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RUHRPOTTLÜMMEL: Zwischen Zeche und Beatclub
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eBook317 Seiten4 Stunden

RUHRPOTTLÜMMEL: Zwischen Zeche und Beatclub

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Über dieses E-Book

In biografischen Episoden werden die Erlebnisse und Begegnungen eines Malocherbengels aus dem nördlichen Ruhrgebiet erzählt. Fiktionale Ereignisse und Orte und Personen werden hier mit tatsächlichen Erlebnissen auf humorige Art und Weise verbunden.
Ein gewisser Sarkasmus und etwas Ironie ist unüberhörbar und trägt zu einem flüssigen und spannenden Ablauf bei.
Die Trennung zwischen Fiktionalem und tatsächlich Erlebtem überlässt der Autor in seiner flüssigen und angenehmen Schreibe dem Leser.
Dieses Buch deckt einen Zeitraum von Mitte der 1950er Jahre bis Anfang der 1970er Jahre ab.
"Bengelspiele" und "Schicksen ärgern" gehörten in dieser Zeit, insbesondere in den 60er Jahren bis zur Pubertät des Autors, zum Alltag - nicht nur im Ruhrgebiet.
Spannende Momente, Kleinkindzeiten und Rowdytum während der Schulzeit, geprägt durch Umgang und Erziehung sind Hauptbestandteile dieses autobiografischen Romans.
Teils im sogenannten "Ruhrpottdeutsch" erzählt, in dem gern die Begriffe "mir" und "mich" und "dir" und "dich" verwechselt wurden, verspricht der Autor dem Leser unverwechselbare Eindrücke und spannende Erlebnisse.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. Aug. 2016
ISBN9783734541926
RUHRPOTTLÜMMEL: Zwischen Zeche und Beatclub

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    Buchvorschau

    RUHRPOTTLÜMMEL - Ralf Thain

    Schiefhals, Zwei Zimmer, Küche, Bad

    Tja, da war es nun passiert: 03.03.1953, 00.21 Uhr, Belinghausen, Kreiskrankenhaus. Plumps. Ich war da. Ich bin Horst. Das wusste ich aber damals noch nicht.

    Hallo! Haaaallooooo!!!

    Wieso in der Kreisstadt und nicht zuhause in Varl-Holt? Einfache Antwort: Weil Mama etwas penibel war und das Krankenhaus bei uns zu dieser Zeit nur aus Nachkriegsbaracken bestand. Das war nichts für meine Mama. Und eine Hausgeburt schon gar nicht! „Dat ist ja ‘ne Sauerei", wie mein Opa zu sagen pflegte…...!

    Und: Wieso Horst? Auch ganz einfach. Mama diskutierte mit Papa über Vornamen und kam zu der Erkenntnis, dass ein Name wie Horst nicht „verhunzt werden kann, wie zum Beispiel Rolf als „Rolfi oder „Rolli, Bernhard als „Bernie und so weiter. Sie ahnte nicht, dass ich später unter anderem trotzdem „Hotte" gerufen werden sollte! Die Leute hielten sich eben nicht an die Vorgaben und Wünsche und Vorstellungen von Mama. Und wenn die meine Mama kennen würden, könnten sie das vermutlich besser verstehen. Und so hieß ich dann eben Horst und mit zweitem Vornamen Rüdiger. Oh je.

    Da ich etwas untergewichtig zur Welt kam, dauerte mein Aufenthalt im Kreiskrankenhaus etwas länger als geplant. War aber nicht schlimm. Viel merkte ich sowieso nicht – beziehungsweise, ich kann mich an vieles gar nicht erinnern. Das liegt aber wohl in der Natur der Sache. Doch - etwas war da noch. Die Tatsache, dass mir irgendwer irgendwann später an meiner rechten Halsseite herumfummelte. Nachher, so mit fünf oder sechs Jahren, ist mir dann bekannt geworden, dass es sich um eine kleine Operation gehandelt hat, um einen sogenannten „Schiefhals" zu beseitigen und um eventuelle damit in Zusammenhang stehende Probleme zu verhindern.

