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Erfolgsfaktor Quereinsteiger: Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement
Erfolgsfaktor Quereinsteiger: Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement
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eBook358 Seiten3 Stunden

Erfolgsfaktor Quereinsteiger: Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement

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Über dieses E-Book

Rund 1,2 Millionen Menschen wagen jährlich in Deutschland den Sprung in die berufliche Neuorientierung. Diese Quereinsteiger überzeugen durch neue Denkansätze, Motivation und Eigeninitiative. In unzähligen Förderprogrammen und gesellschaftspolitischen Diskussionen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels wurde die Zielgruppe der Quereinsteiger allerdings bisher ausgelassen.

Dabei sind Quereinsteiger in Politik und im Ehrenamt bereits an der Tagesordnung. In der Wirtschaft aber fehlt es an Mut, Wissen und Können, Bewerber unabhängig von bisher erbrachten Leistungsnachweisen zu beurteilen. Die Autorin, Dr. Sylvia Knecht, zeigt in Ihrem Buch, warum sich dies ändern muss, welche Chancen sich bieten, wenn grundlegend neue Denkmuster zugelassen werden und wie man Quereinsteiger in Bewerbungsverfahren aktiv anspricht. Praktische Beispiele und konkrete Hilfestellungen legen dar, wie formale Hürden für Quereinsteiger gesenkt werden können und somit neue Potenziale für Unternehmen realisierbar werden.  ​

Mit einem Vorwort von Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum11. Dez. 2013
ISBN9783658026882
Erfolgsfaktor Quereinsteiger: Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement

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    Buchvorschau

    Erfolgsfaktor Quereinsteiger - Sylvia Knecht

    Sylvia KnechtErfolgsfaktor Quereinsteiger2014Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement10.1007/978-3-658-02688-2_1

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    1. Quereinsteiger: Das unbekannte Wesen

    Sylvia Knecht¹  

    (1)

    linch.pin, Frechen, Deutschland

    Sylvia Knecht

    Email: s.knecht@linch-pin.de

    1.1 Einführung

    1.2 Abgrenzung des Begriffs ‚Quereinsteiger ‘

    1.3 ‚Bäumchen wechsle Dich‘ – Gründe für den Quereinstieg

    1.4 Demographie und Fachkräftemangel

    1.5 Das Märchen vom Fachkräftemangel oder: Suche nach kleinkarierten Maiglöckchen

    1.6 Beruf, Berufung und Berufsbilder

    1.7 Neue Berufs-‚bekleidung‘

    1.8 Vom Arbeit-GEBER hin zum Arbeits-ANBIETER

    1.9 Vielfalt siegt!

    1.10 Was tun?!

    1.10.1 Arbeitsmarktpolitische Reaktionsmuster

    1.10.2 Betriebliche Reaktionsmuster

    1.10.3 Bildungspolitische Reaktionsmuster

    1.11 Raus aus alten Denkmustern

    1.12 Neue Ideen und Wege beim Recruiting

    1.13 Erstes Fazit

    Zusammenfassung

    Landauf, landab singen wir das Lied vom Fachkräftemangel. So oft, so intensiv – man könnte bereits heute ein ganzes Liederbuch daraus gestalten.

    Die Strophenabfolge scheint schier unendlich. Der Refrain ist jedoch immer gleich: Zu wenig, zu schlecht und einfach nicht kompatibel sind die Kandidaten, die der deutsche Arbeitsmarkt zu bieten hat. Würde für jeden Download eines solchen „Fachkräftemangel-Songs" ein kleiner Obolus in die Kassen des Staates gezahlt – die Bundesregierung würde es freuen.

    1.1 Einführung

    Landauf, landab singen wir das Lied vom Fachkräftemangel. So oft, so intensiv – man könnte bereits heute ein ganzes Liederbuch daraus gestalten.

