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Mein 40. Opfer
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eBook235 Seiten3 Stunden

Mein 40. Opfer

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Über dieses E-Book

Eigentlich wollte sich Bernhard Gittermann nach seinem 40. Lustmord zur Ruhe setzen und Schluss machen mit dem Töten von Frauen. Doch sein lang ersehnter Jubiläumsmord verlief so gar nicht wie geplant. Er landete unvermittelt in Untersuchungshaft und wurde mit immer neuen Vorwürfen konfrontiert. Sein eigens präpariertes Haus verfügte über eine ziemlich merkwürdige Ausstattung. Er wurde deshalb verdächtigt am Schicksal von spurlos verschwundenen Frauen schuldig zu sein. Die Mordkommission war sich sicher einen perversen und lange unentdeckten Serienmörder gefasst zu haben.
In der Haft litt der elegante Geschäftsmann unter großen Selbstzweifeln. Um sein Gewissen zu erleichtern, begann er seine unfassbare Geschichte aufzuschreiben. Darin schilderte er penibel genau seine Karriere als Frauenmörder.
Durch einen Zufall wurde die unter strengen Verschluss gehaltene Akte des erfolgreichen Immobilienmaklers Bernhard Gittermann wieder zugänglich.
Die Polizeibehörden hatten triftige Gründe diese Akte geheim zu halten...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum23. Sept. 2012
ISBN9783844233544
Mein 40. Opfer

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    Buchvorschau

    Mein 40. Opfer - Christian Manhart

    Kapitel 1

    Vorwort

    Oft möchte man es nicht für möglich halten, welche Geschichten sich in der Realität abspielen. Niemand kann wissen, welche ungeheuerlichen Dinge in den Behausungen unserer Mitmenschen geschehen. Sind erst mal die Haustüren geschlossen, bleibt der Blick in dunkle Keller, Garagen, versteckte Zimmer und einsame Gartenhäuser verborgen. Manche unserer Zeitgenossen treiben auf diese Weise, unbeobachtet und unentdeckt, meist über viele Jahre hinweg, ihr grausames Unwesen. Der Zufall will es, dass sich hin und wieder die meist unerfreuliche Wahrheit zurück ans Licht der Öffentlichkeit kämpft.

    Die Asservatenkammern und Archive der Polizeibehörden bergen ein reichhaltiges Sortiment an ungeheuerlichen Objekten und Beweisstücken. Es sind dies nicht nur die blutigen Messer und Schlagwerkzeuge. Nein, die interessantesten Objekte bestehen aus den handgeschriebenen Aufzeichnungen von Verdächtigen und schuldig Verurteilten. In diesen losen Blättern, Notizbüchern, Tagebüchern oder Taschenkalendern, verbergen sich Geschichten die sich niemand so ohne Weiteres ausdenken kann. Deren Studium wiederum ist sehr anstrengend, weil die Schreiber in ihrer Angst und Unsicherheit nahezu unleserlich kritzeln und krakeln. Lose Blätter sind dabei am schwierigsten zu entziffern. Auf dem Papier, das sie im Gefängnis erhalten, schreiben die Verfasser winzig klein, übereinander, durcheinander, streichen durch, malen kleine Symbole dazu, achten nicht mehr auf Zusammenhänge.

    Wo sie nur Platz finden, werden Worte, Bildchen und Buchstaben gesetzt. Kaum ein Beamter macht sich die Mühe und kämpft sich durch diese wirren Notizen, geschweige denn er hält sie für die Wahrheit oder tatrelevant. Intensiv kontrolliert wird nur, was nach außen transferiert werden soll.

    Auch der des mehrfachen Mordes Verdächtige Bernhard Gittermann war so ein ängstlicher Kandidat. Nein, er wollte nicht gestehen, keinesfalls. Sein Motiv zu schreiben, war sein Stolz. Gittermann hielt sich und seine Art Frauen zu töten für einzigartig. Er wollte wie so viele vor ihm, heimlich still und leise prahlen mit seinem verwerflichen Tun. Wie unzählige vor ihm, wollte er aber auch durch das Niederschreiben sein Gewissen erleichtern und eine Art Absolution erfahren. Sein Leben, das er während seiner Untersuchungshaft auf ein paar Blättern festgehalten hatte, wurde natürlich aufbewahrt und zu den Akten geheftet.