    Nicht alle Ärzte oder Hebammen können diese Fehlstellung aber bei Neugeborenen sofort erkennen. Eltern, die das ebenfalls nicht wahrnahmen und nicht entsprechend eingriffen - siehe kleine Operation - hatten später das Problem, dass ihre Kinder unter Umständen mit einem schief gehaltenen Kopf herumliefen. Sah lustig aus, war aber wohl nicht so toll für die Betroffenen. Glaube ich wenigstens.

    Ansonsten muss ich technisch gesehen einigermaßen in Ordnung gewesen sein, denke ich. Und wisst ihr was? Ich hatte ab sofort auch eine eigene Hausärztin. Kinderärztin nennt sich das. Oder auch Kinderarzt in der männlichen Form. Ich hatte aber eine Ärztin! Frau Dr. Gogel. Zum Glück wohnte die auch in unserem Stadtteil und so hatten wir keine langen Wege zu ihr. Da Mama mich nicht stillen konnte, war sie mit mir sehr häufig bei Frau Dr. Gogel und damit Stammgast. Oder, anders ausgedrückt, Stammpatient.

    Mama holte sich die besten Tipps und Ratschläge für die richtige Ernährung und so fort. War ihr wichtig. Mir sollte es wirklich an nichts fehlen. Und Mama war – eben penibel. Mit allem. Auch mit mir

    Irgendwann ging es dann ab nach Hause. Varl war eine Kleinstadt und neben der Kreisstadt Belinghausen die zweitgrößte von insgesamt elf zum Landkreis gehörenden Städte. Damals waren wir, so glaube ich, ungefähr 50.000 Einwohner. Und unsere Stadt Varl bestand aus 9 Stadtteilen. Alles geographisch noch etwas zerrissen. Hauptsächliche Einkommen wurden aus der ansässigen Chemie- und Kohleindustrie generiert.

    Bei den „richtigen Bergleuten wurde das Chemiewerk auch etwas herablassend „Gummizeche genannt.

    Die chemischen Fabriken in Holt boomten genauso wie die beiden Zechen in unserer Stadt. Ich oute mich hiermit als Sohn eines Bergarbeiters, Bergmanns oder Kumpels; auch Püttrologe genannt.

    Im Ruhrgebiet ging’ s immer gut zur Sache. Verbal und von der Lebensart her. Hatte alles einen gewissen Charme, mit dem ich aufgewachsen bin und den ich heute nicht missen möchte. Der Ruhrpott hat mich geprägt und geformt.

    Unsere Wohnung befand sich in einer typischen Bergarbeitersiedlung in einem Haus mit drei Eingängen und jeweils vier Parteien. Mittlerer Eingang. Erdgeschoss links. Berndtstraße 4. In diesem Haus waren wir die einzige Familie mit einem Kind. Über uns wohnte Frau Heijke, eine alte Oma schon, wahrscheinlich Witwe. Immer sehr leise, ja fast unauffällig.

    Dann oben noch Frau Schriller und neben uns Frau Martenberg. Alleinstehend. Keine Ahnung wieso. Vielleicht wegen der Augen. Sie hatte so komisch stechende Schlitzaugen. War für Männer vielleicht nicht so sexy. Eventuell war sie auch irgendwann einmal verheiratet. Keine Ahnung. War aber auch uninteressant, weil Mama sie sowieso nicht besonders mochte. Mama sagte, sie habe „böse" Augen.

    Haustür auf, drei Treppen hoch, dann geradeaus, Flurtür auf und schon stand man in unserer kleinen aber feinen Mietwohnung, besser gesagt, im Flur. Ich sage lieber „im Flürchen", denn groß war dieser Zugang zum Wohnzimmer nicht.

    Links 'rum geradeaus: Wohnzimmer. Geradeaus vom Hausflur aus: Toilette. Alles ziemlich Mini. Analog klein dazu die beiden „Hauptzimmer": Wohnzimmer und Schlafzimmer. Die Küche, in der man eigentlich nur stehen konnte, war durch einen Vorhang vom Wohnzimmer getrennt.

    Das Bad bestand nur aus einer Toilette mit dem damals üblichen, oben knapp unter der Decke hängenden Spülkasten mit Zugspülung: Man zog an einer Kette, die herabhing und löste damit die Wasserspülung aus. Ein kleines Waschbecken und eine Badewanne, die allerdings für Erwachsene zu kurz war; das war das Bad. Befeuert wurde der Wasserboiler, der das warme Wasser für die Badewanne liefern sollte, wie ebenfalls zu dieser Zeit üblich, mit Kohle. Alternativ auch mit Briketts oder Koks.