    Die Strophenabfolge scheint schier unendlich. Der Refrain ist jedoch immer gleich: Zu wenig, zu schlecht und einfach nicht kompatibel sind die Kandidaten, die der deutsche Arbeitsmarkt zu bieten hat. Würde für jeden Download eines solchen „Fachkräftemangel-Songs" ein kleiner Obolus in die Kassen des Staates gezahlt – die Bundesregierung würde es freuen.

    Und geht es um die Diskussion, wie denn nun Abhilfe zu schaffen sei, dann fallen auch immer die gleichen Vokabeln.

    Man müsste mal die brachliegenden Potenziale aktivieren: Migranten und Frauen. Seit neuestem auch Ältere. Auch Ungelernte, Studienabbrecher, und, und, und. Kurzum: so ziemliche jede Bevölkerungsgruppe war schon einmal im Fokus von Förderprogrammen oder politisch- gesellschaftlichen Diskussionsrunden.

    Außer: Quereinsteiger.

    Und damit Menschen, die sich bewusst im Laufe ihres Lebens für eine andere Tätigkeit als Erwerbsgrundlage entscheiden als die, die sie ursprünglich einmal erlernt haben, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

    In der Politik und auch im Ehrenamt sind Quereinsteiger an der Tagesordnung. Was ja auch leicht zu erklären ist, da Politiker aus der Mitte der Gesellschaft kommen und gewählt werden. Und die besteht in Deutschland nun mal nicht aus ausgebildeten Politikwissenschaftlern. Was ja auch gut ist. Denn so kommt Vielfalt in die Parlamente.

    Und ehrenamtliche Vorstände, Kuratoren oder Geschäftsführer sind im konventionellen täglichen Job meist ganz woanders zu Hause. Was auch gut ist, denn so kommen neue Ideen in das Ehrenamt. Nur der Kassenwart sollte schon wissen, was er tut und lieber nicht mit der Vereinskasse ‚experimentieren‘. Hier hilft dann Sachkenntnis allen Beteiligten.

    Scheinbar können wir mit Quereinsteigern oder Seiteneinsteigern in Deutschland ganz gut umgehen, und binden sie auch konkret in das gesellschaftliche und politische Leben ein.

    Der Politikwissenschaftler und Journalist Moritz Küpper¹ warnt jedoch vor einer Glorifizierung von Seiteneinsteigern. Die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht werde, stehe in keinem Verhältnis zu ihrem Einfluss auf das politische Geschäft und die Gesellschaft, schreibt er in seinem Buch zum Thema.

    Andererseits ist Bundeskanzlerin Angela Merkel das bekannteste deutsche Beispiel dafür, wie aus einer bis zu ihrem 35. Lebensjahr unbekannten Physikerin, die sich mit n-dimensionalen Matrizen und unendlichen Integralen beschäftigte, 15 Jahre später eine der mächtigsten Frauen der Welt wurde. Die Aufmerksamkeit, die ihr weltweit entgegengebracht wird, ist ja nicht ganz unberechtigt.

    Allerdings liegt der Grund des erhöhten Grades an Aufmerksamkeit bei ihr sicher nicht hauptsächlich in der Tatsache begründet, dass sie eine typische Quereinsteigerin ist. Sondern ist wohl eher der Tatsache geschuldet, das sie ein Krisenszenario nach dem nächsten zu bewältigen hat. Und das als Frau, Ältere, Ostdeutsche und evangelische geschiedene Physikerin in einer Person – und dann noch auf politischem Boden.

    Sie erfüllt klar alle Regeln einer politischen Quereinsteigerin.

    Sie hat als eine der Wenigen die Chance bekommen, sich in einem bis dato für sie völlig unbekannten Terrain, der Politik, behaupten und beweisen zu dürfen. Sie gehört damit klar zu den rund 3 % Berufswechslern in Deutschland, bei einem Gesamtvolumen von derzeit rund 40 Mio. Beschäftigten.

