Geheilt: Wie du deine Krankheiten selbst umprogrammierst
Von Tamara Haas
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Buchvorschau
Geheilt - Tamara Haas
Teil 1
Wie du deine Krankheiten selbst umprogrammierst
Allein der Titel ist ja schon eine Frechheit. Will sie jetzt echt gerade behaupten, ich sei selber schuld an meinen Schmerzen, weil ich sie selber programmieren kann? Ja, ich bin mal absichtlich so provokant, sonst liest es ja keiner.
Was ist an dieser Stelle gleich einmal die gute Nachricht? Es gibt NICHTS und zwar wirklich gar nichts, was der Körper nicht selbst in den Griff bekommen kann, solange ich die richtigen Dinge tue.
Wie aber ist das jetzt gemeint? Wie soll das funktionieren? Das Gehirn ist die Schaltzentrale (die Steuerung) des Körpers und gleichzeitig die Festplatte (der Speicher). Das heißt, einerseits nimmt das Gehirn alle Informationen und Reize auf, die den ganzen Tag auf dich einwirken, dann bewertet es diese, um zu wissen, ob ein Handlungsbedarf besteht. Wenn es beispielsweise eine Bedrohung wahrnimmt oder etwas, das dir schadet, dann wird das Gehirn versuchen, ein Programm zu starten, das dir hilft. Meistens ist es ein Wundheilungsprozess.
Beispiel: Du schneidest dich. Gehirn bekommt die Meldung: Verletzung der Hautbarriere, Schmerz, Blutverlust ➔ es reagiert mit Wundheilung.
Das leuchtet ja noch ein. Aber jetzt kommt’s: Das tut es auch dann, wenn gar keine physische Verletzung da ist. Das tut es immer dann, wenn ein Reiz auftaucht, der schädlich ist. Stress zum Beispiel.
Ja, ernsthaft! Das macht in deiner Schaltzentrale KEINEN Unterschied!
Die erste Phase der Wundheilung ist Entzündung, also Schmerz, Schwellung, Hitze oder Fieber. Auch diese Erfahrung wird sofort wieder vom Gehirn wahrgenommen, bewertet und abgespeichert. Je nachdem wie du mit Schmerzen umgehst oder generell mit Problemen, wird dein Gehirn unterschiedliche Bewertungen vornehmen. Ab hier wird es dann sehr individuell, weil jeder Mensch andere Geninformationen seiner Eltern erhält und schon im Mutterleib andere Informationen über Alltagsleben und Gefühle mitbekommt.
Der Vorgang selbst ist eigentlich gar nicht kompliziert. Solange dein Körper alles bekommt, was im Gehirn als Sollwert beziehungsweise Bedarf eingestellt ist, ist alles gut und du fühlst dich glücklich und zufrieden.
SOLL = IST
IDEALVORSTELLUNG = REALITÄT
Sobald es aber eine Diskrepanz zwischen dem, was dein Gehirn als nötig beziehungsweise „normal" gespeichert hat, und dem, was in der Realität passiert gibt, entsteht ein Konflikt. Dein Gehirn erkennt diesen Unterschied und dann bewertet es ihn mit Hilfe der bereits abgespeicherten Daten. Stuft das Gehirn diesen Unterschied als bedeutungslos ein, wird nichts weiter passieren. Wenn es diesen Unterschied jedoch als Gefahr oder einen entstandenen Schaden klassifiziert, beginnt sofort ein Notprogramm. Quasi Alarmanlage. Das Gehirn versucht sofort den Körper zu heilen.
Grundsätzlich ist das ja eine sehr gute Sache. Diese Funktion stammt aus dem Tierreich und in vielen Körperfunktionen sind wir genetisch halt immer noch der Höhlenmensch.
