Eine Frau nach Maß: Leni Behrendt Bestseller 12 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Es war ein hohes, weites Gemach, das Speisezimmer von Schloß Felß. Um den langen, breiten Tisch zu besetzen, der inmitten des feudalen Raumes stand, dazu gehörte schon eine Familie von mindestens zwölf Kindern samt ihren Erziehern. Und da diese Familie vorläufig nur aus Vater und Sohn nebst der Repräsentantin des Hauswesens bestand, wählte man zu den täglichen Mahlzeiten den runden Tisch, der im Erker stand. Das Licht, das durch die Buntglasfenster fiel, war stets gedämpft. So konnte es kommen, daß an trüben Regentagen, wie zum Beispiel heute, schon während des Mittagsmahles die kunstvoll gearbeitete Lampe über der Tafel brannte. Und diese Tafel war stets sorgfältig gedeckt mit schneeigem Damast, schwerem Silber und kostbarem Porzellan. Der Seniordiener Jonas, mit dem Aussehen und der ruhigen Würde eines Diplomaten, servierte, wobei ihm ein jüngerer Diener bester Schulung zur Hand ging. Das Essen war delikat und bestand stets aus vier Gängen. Heute hatte man nun einen Gast – und zwar einen ziemlich alltäglichen. Sie fand sich nämlich oft in Felß ein, die Nachbarstochter Bernice von Söhrte, mit dem dunklen Madonnenscheitel und dem taubenfrommen Augenaufschlag. Sie galt überhaupt als sanft und mild, und es war gewiß nur eine böse Verleumdung von dem Oberverwalter der Herrschaft Felß, Arnulf Alwart, wenn er skeptisch meinte: »Truu de Düwel dem Ap'theker.« Denn das, was da nun dem Schloßherrn so lieb entgegenlachte, war ein sanftes Mägdlein, das bestimmt kein Wässerchen trüben konnte. Man hatte das Gefühl, als müßte man das zarte Wesen behüten und beschirmen vor jedem rauhen Windzug des Lebens. »Ah, da sind Sie ja, mein lieber Torsten«, sprach ein weicher rosiger Mund. »Ich glaubte Sie abwesend von Felß.« »Nein, ich war zu Hause, gnädiges Fräulein. Allerdings war ich mit Vorbereitungen beschäftigt, weil ich heute noch verreisen will.« Da der Mann die beiden Damen scharf beobachtete, entging ihm der fast entsetzte Blick nicht, den sie miteinander tauschten. »Davon weiß ich ja gar nichts, Torsten.«
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Eine Frau nach Maß - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 12 –
Eine Frau nach Maß
Leni Behrendt
Es war ein hohes, weites Gemach, das Speisezimmer von Schloß Felß. Um den langen, breiten Tisch zu besetzen, der inmitten des feudalen Raumes stand, dazu gehörte schon eine Familie von mindestens zwölf Kindern samt ihren Erziehern. Und da diese Familie vorläufig nur aus Vater und Sohn nebst der Repräsentantin des Hauswesens bestand, wählte man zu den täglichen Mahlzeiten den runden Tisch, der im Erker stand.
Das Licht, das durch die Buntglasfenster fiel, war stets gedämpft. So konnte es kommen, daß an trüben Regentagen, wie zum Beispiel heute, schon während des Mittagsmahles die kunstvoll gearbeitete Lampe über der Tafel brannte. Und diese Tafel war stets sorgfältig gedeckt mit schneeigem Damast, schwerem Silber und kostbarem Porzellan. Der Seniordiener Jonas, mit dem Aussehen und der ruhigen Würde eines Diplomaten, servierte, wobei ihm ein jüngerer Diener bester Schulung zur Hand ging. Das Essen war delikat und bestand stets aus vier Gängen.