    Gut, für die Politik mag ein solcher Karrieresprung noch angehen. Dort ist er ja auch akzeptiert. Aber für die Wirtschaft?

    Gerade dort werden doch händeringend, glaubt man der aktuellen Berichterstattung, Fachkräfte gesucht, die anders denken, innovativ sind und sich einbringen wollen. Glaubt man den Aussagen deutscher Vorstände, hätten wir ein prima Klima für Quereinsteiger.

    Denn auch die Wirtschaft besteht in großen Teilen aus Quereinsteigern. Sämtliche Vorstandsetagen in Deutschland kennen das Phänomen. Oder wie sonst ist zu erklären, dass zum Beispiel der ehemalige Deutsche Bahn-Chef Mehdorn nun den Flughafenbau Berlin vorantreibt? Als Bauexperte ist er ja nicht unbedingt vorher in Erscheinung getreten. Oder Utz Claassen, der neben Solarenergie, Medizintechnik auch für den Finanzinvestor Cerberus tätig war. Als ‚Rambo unter deutschen Managern‘² wurde er nicht mit Fachwissen, sondern in der öffentlichen Wahrnehmung eher mit Schadenersatzforderungen bekannt.

    Bei all diesen Beispielen nehmen wir das Quereinsteiger-Syndrom zwar wahr und fordern – wie beispielsweise bei Claassen – dass ein Manager, der Scherben hinterlässt, auch dafür persönlich haften soll bzw. seine Abfindungen entsprechend gekürzt werden. Trotzdem wird die Fachkompetenz bei Vorstandsvorsitzenden im ersten Schritt überhaupt nicht in Frage gestellt. Ganz anders dagegen bei beruflichen Quereinsteigern in konventionellen Berufen und Abteilungs- und Fachbereichen.

    Vielmehr akzeptieren wir, dass ein Manager, der erfolgreich eine unternehmerische Herausforderung gemeistert hat, auch in anderen, für ihn völlig fachfremden Bereichen dazu in der Lage ist. Wegen der „Managerqualitäten".

    Wenn aber ein Konditor sich auf eine Stellenausschreibung in einer Automobilfirma bewirbt, um dort Sondermodelle zu lackieren, dann stutzen wir. Kann der das? Wie soll das gehen?

    Ganz einfach: Konditoren lernen aus der freien Hand heraus, Torten zu beschriften und erlernen dabei „Fine Tuning". Mit diesen Erfahrungen können sie auch Schriftzüge auf Sondermodelle in der Automobilindustrie lackieren.

    Und selbst wenn wir am Ende im geschilderten tatsächlich so passierten Beispiel die Fachkompetenz zugestehen, bleibt der Hauch des Zweifels: Kann das gut gehen? Die Frage nach rechtlichen Voraussetzungen, fachlichen Zertifikaten und sonstigen berufsrelevanten Regeln drängt sich auf.

    Haben wir eine Lösung? Für all diejenigen, die sich genauso am Arbeitsmarkt durchgeschlagen haben?

    Oder kann es sein, dass wir das Thema Quereinsteiger schon über Politik und Sport so verinnerlicht haben, das uns die Rahmenbedingungen dazu gar nicht wichtig erscheinen? Wir haben gar keine Rahmenbedingungen, wenn es darum geht, Quereinsteiger in konventionell ausgeschriebenen Unternehmenspositionen zu akquirieren. Es scheint, als ob wir das System Sport und Ehrenamt einfach 1:1 auch auf den Arbeitsmarkt übertragen.

    Auch wenn es darum geht zu definieren, was denn überhaupt ein beruflicher Quereinsteiger ist, wird es eng. Kaum jemand kann diese Frage beantworten, wie später noch zu belegen sein wird.

    Die Abgrenzung des Begriffs wird als äußerst schwierig angesehen. Wo endet der „normale" Berufs-oder Tätigkeitswechsel und wo beginnt der Quereinstieg? Darüber hinaus scheitern die Ideen, wie man sich dem Thema wissenschaftlich nähern könnte, auch an der Datenlage.

