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Die Gefängnisinsel
Die Gefängnisinsel
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eBook402 Seiten5 Stunden

Die Gefängnisinsel

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Über dieses E-Book

Martin Eichendorf ist seit mehr als zwei Jahren in der Hochsicherheitsanstalt Werra I inhaftiert. Der junge Journalist ist das Opfer eines Komplotts: Da er zu viel wusste, sollte er auf Lebenszeit weggesperrt werden - doch dann gelingt ihm die Flucht! Seine Freude ist groß, doch sie währt nur kurz: Kaum ist er dem Gefängnis entkommen, erkennt er, dass er sich auf einer kleinen Insel mitten im Meer befindet.

Es gelingt ihm, die Behörden zu täuschen: Während vermutet wird, dass Eichendorf bei seiner Flucht im Meer ertrunken ist, hält er sich tatsächlich auf der Insel versteckt. Doch schon bald fühlt er sich im Verborgenen ähnlich eingesperrt wie zuvor in der Gefängniszelle.

Ein packendes Abenteuer, das den wahren Wert von Freiheit hautnah erfahren lässt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Mai 2018
ISBN9783746927152
Die Gefängnisinsel
Autor

Thomas Sailer

Thomas Sailer B.A., geboren am 4. August 1987 in Eisenstadt, Österreich, ist Autor, Künstler und Freizeitpionier. Er ist bekannt für seine Romane, darunter „Der Freizeitpionier“, „Die Wüstenpflanze“ (2012), „Die Aktivistin“ (2014) und „Die Gefängnisinsel“ (2018). Er schreibt außerdem Sachbücher zu den Themen Lebensträume, Erfolg und Geld. Bis zum Jahr 2024 hat er insgesamt 8 Buchtitel veröffentlicht, die teilweise auch ins Englische übersetzt wurden. Neben seiner literarischen Karriere ist Sailer Vorstandsmitglied des Kunstvereins ART HOUSE PROJECT in Eisenstadt und Mitorganisator der erfolgreichen Kunstmesse TRANSFORM-ARTE. Thomas Sailer liebt es, Zeit in der Natur zu verbringen, und hegt eine besondere Leidenschaft für klassische Autos. Derzeit besitzt er eine Sammlung von 13 Exemplaren. Als echter Freizeitpionier verfügt Sailer über die Fähigkeit durch kreatives und innovatives Denken Lösungen für Probleme zu finden, in Situationen, in denen viele andere glauben, dass es nicht möglich ist.

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    Buchvorschau

    Die Gefängnisinsel - Thomas Sailer

    1. Hinter Schloss und Riegel

    Ich starre an die Wand. Innerlich ringe ich mit dem Wahnsinn. Ausweglos. Hier führt kein Weg heraus. Ich kann nichts tun, nichts angreifen, auch nichts in Bewegung setzen das etwas an dieser harten Wirklichkeit ändern würde. Ich bin machtlos; eingesperrt in einer farblosen Welt aus Stahlbeton. Grau in grau, das ist meine traurige Realität. Reizlos, freudlos, hoffnungslos. Ein Dasein das mir zwar die Luft zum Atmen lässt, doch alles in mir nach und nach erstickt.

    Unzählige Male hatte ich mir selbst die Frage gestellt, was ich denn so Schreckliches getan hätte, für das mich das Leben derart bestraft hatte. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass es keine Bestrafung war, sondern schlicht und einfach Pech. Der Lauf der Dinge war mir zum Verhängnis geworden und hatte mich dorthin gebracht wo ich heute war – in lebenslanger Haft.

    Bevor ich meiner Freiheit beraubt worden war, war ich ein junger, aufstrebender Journalist gewesen. Ich schrieb für ein renommiertes Blatt, hatte Spaß an meinem Beruf und wollte hoch hinaus. Das Leben hatte mir vieles zu bieten gehabt und ich war begierig darauf es richtig auszukosten. Oh ja! Da waren so viele Träume und Wünsche für meine Zukunft … niemals hätte ich daran gedacht, dass die Dinge ganz anders kommen würden.

    Eines Tages hatte ich einen anonym zugesandten Umschlag erhalten. Er war an mich adressiert gewesen, doch der Absender hatte meinen Namen wohl nur zufällig ausgewählt. Er hätte sein Schreiben auch an jeden anderen Redakteur richten können. Seine Absicht war schlicht und einfach die Sendung der Presse zukommen zu lassen: Ein paar Seiten voller hoch brisanter Informationen über einen gigantischen, jedoch vertuschten Finanzskandal des OVCO-Konzerns, die gut und gerne dessen Ruin bedeuten hätten können.