    Wollte man also Baden, musste man erst einmal eine Stunde vorher den Boiler anheizen. All das fiel mir aber damals gar nicht so auf. Der Lebensmittelpunkt war für mich sowieso entweder das Wohnzimmer oder später, und das mit Vorliebe, draußen.

    Das Leben in der Wohnung spielte sich also auf ungefähr maximal fünfundvierzig Quadratmetern ab. Beengt, aber lustig. Vor allem wenn ich als Baby auch hin und wieder aufs Töpfchen musste. Direkt nach dem Töpfchen wurden alle Fenster aufgerissen. Ihr wisst warum, oder?

    Im Winter waren diese kleinen Buden, obwohl mit nur einem Kohleofen beheizt, generell überhitzt. Das war aber reine Gewöhnungssache, wie so vieles andere auch.

    Heizung gab es nicht. Aber, wie oben schon angedeutet, einen mit Kohle beheizbaren Ofen, der im Wohnzimmer stand und einen sogenannten Herd, auf dem auch gekocht wurde, in der Küche. Fließend warmes Wasser gab es schon einmal gar nicht. Wenn mein Badetag anstand, meist samstags, wurden ein Kessel und mehrere Töpfe mit Wasser gefüllt, auf dem Küchenherd zum Kochen gebracht und anschließend wurde das heiße Wasser dann in eine stählerne Badewanne, wir nannten das Ding „Pullefass", gefüllt. Diese Wanne war oval mit einem Durchmesser von ungefähr einem Meter an der breitesten Stelle. Damit ich mir nicht den Hintern und mehr verbrannte, wurde mit kaltem Wasser ausgeglichen.

    Aus Platzgründen war die Wanne im Keller untergebracht, wenn sie nicht gebraucht wurde. Jede Wohnpartei hatte nämlich einen eigenen, abschließbaren Kellerraum. Welch ein Luxus. War aber wichtig. Zum Beispiel zum Abstellen der wertvollen Fahrräder, die das am meisten genutzte Fortbewegungsmittel waren. Einige wenige Mopeds gab es schon und die Automobilindustrie befand sich in diesem Jahrzehnt nach dem Krieg noch in der Aufbauphase. Wenige Jahre später sah das dann schon etwas anders aus.

    Glaubt mir, ich habe mir später viele Gedanken gemacht und auch Fragen gestellt, die ich nie richtig beantwortet bekommen habe, warum diese Blechwanne „Pullefass" genannt wurde. Nicht nur von mir oder uns; von anderen Eltern und Kindern ebenso.

    Lag es daran, dass die Kinder, wenn sie in das warme Wasser gelegt wurden, sofort „pullern mussten, also da hinein pinkelten? Aber dann müsste es doch eigentlich „Pullerfass heißen. Oder wurde das „r" bei der Aussprache des Wortes verschluckt?

    Aber es hieß eben „Pullefass". War es vielleicht abgeleitet von dem Pullermann, also dem kleinen Pillermann, den ja (fast) alle Jungs hatten? Aber dann würde das Pullefass bei den Eltern die Mädchen hatten, vermutlich anders genannt werden. Oder vielleicht doch nicht?

    Der Einfachheit halber wurde dieser Begriff dann später, und zwar noch für einige Jahre auf eine „richtige Badewanne übertragen, beziehungsweise wurde er der Einfachheit halber übernommen. „Pullefass ist fertig, rief der Papa dann und ich wusste Bescheid, was kommt.

    Also: Kurz und gut, ich weiß nicht, warum es Pullefass hieß und es gab auch später nie eine befriedigende Erklärung.

    Gut war auf jeden Fall, dass Papa Bergmann war und so kostenlos an Brennstoffe kam, dem sogenannten Deputat, das allen Bergarbeitern zustand. Dieses Deputat konnte, wie bei uns, Kohle sein, oder aber auch aus anderen Brennstoffen wie Koks oder Briketts bestehen.

