Nightmare: Mörderische Träume
Von Helena Unold
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Buchvorschau
Nightmare - Helena Unold
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Impressum
Personen und Handlungen sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind
zufällig und nicht beabsichtigt.
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www.papierfresserchen.de
© 2017 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/7159086
info@papierfresserchen.de
Alle Rechte vorbehalten.
Erstauflage 2017
Lektorat: Melanie Wittmann
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de
Cover: Verwendung von Bildern von © razoomanetu + © Leo Lintang - lizenziert Adobe Stock
ISBN: 978-3-86196-706-4 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-206-7 - E-Book
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Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
*
Kapitel 1
Das kleine Fenster im Raum war nur leicht geöffnet und doch spürte ich eine unangenehme Kälte, die in den Raum hereinwehte. Ich konnte nur Umrisse wahrnehmen, aber sobald ich sie zu fixieren versuchte, verschwammen sie vor meinen Augen. Ärzte kamen herein. Ein Doktor in einem grauen Kittel mit weißem Kragen und hellbraunorangen Haaren kam zu mir und maß meinen Puls. Er schien um die 50 Jahre alt zu sein und seine Haut fühlte sich weich an. Ich hatte wohl wieder schlecht geträumt, sodass mich meine Mutter erneut in das Schlaflabor gesteckt hatte.
Ein anderer Arzt ging zu einer Frau, meiner Mutter – sie schien besorgt zu sein, denn meine Albträume hatten zugenommen und weitere schlaflose Nächte konnte ich mir nicht mehr leisten. Schließlich war die Schule wichtig, vor allem für einen Jungen, dem drohte, die zehnte Klasse wiederholen zu müssen.
„Louis hat schon wieder wild um sich geschlagen, als er geschlafen hat", berichtete der Arzt meiner Mutter.
Meine beiden Ellenbogen und Hände taten höllisch weh und ich konnte sie nicht gut bewegen. Ich hob den Kopf leicht und neigte ihn ein wenig schräg zur Seite, damit ich hören konnte, was meine Mutter mit dem Arzt besprach. Sie würde wohl alles dafür tun, dass meine Albträume endlich verschwanden. Denn diese Träume plagen nicht nur mich, sie belasteten die ganze Familie, meine Mutter, meinen Vater und meine kleine Schwester Amber.
Ich konnte nur Bruchstücke der Unterhaltung zwischen dem Arzt und meiner Mutter verstehen, aber dieses eine Wort alarmierte mich sofort: Schlafkur! Ich wusste, dass es meine Mutter gut meinte, eine Schlafkur fand ich jedoch übertrieben. Aber was sollten wir machen? Der Arzt meinte, dass es sinnlos wäre, mich weiterhin in einem Schlaflabor zu beobachten.
„Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig", dachte ich und ließ mich wieder auf das harte schneeweiße Bett fallen. Erschöpft schloss ich die Augen, das Valium wirkte.
Eine graue Rauchwolke wirbelte um mich herum, es war heiß und der Boden ausgetrocknet. Ein Mann stand urplötzlich auf einem Felsen und zeigte auf mich. Sein Gesicht war von der Rauchwolke verdeckt, aber ich konnte seine Umrisse und die Kleidung schwach erkennen. Auf der steinigen Anhöhe thronte meine größte Angst: der Mann, der an all meinen Albträumen schuld war.
Morpheus sprang geräuschlos mit einem Satz vom Felsen herunter. Er kam immer näher und schob langsam die Rauchwolken zur Seite. Ich fragte mich derweil, ob seine Soldaten wieder einen Teil meiner Traumwelt niedergebrannt und all die schönen Träume zerstört hatten.
Morpheus flüsterte etwas, doch ich konnte es nicht genau hören. Aber als er näher kam, verstand ich, was er sagte. „Träume können die Sinne vernebeln. Der Bann auf deiner Welt wird siegen."
