Ruhige und bewegte Zeiten meines Lebens: Vertreibung aus Schlesien - Neuanfang in Westfalen
Von René Teuber
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Über dieses E-Book
Konfrontiert mit dem Verlust der Heimat reflektiert er die daraus resultierende Entwurzelung sowie Enteignung und berichtet von schweren Zeiten, geprägt von Wut, Trauer und erlebter Feindseligkeit. Ungewissheiten und Leid aber auch den Zusammenhalt zwischen Vertriebenen und Hoffnungsschimmer für die Zukunft erfährt man beim Lesen, als durchlebe man es gerade selbst.
Die Vertreibung und der damit erzwungene Neuanfang der Familie Teuber bis hin zum mühsamen Aufbau eines neuen Zuhauses in der Eichendorff-Siedlung in Ostbevern, einer Ostvertriebenensiedlung, gibt einen persönlichen Einblick in diese dunkle Epoche. Die Geschichte Teubers zeigt die Schicksale vieler Familien sowie Einzelpersonen auf und macht deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges unabdingbar und keineswegs abgeschlossen ist.
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Buchvorschau
Ruhige und bewegte Zeiten meines Lebens - René Teuber
Vorwort
figureDie unruhigen und bewegten Zeiten in meinem Leben sind inzwischen Geschichte geworden. Ich bin 1933 in Ostdeutschland in Altewalde, Kreis Neisse (Oberschlesien) geboren. Meine Eltern waren Eigentümer eines Bauernhofes. Dort sind meine Wurzeln, dort stand meine Wiege. Den Hof bewirtschafteten meine Eltern, bis wir 1946 durch Polen vertrieben wurden.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die deutschen Ostgebiete Schlesien, Pommern, Westpreußen und Teile Ostpreußens bis zu einem Friedensvertrag unter polnische Verwaltung gestellt. Der nördliche Teil Ostpreußens fiel unter die sowjetische Verwaltung und das Sudetenland an die Tschechoslowakei. Etwa zwölf Millionen Deutsche wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Durch die geschlossenen Verträge der Siegermächte fand die 750-jährige deutsche Geschichte von Schlesien ein tragisches Ende und das Schicksal seiner Bewohner nahm seinen Lauf.
Die Vertreibung, auch »wilde Vertreibung« genannt, begann bereits im Sommer 1945. Der Verlust der Heimat traf uns schwer. Meine Eltern verloren die angestammte Heimat und ihr ganzes Lebensumfeld. Dazu kamen die Schikanen und Gewalttaten der Eroberer, die »Rache und Vergeltung« an uns übten. In dieser Zeit gab es keine Rechte und alle waren schutzlos dem Vertreibungsterror ausgeliefert. Nur wenige Zeitzeugen leben noch. Durch den Tod der Erlebnisgeneration gerät vieles in Vergessenheit. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, etwas davon für die Zukunft zu bewahren. Seid wachsam und lernt aus der Vergangenheit.
Die Hoffnung auf eine gute Aufnahme im Westen verlief für viele enttäuschend. Wenige wurden mit offenen Armen empfangen. Wir Vertriebene kamen als Fremde hier im Westen an. Unser Schicksal war der einheimischen Bevölkerung nicht richtig bewusst. Vielen der Vertriebenen schlugen damals Missgunst und Hass entgegen. Wir waren nicht gern gesehen. In dem ganzen Wirtschaftselend, das der Krieg als Folge hinterlassen hatte, löste die Angst, etwas teilen und Wohnraum abgeben zu müssen, um die Not der Menschen zu lindern, Misstrauen aus. Der Krieg hatte auch hier in Westfalen gewütet, doch hat hier keiner seine Heimat verloren. Alle waren von den Wirren des Krieges heimgesucht worden, ob Einheimische, Flüchtlinge, Vertriebene oder Bombengeschädigte, trotzdem entwickelten die Menschen Mut und Ehrgeiz für einen Neuanfang.