    Hätten – wohl gemerkt. Der Absender lebte nicht mehr. Ermordet. So wie vier weitere Personen. Laut dem Urteil eines Richters war ich deren Mörder. Die Anklage hatte mir vorgeworfen fünf Menschen kaltblütig umgebracht zu haben, als Teil eines perfiden Plans: Ich hätte beabsichtigt einen Skandal zu erfinden, damit ich ihn anschließend in der Zeitung aufdecken konnte – in der Hoffnung dadurch schnell Karriere zu machen. Nur zu diesem Zweck hätte ich skrupellos Morde begangen. Das Gericht hatte der Anklage Recht gegeben und mich zu lebenslanger Haft verurteilt, ohne die Möglichkeit zur vorzeitigen Begnadigung. Meine Unterbringung sollte zudem in einem Hochsicherheitsgefängnis erfolgen.

    Der ganze Prozess war eine Farce gewesen. Durch die Bank konstruierte Beweisstränge. Doch alle waren gegen mich gewesen: Richter, Staatsanwalt – beide mussten sie hohe Bestechungsgelder erhalten haben. Alle Beweise die ich in der Hand gehabt hatte, wie etwa die mir zugespielten Materialien, waren plötzlich verschwunden gewesen – es wurde vehement behauptet, ich hätte falsche Unterlagen angefertigt, um damit in der Redaktion zu bluffen; dafür hatte es etwa Tatwaffen gegeben, die ich niemals in den Händen gehalten hatte, die jedoch als Beweise anerkannt worden waren.

    Der Umstand, dass ich meine Recherche geführt hatte, ohne die wahre Gefahr auch nur im Ansatz zu kennen, hatte es den Verantwortlichen im Konzern besonders einfach gemacht mir eine Mordgeschichte anzudichten.

    Ich wusste nicht wie mir geschah. Von einem Tag auf den anderen wurde ich aus meinem gewohnten Leben gerissen und in eine Zelle gesperrt – in einer offenbar länderübergreifend betriebenen Hochsicherheitseinrichtung: Werra I.

    Soviel wusste ich also. Ich kannte den Namen der Anstalt und mir war auch nicht entgangen, dass das Gefängnispersonal durchwegs deutscher Herkunft war. Mehr Informationen hatte ich nicht. Aufgrund des Namens vermutete ich, dass der Gefängniskomplex irgendwo in Deutschland, am Fluss Werra lag. Doch das war nur Spekulation. Wo ich mich tatsächlich befand? Ich hatte keine Ahnung!

    Es galt absolute Informationssperre. Ich durfte keinen Besuch empfangen und mit niemandem von außen kommunizieren; weiters war es mir untersagt das Weltgeschehen zu verfolgen: Meine Bitte eine Tageszeitung lesen zu dürfen, war entschieden abgewiesen worden; auf der Zelle hatte ich weder Radiogerät, noch Fernseher, um mediale Nachrichten zu empfangen. Die Außenwelt hatte mich schlichtweg nicht zu interessieren – schließlich sollte ich sie niemals wiedersehen.

    Mir war vollkommen klar gewesen, weshalb man mich an diesen Ort gebracht hatte: Nicht weil die Verantwortlichen in der Justiz mich tatsächlich für einen geisteskranken, gefährlichen Mörder hielten. Ich war hier, weil ich etwas wusste das ich nicht wissen durfte; weil ich damals Informationen bekommen hatte, die keinesfalls an die Öffentlichkeit dringen durften.

    Fünf Menschen waren tot, weil sie ihrem Gewissen gefolgt waren und die Bevölkerung dennoch informieren wollten. Ich atmete noch, doch mein Leben war zerstört.

    Anfangs hatte ich mich selbst dazu gezwungen dieser Situation mit Verstand zu begegnen: Ich versuchte die grauenvolle Leere in der Zelle mit Erinnerungen an schöne Zeiten zu füllen. Damals hatte ich das Gefühl von Freiheit noch gekannt – und ich war entschlossen gewesen es wieder zu spüren. Bald!

    Eine Vorstellung, die natürlich jeden Bezug zur Realität entbehrt hatte – doch was hätte ich anderes tun sollen? Ich musste die Hoffnung bewahren, sonst hätte ich nichts mehr gehabt für das es sich zu leben gelohnt hätte. Ich glaubte fest daran, dass es einen Weg aus diesem Loch geben musste. Vielleicht eine unerwartete Rehabilitation, falls bei weiteren Ermittlungen doch festgestellt würde, dass ich niemanden ermordet hatte? Oder aber … Flucht. Oh ja, Flucht! Jener Gedanke, der mich speziell während der ersten Wochen in Haft ungemein faszinierte. Es war geradezu köstlich, mir die verschiedensten Szenarien vorzustellen, wie ich diesem Gefängnis entkommen würde.

    So hatte ich, nachdem ich den ersten Schock nach der Inhaftierung verwunden hatte, in den ersten Wochen und Monaten in der Zelle sehr oft an die Freiheit gedacht. Ein Gedanke, der mich beflügelt hatte und mir Kraft gegeben hatte: Stärke, um all das durchzustehen und den Antrieb, mir immerzu Gedanken darüber zu machen wie ich von hier fliehen würde. So gelang es mir vorerst Zuversicht zu bewahren.