Ein ganz einfaches Beispiel dafür ist, dass jedes Lebewesen sehr sparsam mit seiner Energie umgehen muss, weil es ja jede verbrauchte Energie wieder durch Luft, Wasser und Nahrung zuführen muss. Das heißt, jeder Körper stellt sofort alle Funktionen ein, die er nicht ständig und immer wieder braucht. Das ist schlicht und einfach eine Art Energiesparmodus. Muskeln und Gehirnverbindungen sind die beiden Dinge im Körper, die am meisten Energie benötigen. Daher werden sie sofort abgebaut, wenn sie nicht ständig gebraucht werden.
Wir Menschen, zumindest die, die in der Zivilisation leben, müssen aber weder Tiere jagen noch Wasser oder essbare Pflanzen suchen, um zu überleben. Wir haben all diese Dinge im Überfluss. Das weiß nur unsere DNA leider nicht. Ich habe genau die Gehirnleistung, Schnelligkeit, Kraft und Beweglichkeit, die ich täglich verwende und somit auch verlange. Reduziere ich zum Beispiel meine tägliche Lauf- oder Gehstrecke, wird diese Funktion sofort angepasst und reduziert. Dein Gehirn kann nicht sagen: „Ist schon okay, wir haben einen Kühlschrank der immer voll ist und eine Wasserleitung, aus der 24 Stunden am Tag Trinkwasser kommt. Ich halte darum jede Funktion, die ich jemals erlernt habe, am Laufen". So funktioniert das nicht. Wenn du dich ohne Hilfe eine hohe Mauer hinaufziehen oder 10 km und mehr laufen willst, musst du das vorher trainieren. Wenn du das dann kannst, aber wieder aufhörst, diese Möglichkeiten ständig zu nutzen, werden sie wieder abgebaut.
Das ist weder gut noch schlecht. Das ist einfach so. Wenn du deinen Körper über deinen aktuellen Leistungszustand hinaus belastest, dann entstehen kleine Verletzungen. Die Folge, die wir dann spüren, kennen wir als Muskelkater. Dein Gehirn erkennt einerseits die Verletzungen in den Muskelfasern und gleichzeitig die Notwendigkeit, dass diese stärker sein müssen. Also startet das Gehirn das dafür notwendige Notfallprogramm: Wundheilung. Du spürst Schmerzen, Steifigkeit und harte Stellen im Muskel. Die Verletzung wird repariert und sogar noch besser gebaut als vorher. Das nennen wir dann Muskelaufbau. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass für Muskelaufbau immer eine Verletzung der Muskelfaser notwendig ist.
Hast du das mit Training absichtlich hervorgerufen, wird dein Gehirn kein großes Drama daraus machen. Es hat ja auch gleichzeitig die Information bekommen, dass dies Absicht war und du bei einem harten Training ja auch ein gewisses Maß an Muskelkater erwartet hast.
Anders sieht es da schon mit Schmerzen und Symptomen aus, die du nicht erwartet hast oder bei denen du dir nicht erklären kannst, woher sie stammen. Vor allem, wenn diese Schmerzen oder Symptome dann deine Tagesabläufe verhindern oder durcheinanderbringen, die dir in unserer zivilisierten Gesellschaft vorgeschrieben werden.
Nehmen wir an, 2 Menschen haben plötzlich starke Rückenschmerzen. Peter muss als Alleinverdiener seine Familie ernähren und ist darauf angewiesen, dass sein Körper einwandfrei funktioniert. Michael hat keinerlei Stress, weil er finanziell gut abgesichert ist und stets jede Unterstützung von seinem Umfeld bekommt, die er braucht.
Für Peter sind die Rückenschmerzen eine völlig andere Bedrohung als für Michael. Dementsprechend wird das Gehirn von Peter die Schmerzen völlig anders beurteilen und andere Programme ablaufen lassen als das von Michael.