Heute hatte man nun einen Gast – und zwar einen ziemlich alltäglichen. Sie fand sich nämlich oft in Felß ein, die Nachbarstochter Bernice von Söhrte, mit dem dunklen Madonnenscheitel und dem taubenfrommen Augenaufschlag. Sie galt überhaupt als sanft und mild, und es war gewiß nur eine böse Verleumdung von dem Oberverwalter der Herrschaft Felß, Arnulf Alwart, wenn er skeptisch meinte: »Truu de Düwel dem Ap’theker.«
Denn das, was da nun dem Schloßherrn so lieb entgegenlachte, war ein sanftes Mägdlein, das bestimmt kein Wässerchen trüben konnte. Man hatte das Gefühl, als müßte man das zarte Wesen behüten und beschirmen vor jedem rauhen Windzug des Lebens.
»Ah, da sind Sie ja, mein lieber Torsten«, sprach ein weicher rosiger Mund. »Ich glaubte Sie abwesend von Felß.«
»Nein, ich war zu Hause, gnädiges Fräulein. Allerdings war ich mit Vorbereitungen beschäftigt, weil ich heute noch verreisen will.«
Da der Mann die beiden Damen scharf beobachtete, entging ihm der fast entsetzte Blick nicht, den sie miteinander tauschten. Und dann war es Frau von Tarp, die Repräsentantin des Hauses, die vorwurfsvoll sagte:
»Davon weiß ich ja gar nichts, Torsten.«
»Wie konntest du auch, Tante Amanda«, kam es gelassen zurück. »Ich habe mich ganz spontan zu der Reise entschlossen.«
»Und wohin soll es diesmal gehen?«
»Ich bleibe in Deutschland.«
»Auf wie lange?«
»Unbestimmt.«
Alles, was er sprach, klang kurz und knapp, so daß die Damen nicht weiter zu fragen wagten. So verlief auch das Mahl ziemlich wortkarg, und die beiden Weiblichkeiten waren bitter enttäuscht, als der Hausherr den Mokka nicht mit ihnen einnahm, sondern sich höflich, aber bestimmt entschuldigte. Er wartete nur, bis die gute Deti den kleinen Knaben zum Mittagsschläfchen holte, dann ging er auch.
Und kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, als auch schon Frau von Tarp aufgeregt sagte:
»Du darfst ihn nicht fortlassen, Bernice, hörst du. Du mußt ihn irgendwie zur Verlobung zwingen, und wenn du da gleich zu einer Intrige greifen müßtest.«
»Aber, Tantchen, so etwas liegt mir doch nicht.«
»Hör auf!« wurde sie hochfahrend unterbrochen. »Mir brauchst du keine Mätzchen vorzumachen. Tu es bei ihm, das ist wichtiger. Wenn du ihn erst fest hast, kannst du ja deine Taubenfrommheit ablegen. Ein Glück, daß dein sanftes Aussehen ihn anzieht, da er ja in seiner Herrennatur auf ein sanftes, demütiges Weib aus ist. Also nutze deine Chance.«
Jawohl, nutze sie, dachte mit sarkastischem Lächeln der Mann, der gerade an dem geöffneten Fenster vorüberging, hinter dem das Gespräch geführt wurde. Und zwar laut und ungeniert.
O nein, meine liebe Tante Amanda, dachte er weiter, während er rasch ausschritt. Einmal hast du mich einfangen können, mich jungen Fant, mit den himmelstürmenden Idealen und dem festen Glauben an die ideale Frau, den deine Nichte dann schon während der Flitterwochen so gründlich zerstörte, daß aus dem Schwärmer ein skeptischer Mann wurde, der nichts mehr von den Frauen hält. Denn es gab auch nicht eine unter den vielen Schönen, die ich während meiner vierjährigen Witwerschaft ausgiebig genoß, die diese Skepsis mildern konnte.