    Zum Anmachen von Feuer mit oben genannten Brennbzw. Heizmitteln benötigte man Holz. Auch hier bekamen die Bergleute schon einmal ein „Klötzchen": Fertig gespaltenes Holz, mit Draht zu einem runden Klotz gebunden.

    Und es gab kostenlos Seife. Kernseife mit Namen „Bergmannsglück". Diese Seife war besser als alle anderen Seifen, die es damals zu kaufen gab. Für den Bergmann nur das Beste.

    Grundbegriffe

    Für alle, die nicht zurechtkommen mit den Begriffen, hier noch einmal ein kurzer Überblick:

    Blagen wurden alle Kinder genannt bis ungefähr im Alter von vierzehn Jahren. Gleich, ob Männlein oder Weiblein. Die Mädchen nannte man Schicksen, die Jungen Bengel. Alternativ zu Blagen konnte auch der Ausdruck Kröten fallen und alternativ zu Schicksen auch Scheesen oder Ischen (was immer das auch heißen mag).

    Bei Jungen gab es so einige Alternativen. Eventuell noch Zwerg. Das war dann auf die Körpergröße bezogen. Oder auch Rotzlöffel, Rotzbengel und Lümmel oder Hosenscheißer. Letzterer Ausdruck wurde aber nicht von den Eltern oder so benutzt, sondern eher von den großen bis fast schon erwachsenen Bengeln.

    Rotzlöffel und/oder Rotzbengel bezog sich auf die öfter laufenden Nasen bei uns. Das austretende Sekret wurde der Einfachheit halber mit den Ärmeln abgeputzt. Taschentücher waren Mangelware und störten in der Hosentasche. Nur die Kinder von gut betuchten Familien führten Taschentücher mit sich. Einige von diesen Dingern waren sogar aus Seide.

    Und weil die Taschentücher immer nach Gebrauch gewaschen werden mussten, verzichteten wir Blagen aus einfachen Verhältnissen größtenteils allein schon deswegen darauf. Wir brauchten die Taschen für andere Dinge: Steine, Krampen, Nägel, Taschenmesser und so' n Zeugs. Da passte kein Taschentuch mehr rein.

    Im Sommer in kurzärmeligen Hemden bildete sich dann meist auf dem Unterarmrücken von dem Nasensekret ein Schmierfilm. Analog dazu im Winter auf den Ärmeln der Pullover auch. Nur - dort trocknete er schneller. Der Begriff „Knirps", abgeleitet von einem Taschenschirm, wurde ab sozialer Mittelschicht für den Ausdruck Bengel benutzt. Mittelschicht hieß damals bei uns: Püttrologen im Anzug. Also die Angestellten auf Zeche, die irgendwo im Büro arbeiteten in der Verwaltung einer Zeche.

    Die hatten nicht nur größere Wohnungen, sondern auch schönere und die Häuser und Wohnungen waren nicht unbedingt in eine reine Bergmannssiedlung direkt integriert. Die lagen dann mehr so am Rande. Die waren also sozusagen „etwas Besseres". Meinten die jedenfalls.

    Der Bergwerksdirektor von der Zeche auf der mein Papa arbeitete, wohnte in einer sogenannten „Dienstvilla". Das Ding steht heute noch. Gelegen mitten in einem parkähnlichen Grundstück mit vielen Bäumen drumherum und einer großen Wiese hinter der Villa.

    „Lümmel war auch ein gern benutzter Ausdruck für „böse Jungs. Und woher dieser Ausdruck kommt? Ratet mal.

    Bei uns im Ruhrgebiet waren dann sprachlich noch „dat für das und „wat für was gebräuchlich. Betten hießen „Pofe, schlafen „pofen, die wechselnden zeitlichen Arbeitseinsätze der Bergleute nannte man „Schichten". Das war aber für andere Arbeitnehmer, zum Beispiel in der Chemieindustrie, ebenso gebräuchlich.

    Und „mir und „mich sowie „dir und „dich wurden auch gern verwechselt. „Gibse mich 'ne Kippe, gib ich dich auch Feuer" heißt das dann.

    Wir Kinder mussten zu allen Bekannten und Erwachsenen immer entweder Onkel oder Tante sagen, unabhängig davon, ob es tatsächlich Verwandte waren oder nicht. Zu alten Erwachsenen eben Oma oder Opa. Weitere Eigenschaften des Ruhrpottdeutsch erkläre ich euch, wenn wir zu den entsprechenden Stellen hier kommen. Damit ihr es auch versteht.