    Denn tatsächlich ist es nicht möglich, zahlenmäßig genau zu benennen, wie viele Quereinsteiger es überhaupt in deutschen Unternehmen gibt. Wie ihr Werdegang ist, was sie für Erfahrungen als Quereinsteiger gemacht haben, welche Herausforderungen sie meistern mussten. Auch Rückfragen bei der Bundesagentur für Arbeit ergeben ein ernüchterndes Bild.

    Quereinsteiger werden nämlich nicht wirklich als solche datenmäßig tatsächlich erfasst. Trotz intensiver Recherche und Kontakt zu den Verantwortlichen scheitern verlässliche Aussagen daran, dass das Phänomen Quereinsteiger noch nie wirklich mit einer eigenen flächendeckenden Auswertung oder Studie evaluiert wurde.

    Ebenso wenig ist valide belegt, ob sich für Quereinsteiger ein Wechsel lohnt – persönlich wie finanziell. Obwohl und gerade weil Quereinsteiger eine Menge Zeit, Geld und persönliche Ressourcen in einen Wechsel investieren.

    Wir könnten in Deutschland viele offene Stellen sehr wohl besetzen, wenn wir diesen 1,2 Mio. aller Beschäftigten bei ihrem Wechsel im Beruf offen gegenüberstehen und ihnen tatkräftig helfen würden. Nach Ansicht der Autorin fehlt in Deutschland der Mut, Wissen und Können von erworbenen Leistungsnachweisen zu trennen. Gehälter sind immer noch an möglichst langjährige Berufserfahrung, Aufstiegs- und Einstiegschancen immer noch grundlegend an Leistungsnachweise gekoppelt.

    Das starre System der Abschottung, in das viele Berufe in Deutschland gepresst sind, bekommen vor allen Dingen die Absolventen dualer Ausbildung häufiger als je zuvor zu spüren. Dies, obwohl Instrumente wie die duale Ausbildung mit dem Ziel politisch propagiert wurden, gerade berufliche Flexibilität in Zeiten von Demographie und Fachkräftemangel zu fördern. Und damit sollte ein Klima für Veränderung und Innovation geschaffen werden, bei dem berufliche Quereinsteiger eine entscheidende Rolle spielen sollten.

    Die Frage ist, wie das geschehen soll, wenn in den Köpfen der Unternehmenslenker kein Umdenken stattgefunden hat. Was muss passieren, dass Vorstände und Personalverantwortliche bereit sind, Quereinsteiger einzustellen, ohne für beide Seiten eine exotische Situation zu schaffen. Wie schaffen wir es, dass die Physikerin eben nicht immer Physikerin bleiben muss, weil sie auch in anderen beruflichen Bereichen als in der Physik deutlich bessere Ergebnisse bringen könnte?

    Dieses Buch widmet sich der Beantwortung dieser Fragen.

    Wir brauchen Quereinsteiger am deutschen Arbeitsmarkt, weil wir in Zeiten des demographischen Wandels bereits jetzt mehr als nur Engpässe in den relevanten Branchen des Arbeitsmarktes haben.

    Die Bereitschaft Quereinsteiger einzustellen, muss in den Köpfen der Vorstände und Personalverantwortlichen fest verankert werden und darf kein Exoten-Thema mehr sein.

    Quereinsteiger steigern durch neue Denk- und Handlungsansätze Umsatz, Gewinn und Innovationsfähigkeit.

    Der Ausbildungs- und Hochschulmarkt muss sich in seinen gesetzlichen Voraussetzungen dieser veränderten Situation anpassen und die Rahmenbedingungen schaffen

    1.2 Abgrenzung des Begriffs ‚Quereinsteiger ‘

    Im täglichen Sprachgebrauch ist der ‚Quereinsteiger‘ oder auch ‚Seiteneinsteiger‘ eine Begrifflichkeit, die wir vermeintlich schnell einordnen können.