Während er diesen Gedanken nachhing, hatte er den riesengroßen Gutshof erreicht, wo ein wenig abseits ein nettes Haus stand, in dem der Verwalter der Felßschen Güter wohnte. Der Nachfolger seines Vaters und ein Intimus des jetzigen Schloßherrn von jeher. Schon als Kleinkinder, die fast an dem gleichen Tag das Licht der Welt erblickten, hatten sie zusammen gespielt. Hatten von einem Hauslehrer den ersten Unterricht gehabt, später das Gymnasium besucht und auch die landwirtschaftliche Hochschule absolviert. Wohl meinte Vater Alwart, daß sein Sohn das nicht unbedingt brauchte, aber da hatte Graf Felß, der Ältere, ihn eines anderen belehrt:
»Reißen Sie die Jungen nicht voneinander, Alwart. Die hängen ja zusammen wie Pech und Schwefel. Und das ist gut. So viel Geld werden Sie doch wohl zusammengescharrt haben, um Ihren Einzigen studieren lassen zu können.«
Jetzt war er tot, und auch den alten Grafen Felß deckte schon fast sechs Jahre der Rasen. Und was die Alten miteinander verbunden hatte, verband nun auch die Jungen.
»Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein!« schmunzelte der Hüne, als Torsten das gemütliche Wohngemach betrat, wo ersterer mit seiner Gattin bei einem vorzüglichen Kaffee geruhsam verweilte. »Wie mir scheint, hast du etwas auf dem Herzen?«
»Stimmt.« Der Angekommene ließ sich lachend in der gemütlichen Runde nieder. »Kredenze mir einen Kaffee, Ingelott, da ich heute darauf verzichten mußte.«
»Mußte?« forschte die schmucke junge Frau, welche die Freunde vom ersten Tag ihres Lebens kannte und die dann später mit den wilden Knaben durch dick und dünn ging. Denn sie war des Rentmeisters von Felß Töchterlein, der auch heute noch in ungebeugter Kraft seinen Posten ausfüllte. Und diese Ingelott war denn auch vor sechs Jahren Frau Alwart geworden.
»Wirklich – mußte?« fragte sie jetzt eindringlicher, während sie dem Jugendgespielen den braunen Trank kredenzte. »Wer hat dir wohl was zu müssen, du Herr aller Reußen?«
»Sage das nicht, du Spottdrossel«, seufzte der so Betitelte. »Auch mir sind Grenzen gesetzt. Auch mir darf man eine Schlinge legen, die mir zum Verhängnis werden kann. Das habe ich ja bereits bewiesen, der ich vor fünf Jahren so lieb und brav hineintappte. Doch der zweiten weiche ich aus wie die Pest.«
»Also jetzt ist es soweit«, pfiff Alwart durch die Zähne. »Da entfleuche nur schleunigst, mein Jungchen. Bringe meinetwegen des Teufels Großmutter nach Felß, nur nicht das sanft säuselnde Bernicechen. Oder?« schloß er mißtrauisch, doch der andere winkte gelassen ab.
»Oder – allerdings. Nur daß dieses ›Oder‹ sich darauf bezieht, daß ich anderswo auf die Freite zu gehen gedenke.«
»Ach du liebes bißchen!« Der Freund war nun ehrlich erschrocken.
»Mann, mach nur ja keine Dummheiten, mir liegt deine erste noch schwer in den Knochen. Wer ist sie denn?«
»Ein sittsam Mägdelein, von einer sittenstrengen Mutter treu behütet und bewacht. Nach der Erfahrung, die ich mit meiner ersten Frau machte, kann die zweite gar nicht hausbacken, sanftmütig und fromm genug sein. Wenn sie sich meinem Willen unterwirft, mir das Haus in Ordnung hält und sich um den Jungen mütterlich kümmert, dann soll sie es gewiß nicht schlecht bei mir haben.«
»Aber auch einen schweren Stand«, bemerkte Arnulf trocken. »Oder denkst du dir das etwa einfach, sich unter der hochfahrenden Frau von Tarp ducken zu müssen und deinen eigensinnigen Jungen zu betreuen?«
»Nein, einfach wird das bestimmt nicht sein«, war die seelenruhige Erwiderung. »Da muß sie sich eben durchsetzen. Kann sie es nicht, ist sie eben nicht das, was ich brauche.«
»Aha! Dann jagst du sie einfach davon, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich.«
»Tja, du mußt wissen, was du tust. Warnungen sind, wenn du auf die Freite gehst, bei dir doch nur in den Wind gesprochen. Also werde durch Schaden klug, wenn du dir nach einem Kolibri ein graues Mäuschen erwählst. Wir jedenfalls halten den Mund, Ingelott.«
»Tun wir, mein lieber Mann«, bekräftigte die junge Frau, die mit ihrem brünetten Typ einen herzerfreuenden Anblick bot. Groß und vollschlank vermochte sie sich auch figürlich neben dem Hünen von Gatten zu behaupten und war durchaus geschaffen, mit ihm allen Stürmen des Lebens standzuhalten. Also alles in allem: ein prächtiger Ehekamerad durch dick und dünn.