    Berndtstraße - Die Nachbarn, die Blagen

    In den Mietshäusern war und ist es auch heute noch üblich, dass die Wohnparteien abwechselnd den Flur putzen mussten bzw. müssen.

    „Flurwoche nannte beziehungsweise nennt sich das. Und man teilte sich auch die „Kellerwochen. Das heißt, es gab einen Waschkeller mit einem Kochkessel, der mit (wieder) Kohle beheizt wurde, und eine Holzwaschmaschine. In dem Kochkessel wurde die Wäsche gekocht; in der Waschmaschine wurde die Wäsche gewaschen. Dieses Ungetüm von Waschmaschine bestand aus einem Holzbottich auf Eisenfüßen, dreibeinig, und unterhalb des schweren Deckels war ein Mechanismus angebracht, der mit Wasserdruck drei große, im gleichen Abstand stehende, na, ich nenne sie einmal Holzprengel, antrieb. Diese Prengel waren auf einer Scheibe montiert und besaßen Löcher, damit das Wasser durchlaufen konnte. Diese Waschmaschinen wurden dann mit Wasserdruck in Bewegung gebracht.

    Tolle Erfindung, das. Die Dinger bewegten sich dann bei geschlossenem Deckel eine halbe Runde nach links und dann eine halbe Runde nach rechts. Rumms…..rumms – und das dann mit begleitetem Geplätscher vom Wasser in diesem Bottich.

    Diese Prengel rührten sozusagen die Wäsche durch und man konnte sie dann nach mehreren Stunden sauber wieder entnehmen und mangeln oder auf die Bleiche (Wiese) bringen. Sollte mal kein Wasser das sein, hatten die Dinger auf dem Deckel eine Handkurbel. Mit der konnten die Hausfrauen in Notfällen die Prengel auch mechanisch bewegen. Linksherum, Rechtsherum. War mühsam.

    Wenn aber Wasser zur Verfügung stand: Rumms, rumms, und das dann stundenlang. Da mussten natürlich Zeiten eingehalten werden. Von wegen Ruhezeiten und so. Aber einige Bewohner, vor allem die Nachbarn mit vielen Kindern - denen waren die Zeiten so ziemlich egal. Da liefen dann die Dinger gern schon mal sonntags oder abends. Rumms, rumms…! Viele Kinder, viel Wäsche. Niemand beschwerte sich.

    Das Waschen allein war schon eine Heidenarbeit. Stellt euch einmal vor, ihr müsstet heute noch so waschen. Da könnt ihr einen ganzen Tag, je nach Wäschemenge, gleich vergessen. Denn die Wäsche musste ja noch gemangelt oder gebügelt werden. Ist nichts mehr mit „zwei Verdiener, meine Frau hat auch einen Vollzeitjob, doppeltes Einkommen" und so weiter. Könntet ihr euch direkt im Vorfeld schon abschminken.

    Die Überlegung alleine wäre schon keinen Zeitaufwand wert. Putzen, Waschen, Kochen, Bügeln, Mangeln, Einkaufen, ein Schwätzchen halten, sich um die Beete im Gartenstück und um die Blagen kümmern.....da haste vierundzwanzig Stunden mir nichts-dir nichts 'rum. Inklusive ein paar Stunden Schlaf natürlich. Die Bleiche, das war das Rasenstück zwischen dem breiten Hofweg hinter unseren Häusern, der aus schwarzer Asche bestand, und den zu den Wohnungen gehörenden Gartenparzellen. Ja, ihr lest richtig: Jede Wohneinheit hatte eine eigene Gartenparzelle hinter den Häusern. „Unser Garten" hieß das im Volksmund.

    Der Vermieter, in diesem Fall die Zechenbetreiber als Eigentümer, hatten auf den Bleichen eine Rohrkonstruktion erstellt, die aus mehreren „Brücken" mit Haken unterhalb der Querstangen in ziemlich gleichen Abständen bestanden.

    Diese „Brücken" standen auch in gleichem Abstand zueinander. So konnte man zwischen diesen Brücken eine Wäscheleine spannen, um dort die Wäsche aufzuhängen. Oder über die Querstangen auch einen Teppich oder eine Brücke, die zu dieser Zeit noch in Mode waren, werfen.

