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ARANKA: Gnadenlos - Kriminalroman
ARANKA: Gnadenlos - Kriminalroman
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eBook243 Seiten3 Stunden

ARANKA: Gnadenlos - Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Veronika, die Tochter eines Bahnkochs, lernt im Wiener Prater den Waldarbeiter Edwin Selvas kennen. Sie bekommen zwei Kinder. Nach der Trennung von ihrem Mann kommt dieser auf mysteriöse Weise ums Leben. War es ein Unfall oder war es Mord?
Die Menschen im beliebten Ort Tulln, in der Nähe von Wien, fangen an unruhig zu werden. Edwin Selvas Tod hat eine Lawine losgetreten.
Major Jochen Bender und seine Ermittler Alex Konradi und Kevin Laval stoßen auf offene Fälle, die dreißig Jahre zurückliegen, jedoch nie aufgeklärt wurden.
Längst Vergessenes gerät wieder an die Oberfläche. Mord und Totschlag, Intrigen, Hass und Liebe. Die damals als vermisst gemel-dete Aranka stellt die Ermittler vor schwierige Aufgaben.
Eine Kriminalgeschichte, der es an Spannung nicht fehlt.
In ihrem zweiten Werk hat Brigitte Bork eine ergreifende und authentische Geschichte geschrieben, die den Leser fesseln wird.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. März 2021
ISBN9783347269750
ARANKA: Gnadenlos - Kriminalroman

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    Buchvorschau

    ARANKA - Brigitte Bork

    Der kalte Wind blies ihnen um die Ohren. Sie hielten sich an den Händen und rannten so schnell sie konnten, um sich in Sicherheit zu bringen. Im weichen Waldboden gruben sie sich eine Schlafstelle. Mit bloßen Händen kratzten sie die Erde aus dem Boden und häuften Laub darüber. Sie arbeiteten schweigend und emsig Seite an Seite. Als ob sie es so geplant hätten. Ab und zu sahen sie sich verstohlen von der Seite an. Von einem Holzstapel zerrten sie die große Plastikplane herunter und legten sich in ihre Höhle. Die Plane wickelten sie um sich herum. Eng aneinandergekuschelt lagen sie da und blickten in die dunklen Baumkronen.

    Der Tag, an dem sie wegliefen, war der schrecklichste in ihrem kurzen Leben. Ohne ein Ziel, und ohne darüber nachzudenken, was passieren könnte, hatte Saskia den Entschluss für sich und ihren Bruder gefasst. Henry war vier Jahre alt, Saskia zwei Jahre älter. Sie hatten die ewigen Streitereien ihrer Eltern satt und deshalb ständig Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Der Junge hatte viel zu früh erfahren, wie grausam Erwachsene miteinander umgehen. Saskia stellte die Ohren auf Durchzug, aber die Angst war immer da.

    Ihre Mutter war verschwunden, kurz nachdem der Vater sie beinahe erwürgt hatte.

    Es war nicht das erste Mal gewesen. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten, die ins Uferlose gingen. Oft flüchtete die Mutter zu ihrer Freundin. Das half aber nichts, denn sie musste immer wieder nachhause zu ihren Kindern. Dann war der Tag gekommen, an dem sie es einfach nicht mehr aushielt.

    Sie nahm sich ein Apartment in Wien.

    Ein Leben ganz ohne ihren Anhang zog sie eher in Betracht als die vielleicht tödlichen Auseinandersetzungen mit Edwin. Die Möbel hatten schon gelitten.

    Tote Gegenstände zu malträtieren war gang und gäbe und da kam es schon mal vor, dass eine Kommode oder ein Stuhl zu Bruch ging. Nur seine Kinder hütete er, am liebsten hatte er den Jungen, was seine Tochter natürlich nicht übersah und so auch keinerlei Zuspruch von ihrem Vater erwartete.

    Sie war so nebenbei groß geworden. Ihre Mutter liebte sie natürlich, aber eine so zarte Bande, wie sie es sich gewünscht hätte, gab es nicht.