Ganz einfach war diese Ehe zustandegekommen. So ohne jede Komplikation, ohne vorhergehende Herzensstürme und -nöte. Lieb hatte man sich von Kindheit an, also heiratete man, als Arnulf nach beendetem Studium und nach der Bummelreise in Felß wieder eintraf.
Zwei Kinder trafen auch schon ein. Gesunde, muntere Jungen, die Freude und das Glück der Eltern. Also eine glückliche kleine Familie, wie man sie leider nicht oft im Leben findet.
*
Ganz anders war es mit der Heirat des jungen Grafen gewesen. Der war vor fünf Jahren arglos in die Schlinge getappt, die seine raffinierte Verwandte ihm gelegt hatte. Sie war nach dem Tode der alten Gräfin, also vor sieben Jahren, nach Felß gekommen, um dem feudalen, sehr großzügig geführten Schloßhaushalt vorzustehen.
Eigentlich war das ein Gnadenakt des alten Grafen, dem allzeit gütigen Manne, der entfernten Verwandten ein Asyl zu bieten. Denn es ging ihr miserabel, als ihr verbummelter Ehemann starb, nachdem er auch noch den letzten Pfennig durchgebracht hatte.
Aber die intrigante, augendienerische Person verstand es meisterhaft, sich bei dem Schloßherrn unentbehrlich zu machen. Und nach seinem Tode präsentierte sie mit aller Raffinesse, die ihr eigen, ihre Nichte.
Nun, diese Nichte war reizvoll genug, um einen fünfundzwanzigjährigen jungen Heißsporn, der in jeder Frau ein Idealwesen sah, einzufangen. Sehr zum Verdruß des treuen Freundes Arnulf Alwart, der diese junge Dame ja nicht durch die rosarote Brille der Verliebtheit betrachtete, sondern skeptischen, klaren Blickes. Und wie recht er damit hatte, sollte der junge Ehemann schon in den ersten Ehewochen erfahren. Sie genügten vollkommen, um dem Idealisten den Glauben an die ideale Frau gründlich zu zerstören. Er kam sich wie erlöst vor, als diese minderwertige Frau nach noch nicht einmal einjähriger Ehe im Wochenbett starb.
Und wenn er jetzt wieder zu heiraten gedachte, geschah es nur, um seinen Hausstand und seinen Sohn versorgt zu wissen, wenn er seiner Fernsehnsucht nachgab und auf Reisen ging. Und daher mußte er eine Frau wählen, die ein braves Haushuhn war, wie der Freund es so treffend bezeichnete.
Der hütete sich jedoch, seine Meinung darüber weiter zu äußern. Er fragte nur sachlich: »Wann fährst du?«
»Heute noch. Ich möchte dich und Ingelott bitten, euch um Toro zu kümmern, damit Amanda merkt, daß man ihr auf die Finger sieht. Auch um die Ausgaben kümmere dich, Arnulf. Nicht einen Pfennig mehr als gewöhnlich.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, kam die grimmige Antwort. »Da paß ich schon auf, und die gesamte Dienerschaft im Schloß mit mir. So sehr ich deinen Vater auch sonst verehre, Torsten, so bitter gram bin ich ihm wiederum, daß er dieser Schleiereule auf Schloß Felß Heimatrecht zubilligte. Und du mußt dich nun mit ihr abplagen.«
»Na, so arg ist es auch wieder nicht«, kam es lachend zurück. »Die kann bei mir keinen Blumentopf gewinnen, wie man so sagt. Aber da sie mir die Schlinge, die sie erneut legte, mit allen niederträchtigen Schlichen und Listen zuzuziehen gedenkt, will ich ihr lieber