Paul und der Bandscheibenvorfall
Paul kommt mit starken Rückenschmerzen zu mir in die Praxis. Er kann sich kaum bewegen, die Schmerzen strahlen in die Beine aus und es wurden ihm mehrfache Bandscheibenvorfälle diagnostiziert. Er ist ziemlich verzweifelt, weil es sein Leben sehr stark beeinträchtigt und seinen Beruf gefährdet. Es wäre sehr kurzsichtig gedacht, hier nur auf das Gewebe zu schauen. Besonders bei Patienten, die schon lange Schmerzen oder immer wiederkehrende Probleme haben, ist es nicht genug, sich nur auf das Offensichtliche zu fokussieren. Paul hat brav die Faszientechniken angewandt, die ich ihm geraten habe, und auch seinen Stoffwechsel nach meiner Anleitung verbessert. Aber der entscheidende Faktor, dass er die Schmerzen langfristig in den Griff bekommen hat und sie auch nicht wieder aufgetreten sind, war die mentale Komponente. Er hat herausgefunden, dass der Stressauslöser für seinen Rückenschmerz seine Schwiegermutter ist, die er mit seiner Familie daheim pflegen muss. Noch dazu ist sie nicht gerade die angenehmste Zeitgenossin. So eine Situation ist für das Gehirn verständlicherweise ein riesiges Dilemma. Stell dir einmal Pauls Alltag vor. Er arbeitet den ganzen Tag hart und möchte dann nach Hause kommen, um sich dort zu erholen, aber genau dort lauert auch schon der größte Stressfaktor. Das ist natürlich für das Gehirnareal, das ihn beschützen soll, der helle Wahnsinn. Es gibt praktisch keinen Ort auf der Welt, an dem Paul sich in Ruhe zurückziehen und erholen kann. Konfliktpotential Nummer zwei für das Gehirn von Paul ist die Tatsache, dass er erst Frieden finden wird, wenn die Schwiegermutter eines Tages verstorben ist. Das ist ein unlösbares Problem. Zumindest erweckt es im ersten Moment den Anschein. Dicht gefolgt von einem moralischen Dilemma, das Paul hat. Denn oberflächlich betrachtet wäre der einzige Weg, keinen Stress mehr zu haben, sich zu wünschen, dass die Schwiegermutter bald stirbt. So etwas kann und darf man sich aber nicht wünschen. Kein Wunder, dass sein Gehirn tagtäglich Alarm schlägt. Also was hat Paul nun gemacht, um das Problem zu lösen? Schritt 1 war, herauszufinden, welches Thema den Stress auslöst. Schritt 2 war, den Stressauslöser einem bestimmten Schmerz zuzuordnen. Das hat Paul schon mal geschafft. Er weiß nun, dass die Schwiegermutter, die die ganze Familie belastet, ihn ganz besonders quält und seine Rückenschmerzen immer wieder aufs Neue auslöst. Nun wirst du dich fragen, was man in so einer ausweglosen Situation tun kann. Paul hat etwas Geniales gemacht, darum will ich dir das auf gar keinen Fall vorenthalten. Allein schon die Tatsache, dass ihn die Schwiegermutter mehrmals täglich am Telefon belästigt hat und er nicht in Ruhe arbeiten konnte, hat schon jede Menge Stresshormone ausgeschüttet. Er hatte bereits ein ungutes Gefühl, wenn er nur am Handy ihren Namen aufblinken sah. Also hat er folgerichtig entschieden, dass es nötig ist, sich selbst darauf hinzuweisen, dass die Schwiegermutter in Verbindung mit seinen Schmerzen steht. Daher hat er einfach ihren Namen in seinem Handy durch „Kreuzweh ersetzt. Weißt du schon, was jetzt passiert ist? Jedes Mal, wenn die Schwiegermutter erneut angerufen hat, erschien auf dem Display nun „Kreuzweh ruft an