    Doch der bloße Traum von einer sagenhaften Flucht war auf Dauer nicht befriedigend. Je länger ich diesen Gefängnisalltag hatte erdulden müssen, umso eher war mir bewusst geworden, dass ich ihm nicht entkommen konnte. Ich unterstand der perfekten Kontrolle!

    In mir loderte das Verlangen zu fliehen. Mein sehnlichster Wunsch! Lange hatte ich die Augen offen gehalten, nach einer Gelegenheit … doch es hatte ihn einfach nicht gegeben – diesen Moment in dem gerade keiner der Wärter hingesehen hätte, während dem ich durch das zufällig einstweilen offen stehende Gefängnistor hätte entkommen können. Natürlich nicht. Ich hatte mich in einer Hochsicherheitseinrichtung befunden; einer Anstalt aus der, wie mir gesagt worden war, noch niemals jemand erfolgreich geflohen war. Möglichkeiten zur Flucht hatte es nur in meiner Phantasie gegeben – nicht aber in dieser steinharten Realität.

    Ich war ständig bewacht gewesen. Jeder noch so kleine Fehler war streng bestraft worden: Wer den Wärtern gegenüber nicht sofort pariert hatte, wurde mit Knüppeln niedergeschlagen oder über Wochen in Dunkelhaft gesperrt; das einzige Los das noch grauenvoller gewesen sein musste als das Ausharren in der Zelle.

    Doch das war nicht alles. Ich war darüber aufgeklärt worden, dass der Außenbereich der Gefängnisanlage permanent von Scharfschützen überwacht wurde. Würde ein Häftling ohne die Begleitung eines Wärters auch nur einen Schritt in den Gefängnishof tun, so würde er ohne jede Vorwarnung per Kopfschuss getötet. Die Ausbruchssicherheit der Anstalt hätte in jedem Fall entschiedene Priorität gegenüber dem Leben eines Insassen.

    Nach und nach war mir bewusst geworden, dass meine Ausbruchsphantasien sowie auch generell meine Vorstellung, dass ich eines Tages wieder außerhalb dieses Gefängnisses leben würde, rein gar nichts mit den Tatsachen zu tun gehabt hatten. Je länger ich in Haft, fernab meiner früheren Alltagsumstände, lebte, umso stärker und schmerzlicher war mir dies bewusst geworden.

    So nahm die Zeit ihren Lauf: Aus Wochen wurden Monate, aus Monaten bald Jahre. Zwei Jahre und vier Monate lang war ich nun schon in Gefangenschaft. Die Zeit im Gefängnis hatte längst ihren Tribut gefordert: Mein Körper war schwächer und anfälliger geworden; mein Geist müder und verbitterter. Mit der Zeit hatte der harte Alltag in Gefangenschaft die positive Kraft aufgezehrt, die ich anfangs aus Erinnerungen geschöpft hatte. Frei sein, froh sein. Ich wusste nicht mehr wie sich das anfühlen sollte. Ich konnte diese Gefühle nicht mehr länger mithilfe von Gedächtnisinhalten abrufen. Sie aufs Neue erleben, konnte ich in meinem Gefängnisalltag erst recht nicht.

    Es war nie so, dass ich mich mit meinem Los abgefunden hätte. Das konnte ich nicht. Verdammt, das wollte ich nicht! Doch dieses dauernde Verlangen nach etwas, nach Freiheit, nach Freude, marterte mich. Es quälte mich, da ich beides nicht haben konnte, ganz egal was ich tun würde.

    Jeder Tag in Gefangenschaft schien sich in die Unendlichkeit zu ziehen. Am schlimmsten war es in der Zelle: In diesem sterilen, farblosen Raum gab es kein Fenster nach draußen, nur künstliche Beleuchtung. Tageslicht konnte ich lediglich vom Gang aus, wenn ich die Zelle verlassen durfte, durch die Oberlichten des Zellenblocks sehen. Persönliche Gegenstände waren in der Zelle nicht gestattet: Keine Bücher, keine Sammelfiguren, keine Poster. Nichts das irgendwie Farbe in dieses graue Loch gebracht hätte.

    Die einzige Form der Unterhaltung bestand in einer Filmvorführung die den Insassen, aufgeteilt in Gruppen, einmal pro Woche unter strengen Auflagen gestattet war. Ein kleiner Fernseher für dutzende Zuseher, die allesamt unter Bewachung stramm dazusitzen hatten. Die kleinste Missachtung der Vorschriften – es musste nur einer der Häftlinge versuchen eine etwas bequemere Sitzposition einzunehmen – führte zu einem sofortigen Abbruch der Filmvorführung. Gezeigt wurden ausschließlich veraltete Filme, die längst nicht mehr zeitgemäß waren. Auch waren es selten richtig gute Filme … und doch waren diese Fernsehabende mit Abstand das Schönste das ich als Gefangener erleben durfte.

    Der Alltag im Gefängnis war hart: Täglich musste ich um 6:00 Uhr Früh aufstehen und in den Speisesaal zum Frühstück gehen; ein Butterbrot oder manchmal ein hart gekochtes Ei – viel Zeit zu essen, gab es nicht.