    Dieser Text war eigentlich nicht besonders schwer zu dechiffrieren. Er hatte lediglich einige Buchstaben durch Zahlen ersetzt. Nur seine Abkürzungen und Kürzeln die er benutzt hatte, verhinderten ein rasches Übersetzen. Sein gesamter Text bestand nur aus diesen Wortfragmenten.

    Doch er hatte sich keine große Mühe gegeben, den Code zu verstecken, der mir geholfen hatte seine Geschichte zu verstehen. Es war nicht leicht zu glauben was er da geschrieben hatte. Zu schlimm und verachtend waren seine Taten. Zu kaltschnäuzig und egoistisch seine Argumente. Zu weinerlich seine Rechtfertigungen.

    Die Akte Gittermann war normalerweise niemanden zugänglich. Doch der Zufall sorgte dafür, dass zum Einsehen der Akte nicht mehr das persönliche Einverständnis eines bestimmten Staatsanwaltes benötigt wurde.

    So kam ich an die versiegelte Mappe mit den Aufzeichnungen des Immobilienmaklers Bernhard Gittermann.

    Schockierend waren die Umstände welche zu der Versiegelung und Geheimhaltung der Akte führten. Nie hätte ich gedacht, dass es Fälle gibt, von denen die Öffentlichkeit nur eine abgemilderte und geschliffene Version erfährt. Erst wenn die beteiligten Personen versetzt oder in Pension geschickt werden, oder sogar sterben, ändern sich die Umstände und die Gründe für den rigorosen Verschluss entfallen.

    Natürlich sind alle Namen, Orte und Zeiträume abgeändert.

    Kapitel 2

    Mein 40. Opfer

    Nun war es also soweit. Lange Jahre meines Lebens hatte ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet. Immer wieder hatte ich die drohende Gefahr verdrängt und mich in trügerischer Sicherheit gewogen. Trotzdem, vor allem in den ersten Jahren meiner Laufbahn hatte ich große Angst vor Entdeckung gehabt. Immer wieder hatte ich es mir in der Vergangenheit ausgemalt, wie es wohl sein würde, wenn ich eines Tages in so eine ausweglose Situation kommen sollte. Was hatte ich mir nicht alles für tolle Ausreden ausgedacht. Tja, die können mir gar nichts, hatte ich immer gedacht. Und jetzt? Sollte ich jetzt wirklich geliefert sein? Droht mir heute die gnadenlose Ächtung und Beschimpfung? Ausgeschlossen aus der normalen Gesellschaft? Nicht auszudenken, sollte ich für unzurechnungsfähig erklärt werden. Würden sie mich am Ende in die Psychiatrie stecken? Mich? Einen ehrwürdigen Geschäftsmann? Geendet als Geisteskranker der von gewissenlosen und experimentierfreudigen Psychiatern mit Medikamenten vollgestopft wurde? Um Gottes Willen! Bitte nicht! Ja, ich hatte Angst, ein Gericht könnte entscheiden mich für immer und ewig einzusperren. Die berüchtigte Sicherungsverwahrung! Furchtbar, allein der Gedanke daran!

    Aber mein lieber Gott, was hatte ich nur getan? War wirklich alles Böse? War ich so ein Scheusal? Eine Bestie? Nein, nein und nochmals nein! Ich halte mich heute für keinen schlechten oder verrückten Menschen. Aber denken alle anderen auch so von mir? Sehen sie nur das Tote, das Vergangene und nicht das Glück und die Lust die damit verbunden waren?