    Die Waldarbeiter im Dorf fragten sich, wo Edwin blieb. Um gemeinsam ihre Arbeit zu verrichten, trafen sie sich im Ort an der Kirche und von da gings ab in den Wald. Heute hatten sie einen besonders großen Auftrag zu bewältigen.

    Eine ziemlich dicke Tanne stand vor dem Wildgehege und dem Futterplatz; ein heftiger Sturm und sie würde den Gatterzaun komplett einreißen.

    Jeder Mann wurde heute gebraucht. Sie fuhren zu Edwins Haus, das mitten im Wald lag. Alles war still, nur die Hühner im Stall gackerten. Alfred, ein Kerl, dem man die schwere Arbeit ansah, hatte seinen großen Bulldozer direkt vor die Eingangstür gefahren.

    Er war der Revierförster, der vor langer Zeit Nachfolger seines Vaters geworden war.

    Dieser war bei der Arbeit gestorben, als sich eine Kette der Säge um seinen Oberschenkel gewickelt hatte.

    Nur gut, dass Alfred nach dem zweiten Anlauf sein Studium als Förster bestanden hatte.

    Sein Kollege Reinhard wäre zu gerne im Revier der Boss gewesen, denn er hatte sein Studium mit Bravour bestanden. Irgendwie beneidete er Alfred mit seinem schönen Jägerhut mit dem Wedel und dem Beutebruch auf der rechten Hutseite, der für Hochachtung des Trägers sorgte.

    »Wenn er jetzt nicht reagiert, dann ist er nicht zuhause«, schrie Alfred.

    Der Krach, den das Monster machte, ließ Tote erwecken. Reinhard, das Narbengesicht, wunderte sich gar nicht, und Eberhard, der auf dem Trittbrett stand, rief abschätzend: »Der ist wieder mal abgestürzt.«

    Alfred verachtete seinen Kollegen Reinhard, weil dieser sich immer nach der Frau seines Freundes umdrehte und anzügliche Bemerkungen machte.

    »Wir gehen«, sagte Alfred, dessen Vokabular recht begrenzt war. Die drei Männer hatten hier keinen Erfolg. Sie setzten sich auf ihr Gefährt und fuhren ohne Edwin in den Wald.

    Der Harvester, den Eberhard bediente, konnte heute nichts ausrichten.

    Aber Edwin mit seiner schweren Kettensäge und seiner langjährigen Baumfällerfahrung hätten sie heute gebraucht.

    Alfred war ein echter Freund, denn er gab Edwin die Arbeit im Wald.

    Obwohl der zu viel trank. Er hatte ihm versprechen müssen dies nie bei der Arbeit zu tun. Und daran hielt sich Edwin. Immer erst nach der Arbeit gönnte er sich sein Bier.

    Die Arbeit war schwer und Edwin wusste genau, was er zu leisten hatte.

    Verlassen konnte Alfred sich auch immer auf ihn.

    Die Holzfällerei übernahm er aus privaten Gründen von seinem Onkel Josef Gerber, dem Bruder seines Vaters. Lange Zeit trauerte Josef um seinen Bruder.

    Er nahm sich Alfred an. Wie ein Vater sorgte er seit dieser Zeit für seinen Neffen.

    »Pass auf dich auf Bub!«, hat er seitdem immer gesagt, wenn er in den Wald ging.

    Alfred war mit Gudrun verheiratet. Sie kannten sich schon von Kindesbeinen an.

    Gudrun konnte keine Kinder bekommen und deshalb freute er sich für Edwin, als dieser die schöne Veronika heiratete und mit ihr zwei Kinder bekam. Er war oft bei Edwin und seiner Frau, um mit den Kindern herumzualbern. Und natürlich scherzte er oft mit der Frau seines Freundes.

    Gudrun gefiel das nicht, doch was sollte sie machen? Wenn ihr Mann nachhause kam, hatte er immer viel zu erzählen und war gut gelaunt. Das gefiel ihr natürlich auch.

