Der letzte Tag: Teil 3 oder Dunkle Machenschaften
Von H. T. Lang
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Buchvorschau
Der letzte Tag - H. T. Lang
Ronald Kämp
An diesem Montag treffen meine Frau Madlen, meine drei Kinder und ich die letzten Reisevorbereitungen. Überraschend hatte ich den Reisegutschein für mich und meine Familie bekommen.
Eine Woche vorher stand ich vor meiner Klasse. Einer meiner Schüler hatte „Hohlfelder ist dof" geschrieben. Ich hatte ein zweites o eingefügt und dabei gesagt:
„So ist es richtig." Ich hatte nicht auf den Inhalt geachtet, sondern nur die Rechtschreibung gemeint.
Noch am selben Tag erfolgte dann die Lautsprecherdurchsage. Es war nur zwei Schulstunden später.
„Das Mitglied des Lehrkörpers, Ronald Kämp, bitte zur Direktion."
Mein Chef saß hinter seinem Schreibtisch. Er blickte sehr ernst und wirkte erzürnt. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Dabei hatten wir immer ein gutes Verhältnis gehabt.
Links und rechts von ihm standen zwei Herren in schwarzen Anzügen.
„Diese Herrschaften sind von der Regierung. Sie haben heute in einer Ihrer Unterrichtsstunden einem Schüler gegenüber erwähnt, … nun … Sie sind ein Gegner des Präsidenten. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ihre Äußerung war eindeutig.
Ich fragte ihn, ob sich dies auf das falsch geschriebene Wort, ich benutzte es nicht in Gegenwart dieser ernst blickenden Herren, bezog. Der Chef nickte nur.
„Ich muss Sie bis auf Weiteres beurlauben, Herr Kämp. Aber die Sache wird bald geklärt sein."
Zwei Tage später war die Untersuchung abgeschlossen. Meine Aussage wurde für richtig befunden, die Vorwürfe galten als hinfällig. Man verzieh mir. Als Bonus erhielt ich einen Reisegutschein. Vier Autostunden von hier gibt es ein großangelegtes Gebiet am Meer. Wählen können wir leider nicht, denn unseren nächsten Urlaub hatten wir im Sommer machen wollen. Aber es ist eine gute Sache, kostenloser Urlaub ist bestimmt schön.
Somit beladen wir frohen Herzens unser Auto und fahren los. Die Fahrt ist wie immer eintönig. Das Märchen vom toten Wolf kenne ich nach zwei Stunden auswendig.
‚Ich kann es rückwärts aufsagen‘, denke ich. Aber die beiden Jüngeren wollen nur dieses hören, meine Große liest ein Buch, anstatt die Landschaft anzusehen. Dabei soll sie im Urlaub auch etwas von der Gegend kennenlernen.
Wann sind wir endlich da?
, fragt Roman ständig. Die Frage wird immer quengeliger und kommt in immer kürzeren Abständen.
Bald
, sagt meine Frau.
Staus, kilometerlang. Wir stehen mehr als wir fahren.
‚Urlaub mit den Kindern‘, denke ich. Wir fahren weg, endlich mal wieder. Aber momentan könnte ich sie erwürgen. Sofort verdränge ich diese Gedanken wieder, sonst verderbe ich allen die gute Laune. Und schließlich muss sie ja jemand aufmuntern.
Wann sind wir endlich da?
ruft Roman wieder.
Gleich
, erwidere ich genervt.
Nochmal den toten Wolf
, verlangt er.
Resigniert starte ich die Wiedergabe.
‚Es begab sich, als das Wünschen noch geholfen hat‘, denke ich.
Und es begab sich zu einer Zeit als das Wünschen noch geholfen hat.
Ok, perfekt bin ich also noch nicht.
Sorry, Paps, ich muss aufs Klo
, sagt Marina. Sie ist eigentlich still.
Aber dann dauert es ja noch länger
, mault Roman.
Ich muss sowieso tanken
, sage ich, nutze eine Lücke und biege auf einen Rastplatz mit Zapfsäulen ein.
Nachdem alles zufriedenstellend verlaufen ist, fahren wir weiter.
‚Das Wünschen noch geholfen hat‘, denke ich. ‚Flügel wachsen lassen, was?‘
Gegen Mittag treffen wir ein. Doch zunächst müssen wir an einem Tor anhalten. Das Areal ist eingezäunt und ummauert.
„Ist das hier ein Gefängnis?", frage ich den Sicherheitsmann, der uns das Tor öffnet.
„Nein, wir schützen nur unsere Gäste. Man weiß nie", antwortet er. Dennoch bleibt ein unangenehmes Gefühl.
Wir fahren auf das Gelände, die Kinder wirken verunsichert. Viele Parkplätze gibt es.
Ich parke und wir steigen aus, denn ich muss uns anmelden. Bei der Einfahrt wurde nur ganz kurz unsere Identität geprüft, mehr nicht.
Ein älterer Herr versucht, den Parkplatz zu überqueren. Ein weiterer Wagen schießt heran. Reflexartig reiße ich den Mann zurück. Dicht schießt der Wagen vorbei.
„Vielen Dank, Herr …"
„Kämp", stelle ich mich vor.
„Vielen Dank, Herr Kämp." Ich lasse den Mann los. Meine Kinder versuchen, mir etwas zu zeigen. Sie deuten auf das Meer, doch ich sehe nichts. Als ich mich umwende, ist der Mann verschwunden.