    Nach dem Frühstück wurde ich gemeinsam mit den anderen Insassen in den Arbeitsbereich geführt. Dort mussten wir unter ständiger Bewachung Dinge wie Autowracks und Maschinen zerlegen und die Materialien sortieren. Acht Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche. Obwohl die Arbeit oft an der Substanz zehrte, glich sie meist einem Lichtblick im Gefängnisalltag: So war ich immerhin nicht in der engen, grauen Zelle. Die Dinge die ich zerlegen musste, waren meist sehr schmutzig und nicht selten verletzte ich mich an den Armen und Händen – so etwa wenn ich mit einem Werkzeugschlüssel von einer alten Schraube abrutschte. Doch sie hatte etwas Aufbauendes, diese Arbeit: Es waren fast täglich neue Gegenstände, die ich zerlegen sollte. Farben und Formen; Gerüche – eine Abwechslung gegenüber der vollkommenen Monotonie in der Zelle! Außerdem war dieses Bewusstsein in mir, dass all diese ausgedienten Gegenstände von draußen kamen. So etwa die Autos, die bis vor einiger Zeit noch auf der Straße gefahren worden waren. Es wäre so unglaublich toll gewesen, mit einem alten, mitgenommenen Auto über die Landstraße zu fahren. In Freiheit!

    Schließlich dachte ich auch gerne daran, wohin die sortierten Einzelteile gebracht werden würden: Erneut nach draußen! Weg von hier! Die Container würden wieder abgeholt und zu einer Metallrecyclingstelle gebracht. Dort arbeiteten Leute … die nach Feierabend frei waren! War deren Arbeit erst getan, konnten sie hinausgehen und tun was sie wollten! Sie konnten heim zu ihrer Familie gehen, oder mit Freunden etwas trinken. Egal was, sie konnten es tun! Und ich? War die Arbeit hier getan, musste ich zurück in die Zelle – wo ich nichts tun konnte als ins Nichts zu starren und zu warten … warten, bis am Abend das Licht ausgehen würde. Warten, bis ich wenigstens im Schlaf, in meinen Träumen, diesem Loch aus Monotonie und Sinnlosigkeit entkommen würde.

    Manchmal, da phantasierte ich darüber nach der Arbeit einfach in einen Altmetallcontainer zu steigen. Ein beflügelnder Gedanke, aber leider pure Utopie: Selbst wenn die Wärter lange genug unachtsam gewesen wären, wäre meine Abwesenheit sofort bemerkt worden … und es wäre klar gewesen, dass ich in einem der Container gewesen wäre. Ohnehin war ich nach meiner Inhaftierung, als ich die Arbeit hier hatte aufnehmen müssen, darüber informiert worden, dass die Container gründlich durchsucht würden, ehe sie das Gebäude verließen und, dass ich gut daran täte gar nicht erst daran zu denken auf diesem Wege einen Fluchtversuch zu wagen.

    So sehr ich es auch wollte – ich konnte nicht fliehen! So blieb mir nichts über als zu tun was ich tun musste. Zu funktionieren, wie eine Maschine. Nicht zu denken, nicht zu fühlen. Tag für Tag das gleiche, leere Dasein fristen. Mein Los im Leben – heute und für immer.

    2. Das Päckchen

    In diesem Bewusstsein verließ ich auch am 02. April 2017 das Bett, als um 6:00 Uhr in der Früh das unangenehme Wecksignal im Zellenblock ertönte. Wie an jedem Tag putzte ich schnell meine Zähne um fertig zu sein bis der Schließmechanismus der Zellentür öffnete.

    Als dann die Gittertür kurz darauf entriegelt wurde, waren auf dem Gang zwischen den Zellen überall Wärter positioniert, die darauf achteten, dass alle Insassen wie angewiesen zum Frühstück gingen. Also marschierte ich gemeinsam mit den anderen Sträflingen in Reih und Glied in den Speisesaal.

    Zu essen gab es wie sooft ein fades Toastbrot und ein hart gekochtes Ei. Dann, etwa zehn vor sieben Uhr, mussten sich sämtliche Häftlinge im Arbeitsbereich einfinden – rasch den Arbeitsoverall anstelle der Gefangenenkluft anziehen und an die Arbeit gehen: In der Arbeitshalle standen Autowracks und ausgediente Industriemaschinen bereit um zerlegt zu werden. Es war wie an jedem Morgen seit nun mehr als zwei Jahren.

    Als ich an den Platz kam an dem ich üblicherweise arbeitete, wies mir der Wärter der die Arbeit einteilte einen schrottreifen Ford zu, den ich in seine Einzelteile zerlegen sollte.

    „Wär’s möglich, dass ich den alten Ford da übernehme?, hörte ich einen Mitgefangenen sagen, der den Arbeitsplatz daneben innehatte. „Mit dem Modell kenne ich mich aus. Habe früher öfter an so etwas gearbeitet!

    Das war ausgesprochen ungewöhnlich. Es war nicht an den Gefangenen, die Arbeit selbst auszusuchen.