    Klar doch, Quereinsteiger, das sind doch die, die beruflich nicht das machen, was sie irgendwann einmal gelernt haben.

    Aber kennen wir nicht auch alle das Phänomen, zu nicken und bei kritischer Betrachtung zu einer Definition doch mit den Schultern zucken zu müssen?

    Everyone knows what satisfaction is, until asked to give a definition. Then it seems, nobody knows.³

    Was also ist überhaupt ein beruflicher Quereinsteiger, ein Seiteneinsteiger?

    Sicher sind es keine Menschen, die ‘plötzlich da sind und im schlimmsten Fall anderen die Arbeitsplätze wegnehmen, die brav in der Reihe gewartet haben‘.

    Quereinsteiger oder auch Seiteneinsteiger sind nach derzeitigem gängigem Sprachgebrauch Personen, die aus einer fremden Sparte/Branche in ein neues Betätigungsfeld wechseln, ohne die für diese Tätigkeit sonst allgemein übliche „klassische" Berufsausbildung/Studium absolviert zu haben.

    Unternehmerische Vertreter, die im Tagesgeschäft Bewerber mit einem ‚beruflichen‘ Auge betrachten, definieren Quereinsteiger wie folgt:

    Nach unserem Verständnis ist ein Quereinsteiger jemand, der nicht in dem Berufsfeld tätig ist, für das er ausgebildet wurde. Berührungspunkte zwischen dem Ausbildungsberuf und der Quereinsteiger-Tätigkeit sind aber fast immer erkennbar. Softskills und Flexibilität werden geschätzt, wiederverwendbare Erfahrungen des Mitarbeiters, wie zum Beispiel im Projektmanagement, werden gewürdigt und lassen dem Quereinsteiger eine Chance, die jemand von außen nicht bekommen würde. Andere Treiber sind aus unserer Sicht Veränderungen in den Berufsbildern – sei es, das diese wegfallen oder sich über evolutionäre Veränderungen hinaus entwickeln: Ganze Berufsgruppen können so gezwungen sein, sich mit ihren verwertbaren Fähigkeiten, Kenntnissen und Neigungen völlig neu zu orientieren. Wir schätzen die Quereinsteiger aus Leidenschaft: Berufstätige, die sich aus elterlichen Leitbildern heraus für eine bestimmte Berufsausbildung entschieden haben – aber final doch ihrer beruflichen Leidenschaft folgen. Hier könnte man im Vorfeld mit der richtigen, weil persönlich favorisierten Berufswahl, deutlich schneller Karriere machen als über den Umweg über einen ungeliebten Beruf.

    Das ist sicher allgemeinverständlich, lässt aber einen wichtigen Aspekt außer Acht: Den der Freiwilligkeit. Denn ‚Quereinsteiger‘ sind ja Arbeitnehmer, die sich nicht im Rahmen der ‚klassischen‘ Karriereleiter innerhalb ihres Berufslebens verändern. Sondern sie sind vielmehr Mitarbeiter in Unternehmen, die sich in Positionen wiederfinden, die nichts oder nur sehr wenig mit ihrem ursprünglich erlernten Beruf zu tun haben.

    Diesen Aspekt berücksichtigt dagegen die Bundesagentur für Arbeit bei der Bitte um den Versuch einer Definition. Nach ihrem Verständnis ist ein Quereinsteiger…

    … jede Erwerbsperson, die bewusst, freiwillig oder unfreiwillig (zum Beispiel aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus) nach einer beruflichen Neuorientierung sucht und die bereit ist, neben beruflicher Erfahrungen insbesondere ihre persönlichen Talente, Softskills und Lebenserfahrung gezielt in eine für sie neue Tätigkeit einzubringen, für die sie nicht über eine formale Qualifikation im Sinne eines Studien- und/oder Berufsabschlusses nach einer Studien- oder Berufsordnung verfügt.‘

    Wagen wir in der Summe der Darstellungen eine eigene Definition:

    Quereinsteiger sind Arbeitnehmer, die sich freiwillig oder unfreiwillig neu in einem beruflichen Umfeld orientieren, für das ihnen die formale Qualifikation im Sinne eines Studien- und/oder Berufsabschlusses gemäß einer Studien- oder Berufsordnung fehlt.