Wehrlos starrte ich auf Morpheus, der wie ein kampfbereiter Ritter in Rüstung dastand, und wünschte mir sehnlichst, einfach nur aufzuwachen. Doch da passierte etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Mein Gegenüber zuckte zusammen und hob sich seinen Schild vors Gesicht, irgendetwas schien es zu blenden. Der Himmel wurde gelborange und die Rauchwolken lösten sich Stück für Stück auf. Dadurch wurde der Blick freigegeben auf Morpheus’ hellgraue Rüstung sowie ein Kettenhemd, das unten schon leicht zerrissen war. Er hatte blutrote Kleidung an, ein langes, glänzendes Bronzeschwert hing an seiner Seite herab, darüber wehte ein zerfetzter rot-schwarzer Umhang. Außerdem trug er einen riesigen Schild aus Stahl, und jedes Mal wenn er in meinen Träumen auftauchte, fragte ich mich, wie er nur diese gigantische Schutzwaffe hochheben konnte. Auf dem Schild war eine Art Wappen zu erkennen. Ein kleiner goldener Kreis, umgeben von reinem Schwarz, der Angst, die das Gute besiegen wollte.
Ich drehte mich um und sah in den Sonnenaufgang, der auf das verbrannte Land herunterschien. Morpheus musste alleine gekommen sein, denn er gab keine Befehle. Stattdessen taumelte er rückwärts, bis er über eine Unebenheit im Boden stolperte. Obwohl er mir schon so oft begegnet war, hatte ich sein Gesicht noch nie gesehen. Ich wollte es auch gar nicht. Seine Stimme und seine unheimliche Rüstung machten mir schon genug Angst.
Plötzlich hob er seinen rechten Arm, schrie wie ein wild gewordenes Tier und rannte los. Nicht auf mich zu, nein, weg von mir. Ich zuckte zusammen und mein Herz schlug schneller. „Was war das denn?", fragte ich mich. War Morpheus vor etwas Bestimmtem davongelaufen? War es wirklich Sonnenlicht, das da so plötzlich am Himmel erschienen war? Verschwanden diese schrecklichen Träume nun vielleicht?
Zum ersten Mal schöpfte ich so etwas wie Hoffnung, dass ich die Bilder, die mich seit sieben Jahren des Nachts verfolgten, vielleicht doch loswerden könnte. Noch bevor ich irgendetwas herausfinden konnte, wurde alles schwarz um mich herum und ich wachte auf. Ich war verwirrt. Noch nie hatte ich Morpheus derart rennen sehen. Was war passiert? Wo war er hin?
Es tat gut zu wissen, dass ich erst einmal in Sicherheit war. Klar, eigentlich konnte mir in meinen Träumen körperlich nichts zustoßen, doch die Angst war stets übermächtig.
Ich schlug meine Augen auf und stellte fest, dass ich hinten im Auto meiner Mutter lag. Dort zu liegen war noch härter und unbequemer als im Schlaflabor.
Meine Mutter blickte in den Rückspiegel. „Na, Louis? Gut geschlafen?", fragte sie mich.
Louis ... ja, das war ich. Ein 17-jähriger Junge, der in Kalifornien geboren worden war und mit zehn Jahren so schlimme Albträume bekommen hatte, dass er nun sogar eine Schlafkur absolvieren musste. Louis Haverbann. Ich sah eigentlich ziemlich durchschnittlich aus, wie Jungen in meinem Alter eben so aussahen. Pechschwarze, glänzende Haare, eisblaue Augen, hellrote Lippen und eine eiförmige Gesichtsform.
„Alles prima, beruhigte ich meine Mutter und setzte mich in der hinteren Sitzreihe auf. „Also, du willst mich in eine Schlafkur stecken?
Und mein Blick fiel dabei auf die bereits gepackten, großen Koffer.
Meine Mutter bemerkte meinen Blick und seufzte. „Du willst doch auch, dass deine Albträume verschwinden, oder? Die Ärzte sind davon überzeugt, dass dir eine Schlafkur helfen würde."
„Klar will ich endlich wieder normal schlafen können. Aber du hast das einfach, ohne mich zu fragen, entschieden! Ich bin 17!"
„Du bist zwar 17, aber immer noch mein Sohn. Bitte, versuch es mit der Schlafkur", erwiderte sie ruhig.
„Ich werde es schon überleben", gab ich klein bei und meine Antwort zauberte ein breites Lächeln in ihr Gesicht.
Plötzlich bremste meine Mutter ab und bog in eine Allee ein, die mit Blumen an der Seite geschmückt war. Anschließend fuhr sie nach rechts und blieb neben einem roten Wagen stehen, aus dem gerade eine Familie ausstieg, die ziemlich wohlhabend aussah.