    Wie klug sie seien und wie schnell sie wachsen. Jedes Mal, wenn Alfred außer Haus war, bekam das immer irgendwie Eberhard mit, und wenn Alfred dann nachhause kam, saß dieser an seinem Tisch. »Warum kommst du nicht, wenn ich da bin?« Eberhard setzte nur das Glas an den Mund und schielte nach oben, als wenn er sagen wollte: »Warum wohl?«.

    »Der Eberhard hat halt niemanden, Alfred.«

    Diese Aussage wiederholte sich im Laufe der Zeit drei- bis viermal und Gudrun wurde es nie langweilig. »Eberhard, Eberhard, such’ dir mal ’ne Frau, dann musst du nicht immer hier bei uns rumhängen.«

    Alfreds rotblondes Haar mit dem passenden Bart passte zu Gudrun, die ebenfalls rote Haare hatte, und zu seinem Beruf. Mit dem etwas zerzausten roten Bart gab er dieser Zunft seine persönliche Note. Gudrun war auch so ein Naturkind, von Chic verstand sie nicht viel und Lippenstift war für sie Karneval. Alfred nahm sie, wie sie war, einfach, aber liebenswert, und die Gewohnheit schweißte sie über die Jahre zusammen.

    Alfred freute sich, dass sein Freund eine richtige Familie hatte. Manchmal nahm er Gudrun mit, wenn Edwin darauf bestand, damit Veronika hier im Wald Anschluss bekam.

    Seine Leiche wurde erst zwei Tage später gefunden.

    Major Jochen Bender war als Erster am Unfallort. Er informierte die Spurensicherung und der Gerichtsmediziner hatte sich auch auf den Weg gemacht. Mit lautem Husten kam Dr. Graulich am Unfallort an.

    »Ich dürfte gar nicht hier sein. Wenn mich diese Grippe hier nicht umbringt, bin ich resistent gegen alle äußeren Einflüsse«, warf er Bender entgegen, der nur mit den Schultern zuckte. »War das ein Unfall oder was können Sie sagen?«

    Bender fragte sich in dem Moment, wo seine Ermittler bleiben. Das Wetter zog keinen an so einen Ort. Es war kalt und es regnete.

    In diesem Moment fuhr Alex auf den Hof. Kurze Zeit später sah man Kevin, wie er durchnässt mit dem Motorrad ankam.

    »Hast du deinen AB nicht abgehört?«, keifte er Alex an. »Gehts noch?«, entgegnete dieser. »Als die Mitteilung kam, dass hier vielleicht ein Mord passiert ist, da hab’ ich auf keinen AB geachtet. Ich war mit Bob Gassi, hab ihn meiner Mutter in die Hand gedrückt und bin los. Was wolltest du denn?«

    »Maja hat heute Morgen den Wagen genommen und ich musste mit dem Motorrad fahren«, berichtete Kevin, »ich bin klatschnass. Wäre gut gewesen, wenn du mich abgeholt hättest. Was ist hier passiert?«

    »Besoffen, was weiß ich. Bender sieht einen Mord«, sagte Alex. »Glaubt er das? Das muss Graulich rauskriegen«, rief Kevin und legte seinen Motorradhelm auf die Sitzbank.

    Alex Konradi, erster Ermittler, der mit einem dicken Trenchcoat gekleidet war, hielt direkt vor dem Haus. Er war 32 Jahre alt und hatte eine stattliche Figur.

    Mit seinen 190 cm überschaute er die Lage. Seine braunen Haare, die sonst perfekt geschnitten waren, trug er etwas länger. Wäre er beim Bund, hätte er ein Haarnetz tragen müssen.

    Ein schöner Mann mit grünen Augen, der es sich trotzdem noch zuhause bei seiner Mutter gemütlich machte.

    Er nahm im leichten Schritt die drei Marmorstufen und registrierte den Toten am gefliesten Vorplatzboden, ausgestreckt und beide Arme oberhalb vom Kopf liegend.

    Er sah Bender an:

    »Das sieht doch jeder Blinde, dass der hier stockbesoffen die steile Treppe runtergesegelt ist.« »Jetzt sei mal nicht so voreilig!«, entgegnete Bender.