    Damit ist klar, dass Quereinsteiger beruflich etwas tun, wofür ihnen de facto nach allgemeinem Verständnis die Kompetenz fehlt. So mag man meinen. Denn damit sind wir eigentlich auch schon direkt mitten im Dilemma.

    Denn es geht im Kern darum, dass Menschen sich in Berufe einbringen, für die ihnen die entsprechende Ausbildung fehlt. Und die hat ja nicht immer mit Kompetenz zu tun. Nur weil jemand mal in seinem Leben Goldschmied gelernt hat, seine Ausbildung sauber mit Gesellenbrief und Lehrstück absolviert hat, muss er nicht unbedingt ein guter Goldschmied sein und damit in seinem Berufsbild ein kompetenter Mann.

    Berufe sind aber in Deutschland ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft und Wirtschaft. Alle Beteiligten in der Arbeitswelt, wie Arbeitgeber, Verbände, politische Institutionen, Arbeitsämter oder Einrichtungen des beruflichen Bildungssystems nutzen Berufsbezeichnungen als Orientierungshilfe.

    Das war bis vor kurzem auch kein Problem, denn eine Berufsbezeichnung war bislang in der Lage, für Außenstehende die Komplexität der Arbeitswelt in einer verständlichen Form zu komprimieren. Jeder konnte sich zum Beispiel unter der Berufsbezeichnung ‚Einzelhandelskaufmann‘ etwas vorstellen und das Berufsbild selbst als Laie grob in Branchen, tarif- und gesellschaftlichen Themen einordnen.

    Was aber ist, wenn ein Quereinsteiger, nachweislich als kompetenter Vertriebler positioniert, aber nie das ‚Handwerk‘ des Verkaufens erlernt hat? Wie ist sein ‚Handwerk‘ einzuordnen, wie ist seine berufliche Position zu bewerten? Jemand, der sich getraut hat und einfach losgelegt hat, dabei über Gebühr erfolgreich ist, und dann am Ende quasi eine Hilfskraft ist?

    Quereinsteiger sind mutige Menschen.

    In Deutschland ist Mut immer da ein medienwirksames Thema, wo Menschen etwas tun, was man nicht von ihnen erwartet hätte: Einen anderen unter Einsatz des eigenen Lebens retten. Politischen Widerstand leisten. Seine Liebe auf besondere Weise zeigen.

    Aber ein Berufswechsel? Was ist dran mutig, wenn aus einer Frisörin eine Rechtsanwältin wird? Danny Lowinski begeistert mit dieser Erwerbsbiographie Woche für Woche viele Fernsehzuschauer. Die konkrete Umsetzung, sich beruflich zu verändern, ist in einem solchen Kontext nicht mutig, sondern sexy und hipp. Schließlich kann es so ja nur besser werden. Aber mutig?

    Was soll schon mutig daran sein, sich ganz neu beruflich zu orientieren?

    Schlicht und ergreifend die Tatsache, dass die meisten Quereinsteiger überhaupt nicht wissen, was sie nach ihrem Wechsel perspektivisch erwartet. Denn erst im laufenden Bewerbungs- und Einstellungsverfahren kristallisiert sich doch heraus, ob es für sie eine erfolgreiche Ausgangsbasis gibt oder nicht. Und das ist in einem Land wie Deutschland, wo Arbeit und Erfolg in direkter Korrelation stehen, ganz schön mutig.

