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Jones Arktischer Mohn
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eBook137 Seiten1 Stunde

Jones Arktischer Mohn

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Über dieses E-Book

Jones Klassenkameraden sagen über ihn, er sei ein Spinner, ein "Eso-Freak", ein komischer Vogel. Andere sagen, er glaube, eine Verbindung zum Universum zu bekommen, zu etwas Höherem, zu mehr, als wir begreifen.
Lise sagt, er sei ein besonderer Mensch, ein Mensch, der sehr sensibel für Dinge ist, die nicht jeder bemerkt.
Eigentlich wollte Jone nur seine Morgenblätter, die er jeden Tag schreibt, zum Thema Intuition mit seiner Schulklasse teilen. Dass sich von diesem Tag an alles verändern würde, hatte er nicht erwartet.
Entgegen jeder Vernunft entscheidet er sich kurzfristig und ohne die Erlaubnis seiner Eltern für eine Reise nach Norwegen zu seinem Freund Matt. Die Polarlichter ziehen ihn wie magnetisch immer tiefer in den Norden. Je weiter sich Jone von Zuhause entfernt, desto mehr lernt er sich selbst und die Geheimnisse des Lebens kennen. Dadurch erfährt er, worum es in seinem Leben eigentlich gehen sollte ...

Ein Roman für Jung und Alt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Dez. 2020
ISBN9783347180864
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    Buchvorschau

    Jones Arktischer Mohn - Thomas Kaczerowski

    Intuition

    Jones Klassenkameraden sagten über ihn, er sei ein Spinner, ein Eso -Freak, ein komischer Vogel. Andere sagten, er glaube, eine Verbindung zum Universum zu haben, zu etwas Höherem, zu mehr, als wir begreifen.

    Lise sagte, er sei ein besonderer Mensch, ein Mensch, der sehr sensibel für Dinge ist, die nicht jeder bemerkt. Jemand, der sich in andere sehr gut hineinversetzen kann und ein großes Mitgefühl für seine Mitmenschen hat. Lise fühlte sich von Jone verstanden und gesehen. In seiner Anwesenheit ging es ihr immer gut. Wenn sie ihm in die Augen blickte, war es, als könne er etwas sehen, das andere nicht sahen. Sie verteidigte Jone oft vor den anderen Mitschülern und sagte: »Ihr habt keine Ahnung, nur Angst, da er euch an eure eigene Wahrheit erinnert, vor der ihr weglauft.«

    Diese ganzen Geschichten und Gerüchte rund um Jone waren nur in die Welt gekommen, weil er im Philosophie-Unterricht zum Thema »Intuition« sagte, dass er jeden Morgen vor der Schule intuitiv schreibt und dabei Antworten auf alle Fragen, die er in sich trägt, vom Universum erhält und aufschreibt. Er schreibe quasi, ohne zu denken, und dabei entstünden sehr besondere und unvorhersehbare Monologe. Jone erzählte, dass die Morgenblätter, wie er sie nannte, für ihn eine Verbindung zu seiner Intuition seien, die er im Trubel des Alltags oft aus den Augen verliert.

    Der Lehrer fragte, ob er einverstanden wäre, vor der Klasse einen Ausschnitt aus seinen Morgenblättern vorzulesen, damit die anderen nachvollziehen können, worüber er spreche, und eine Vorstellung von den Inhalten bekommen.

    Er stimmte zu und las in der darauf folgenden Unterrichtsstunde aus seinen Seiten vor, die er am selben Morgen geschrieben hatte.

    Guten Morgen,

    Ich bin ein Baum und wurde gefällt, jetzt bin ich Papier und darauf schreibe ich an die Welt …

    Zwänge umgeben mich. Ich fühle mich, als hätten andere Menschen Samenkörner in mir gepflanzt, die sich jetzt mehr und mehr entfalten und wachsen.

    Sie wachsen langsam, aber sicher zu einem Baum heran und werden größer und sichtbarer.

    Je älter ich werde, desto mühsamer wird es, diese Zwänge abzuschütteln und meine Selbst-Bestimmung zu leben.

    »Ja, ist schon klar«, rief Philipp dazwischen, »Zwänge umgeben mich auch«

    Der Lehrer ermahnte Philipp und Jone las weiter.

    Es fühlt sich an wie Skateboard zu fahren, ohne selber lenken zu können.

    Es nervt, in dieser Gesellschaft ständig Zwängen ausgesetzt zu sein.

