes in Betrieb und diese gefallen mir besser als die immer gleichen Glühwein- und Würstchenbuden auf den deutschen Weihnachtsmärkten. Hier ist alles bunt gemischt. Natürlich auch Würstchen, Bier und Wein, dazwischen aber auch Seifenhändler mit handgefertigten Seifen aus Olivenöl, mit Duftaromen nach Mandeln oder Früchten der Provence. Hier entscheiden wir uns für eine fruchtige Seife mit zartem Himbeerduft. Als wir am späten Nachmittag zurück auf das Schiff kommen, stehen unsere vier Überseekoffer mit den auffälligen orangenen Schleifen vor unserer Kabinentür.
„Was für ein Tag – jetzt kann die Reise beginnen!"
Durch die Bordlautsprecher kommt die Durchsage, dass in Kürze die vorgeschriebene Seenotrettungsübung stattfinden wird. Alle Passagiere haben sich