    „Es gibt keine Sonderwünsche!, brüllte ein Wärter und hob drohend seinen Gummiknüppel. „Zurück auf Position. Sofort!

    Der andere Gefangene parierte. Er schien stark mit sich selbst zu ringen. Zwar versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, doch ich konnte erkennen, dass er sehr angespannt war. Weshalb war er so erpicht darauf diesen alten Ford zu zerlegen?

    Ich dachte nicht weiter darüber nach und begann den Wagen auseinander zu nehmen: Erst die Türen, Motorhaube und Heckklappe. Irgendwo musste ich schließlich anfangen. Ich demontierte die Innenverkleidungen der Türen und entfernte die Scheiben, sodass nur noch das Stahlblech übrig blieb. Dabei arbeitete ich sehr sorgfältig. Jede noch so kleine Schraube sollte ihren Weg in den Verwertungskreislauf finden.

    Als ich gerade nicht im Visier eines Aufsehers war, strich ich mit der Handfläche über die verschlissenen, befleckten Velours der Paneele: Ich versuchte mir vorzustellen, ich wäre in Freiheit, hätte gerade einen alten, schäbigen Wagen gekauft und stünde vor einer aufregenden Reise. So recht glückte mir diese Vorstellung nicht – unzählige Male hatte ich bereits versucht, mir auf diese Weise den Alltag im Gefängnis erträglicher zu machen. Mittlerweile hatte ich schon zu sehr verinnerlicht, dass es nur Träumerei war und niemals wieder Realität werden sollte; so fühlte sich auch das Träumen längst nicht mehr so real an wie zu Beginn meiner Haftstrafe. Dieser Effekt hatte sich längst abgenutzt.

    Nachdem ich alle Türen, die Heckklappe und die Motorhaube von sämtlichen Anbauteilen befreit hatte, trug ich die Teile zu einem Alteisencontainer und warf sie in dessen Inneres.

    Dann fing ich an den Innenraum des Wagens zu zerlegen; als ich die Rückbank demontierte, bemerkte ich etwas Ungewöhnliches: Da lag ein Päckchen. Nichts das irgendwann einmal versehentlich unter die Rückbank gerutscht war. Nein. Mit einem Mal verstand ich weshalb der andere Sträfling unbedingt an dieses Auto wollte: Jemand hatte genau dieses Autowrack präpariert, mit etwas das dieser andere Häftling bekommen sollte. Möglichst unauffällig versuchte ich etwas von der Papierverpackung zu öffnen: Wie ich sofort erkannte, befand sich darunter, vakuumverpackt in Plastik – eine Wärteruniform! Hier war ein Ausbruchsversuch im Gange!

    Mein Puls begann zu rasen. Konnte es wahr sein? War das hier etwa meine lang ersehnte Fahrkarte in die Freiheit? Konnte ich es riskieren? Sollte ich etwa … Moment mal – ich starrte schon viel zu lange auf dieses Päckchen. Die Wärter würden gleich bemerken, dass ich etwas gefunden hatte! Würden sie mich jetzt sehen, mit diesem Päckchen in der Hand, wäre meine Chance auf Flucht dahin. Weil ich es nicht gemeldet hätte, bekäme ich wahrscheinlich – erstmalig – mehrere Wochen Dunkelhaft … wahrscheinlich würden sie sogar denken, dass ich das hier selbst fingiert hätte und würden mich noch härter bestraften!

    Unfähig so schnell eine Entscheidung zu treffen, legte ich das Päckchen rasch unter der bereits demontierten Rückbank ab und begann die Verkleidungselemente der C-Säulen abzumontieren – um den Anschein zu wahren, dass ich hier bloß meine Arbeit tat.

    Da – ein Wärter der genau zu mir herüber sah. Er hatte bestimmt schon Verdacht geschöpft! Ich tat als wäre ich auf die Arbeit konzentriert und würde ihn gar nicht bemerken. Außerdem versuchte ich ein möglichst gelangweiltes Gesicht zu machen. Das schien zu funktionieren: Er kam nicht zu mir herüber, sondern ging wieder auf Position.

    Sogleich war ich mit der nächsten Herausforderung konfrontiert: Ich konnte die ausgebaute Sitzfläche nicht im Auto liegen lassen. Es würde auffallen, würde ich zu viele demontierte Teile im Fahrgastraum horten – die Wärter würden misstrauisch und nachsehen kommen was ich hier versteckte. Rasch sah ich mich um. Hinter den Radläufen befand sich ein schmaler Hohlraum, in den das flache Päckchen gut passen würde. Ich begab mich in den bereits ausgeräumten Kofferraum, scheinbar um die C-Säulen-Verkleidung aus dem Auto zu reißen. Dabei griff ich nach dem Päckchen und versenkte es unauffällig in dem Hohlraum, während ich tat als würde ich mir ansehen wie das C-Säulen-Verkleidungsteil mit der Karosserie verbunden war. Ich sah mich erneut um. Niemand schien ernsthaften Verdacht geschöpft zu haben. Mit beiden Händen riss ich an der Plastikverkleidung, legte die entfernten Stücke auf die ausgebaute Rücksitzbank und trug diese zu einem der Restmüllcontainer.