    Wenn ich mich dagegen wehre, droht mir Gewalt, davor habe ich Angst!

    Deshalb halte ich mich an die Regeln.

    Wenn ich mich nicht an die Regeln halte, muss ich Angst vor Bestrafung haben.

    Bestrafung scheint ein weitverbreitetes Erziehungsmittel der Erwachsenen zu sein.

    Wissen sie es vielleicht nicht besser, weil sie dasselbe erfahren haben?

    Es scheint an der Zeit, das zu verändern!

    Ich will mich aus diesen Zwängen lösen.

    Möchte selbstbestimmt und im Einklang mit meinem »wahren Kern« leben.

    Das natürliche Leben eben, ungedüngt und frei von Geschmacksverstärkern oder Pestiziden.

    »Alter, was redest du da«, rief Philipp erneut dazwischen.

    Er versuchte, bei seinen Klassenkameraden Unruhe zu stiften und Kolia und Anias mitzureißen, was ihm allerdings nicht wirklich gelang. »Das hat der doch von den Kalendersprüchen abgeschrieben. Als würde dieser Spast so was schreiben«, sagte Philipp mit einem hochmütigem Grinsen.

    Jone bemühte sich, seine Wut und Verletztheit durch Philipps Kommentare nicht anmerken zu lassen und las weiter.

    … Konditionierungen scheinen wie Benzin für die Zwänge zu sein.

    So viele Regeln, die mir die Freiheit nehmen.

    Freiheit ist doch die einzige Regel, die wichtig ist, oder?

    Viele Regeln erscheinen mir von Menschen erschaffen, die Angst vor Vertrauen haben.

    Erschafft Vertrauen nicht Freiheit?

    Ganz von allein?

    Wie in einer Liebesbeziehung …

    Kontrolle würde sie zerstören. Vertrauen lässt sie wachsen.

    Oder könnte sich die Freiheit vielleicht ohne die ganzen Zwänge nicht entfalten?

    Was heißt Freiheit eigentlich?

    Ich denke, frei tun, denken und sein zu können, was immer wir wollen, solange es keinem anderen Lebewesen schadet …

    Jone unterbrach seinen Vortrag und sagte, er wäre fertig, obwohl er noch drei weitere Seiten vor sich liegen hatte. Zu groß wurde seine Unsicherheit mit jeder weiteren Zeile.

    Plötzlich wurde es still. Jone wusste nicht, ob es diese Art der Stille war, die mit der eines Konzertes zu vergleichen war, nach einem Song, bevor der Applaus einsetzt. Oder ob es diese Art von Stille war, wenn Jone seinen Nachbarn Herr Finns im Flur traf, der immer nur darüber redete, wie schlecht und gefährlich alles ist und dass es früher einfacher war, und es eigentlich nur deshalb still war, weil Jone nicht wusste, was er antworten sollte.

    Lise war vom ersten Wort an gefesselt, fühlte sich angesprochen und dachte noch lange über Jones Zeilen nach.

    Philipp störte während des gesamten Vortrags und war auch der Grund, weshalb Jone abgebrochen hatte. Er lachte mittendrin einmal lauthals und es wirkte für Jone wie ein künstliches, vielleicht auch irgendwie unsicheres, aber provozierendes Lachen.

    Jone war irritiert und traurig darüber, was diese wenigen Zeilen aus seinen geliebten Morgenblättern in der Klasse ausgelöst hatten. Es herrschte ein lautes Durcheinander in der Klasse. Jone hatte einfach etwas zum Thema Intuition beitragen wollen und seine Morgenblätter, die für ihn so wertvoll waren und wie er fand gut dazu passten, mit seiner Klasse teilen. Er war wütend auf sich selbst und bereute, dass er seine Gedanken in der Klasse vorgelesen hatte.

    An diesem Tag wurde er zum Gespött vieler Klassenkameraden und mysteriös für manch anderen. Jones Lehrer begeisterten seine Zeilen. Ihm gefiel besonders die Einleitung »Ich bin ein Baum und wurde gefällt, jetzt bin ich Papier und darauf schreib ich an die Welt«. Ein paar andere dachten sich gar nichts dabei und konnten nichts mit Jones Zeilen anfangen, verurteilten ihn aber auch nicht. Einige nannten Jone seit diesem Tag »Eso-Freak«.

    Phillipp nannte ihn nur noch Spasti.