    So viele Fragen hatte ich und niemanden konnte ich sie stellen, damit sie mir beantwortet werden. Ich musste stets alles für mich behalten. So wie ich es mein ganzes Leben lang getan hatte. Einsam und eingeschlossen in meinem Herz, wird mein Wirken für immer bleiben. Mit niemanden konnte ich reden und mich austauschen. Es war ein Graus. Doch jetzt, an diesem Punkt, an dem ich das erste Mal um meine Existenz fürchten musste, verspürte ich einen starken Drang mich mitzuteilen. Ja, es war gut ein wenig von dem Ballast loszuwerden. Meine Gedanken frei zu lassen aus dem Gefängnis, das sich Gedächtnis nennt.

    Vielleicht erhoffte ich mir nur ein wenig Verständnis. Vielleicht erhoffte ich mir aber auch Mitleid. Ich hatte ja keine Ahnung ob und wie viele Menschen es gab, die sich mit ähnlichen Vorlieben beschäftigten.

    Vor mir auf dem Tisch stand ein ausgetrunkener Kaffeebecher aus dunkelbraunen Plastik mit senkrechten Rippen. Einer dieser wirklich billigen Behältnisse. Die bittere Brühe darin schmeckte genau genommen gar nicht wie richtiger Kaffee. Aber sie war wenigstens heiss gewesen.

    Sie hatten mich schon wieder allein gelassen. Sie, das waren die grimmigen Kriminalbeamten, die mich seit Tagen pausenlos verhörten und mir die größten Vorwürfe machen. Sie waren es, die mich quälten und mich sitzen liessen. Das machten sie unentwegt. Immer und immer wieder musste ich über lange Zeiträume allein in diesem trostlosen, fensterlosen Raum sitzen. Ich konnte mich gar nicht erinnern wie lange ich diesmal schon dasass und warten musste. Aber es war mir im Grunde egal. Ich hatte doch Zeit. Nichts lief mir mehr davon.

    Außer meinem leeren Becher befand sich nichts auf dem Tisch. Im Raum befanden sich außerdem nur zwei einfache Stühle und dieser ebenso einfache Tisch. Über dem Tisch baumelte ein winziges Mikrofon von der Decke. Mehrere Kameras an den Wänden montiert, beobachteten mich. Ich befand mich momentan in einem kargen Vernehmungsraum der Kriminalpolizei in Köln.

    Ohne Zweifel hatte ich eine mordsmäßige Angst vor den Verhören. Es war nicht die Angst vor körperlicher Gewalt der Polizisten. Nein, es war meine Angst mich womöglich falsch zu entscheiden. Was sollte ich denn tun? Wer war imstande mir den richtigen Rat zu geben? Wer konnte mir den richtigen Weg zu weisen? Welche Taktik sollte ich wählen?

    Sollte ich reinen Tisch machen und alles gestehen, was man mir vorwirft? Mein Gewissen erleichtern, wie man so schön zu sagen pflegt? Aber war denn mein Gewissen wirklich schlecht und belastetet? Hatte ich in meinem Leben etwas verbotenes, etwas verwerfliches getan? Sollte ich mich aufplustern, präsentieren, protzen und angeben? Ein bisschen prahlen und angeben mit meinen Taten? Die eine oder andere Gemeinheit noch dazu erfinden? Damit ich eines Tages von den anderen Gefangenen respektiert und bewundert werde?

    Oder sollte ich lieber meinen Mund halten und warten ob man mir letztendlich etwas beweisen kann?

    Meine Überlegungen tendierten dann lieber zur letzteren Variante. Das war die juristische Variante. Das Taktieren mit der Wahrheit und den Beweisen. Denn Beweise dürfte es in meinem speziellen Fall, wenn sie denn gefunden werden, nur sehr marginal geben. Sie würden nicht ausreichen mich anzuklagen, so hoffte ich inständig. Mal sehen ob ich meine Kraft ausreichen würde, den Fragen über Fragen standzuhalten, die nun auf mich warteten. Die Gefahr bestand, meine Selbstbeherrschung zu verlieren. Das würde dazu führen, dass ich mich um Kopf und Kragen redete. Die Ermittler würden jedenfalls nicht so schnell locker lassen, da war ich mir sicher. Die waren gut geschult und abgebrüht, diese Leute. Das war mir gleich im ersten Moment aufgefallen. Sie waren gierig und ehrgeizig. Sie glaubten im Vorteil zu sein. Weil, ich konnte mich nicht wehren. Ich durfte nur hier herumsitzen. Doch ich war mein Leben lang ein gründlicher und sorgfältiger Mensch. Ein sturer Pedant, wie man mich bezeichnen würde. Jemand, der von jeher die Ordnung und Aufgeräumtheit liebte. Detailversessen. Jemand der nichts dem Zufall überlassen hatte. All die vielen vergangenen Jahre nicht.