    Zurück beim Autowrack versuchte ich mich so zu verhalten als wäre nichts weiter. Ich mimte den Vergrämten, während ich Anbauteil für Anbauteil von der Karosserie entfernte. Innerlich war ich hingegen überwältigt von dieser plötzlichen Möglichkeit, einen Ausbruch wagen zu können. Tatsächlich: Mit dieser Uniform könnte ich unbehelligt aus diesem Gefängnis herausspazieren. Ein zu schöner Gedanke … so unwirklich – und plötzlich so real!

    In mir erwachten neue Lebensgeister. Ich spürte Energie in mir, die ich schon seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Allerdings verstand ich auch, dass ich noch keineswegs entkommen war. Obwohl ich nun vollkommen unverhofft eine Wärteruniform zur Verfügung hatte, gab es diverse Probleme, die ich erst lösen musste: Ich war fast ständig überwacht, wenn ich nicht gerade in der Zelle saß – wann also sollte ich die Uniform anlegen? Wie sollte ich sie unbemerkt aus der Autokarosserie herausnehmen, sodass ich sie im richtigen Zeitpunkt anziehen könnte? Gab es ihn überhaupt, diesen richtigen Zeitpunkt? Wie sollte ich das alles bloß anstellen?

    Nach einigen Stunden erklang ein akustisches Signal: Es war Zeit zum Mittagessen. Also verließen wir Häftlinge den Arbeitsbereich, wuschen die Hände und gingen in den Speisesaal. Während ich aß, sah ich zu dem Gefangenen, der dieses Päckchen eigentlich erwartet hatte. Mit finsterem Blick sah er zu mir herüber. Rasch wandte ich den Blick ab. Ich bekam eine Gänsehaut. Er wusste, dass ich die Uniform gefunden hatte, die für ihn bestimmt gewesen war. Er konnte jederzeit einem der Wärter sagen, dass er glaubte ich würde etwas in dem Wrack versteckt halten. Außerdem war ich nicht gerade erpicht darauf, mich körperlich mit ihm anzulegen. Falls er mich attackieren sollte, würden wir beide Schwierigkeiten bekommen – und die Uniform würde wohl auch entdeckt.

    Als am Nachmittag die Arbeit fortgesetzt wurde, begann ich meine Flucht zu planen. Ich kannte die Routine in diesem Gefängnis: Wurde man am Abend mit dem Zerlegen nicht fertig, bekam man üblicherweise dasselbe Wrack auch am kommenden Tag zugeteilt – wohl damit niemand in Versuchung kommen konnte sich unliebsame Arbeitsschritte bewusst zu ersparen. Ich konnte die Uniform also getrost über Nacht im Auto lassen. Am kommenden Vormittag müsste ich es schaffen die Karosserie von Motor und anderen Anbauteilen zu befreien, sodass ich morgen nach dem Mittagessen den Wärtern Bescheid geben könnte, dass die Karosserie mit dem Stapler abtransportiert werden könnte. Während das gemacht würde, würde ich irgendeinen Anbauteil davontragen, unter dem ich die Uniform verbergen würde. Nun würde mich ein paar Minuten lang niemand vermissen und ich könnte mir die Uniform versteckt zwischen den Containern überziehen. Man würde von mir erwarten, dass ich den Motor weiterzerlege. Aber eine Motor-Getriebeeinheit die hier zwischen all dem Schrott liegen würde, würde nicht so sehr auffallen wie eine Karosserie … also würde vielleicht nicht sofort bemerkt, dass ich nicht bei der Arbeit sein würde. Diese Zeit würde ich nutzen um als Wärter getarnt die Arbeitshalle zu verlassen. Ich würde durch den Gang gehen, bis ganz nach vorn, wo wir Insassen nicht hin durften; in den vorderen Gefängnishof. Dort, wo ich damals dem Gefangenentransporter entstiegen war, als man mich hier her gebracht hatte. Mit etwas Glück würde man mir das Haupttor öffnen – und ich könnte unbehelligt vom Gefängnisareal verschwinden!

    Vielleicht würde ich es schaffen, ausreichend Distanz zu dem Gefängnis aufzubauen. Ich wusste nicht wie das Gelände rund um die Anlage aussah. Ob ich mich hier in einer Stadt befand, oder aber mitten im Nirgendwo. Ich hatte keine Ahnung. Aber es war mir irgendwie egal. Auch der Gedanke, dass die Polizei klar im Vorteil war und mich wahrscheinlich bald wieder aufgegriffen haben würde. Ja sogar das Bewusstsein, dass ich auf der Flucht erschossen werden könnte … dieses Risiko war gegeben, eindeutig. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie es sein würde, wenn mich eine Kugel träfe. Schauderhaft! Allerdings – was war meine Existenz schon wert, wenn ich sie ohne Aussicht auf Begnadigung hier in diesem Loch verbringen müsste? Diese vielleicht einmalige Chance auf Flucht, auch wenn sie noch so klein und risikobehaftet sein mochte, wollte ich mir keinesfalls entgehen lassen. Jetzt hatte ich es in der Hand, meine Freiheit zurück zu gewinnen!