    »Und lass den Graulich in Ruhe, der ist heute nicht gut drauf, ich bin froh, dass er überhaupt gekommen ist.«

    »Was hat er denn?«

    »Die Grippe.«

    »Sieh dir die klobigen Schuhe an, die er nicht mal geschnürt hat. Das war ein Unfall.«

    Major Bender sagte nichts mehr, denn wozu braucht man auch einen Gerichtsmediziner?

    »Hustend und in seinen Mantel vermummt meinte Dr. Graulich, »den muss ich erst auf dem Tisch haben. Die Obduktion wird Gewissheit bringen.

    Ich sehe hier erst mal keinen Mord, warten wir’s ab. Tot ist er schon zwei Tage, circa 48 Stunden, sag ich mal, am 14.03. zwischen 6 und 10 Uhr circa, die Leichenstarre hat sich schon gelöst.« »Geht das auch etwas genauer?« Kevin sah den Mann an und erwartete natürlich eine Antwort. »Ich muss den untersuchen Kevin, ich sag Bescheid, wenn es so weit ist. Okay?« »Na dann warten wir halt. Danke Dr. Graulich.«

    Die Bestatter brachten den Toten in die Gerichtsmedizin. Nachdem die Spurensicherung ihre Arbeiten abgeschlossen hatte, sahen sich die Ermittler weiter im Haus um.

    Ein wüstes Durcheinander bot das gesamte Untergeschoss. In der ersten Etage sah es nicht anders aus, dort lagen zwei nicht fertig gepackte Koffer auf dem Ehebett, herumliegende Kleidung von Kindern gaben einen ersten Eindruck. Alles sah nach einem fluchtartigen Verlassen aus.

    Die Wiener Mordkommission, Major Jochen Bender und seine Ermittler Chefinspektor Alex Konradi und Chefinspektor Kevin Laval, hatten jetzt die Aufgabe nach den Angehörigen des Toten zu suchen. Es gab eine Ehefrau und Kinder.

    Das hatten sie von den neugierigen Nachbarn mitbekommen. Auch die herumliegenden Sachen deuteten darauf hin, dass Kinder existierten.

    Sie schlussfolgerten, dass die Frau mit den Kindern auf und davon war. Der Mann daraufhin grenzenlos in seinem Leid versank. Der Alkohol tat dann den Rest.

    »Das war gar nicht so einfach, um das gleich zu erkennen«, gab er ohne einen Gruß abzugeben den Ermittlern bekannt. Dr. Graulich hatte mittlerweile die Obduktion abgeschlossen und die Männer ins Gerichtsmedizinische Institut gebeten.

    Beiläufig begrüßte er sie mit einem flüchtigen Hallo. »Ihr habt gedacht, das war ein Unfall?«

    »Das haben wir, in der Tat«, antwortete Alex. »Servus Dr. Graulich«, begrüßten die Männer den Mann, der sichtlich krank war und doch alles tat, um zum Abschluss zu kommen.

    »Was haben sie rausgefunden?«, fragte Kevin. »Die Kniekehlen, meine Herren, da sind ein paar kräftige Schläge gelandet, sodass der Mann die Treppe runtersegeln musste.

    Er hat sich dann bei diesem Sturz das Genick gebrochen. Das war Mord.«

    »Nicht zu fassen«, reagierte Alex.

    »Wie ich bereits gesagt habe, traf der Tod zwischen 6 und 10 Uhr ein.

    Der hatte außerdem noch Restalkohol im Blut.« »Geht das etwas genauer?«, wollte Alex noch wissen. »Vielleicht zwischen 6 und 9, aber noch genauer wäre Spekulation.«

    »Abwehrspuren waren auch keine da?« »Das hätte ich Ihnen schon gesagt, wenn es so gewesen wäre.« »Na dann erst mal vielen Dank Dr. Graulich und gute Besserung.«

    »Danke, auf Wiedersehen!« Die beiden Ermittler verabschiedeten sich und stoben die langen Gänge Richtung Ausgang.