Wir melden uns an der Rezeption an.
Nachdem wir ausgepackt haben, wollen meine Familie und ich zum Strand. Auf dem Weg zum Wasser sehen wir in den Liegestühlen viele Menschen mit Wunden. Viele haben eine breite Narbe an der Stirn. Einige haben zusätzlich Narben am Handgelenk. Ich versuche, es auszublenden. Vielleicht hat es ja einen Unfall gegeben, aber das will ich lieber nicht wissen.
„Was haben die, Papa?" fragt mein Roman. Gut, dass Jakob noch nicht sprechen kann. Sonst würde er auch ständig fragen.
„So was fragt man nicht, Roman."
Ein älterer Mann nickt mir zu.
„Ihr Junge ist klug, murmelt er. „Passen Sie gut auf ihn auf und sorgen Sie dafür, dass er nicht zu viel fragt.
Ich denke, er meint das Meer und findet Romans Verhalten unhöflich.
Wie meinen Sie das?
, frage ich.
Das werden Sie schon noch merken
, murmelt er. Passen Sie einfach gut auf.
Ich versichere ihm, dass wir das tun werden.
An der Strandbar bestellen wir Getränke. Ich bin normalerweise kein großer Trinker, aber heute genehmige ich mir ein Bier. Es schmeckt seltsam, aber ich denke, dass das vielleicht mit einer örtlichen Brauerei zusammenhängt. Und wirklich gut fand ich es noch nie.
„Entschuldigen Sie, werde ich plötzlich angesprochen. „Ihre Kinder sind unten am Strand. Vielleicht sollten Sie nach ihnen sehen.
Ich mag es nicht, wenn man sich in unsere Erziehung einmischt. Meine Frau sagt, sie würde nach den beiden sehen. Ich bleibe mit Jakob zurück. Wie schön der Kleine schläft. Das sieht so niedlich aus, da könnte ich tatsächlich zur Glucke werden …
Es vergehen fünf Minuten, zehn Minuten. Weder meine Frau noch meine Kinder sind zurück. Ich mache mir Sorgen. Plötzlich wird mir übel.
Ich befinde mich nicht mehr am Strand, sondern in einem bequemen Bett, alleine. Jemand rüttelt mich.
„Wachen Sie auf, Herr Kämp."
Ein Arzt steht neben mir.
„Was ist passiert?"
„Die Sonne, sagt er. „Vermutlich in Kombination mit dem genossenen Alkohol.
„Meine Frau, meine Kinder", sage ich.
„Schlafen Sie ein wenig, Herr Kämp."
Tatsächlich schlafe ich ein, sehr rasch.
Ich spüre, wie man mich einen weißen, langen Flur entlangträgt. Es ist dunkel, ein unangenehmer Traum.
„Hoffentlich wacht er nicht auf", sagt eine barsche Stimme. Ist es wirklich ein Traum?
„Nein, bestimmt nicht."
Ich werde in einen großen Raum gebracht. Dort schnallt man mich auf einen Operationstisch.
„Sind Sie wach, Herr Kämp?", fragt eine Stimme von der Tür her. Ich weiß es doch selbst nicht. Wach oder im Schlaf. Realität oder Traum. Ich weiß es nicht. Die Grenzen der Wirklichkeit sind verschwommen, wach oder Traum – es gibt keinen Unterschied.
Der Arzt, der mich bereits behandelt hat, tritt neben den Tisch.
„Was haben Sie vor?", frage ich. Operationssäle versetzen mich in Panik. Bislang habe ich damit nur schlechte Erfahrungen gemacht.
„Wir werden einen kleinen Versuch unternehmen. Halten Sie still."
Mein rechter Arm wird festgehalten, und man jagt mir eine Nadel in die Armbeuge. Es ist sehr schmerzhaft. Ein Profi hätte das sanfter gemacht. Mein Kopf ist ebenfalls fixiert. Ich kann mich nicht bewegen.
„So dann wollen wir beginnen", sagt der Operierende. Ich glaube, er ist noch kein fertig ausgebildeter Arzt.
Er zieht eine kleine Säge von einem Instrumententisch und setzt das Blatt an. Kalt und scharf spüre ich es an meiner Stirn. Dann beginnen die Schmerzen.
Aber nicht lange. Irgendetwas, das sich wie Holzsplitter anfühlt, wird in die entstandene Wunde eingelegt. Dann wird meine Stirn verpflastert.
Die Schmerzen sind höllisch.
Man schnallt mich los. Grob werde ich auf die Beine gezerrt. Zwei Männer packen jeweils einen Arm und zerren mich aus dem Raum.
Auf dem Flur sehe ich ein Krankenhausbett. In ihm ein Kind. Ein kleiner Junge. Er scheint bei Bewusstsein zu sein. Sein Schädel ist geöffnet. „Weiter", bellt einer meiner Begleiter.
Ich werde in mein Zimmer verbracht. Das Zimmer, das ich mit meiner Familie bezogen habe. Die Tür fällt hinter den Männern ins Schloss.
Ich renne zur Tür. Sie lässt sich nicht öffnen. Ich bin eingeschlossen. Ich frage mich, ob ich jeden Moment aus diesem Albtraum aufwachen werde, aber offensichtlich ist das kein Traum.
Als ich die Klinke das nächste Mal berühre, trifft mich ein Stromschlag. Wie ein schwerer Sack falle ich zu Boden. Doch ich will kämpfen, stehe