    Klar, ich hatte Fehler gemacht. Viele Menschen machen Fehler. Das liegt in unserer menschlichen Art, Fehler zu machen. Obwohl ich mein ganzes Leben lang penibel und sorgfältig gearbeitet hatte, waren mir hin und wieder Fehler unterlaufen. Sonst sässe ich doch gar nicht erst hier!

    Mich hatte nicht der Zufall erwischt und in diese Situation gebracht. Nein, ich hatte einfach Pech gehabt. Oder ich hatte zu sehr meinen eingespielten Abläufen und Ritualen vertraut. Die Routine hatte mich unvorsichtig werden lassen. Oder es lag schlicht und einfach an meinem fortgeschrittenen Alter? Man verliert mit den Jahren ohne sich selber darüber bewusst zu sein, die Eigenschaft flexibel zu reagieren. Man wird unaufmerksam und verlässt sich darauf, dass schon immer alles gut gegangen war. Verdammt aber auch! So ein Pech! Und das musste mir passieren. Obwohl ich genau genommen gar keine Fehler gemacht hatte. Ich war einfach nur zu blöd gewesen, die Falle die man mir gestellt hatte, rechtzeitig zu erkennen. Hatten mir meine selbstsicheren und eingespielten Abläufe einen Streich gespielt? Oder warum hatte ich meinen sensiblen Antennen, meinem trainierten Gespür nicht vertraut? Ich hatte es doch unterschwellig geahnt, dass etwas anders war als sonst. Ach, was sollte jetzt das Lamentieren... jetzt war es ohnehin zu spät. Nun musste ich sehen, dass man mir nicht noch mehr anhängen kann.

    Mir wurde allmählich langweilig. Mich überkam das übermächtige Bedürfnis aufzustehen und meine Gelenke und die Muskulatur zu lockern. Gerade meine Hüftgelenke schrieen nach ein bisschen Bewegung. Ich konnte einfach nicht mehr sitzen. Der Schmerz zog sich wie eine brennende Fackel nach oben bis in die Schulter. Kaum hatte ich den Stuhl nach hinten gerückt, wurde die Tür aufgesperrt und ein uniformierter Beamter kam herein gestürmt.

    „Hinsetzen!" bellte er mich rüde an.

    „Warum?" entgegnete ich ihm ruhig.

    Der Mann deutete mit strengen Blick und ohne ein weiteres Wort zu sagen auf meinen Stuhl. Ich probierte es noch einmal.

    „Entschuldigen Sie bitte. Mein Füsse sind eingeschlafen. Ich verspüre starke Schmerzen in der Hüfte. Ich gehe nur ein paar mal um den Tisch. Dann setze ich mich wieder. Ist das für Sie in Ordnung?"

    Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab. Ich gab mir nochmals einen Ruck und machte mich daran aufzustehen. Mit einem sehr schnellen Satz war der Polizist bei mir und packte mich an den Armen. Der bullige Mensch nahm keinerlei Rücksicht auf mein fortgeschrittenes Alter. Die kalten Metallschellen schmerzten und zwickten, als er sie mir fest um meine schmalen Gelenke drückte. Der Beamte stellte sich anschließend wieder an die Tür und gab mir ein Zeichen... soll heissen: jetzt durfte ich um den Tisch herumgehen!