    Die Wäscheleinen bestanden aus einem Gewebe namens „Sisal". Ziemlich rau, aber stabil. Bald gab es aber auch Leinen aus Kunststoff.

    Aber zurück zum Wäsche aufhängen.

    War klasse. Wenn Wäsche hing, konnten wir Blagen die gut zum Versteck spielen nutzen. Am liebsten waren uns die Bettlaken und Teppiche. Unterwäsche und Hemden und Hosen nicht so. Schön groß und ausreichend Platz boten eben die größeren Wäschestücke und die Teppiche, um sich dazwischen zu verstecken. Manchmal fehlte auch plötzlich ein Wäschestück….. Oder eine Brücke....

    Apropos: Verlust von Wäschestücken. Das passierte auch im Herbst oder Winter, wenn die Wäsche zum Trocknen auf dem Dachboden oder im Keller aufgehängt wurde. Entweder wollten die Blagen jemanden ärgern, oder bei einigen fehlte eben irgendwie ein Kleidungsstück und man hatte kein Geld oder keine Lust, um es neu zu kaufen. Ich betone: K a n n so gewesen sein, m u s s aber nicht! „Größe ungefähr passend? Dann nimm ich ma' mit."

    Teppiche und Brücken und Läufer wurden damals übrigens noch geklopft. Staubte ohne Ende und du mittendrin. Musste dir mal vorstellen. Da kriegte der Bergmann nicht die Staublunge von unter Tage malochen, sondern vom Teppich klopfen.

    „Staublunge; das war übrigens damals eine weitverbreitete Lungenkrankheit bei den Bergleuten, die unter Tage arbeiteten. Der feine Kohlenstaub legte sich zwangsweise in der Lunge ab und verursachte Spätschäden. War nicht so toll, wenn einer so was hatte. Husteten immer ohne Ende und spuckten dann aus. Igitt, sage ich euch. Mein Papa hatte so was, Gott sei Dank!, nicht bekommen. Ich war eines der wenigen Einzelkinder. Einige Familien hatten zwei, vier oder gar sechs Kinder. Es gab also genug Spielund Spaßkameraden. Passte aber auch wohnraummäßig alles ganz gut, denn die Eckwohnungen der Häuser waren meist größer als unsere „Mittelwohnung. Die hatten dann dreieinhalb oder viereinhalb Zimmer und teils konnte man, auch bei uns, den Dachboden noch mitnutzen. Viele Kinder und somit große Familien brauchen viele Zimmer und damit eine größere Wohnung.

    Diesem Bedürfnis wurde mit den Eckwohnungen Rechnung getragen.

    Die Wennings im ersten Eingang unseres Blocks hatten fünf Blagen, das sechste war unterwegs. Diese Blagen waren auch schon vor meiner Schulzeit meine besten Kumpels: Der Friedhelm, genannt Freddy, war so um die zwei Jahre jünger als ich; der Bernd, genannt Bernie, war ein Jahr jünger als ich; der Gert, genannt Giddel, war ungefähr drei Jahre älter als ich und der Älteste, Klaus, genannt Klausi, war sogar sechs oder sieben Jahre älter als ich. Ach, waren nur vier, ne? Ja, die Jüngste war 'ne Tochter. Interessierte zu dieser Zeit noch nicht.

    Die Krampes wohnten im letzten Eingang und hatten zwei Kinder: Die Sonja und den Fred. Die Beiden waren so etwa zwei Jahre auseinander vom Alter her.

    Im nächsten Block waren dann noch mehr Blagen, die ich hier gar nicht mehr aufzählen will. Wenn wir am passenden Punkt sind, werde ich sie euch noch vorstellen.

    In unserer Straße gab es insgesamt nur vier Häuser. Unseres mit drei Eingängen zu je vier Parteien, dann eine Lücke, dann ein langes Haus mit sechs Eingängen zu je vier Parteien und an der Kopfseite der Straße ein querstehendes Haus mit einem Eingang und vier Parteien. Unserem Haus gegenüber lag noch ein Haus mit einem Eingang und vier Parteien.