    Mit der Flucht aus ihrem gemeinsamen Zuhause hatte sie sich ein sorgenfreies Leben erhofft. In Tihany am Nordufer des Balaton zog sie bei Sándor ein.

    Das ganze Haus war mit Weinreben überzogen und die Stallung mit Hühnern und zwei Schafen besetzt. Keine große Landwirtschaft, dachte Veronika, Gott sei Dank. Den Dreck, den ihr Mann immer nachhause gebracht hatte, konnte sie jedenfalls nicht mehr ertragen. Sie hatte sich in den Ungarn Sándor Caspari verliebt.

    Beim Auspacken des Koffers quetschte sie sich den Finger, als der Deckel vorschnell zuklappte. Der Schmerz rief sofort Gedanken an ihre Kinder wach. Sie hatte sie zurückgelassen. Sie hatte es tun müssen. Sie wusste nicht, wie sie sonst hätte fliehen können. Es tat weh, an die beiden Kleinen zu denken. Veronika wusste, Edwin hatte sie nie angerührt. Seine Kinder liebte er auf eine besondere Weise. Dem Jungen schenkte er immer mehr Aufmerksamkeit. »Der soll mal ein richtiger Kerl werden«, hatte er immer gesagt. Der Finger blutete, sie suchte im Bad nach einem Pflaster. Alle Schubladen zog sie aus der wackeligen Kommode.

    Kein Verbandsmaterial. Schnell riss sie etwas Klopapier ab und wickelte es um ihren Finger.

    Veronika war die Tochter eines Bahnkochs, der in ganz Deutschland, Österreich und darüber hinaus tätig war. Sie bekam ihn fast nie zu Gesicht. Ihre Mutter starb früh an Krebs, da war sie gerade mal achtzehn Jahre alt und auf sich gestellt.

    Damals lernte sie Edwin im Wiener Prater kennen.

    Der junge Mann sah kernig aus und hatte ein Auto. Er stellte sie seiner Mutter vor, denn es war für Edwin von äußerster Wichtigkeit, dass sie die Frau zuerst kennenlernen sollte, bevor er weitere Kontakte mit ihr pflegte. Er bekam ihr Einverständnis und Edwin verfolgte diese Liebschaft. Sie zog bei ihm ein.

    Mit seiner Mutter lebte er über Jahre zusammen in dem Haus mitten im Wald von Tulln.

    Sie war halb Österreicherin, halb Ungarin. Edwin vermisste eigentlich nichts.

    Jedenfalls nicht bewusst. Seine Waldarbeiterfreunde schleppten ihn jedes Mal mit, wenn es irgendwo was zu feiern gab. Sie schleppten ihn dann auch wieder nachhause, im wahrsten Sinne des Wortes, denn Edwin trank immer und überall zu viel.

    Er war eigentlich ein schöner Mann. Mit den Bizeps eines Boxers machte er auch eine gute Figur. Wenn er den Mund hielt, wirkte er sogar intelligent. Und so war es auch, als er diesmal im Wiener Prater mit seinen Kumpels unterwegs war.

    Still schaute er eine Frau an, die ein Lächeln hatte, dass er seine Freunde vergaß. Fünf Schritte waren es, die er von ihr entfernt stand. Er nahm all seinen Mut zusammen und ging drei Schritte auf sie zu. Beinahe gleichzeitig sagten sie sich Hallo, als ob sie bereits wüssten, dass sie zusammengehörten. Zu dieser Frau hatte er einen ganz besonderen Draht.

    Sie schien wie er, in ihrer ganzen Art, und sie redete wie er.

    Circa 180 groß war Edwin, ein wenig zu dick. Doch das machte der Frau nichts aus, sie sah einen Mann, der ihr gut gefiel.

    Das Essen schmeckte ihm, wenn seine Mutter kochte. Mit dem Rauchen hatte er aufgehört.

    Dieser ständig stinkende Geruch machte sie krank. Ganz von selbst, von einem auf den anderen Tag, rührte er keine Zigarette mehr an. Das Waldhaus hatte er dann mit seinen Kumpels neu angestrichen, auch innen, damit der Geruch verblasste.