    Lise ärgerte es, wenn sie mitbekam, wie die Anderen über Jone sprachen, und verteidigte ihn. Sie sagte, dass sie es mutig fand, dass Jone seine Morgenblätter mit der Klasse geteilt hatte.

    Sie mochte Jone schon immer und glaubte, dass mehr in ihm steckte, als er vielleicht selber wusste.

    Am nächsten Tag schrieb Jone in seine Morgenblätter:

    Liebe Morgenblätter, warum müssen Menschen immer bewerten? Warum nehmen sich Menschen das Recht, zu verurteilen? Warum habe ich mich nur darauf eingelassen, vermeintlich etwas Sinnvolles zu tun, um dafür dann so einen Spott zu erhalten? Ich habe auf mein Gefühl gehört und Freude beim Teilen meiner Morgenblätter empfunden – und jetzt bereue ich es. Ich bereue es, meine Zeilen öffentlich gemacht zu haben und dafür jetzt ausgelacht zu werden. Ich würde gern sagen, mir ist es egal, was die Anderen von mir denken, das ist es auf eine bestimmte Art und Weise auch, aber das unangenehme Gefühl im Magen ist schwer zu ertragen.

    War es ein Fehler?

    Ja, ich weiß, richtig und falsch gibt es eigentlich nicht, das ist ebenso Beurteilung.

    Was sage ich?

    Ich musste es tun! Irgendwas in mir hat mich dazu gebracht, es zu machen. Was ist so schlimm daran? Ich wurde nicht geschlagen.

    Anderen Menschen geht es viel schlechter als mir. Was beschwere ich mich? Nur weil ich jetzt zum Gespött geworden bin? Was nehme ich

    mich überhaupt so wichtig? Das ist im Vergleich zu Problemen anderer Menschen ein Witz.

    Ich habe aber das Recht, mich wichtig zu nehmen!

    Und das ist für mich ein wichtiges Thema. Gedanken und Worte von anderen fühlen sich ebenso schlimm an wie körperliche Gewalt, wenn sie verletzen. Worte und Gedanken sind Kräfte. Sie sind wie eine unsichtbare Faust, wenn sie bösartig sind. Das habe ich gestern mehr denn je gefühlt. Ich verfluche meine Sensibilität. Warum kann ich nicht einfach fernsehen oder Computer spielen und damit zufrieden sein, wie andere in meiner Klasse es auch sind. Heute nehme ich mir vor, nicht darüber zu grübeln. Ich lasse mich einfach treiben und schaue, was passiert. Ich will nur das tun, was sich gut anfühlt. Und wenn ich z. B. die Klasse verlassen will, weil ich mich dort unwohl fühle, werde ich es machen!

    Ist das Leben ungerecht oder denke ich nur, dass es ungerecht ist?

    Was wäre, wenn ich denke, es ist gerecht, und alles passiert genau so, wie ich es mir erdenke? Dann verschwinden doch eigentlich sofort alle Probleme, oder?!

    Ich denke mir, die Jungs können einfach nichts mit meinen Seiten anfangen und verspotten mich deshalb. Wäre das ein Weg? Ich lasse mich treiben und wünsche mir einen kraftvollen Tag.

    Als Jone an diesem Morgen in seine Klasse kam, war die Welt eine andere. Äußerlich schien alles gleich, doch innerlich fühlte er, dass etwas passiert war. Er fühlte sich verletzt, aber gleichzeitig befreit. Er spürte den feinen Unterschied zwischen Verletztheit und Verletzlichkeit. Das Gefühl der Freiheit war stärker als der verletzte Teil in ihm. Und er akzeptierte seine Verletzlichkeit. Er wusste, dass er das Richtige getan hatte. Er hatte diese Klarheit, die einem nur selten zuteil wird, aber wenn man diese besondere Klarheit empfindet, weiß man es einfach.

    Wie eine Sternschnuppe tauchte diese Klarheit für einen kurzen Moment auf und verschwand genauso schnell wieder.

    Jone hatte dieses Gefühl schon einmal. Damals, als er sich in Lise verliebt hatte. Es kam einfach so und ganz plötzlich. Er wusste einfach, dass er sie liebte. So ein Gefühl hatte Jone noch nie zuvor in seinem Leben erfahren. Es gab Bilder in seinem Kopf, wie er mit Lise auf einem Berg den Sonnenuntergang beobachtet und wie ihre Kinder weiter unten auf der Wiese spielen. Er hatte diese Klarheit, obwohl er noch so jung war und eigentlich keine Ahnung

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