Ich kletterte aus dem Wagen und lehnte mich gegen den Kofferraum, während ich darauf wartete, dass meine Mutter irgendwelche wichtigen Zettel wegen meines Befundes und so weiter hervorkramte.
Zu der Familie mit dem roten Auto gehörte ein Mädchen, das gerade laut schrie: „Jetzt wartet doch mal auf mich!" Schwungvoll knallte es die Autotür zu, und als es an mir vorbeistürmte, grinste es mich breit an, als würden wir uns kennen. Die Schönheit hatte lange blonde Haare, eine tolle Hautfarbe und sie konnte sehr schnell rennen. Doch ihr Lächeln wirkte, als würde sie damit jeden Typen um den Finger wickeln. Ihre Eltern schienen ziemlich reiche Menschen zu sein, denn das Auto war ein neuer, eleganter Sportwagen und ihre Kleidung wirkte edel.
Endlich stieg meine Mutter aus dem Wagen und hob ein Blatt Papier hoch, das mit irgendwelchen Daten übersät war. „Ich hab es gefunden", rief sie glücklich und ging voraus auf das Gebäude zu.
Neben dem Eingang wuchsen zwei schöne Himbeersträucher, die das Tor schmückten. Darüber stand in geschwungener Schrift:
Dr. Callersts Schlafkur.
„Klingt ja verlockend", dachte ich mir.
Als ich die Eingangshalle betrat, kam ich mir sofort fremd vor. Sie war gigantisch groß. Ein kleiner Teich mit allerlei bunten Fischen befand sich in der Mitte. Das Gewässer war umgeben von einem kleinen Dschungel. Eine Bananenstaude und andere Bäume mit Lianen wuchsen dort. Passend zu diesem Stück Urwald war die Luft in der Halle schwül, aber angenehm.
An der Rezeption stand eine schlanke, junge Frau mit langen Haaren und einem freundlichen Willkommenslächeln.
„Haverbann mein Name, sagte meine Mutter etwas aufgeregt und gab der Frau die Unterlagen, die sie gefühlt stundenlang im Auto gesucht hatte. „Mein Sohn Louis
, sie packte mich vorsichtig am Arm und zerrte mich nach vorne, „wird drei Wochen in Ihrer Obhut bleiben und eine Schlafkur machen. Wir haben das schon alles abgeklärt."
Ich grinste die Empfangsdame an und grüßte sie mit einer Handbewegung. Sie lächelte zurück, schaute auf die Papiere und sagte: „Ja, natürlich."
Sie legte ein Erkennungsarmband auf den Tresen, darauf standen mein Name, meine Zimmernummer und der Grund, warum ich hier war. Schlafstörung (Albträume).
Schließlich griff sie nach einem Schlüssel und kam hinter dem Tresen hervor. „Hier lang bitte", forderte sie uns auf, und nachdem ich das Erkennungsarmband vom Tresen gefischt hatte, folgten wir der Frau.
Ich sah mich noch einmal in der Eingangshalle um und entdeckte einige Räume, die daran grenzten. Die Mensa, ein etwas kleinerer Raum, war bunt angestrichen, die Stühle waren rot und auf den Tischen lagen weiße Tischdecken. Als Deko standen in der Mitte eine rosafarbene Rose und zwei Teelichter. Das fand ich zwar ein bisschen kitschig, aber dadurch wirkte der Raum etwas freundlicher. Außerdem gab es ein Fitnessstudio, dessen Inneres ich jedoch nicht sehen konnte, da die Tür zu war. Doch darüber stand in großen Lettern: Fitness mit Dr. Callerst.
Ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen, mit einem Schlaftherapeuten Sport zu treiben. Doch ich glaube, dieser Dr. Callerst wollte einfach nur zeigen, dass das Gebäude ihm gehörte, und es den Leuten noch einmal verdeutlichen, falls sie die Wörter über dem Eingangsportal übersehen hatten. Doch eigentlich konnte keiner diese übergroßen Buchstaben übersehen.
Das Überraschendste an der Schlaf-Klinik war ein Schwimmbad mit der Bezeichnung Römertherme. Schon allein der Name klang ziemlich edel und so langsam interessierte ich mich dafür, was das wohl alles gekostet hatte.