    Viele Arbeitnehmer in Deutschland kennen das Gefühl, wenn plötzlich aus dem bis dato gutdotierten Job eine Wackelposition wird. Wenn Betriebsübernahmen, Zerschlagung von Unternehmen oder schlicht Stellenabbau aufgrund schlechter Konjunktur das Leben von Grund auf verändern. Die letzten dreißig Jahre haben den deutschen Arbeitsmarkt ordentlich verändert und manche Erwerbsbiographie durcheinander gewirbelt.

    Aus einem gut dotierten Job, der den Lebensunterhalt sichert, auszubrechen, um etwas völlig Neues zu beginnen, ist daher mehr als mutig. Denn es kann auch fürchterlich schief gehen. Oder um im Medienkontext zu bleiben: Wer bei ‚Deutschland sucht den Superstar‘ nach Bohlenscher Manier der Blamierte ist, wird sich in diesem Metier eher nicht mehr auf das Parkett wagen. Wer den Schaden hat, braucht ja bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Geht die neue Berufsexistenz schief, wird es schwer, in den alten Job zurück zu kehren. Und noch schwerer, in einem neuen Fuß zu fassen. Und trotzdem wagen es viele. Manche freiwillig, andere werden in das Wechsel-Karussell gesetzt und werden nicht immer freiwillig zum Quereinsteiger.

    Denn anders als bei Dieter Bohlen geht es den Menschen nicht um das Rampenlicht, sondern um eine Existenzgrundlage. Jeder mutige Quereinsteiger sucht zunächst die neue berufliche Orientierung und öffnet sich für Veränderung

    Wenn sich also jemand entschließt – freiwillig oder nicht –, eine berufliche Veränderung vorzunehmen, dann bringt er Bewegung in seine Erwerbsbiographie . Und diese Bewegung bedeutet Mobilität .

    Nun ist uns der Begriff der Mobilität ähnlich geläufig wie der des Quereinsteigers, wir vermögen ihn zu erklären und auch einzuordnen. In der Wissenschaft kann Mobilität im Zusammenhang mit beruflicher Neu-Orientierung unterschiedlich zu interpretieren sein.

    Es kann sein, dass sich der Berufstätige durch Aufnahme einer neuen Tätigkeit räumlich bzw. örtlich verändert. Das ist hier aber nicht gemeint. Vielmehr interessiert uns die vertikale oder horizontale Mobilität von Berufstätigen im Zusammenhang mit Quereinsteigern.

    Von vertikaler Mobilität spricht man normalerweise, wenn es um eine Veränderung in der beruflichen Positionierung eines Arbeitnehmers geht. Im Fokus solcher wissenschaftlicher Betrachtungen geht es dann um Auf- und Abstiegsprozessen innerhalb beruflicher Strukturen, und somit um Veränderungen der beruflichen Positionierung.

    Klassischer Weise fällt hierunter beispielsweise der Wechsel vom Einzelhandelskaufmann zum Filialleiter. Oder die berufliche Weiterentwicklung vom Bilanzbuchhalter zum Leiter Finanz- und Rechnungswesen. Also berufliche Veränderungen, die wir als Aufstiegschancen innerhalb von Organisationen oder Unternehmen wahrnehmen. Wenn also die ‚turnusmäßige‘ Beförderung eines Kollegen erwartungsgemäß eintritt oder durch zusätzliches Engagement des Arbeitnehmers befördert wird.

    Beim Thema Quereinsteiger steht die horizontale berufliche Mobilität als wissenschaftliche Variable in der Betrachtung.

    Damit ist der tatsächliche Wechsel des berufsfachlichen Zuschnitts einer Tätigkeit gemeint. Hierbei geht es nicht um Veränderungen der beruflichen Positionierung, sondern um den Wechsel des berufsfachlichen Zuschnittes der Tätigkeit (zum Beispiel, wenn der Kfz-Schlosser in eine berufliche Tätigkeit als Fachverkäufer im Einzelhandel in ein Autohaus wechselt).