    Schließlich ertönte abermals ein akustisches Signal. Es war Zeit die Arbeit niederzulegen und zurück in die Zellen zu gehen. Mir graute – doch weit nicht so sehr wie sonst. Im Tross mit den anderen Häftlingen ging ich in den Umkleideraum. Wie immer sollten wir unsere Arbeitskleidung ablegen, unter die Dusche gehen, die Gefangenenkluft anlegen und zurück in die Zelle gehen. Diesmal jedoch, als ich mir gerade den Overall ausziehen wollte, kam in einem unbeobachteten Augenblick jener Gefangener auf mich zu, der die Uniform hätte bekommen sollen. Ich wusste: Das bedeutete Ärger!

    „Wo hast du sie?", zischte er.

    „Wo habe ich was?", erwiderte ich und tat überrascht.

    Da packte er mich mit beiden Händen beim Kragen und drückte mich gegen die Wand; so fest, dass ich kaum Luft bekam. In seinen Augen sah ich, dass er zu allem bereit war.

    „Du weißt genau wovon ich spreche. Raus mit der Sprache!"

    In diesem Moment spürte ich einen heftigen Schmerz in der Bauchgegend, er hatte mir sein Knie in die Magengrube gerammt. Ich krümmte mich vor Schmerzen.

    „HEY! GIBT ES HIER IRGENDEIN PROBLEM?", hörte ich einen Wärter rufen. Ich sah wie dieser und noch ein anderer auf uns zugelaufen kamen.

    „SOFORT AUFHÖREN", brüllte einer der beiden. Ohne weitere Vorwarnung schlug er meinem Angreifer mit aller Kraft einen Gummiknüppel in den Rücken; dieser löste nun seinen Griff um meinen Hals und ging zu Boden. Sofort kamen noch zwei weitere Wärter herbei. Sie zogen ihre Waffen; einer richtete diese auf den am Boden liegenden Häftling, der andere visierte mich an. Ich wagte es nicht auch nur eine Bewegung zu machen.

    Das gibt einen Monat Dunkelhaft, Freundchen!, rief ein Wärter, als er den Angreifer am Boden fixiert hielt und ihm Handschellen anlegte; einstweilen stürmte ein anderer Wärter auf mich zu, packte mich am Kragen und drückte mich gegen die Wand; kaum sanfter als es der andere Häftling zuvor getan hatte.

    „Du da! Was war hier los, verdammt?", brüllte er mir ins Gesicht.

    „Ich – ich glaube es ging um dieses Auto …", stammelte ich; wegen der schmerzhaften Attacke des Mitgefangenen konnte ich vorerst kaum sprechen.

    „Auto? Welches Auto?", schrie der Wärter.

    „Dieser Ford, an dem ich heute gearbeitet habe … heute Morgen hat der Kollege, der mich jetzt attackiert hat darum gebeten, dass er an dem Wagen arbeiten darf. Wie er mir gerade gesagt hat, hatte er früher so ein Modell und hätte so gerne alte Erinnerungen geweckt. Er war eifersüchtig, weil ich an dem Wagen arbeiten durfte – da ist ihm der Kragen geplatzt."

    „War es so?", brüllte der Wärter den Angreifer an.

    „Ja, es stimmt … jedes Wort, keuchte der Häftling. „Ich war eifersüchtig … es tut mir leid.

    In seinem Blick sah ich immer noch Zorn, aber auch Dankbarkeit; er schien froh zu sein, dass ich nichts von der Uniform gesagt hatte.

    „Sie sagen die Wahrheit, äußerte einer der anwesenden Wärter. „Heute Früh hat mich dieser Insasse gefragt ob er an dem Wagen arbeiten darf. Ich habe es ihm natürlich verboten.

    „Gut, erwiderte ein anderer Wärter. „Abführen!

    Damit griffen zwei Wachen den mit Handschellen Gefesselten und brachten ihn weg.

    Ich atmete auf. Einen Moment lang hatte ich gedacht dieser Kerl würde mich erschlagen.

    „Du da!, sprach mich der Wärter an, der die Befehle gegeben hatte. „Ist dir an diesem Wagen irgendetwas aufgefallen? Hast du etwas gefunden? Eine Waffe? Drogen vielleicht?

    „Nein, da war nichts", log ich.

    „Los, durchsucht ihn!", befahl der Wärter, woraufhin mir zwei Wachen den Overall vom Leib rissen und diesen gründlich durchsuchten.

    „Er hat wirklich nichts dabei", sagte einer der Wachen.

    „Gut. Dann soll er jetzt duschen gehen. Behaltet ihn im Auge, damit er keine Dummheiten macht", äußerte der Wärter und ging davon. Die anderen beiden folgten mir in den Duschraum.