. Nun musste er jedes Mal lachen, wenn sie angerufen hat. Somit hat er es geschafft, die Alarmreaktion des Stammhirns auszuschalten. Du kannst nämlich nicht gleichzeitig etwas lustig finden und dich davor fürchten. Also hat er die Ausschüttung der Stresshormone unterbunden, indem er „Spaßhormone ausgeschüttet hat. Er hat diese Lösung dann später noch adaptiert und verbessert, indem die Schwiegermutter einen eigenen personalisierten Klingelton bekommen hat, zur Erheiterung der gesamten Umgebung. Was aber noch passierte, war, dass er in diesem Moment die Macht bekommen hatte, zu entscheiden, ob er den Anruf annahm oder nicht. Er hat die Macht bekommen, zu entscheiden, dass er für „Kreuzweh
jetzt gerade keine Zeit hat. „Kreuzweh" ruft er dann zurück, wenn er die Zeit und die Nerven dafür hat. So hat Paul sein Leben komplett verändern können, ohne etwas an der eigentlichen Situation ändern zu müssen. Du siehst also: Selbst in einer solch ausweglosen Situation kannst du dein Leben trotzdem komplett zum Positiven verändern. Aus dieser Situation heraus lernst du dann künftige Probleme ganz anders zu betrachten. Wenn du nur ein paar Mal die Erfahrung gemacht hast, dass du Probleme lösen kannst, die zu Beginn unveränderbar erschienen, gibt es irgendwann einmal nichts mehr, mit dem du nicht selbst fertig wirst. Du lernst, wie man nicht länger Opfer seiner Schmerzen ist, sondern die Macht über die Situation gewinnt.
Das Gehirn
Keine Sorge, jetzt wird es nicht hoch kompliziert. Ich werde alles so einfach und logisch wie möglich erklären. Es sieht zwar toll aus, wenn man als Fachkraft mit Fachausdrücken um sich wirft, aber ich sehe das wie Albert Einstein und bin der Meinung, dass man, wenn man es nicht einfach erklären kann, es selbst noch nicht ausreichend verstanden hat.
Ungefähr 300 Millionen Jahre alt ist unser Reptiliengehirn. Der sogenannte Hirnstamm. Er liegt zwischen dem Rückenmark und dem restlichen Gehirn. Er steuert die wesentlichen Abläufe im Körper, die zum Überleben notwendig sind wie Herz, Kreislauf, Atmung und Verdauung. Niemand von uns muss Gott sei Dank bewusst darüber nachdenken, ob sein Herz schlägt oder ob er atmet. Das Reptiliengehirn, also der Hirnstamm, lässt sich auch nichts direkt befehlen. Ich kann es nur indirekt über mein Verhalten und die damit verbundene Hormonausschüttung steuern. Wenn ich beispielsweise Sport treibe oder mich über etwas aufrege, wird mein Puls höher. Ich kann mir aber während des Sports keine bestimmte Herzfrequenz wünschen oder befehlen. Der Hirnstamm war in der Vergangenheit zum Überleben zwingend notwendig. Er kennt in lebensbedrohlichen Situationen nur drei Lösungsstrategien, nämlich kämpfen, flüchten oder totstellen. Am einfachsten stellen wir uns den Hirnstamm als einen großen starken Beschützer, als Security oder Türsteher vor. Nennen wir ihn Harry. Kannst du dir Harry gut vorstellen? Hervorragend! Harry entscheidet in Situationen, die er für lebensbedrohlich hält, ob die Hormone, die ausgeschüttet werden, dich zum Kämpfer machen, du zum Ausdauersportler auf der Flucht wirst oder ob Totstellen gerade die beste Lösung ist und du wie ein Reh im Scheinwerferlicht erstarrst. Kennst du das, wenn du bei einer Prüfung plötzlich einen Blackout hast, obwohl du alles gelernt hast und den Stoff beherrscht? Das war Harry. Die Angst in der Prüfungssituation war so groß, das Harry entschieden hat, mit dem Prüfer zu kämpfen mache keinen Sinn. Vor dem Prüfer wegrennen macht auch keinen Sinn. Also bleibt nur die dritte Option die er kennt: Er lässt dich erstarren und du stehst mit weit aufgerissenen Augen panisch