    Interessant wirklich! Ich war doch nicht gemeingefährlich! Die Polizei hatte einen seriösen Herrn im Rentenalter und keinen Schwerverbrecher vor sich! Ein Geschäftsmann der unglücklicherweise in eine schlimme Sache geraten war. Unschuldig nach dem Gesetz der der Natur! Noch lange kein zwingender Grund mir Handschellen anzulegen, nur weil ich um den Tisch gehen wollte. Ich hatte gar keinen Grund weg zu laufen oder den Polizisten anzugreifen.

    Zwei Tage später lag ich in einer schmalen Zelle auf dem Bett. Ich hatte einen Entschluss gefasst, auch wenn es sich später als Fehler herausstellen sollte. Ich hatte um Papier und Bleistift gebeten um meine Sicht der Dinge aufzuschreiben. So jedenfalls hatte ich mich geäußert. Natürlich hatte ich nicht vor Klartext zu schreiben. Denn die Beamten würden alles lesen und analysieren was auf den Blättern stand. Deshalb verwendete ich einen speziellen Code. Ich musste sehr diszipliniert vorgehen um in dieser Codesprache zu schreiben. Aber im Verschleiern und Täuschen hatte ich genügend Erfahrungen. Später so mein Plan, könnte ich vielleicht meinen Anwalt einen Schlüssel überreichen, um meine hier aufgeschriebene, harmlose Geschichte wieder zu dechiffrieren. Aber es war noch besser den Schlüssel im Text zu verstecken. Findige Menschen sollten ihn schnell finden und meine Geschichte verstehen. Vielleicht war es auch gar nicht notwendig. Mit etwas Glück und einem verständnisvollen Richter, werde ich ohnehin freigesprochen. Später, wenn genügend Gras über die Sache gewachsen sein wird und ich im Altersheim sitze, könnte ich meine Aufzeichnungen sogar als Buch veröffentlichen.

    Die Vernehmungen waren mehr als lästig und brachten mich aus meiner gewohnten inneren Ruhe. Gerade diese innere Ruhe und Ausgeglichenheit sind ein hohes, nicht zu unterschätzendes Gut. Sie sind der einzige Garant für ein zufriedenes Leben. Dazu gehört eine penibel eingehaltene Regelmäßigkeit im Tagesablauf. Das war seit langem sehr wichtig für mich.

    Die Polizisten jedoch kamen zu den unmöglichsten Zeiten. Immer wieder liessen sie mich stundenlang allein sitzen und nervten mich mit den immer selben Fragen. Sie zeigten mir Fotos, versuchten mich in Widersprüche zu verwickeln oder wurden ganz konkret und direkt. Oft wurden sie auch ziemlich unfreundlich und beschimpften mich. Sie drohten mir und malten wahre Schreckensszenarien an die Wand. Für mich waren das aber Zeichen, dass sie im Nebel stocherten. Die hatten nicht die blasseste Ahnung! Manchmal waren sie aber auch überaus freundlich und boten mir diesen bitteren Kaffee und staubtrockenes Gebäck an. In einigen Tagen sollte ich tatsächlich psychologisch begutachtet werden. Ich war mir nicht sicher ob ich diesen Vorhaben zustimmen sollte. Ich dachte mir, i c h benötige doch keinen Seelendoktor!Psychisch ging es mir ausgezeichnet. Ich war mit mir im Reinen und sehr ausgeglichen. Es gab in meiner Gefühlswelt keine nennenswerten oder auffälligen Störungen. Einzig die Eintönigkeit und Langeweile begann mich allmählich zu stören. Ich war es seit vielen Jahren gewohnt viel zu denken, zu planen und die Vorhaben exakt umzusetzen. Nun war ich zur Untätigkeit verdammt. Das war für mich die eigentlich einschneidende Belastung. So gingen die Tage dahin und ich langweilte mich fürchterlich.