Hinter dem Dschungel sah ich ein kleines Café, in dem auf die gleiche Weise gedeckt worden war wie in der Mensa, doch statt Rosen gab es Kaffeebohnen in einem kleinen Glas.
Meine Mutter und ich folgten der Empfangsdame in einen kleinen Fahrstuhl. Ich war noch nie ein Fan von Fahrstühlen gewesen, denn als ich einmal mit zehn Jahren mit meinem Dad in ein Gruselkabinett gegangen war, mussten wir uns alle in genau so einen Fahrstuhl hineindrängen. Das Licht ging aus und alle um uns herum schrien. Ich kippte einfach um und wachte später in einem Krankenhaus wieder auf. Man diagnostizierte damals einen Panikanfall, weil ich offenbar geglaubt hätte, es wäre alles echt. Jedes Mal fragte ich mich seither, ob das Gruselkabinett nicht vielleicht auch Teil meiner Albträume war.
„Könnten wir nicht lieber die Treppen nehmen?", fragte ich die zwei Frauen, die bereits im Fahrstuhl standen und mich verwirrt anstarrten.
Doch meine Mutter verstand sofort, worum es ging. „Ja, klar. Das geht doch in Ordnung, oder?, wandte sie sich an die Klinikangestellte. „Er hat ziemlich schlechte Erfahrungen mit Fahrstühlen.
„Oh ja, natürlich. Das kann ich verstehen." Die Frau lächelte mich teilnahmsvoll an und wandte sich den Treppen zu.
Unterwegs fragte ich meine Mutter: „Wenn ich mich hier so umsehe, dann scheint mir das alles sehr modern und edel zu sein. Was wird dich das kosten?" Mir war klar, dass man eine solche Frage bei Geschenken nicht stellte, aber eine Kur konnte man auch nicht wirklich als Geschenk bezeichnen.
„Ich wollte dir einfach etwas gönnen. Sieh es doch als Urlaub", empfahl sie mir.
Damit hatte sie irgendwie recht. Drei Wochen ohne Amber und unseren blöden Hund Bowser zu verbringen, war ein regelrechter Jackpot. Trotzdem hatte ich noch keine Antwort auf meine Frage erhalten, als wir schließlich im vierten Stock ankamen. Ich schaute auf den Orientierungsplan des Gebäudes: fünf Stockwerke voll mit Patientenzimmern. Von außen hatte das Kurhaus gar nicht so groß ausgesehen.
Nun ging es einen kleinen Flur entlang, wir liefen an sieben Zimmern vorbei. „411 ... 412 ... 413 ...", murmelte ich vor mich hin.
Vor einer kleinen Tür stoppte die Klinikangestellte und sagte zu mir: „Dein Zimmer, Louis." 417 stand auf einem Schild neben der Tür. Sie holte den Schlüssel aus ihrer linken Kitteltasche hervor und schloss auf.
Staunend sah ich mich im Zimmer um, das mich ein bisschen an unser Hotelzimmer in Kroatien erinnerte, in dem wir letztes Jahr die Sommerferien verbracht hatten. Klein, aber doch hübsch eingerichtet. Auf jeden Fall besser als das Schlaflabor oder die Rückbank im Auto meiner Mutter. Das Bett stand frei im Raum, sodass ich mir nicht die Hand aufschürfen konnte, wenn ich wieder träumte. Nicht so wie damals in unserer alten Wohnung in Seattle, wo ich bei wilden Träumen immer gegen den rauen Putz der Wand geschlagen hatte und mein Ellenbogen oft am nächsten Morgen blutig und offen gewesen war.
Ein kleines Nachtkästchen stand neben dem Bett mit einem Glas Wasser, einem kleinen Wecker und einer Orientierungskarte. Wahrscheinlich vom Gebäude. Außerdem waren noch zwei etwas kleinere Räume vorhanden. Einer beherbergte das Bad mit Dusche und sogar einer Badewanne. Und im anderen befanden sich das WC und ein Waschbecken. Ein großer Wandschrank sowie viele bunte Bilder von Sonnenuntergängen und dem Meer füllten den Raum. Zu meiner Überraschung stand neben dem Schrank ein kleiner Kühlschrank.
„Wozu denn das?", fragte ich die Dame von der Rezeption und zeigte auf meine Entdeckung.
Sie