    Die horizontale berufliche Mobilität stand bis dato noch nicht wirklich im Fokus der Forschung. Das ist nicht dem fehlenden Interesse an diesem Thema geschuldet. Es ist vielmehr so, dass sich viel Prosa um die Definition und Interpretation des Themas windet. Lediglich Analysen, die versuchen, die These einer zunehmenden ‚Entberuflichung ‘ des deutschen Arbeitsmarktes zu widerlegen, sind häufiger anzutreffen.¹⁰ Dabei sind diese Berufsmobilitätsanalysen auch ein wichtiger Baustein der Arbeitsmarktforschung. Denn horizontale berufliche Mobilität – verstanden als Wechsel zwischen verschiedenen beruflichen Tätigkeiten im Erwerbsleben – wird zunehmend als notwendiger Prozess zur Verarbeitung eines sich beschleunigenden technischen und arbeitsorganisatorischen Wandels betrachtet.¹¹ Eine ganze Reihe von Arbeitsmarktexperten sieht in der sich wandelnden Arbeitswelt auch die ständige Anpassung bzw. Auflösung tradierter Berufsbilder.

    Da aber in der Forschung der Begriff des ‚Berufes‘ bis dato noch nicht hinreichend definiert ist, wie soll dann das Phänomen ‚Beruf‘ fassbar und erlebbar gemacht werden?¹²

    Bis heute können wir ja nicht einmal eindeutig definieren, was unter dem Begriff ‚Beruf‘ zu verstehen ist und das trotz der hundertjährigen Tradition der Berufssoziologie.¹³

    Und da ist es wieder – das Phänomen der scheinbaren Leichtigkeit der alltäglichen Begriffe: So selbstverständlich im Alltag vom Beruf die Rede ist und so deutlich und unübersehbar dort seine Spuren sind, so schwer tut sich die Wissenschaft, wenn sie das Berufsphänomen dingfest machen will.¹⁴

    Dennoch ist es für unsere Betrachtung der Quereinsteiger am deutschen Arbeitsmarkt wichtig, die vorhandenen Begrifflichkeiten sauber auseinander zu halten.

    In der soziologischen Forschung hat sich zwischenzeitlich die Berufsdefinition von Beck, Brater und Daheim durchgesetzt, wonach Berufe als „relativ tätigkeitsunabhängige, gleichwohl tätigkeitsbezogene Zusammensetzungen und Abgrenzungen von spezialisierten, standardisierten und institutionell fixierten Mustern von Arbeitskraft¹⁵ betrachtet werden. Sicher keine einfache Definition. Aber wenn es um die Klassifizierung der Berufe geht, wird es auch nicht wirklich einfacher.

    ‚Beruf ‘ nämlich wird als eine Tätigkeit, „die auf Erwerb gerichteten, charakteristischen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie Erfahrungen erfordernden und in einer typischen Kombination zusammenfließenden Arbeitsverrichtungen‘ verstanden, durch die der Einzelne an der Leistung der Gesamtheit im Rahmen der Volkswirtschaft mit schafft.¹⁶ Damit werden die tatsächlich ausgeübten beruflichen Tätigkeiten in den Vordergrund gestellt, nicht eine Definition im soziologischen Sinne.

    In Teilen der Wissenschaft wird zwischenzeitlich argumentiert, dass der Beruf auf dem deutschen Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung verliert, was sich empirisch insbesondere in einer sinkenden Ausbildungsbereitschaft der Industrie oder einem sinkenden Anteil von Auszubildenden im dualen System zeige.¹⁷ Mittlerweile weiß man aber, dass der erlernte Beruf auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nach wie vor außerordentlich bedeutsam ist, wenn der Arbeitnehmer dann auch den

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