    Gott sei Dank ist der Mensch mit einem großzügigen Denkapparat ausgestattet. Das erlaubte mir in meinen Gedanken und Träumen meine verborgenen Leidenschaften zu erleben, sooft es nur ging. Das war schön und abwechslungsreich. Das konnte mir niemand nehmen. Selbst wenn man mich bis an mein Lebensende eingesperrt sollte. Immer würde ich daran denken können, immer wieder würde ich die erlebten Empfindungen aus meinem Gedächtnis abrufen können und mich daran erfreuen. Niemand von außerhalb würde je daran teilhaben können oder sich eine Vorstellung davon machen. Zum Glück verfügte über einen reichen Schatz an Empfindungen und Erlebnissen.

    Doch, natürlich fürchtete ich mich davor, nur noch von Erinnerungen zehren zu müssen. Das durfte ich nicht zulassen. Nein, ich musste weiter nach vorne schauen und der Zuversicht einen Platz einräumen. Keinesfalls durfte ich vorzeitig aufgeben und Trübsal blasen. Immer wird es Auswege geben.

    Diese Geschichte die ich nun aufschreiben werde, soll alles sein, nur keine tränenreiche Lebensbeichte. Nein, ganz bestimmt nicht! Sie sollte lediglich dazu dienen, elementare Teile meines Lebens zu erzählen und zu verstehen. Oder einen intensiven Teil meines Lebens. Die Geschichte war sozusagen ein Elixier daraus. Der Teil meines Lebens für den sich manche Zeitgenossen so brennend interessierten. Aus der Tagespost wusste ich bereits, welche große Neugier die Medien an meiner Person und ihrer vermeintlich schandhaften Taten hat. Man hatte ohne Genaues zu wissen, wilde Spekulationen angestellt. Ungeheuerlich! Der für unbedarfte Bürger, skurril anmutende Fall, hatte diese Meute von Bluthunden auf den Plan gerufen. Die Medienleute hatten darauf hin angefangen alles Mögliche auszugraben. Sie waren unverschämter und neugieriger als die Polizei. Vor allem machten sie vor keiner Privatsphäre halt. Sie drehten buchstäblich jeden Stein um. Aber auch sie hatten weitgehend Pech gehabt. Soviel Schmutz sie auch zu verbreiten wussten. So viele Schandtaten sie mir auch unterstellten. Niemand würde mir je etwas beweisen können. Niemand!

    Die Geschichte sollte helfen, dass sie verstehen, welchen Grund es gab, dass ich hier festgehalten wurde und ich mich im Gewahrsam der Polizeibehörden befand. Ich möchte noch betonen, dass niemand außer mir selber etwas über mein Leben wissen kann. Denn ich war Zeit meines Lebens ein Einzelgänger. Jemand, der seine Erlebnisse niemals mit anderen geteilt hatte. Nur soviel: Ich war trotz allem was man mir vorwirft, ein guter, ein sehr braver Mensch mit äußerst hohen, moralischen Ansprüchen, die ich im gesellschaftlichen Leben immer beachtet hatte. Gewalt, alle Formen von Ungerechtigkeit, Brutalität, Korruption, Betrug, all die Dinge mit denen so viele Menschen Probleme haben, berührten mich niemals. Unter keinen Umständen würde ich Geschäftspartner übervorteilen oder gar Frauen und Kinder schlagen. Das sollte man schon wissen, bevor man über mich urteilt. In mir hatte stets ein edles Gemüt gewohnt.

    Die abenteuerlichen Geschichten und Spekulationen, die Unbeteiligte über mich in Umlauf brachten und verbreiteten, entsprachen nicht der Wahrheit. Ich hatte eine weisse Weste. Es gab mit Sicherheit keine gesicherten Indizien meiner langjährigen Tätigkeiten. Wenn man meine praktizierte Leidenschaft als strafbar bezeichnen würde, so wäre ich nahe am perfekten Verbrechen.

    Es mag sein, dass die Ermittlungsbehörden sich weit dem Fenster lehnten und mit Erkenntnissen prahlen. Doch ich war immer sehr gründlich und gewissenhaft. Selbst wenn ich eine Tat gestehen würde... ohne stichhaltige Beweise könnte ich mir das doch auch ausgedacht haben. Ich war insoweit sehr

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