Unserer Familie ist aber in dieser schlechten Zeit auch sehr viel Gutes zuteilgeworden. Noch immer begleitet mich die Erinnerung an viele hilfsbereite Menschen, die bis heute Freunde geblieben sind. Meine Eltern erzählten oft von den Personen und Familien, die uns in dieser trostlosen Zeit ein großes Stück Selbstvertrauen gaben und gemeinsame Freude in unseren Herzen aufblühen ließen.
Die Hoffnung auf Gerechtigkeit, auf Rückkehr in die Heimat, hat sich jedoch nicht erfüllt. Obwohl Vertreibung laut Völkerrecht als Unrecht geahndet wird, bleiben die Vertriebenen die Bevölkerungsgruppe, die deutlich für das Unrechtsregime des Dritten Reiches bezahlt hat. Daher ist es bewundernswert, dass die Vertriebenen trotz des eigenen gerade erlittenen Unrechts schon 1950 in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen zum Verzicht auf Rache und Gewalt aufgerufen haben: ein klares Bekenntnis zur Schaffung eines geeinten Europas und zur Verständigung zwischen den Völkern. Hierfür können wir sehr dankbar sein.
Die durch die Vertreibung verloren gegangenen Verwandten und Bekannten fanden sich nach einer längeren Zeit wieder. Durch den Suchdienst des Roten Kreuzes und durch Verwandtenkontakte schloss sich der Kreis und fast alle fanden irgendwo eine neue Bleibe. Wir haben alle ein gemeinsames, aber jeder hat auch sein eigenes, ganz persönliches Schicksal. Viele haben allerdings nie über ihre Erlebnisse gesprochen.
Den Anstoß, meine Erinnerungen aufzuschreiben, haben meine Kinder, meine Frau und Freunde gegeben. Bei unseren Gesprächen waren alle der Ansicht, es sei sinnvoll, meine bewegten Zeiten für sie und weitere Nachkommen zu dokumentieren.
Menschen gehen oft leichtfertig und nicht immer wahrhaftig mit der Vergangenheit um. Es ist wichtig, erlebte Geschichten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Meine Gedanken und Erinnerungen an meine Erlebnisse als Zeitzeuge habe ich auf den folgenden Seiten wahrheitsgetreu niedergeschrieben.
figurefigureEdmund Teuber
figurefigureEdmund Teuber in der Gästestube, 1935
Mein Leben in bewegten Zeiten
figureAm 25. Januar 1933 wurde ich, Edmund Teuber, als dritter von vier Söhnen in Altewalde, Kreis Neisse (Oberschlesien) geboren. Mein Vater war Eigentümer eines Bauernguts mit einer Hofgröße von 29,25 Hektar in Altewalde.
Meine Brüder Bruno und Hugo starben unmittelbar nach ihrer Geburt in den Jahren 1928 und 1931. Mein jüngster Bruder verstarb 1947, einen Tag nach seiner Geburt in Ostbevern.
Altewalde wird zum ersten Mal im Jahr 1249 urkundlich unter dem Namen Waldow erwähnt. Im August 1767 durchreiste Friedrich der Große meinen Geburtsort. Unsere Gemeinde umfasste 1939 eine Fläche von 1343 Hektar und zählte 1150 Einwohner. Altewalde ist ein Reihendorf. Drei Dörfer sind nur durch Ortsschilder getrennt. Es führt eine bereits im Jahr 1800 gepflasterte Dorfstraße auf einer Strecke von neun Kilometern weiter durch Neuwalde nach Ludwigsdorf.
Das Neisser Land hat sich aus dem Gebiet der Kastellanei Ottmachau entwickelt, die erstmals in einer Papsturkunde von 1155 genannt wird. Ab 1335 gehörte das Neisser Land als Bistumsland und Fürstentum zur böhmischen Krone, seit 1556 zu Österreich. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1629 wurde das Fürstentum in einen südlichen österreichischen und einen nördlichen preußischen Teil zerrissen. Unsere Kreisstadt Neisse nannte man wegen ihrer vielen Kirchen und Klöster das »Schlesische Rom«. Auch der schöne Brunnen