    Die daneben liegende Stallung hatten sie mit neuen Brettern versehen, es zog immer so, wenn das Wetter stürmisch wurde. Die Stallung nutzte er für sein Feuerholz und ein paar Hühner.

    Das Waldhaus war sehr gemütlich eingerichtet und es roch immer nach Kuchen.

    Sie erinnerte sich an diese Frau, als wäre es gestern gewesen. Warmherzig, fürsorglich und jederzeit für ihren Sohn da. Auch sie wurde herzlich in die Familie aufgenommen. So manchen Nachmittag saßen sie zusammen und unterhielten sich, oft über Edwins Kindheit und über ihren verstorbenen Mann. Er war Ungar und sie sei sehr verliebt in ihn gewesen.

    Als sie nach drei Jahren starb, war Veronika im sechsten Monat schwanger.

    Für ihren Ehemann war das ein Desaster. Zuerst einmal, dass sie die Geburt seines Kindes nicht mehr erleben durfte. Dazu kam noch die behütete Seite ihrer Fürsorge und das gute Essen, das er vermisste.

    Seine Mutter, die alles im Lot gehalten hatte, war nicht mehr da und seine junge Frau hatte keine Ahnung von Hauswirtschaft, geschweige denn vom Kochen.

    So kam es, dass er nach der Waldarbeit immer öfter im Wirtshaus verschwand. Seine Kollegen waren mit von der Partie. Vom Wirtshaus schleppte er sie mit ihren verdreckten Schnittschutzhosen zu seiner schwangeren Frau nachhause, um Karten zu spielen.

    Für Veronika war das jedes Mal eine Zumutung, sie zog sich dann immer in ihr Schlafzimmer zurück.

    Die Zeit verging wie im Flug. Veronika brachte ein Mädchen zur Welt und ihr Mann war Feuer und Flamme. Er riss sich am Riemen und sorgte von da an für seine kleine Familie.

    Er war wie ausgewechselt. Trank viel weniger und auch sonst half er, wo er konnte.

    Zeigte seiner Frau, wie man ein Gulasch zubereitete, und sonst noch einiges, was sie nie gelernt hatte. Gewundert hatte er sich schon, dass sie so gar nichts richtig auf die Reihe bekam.

    »Bahnkoch ist dein Vater? Was hast du von ihm gelernt?«, waren seine Worte, die sie heute noch hörte. Das Blatt wendete sich jedoch wieder, als er immer öfter bis zum Rand abgefüllt nachhause kam.

    Mit all seiner Kraft nahm er seine Frau, wie er wollte, sie hatte keine Chance und nach zwei Jahren war sie wieder schwanger. Edwin wurde immer extremer. Mal war er total fürsorglich, dann wieder unberechenbar. Veronika konnte das nicht mehr ertragen.

    Der kleine Junge glich seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.

    Als er drei Jahre alt war, nahm Edwin ihn mit in den Wald, sein Kind sollte sehen, wie schwer er für sein Geld arbeiten musste. Zu seiner Tochter fand er keinen Draht, sie war ihm nicht so nah wie sein Sohn.

    Das war zu viel für Veronika, immer öfter dachte sie darüber nach, mit den Kindern zu verschwinden. Das Geld war knapp und wenn sie einkaufen gehen wollte, z.B. Schuhe für die Kleinen, gab es Krach ohne Ende. Kaufsüchtig wäre sie, die Gummistiefel würden es doch wohl noch tun.

    Nach den ewigen Sorgen ums Geld beschloss sie dann doch nochmal einzulenken, indem sie in der Kneipe zu kellnern begann, in der ihr Mann täglich versank.

    Doch das war auch nicht das Richtige, sie wusste gar nicht, dass Edwin eifersüchtig sein konnte. Auf dem gemeinsamen Nachhauseweg schrie er einmal seine Frau an:

    »Ich will jetzt wissen, was auf dem Zettel gestanden hat, den der Typ dir

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