    Ich versuchte mich möglichst normal zu verhalten, während ich mich wusch. Niemand sollte bemerken, dass ich ein Geheimnis hatte. Innerlich schien heute alles anders als sonst; anstatt wie üblich in Sinnlosigkeit und Verzweiflung zu versinken, war ich nun ausgesprochen fokussiert: Ich hatte einen Plan; einen Ansatz und den starken Willen, ihn zu nutzen!

    Nach dem Duschen ging es noch einmal in den Speisesaal, zum Abendessen. Anschließend musste ich zurück in die Zelle. Zum ersten Mal seit langer Zeit war dieser Gedanke für mich nicht erschreckend. Heute Abend würde ich nicht von Eintönigkeit um den Verstand gebracht; ich würde die Zeit nutzen um mich mental auf das vorzubereiten, was ich am kommenden Tag tun würde.

    So saß ich auf dem Zellenbett, sah hinaus auf den Gang und fühlte dabei fast so etwas wie Entspannung. Immerzu dachte ich daran, wie es sein würde: Einfach den Arbeitsbereich zu verlassen, unbeaufsichtigt durch die Gänge zu spazieren und dann, vorne im Gefängnishof, durch das große Metalltor zu gehen – und das Weite zu suchen! Ein wahrlich aufregender Gedanke: Dieses Loch endlich zu verlassen, mich wieder frei bewegen zu können. Das würde großartig!

    Ich freute mich unheimlich darauf, durch Wiesen und Wälder zu flüchten. Ich freute mich auf alles das ich in Freiheit sehen würde: Jeden Baum, jedes Blatt, jeden Stein. Vor allem aber freute ich mich darauf endlich wieder die Menschen zu sehen, die mir nahe standen. Meine Eltern, meine Freunde. Sobald ich könnte, würde ich versuchen mit ihnen in Kontakt zu treten; seit meiner Inhaftierung hatte ich von niemandem aus meinem Umfeld gehört. Natürlich dachte ich auch an Irina, meine Verlobte. Ich musste sie unbedingt wieder sehen! Auch wenn mir im Grunde genommen klar war, dass sie wohl schon längst nicht mehr meine Verlobte wäre. Ich war zu lebenslanger Haft verurteilt worden und durfte keinerlei Kontakt zu ihr aufnehmen. Das war damals wohl einem unfreiwilligen Ende unserer Beziehung gleichgekommen.

    Gegen Abend marschierte ein Trupp Wärter durch den Gang und hielt vor meiner Zelle. Die Männer, angeführt von jenem der bei dem Vorfall im Umkleideraum die Befehle gegeben hatte, öffneten die Zellentür und traten ein. Während ich äußerlich ruhig blieb, geriet ich innerlich in Panik: Weshalb wohl waren sie hier? Sie mussten die Uniform im Auto gefunden haben! Nun waren sie gekommen um mich dafür zu bestrafen; sie würden mich mit ihren Knüppeln niederschlagen und für einige Wochen in Dunkelhaft sperren – in einen abgeschotteten Raum; der einzige Ort in diesem Gefängnis der wohl noch abstoßender war als diese Zelle. Ein Raum, in dem ich noch weniger tun und wahrnehmen könnte als hier in der Zelle. Ich kannte diesen Zellenblock, da er mir gezeigt worden war, als ich in diese Haftanstalt gekommen war; zur Abschreckung, damit ich wüsste was mir blühen würde, wenn ich mich nicht angepasst verhielt. Bis jetzt hatte ich es vermieden in diese Situation zu geraten – jetzt stand mir anstatt Freiheit wohl eine Zeit in absoluter Abschottung bevor.

    Ausziehen und mit der Stirn an die Wand!, befahl der Wärter der den Trupp anführte. Ich tat wie mir befohlen worden war und erwartete den ersten Knüppelschlag auf meinen entblößten Rücken.

    „Alles durchsuchen!, rief der Mann. „Kleidung, Bettwäsche, Abflussrohre, die Hohlräume vom Bettgestell – alles!

    Ich stand da und versuchte zu verstehen was hier gerade vor sich ging. Hatten sie die Uniform nun gefunden? Waren sie hier um nachzusehen ob ich vielleicht noch andere Sachen ins Gefängnis geschmuggelt hatte?

    „Die Zelle ist sauber, sagte einer der Wärter schließlich, nach Momenten die mir wie Stunden geschienen hatten. „Er hat wirklich nichts aus der Werkstatt hier her mitgenommen.

    „Was ist mit der Werkstatt? Kann er dort irgendetwas versteckt haben?", fragte der Befehlshaber sehr lautstark nach.

    „Wir haben alle Werkzeugladen genau durchsucht, erklärte einer der Wachen. „Auch in das Autowrack haben wir gesehen … sogar Teile vom Motor haben wir zerlegt um zu sehen, ob er da etwas drin versteckt hat. Aber da war nichts.

    „Du da!, schrie der Befehlshaber. „Umdrehen!

    Ich tat was

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