    Wir wohnten aber nicht in einer Sackgasse, wie man jetzt annehmen könnte, sondern nach dem uns gegenüberliegenden Haus, der Berndtstraße 1, gabelte sich nach links eine neue Straße, die Marthastraße. In der Mitte der Gabelung befand sich ein Löschteich, so dass die Marthastraße in diesem kurzen Bereich zweigeteilt war. Links ein Haus, rechts ein Haus und jeweils ein Haus an den Kopfseiten. Diese beiden querstehenden und die beiden längs stehenden Häuser „rahmten sozusagen die Weiterführung der Marthastraße ein, die sich dann zu einer „normalen, zweispurigen Straße verjüngte bis zur nächsten quer verlaufenden Straße, der Weberstrasse.

    Das mit dem Löschteich war irgendwie so ein Vorkriegsding oder so. Mangels ausreichender Versorgung mit Wasser über Hydranten, hatte man für Brandfälle in solchen Siedlungen derartige Löschteiche angelegt, die mit Wasser gefüllt waren, um ohne große Not Löschwasser zu bekommen. Unser Löschteich war schon lange außer Betrieb und führte kein Wasser mehr. Da war die Stadt schon auf dem neuesten Stand. Die Bürgersteige waren zwar noch mit schwarzer Asche und Sand belegt, die Kanalisation aber schon für fließendes Wasser erstellt und Hydranten für die Feuerwehr gab es auch.

    Dafür lagen aber in dem ehemaligen Löschteich ganz viele zerbrochene Flaschen und Gläser auf dem Boden. Und Müll. Die Wände dieses Teiches liefen ungefähr vier Meter trichterförmig nach unten, bevor sie die Bodenplatte erreichten. Also eine Wannenform mit planem Boden, sozusagen.

    Dieser Löschteich war der Grund, warum bei uns immer etwas los war. Mehrmals die Woche kam ein Krankenwagen, der irgendwelche verletzten Blagen abholen musste, weil die in die Scherben gefallen waren oder mit den Scherben gespielt hatten. Die spielten „Fangen und „Verstecken und landeten dann in ihrem Übereifer oft auf der Nase, mit den Händen in den Scherben. Großes Geschrei. Tatü-Tata.

    Hinter allen Häusern waren dann die Kellereingänge zum Hof hin. War praktisch. Wegen Wäsche auf die Bleichen bringen oder Werkzeug und sonstiges in die Gartenparzellen. Zum Beispiel Bier und Schnaps. Einige hatten sich in diese Gartenparzellen nämlich kleine Gartenhäuser, sogenannte Lauben, hineingebastelt. Da wurde dann auch schon mal gefeiert. Mit Musik aus dem Radio. „Let's Twist again" oder Mario Lanza klang es dann aus den Gärten. Je nach Musikgeschmack.

    Die Bergleute sollten sich in ihrer Freizeit nämlich entspannen. Und was war da besser als Gartenarbeit, verbunden mit gemütlichem Zusammensein?

    Oma und Opa - Hühner und Obstbäume

    Entschuldigt bitte, dass ich so weit ausgeholt habe. Aber wisst ihr: Das musste ich machen, damit ihr die Zusammenhänge auch für den späteren Verlauf meiner Geschichte besser versteht.

    Diese „Kleingärten" hinter unseren Häusern grenzten dann wiederum an die Gärten der Häuser gegenüber, die an der parallel verlaufenden Hauptstraße lagen. Und da Opa eine von diesen dort stehenden Doppelhaushälften Anfang der dreißiger Jahre gekauft hatte, konnten wir von unserem Küchen- oder Wohnzimmerfenster aus immer direkt schräg hinüber zu Opa gucken, in seinen Garten und seinen Hof und auf die Rückseite seines Hauses.

    Die Zeche sagte damals zu den Kumpels, die zur Miete wohnten: „Wir bauen eine Reihe Doppelhaushälften in der Hauptstraße. Einseitig. Gegenüber der Kokerei und den Kühltürmen. Wer will eine kaufen?" Opa kaufte. Man zog ihm die Raten von seinem Lohn solange ab, bis die Hütte bezahlt war. Die Belege hierfür habe ich noch heute in meinem Besitz.

    Dieser Opa, von dem ich jetzt erzähle, war Mamas Vater, der dort mit seiner zweiten

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