Next Generation (E-Book): Selbstgesteuert und projektbasiert lernen und arbeiten bei Swisscom
Von Antje Barabasch, Anna Keller und Marc Marthaler
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Über dieses E-Book
Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Wer einen Einblick in den Ausbildungsbetrieb bei Swisscom wagt, gerät ins Staunen: Hier ziehen die Lernenden eigene Projekte auf, verwirklichen ihre Ideen und lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Sie sind agil, übernehmen Verantwortung und lernen aus ihren Fehlern. Die "Next Generation" lernt und arbeitet selbstgesteuert und projektbasiert in Teams. Sei es im Betrieb, in Coworking-Spaces, von unterwegs oder im Homeoffice. Kein Wunder, dass die Lernenden bei Swisscom hochmotiviert sind.
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Buchvorschau
Next Generation (E-Book) - Antje Barabasch
Teil 1
Die Telekommunikationsbranche, Swisscom und die betriebliche Berufsbildung
1Swisscom – eine Entwicklungsgeschichte
Woher wir kamen, und wo wir heute stehen
Eines vorweg: Lernende beziehungsweise Lehrlinge, wie sie damals noch hießen, wurden bereits zu Zeiten der Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) ausgebildet. Doch bevor wir dieses Thema vertiefen, werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die Geschichte und Entwicklung von Swisscom.
In den 1980er-Jahren wurde in der Schweiz vermehrt die Monopolstellung der PTT im Fernmeldebereich kritisiert, was letztlich zum Fernmeldegesetz von 1991 führte. Die neue PTT-Unternehmensstrategie richtete die Bereiche Post und Telekommunikation stärker auf ihre eigenen Märkte aus. Die sogenannte PTT-Reform führte 1990 eine Kostentransparenz ein, welche die Quersubventionierung, also die Unterstützung des Departements Post durch das Departement Fernmeldedienste, beendete. Das Unternehmen wurde 1993 in Post PTT und Telecom PTT aufgeteilt. Sein neues Selbstverständnis visualisierte der Telekombereich nicht nur mit einem neuen Logo, in dem der Schriftzug «Telecom» dominierte, sondern er versuchte sich anschließend auch mit mehreren ausländischen Beteiligungen zu profilieren, die jedoch wenig erfolgreich verliefen. In der Schweiz entwickelte sich das 1996 eingeführte Internetportal Blue Window rasch zum schweizerischen Marktleader.
Mit Inkrafttreten des neuen Fernmeldegesetzes von 1997 kam es zu einer Deregulierung des Schweizer Telekommunikationsmarkts, und infolgedessen teilte sich die PTT in die Schweizerische Post, als öffentlich-rechtliche Anstalt, und Swisscom AG, als Aktiengesellschaft, auf. Die Börsennotierung des Telekombereichs führte das ehemals monopolistische, staatsgegründete Unternehmen in die marktwirtschaftliche Selbstständigkeit. Die Liberalisierung brachte neue Herausforderungen; sie bot aber auch Chancen. Damit begann die bis heute anhaltende Umgestaltung des Unternehmens. Eigentlich wurde Swisscom mit dem Börsengang «agil», denn der Wettbewerb der Telekommunikationsunternehmen in der Schweiz führte zu effizienterem Arbeiten, einer stärkeren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden und Kundinnen und vor allem: zu vielen Innovationen. Und das ist bis heute so, doch hierzu später mehr.
Die Struktur von Swisscom wurde deutlich verändert. Seit Januar 2008 sind alle operativen Tätigkeiten der Swisscom AG in der Schweiz in die Swisscom (Schweiz) AG ausgegliedert worden. Während die Swisscom AG seit diesem Zeitpunkt als reine Holding[1] fungiert, umfasste das Tätigkeitsfeld ihrer hundertprozentigen Tochtergesellschaft Swisscom (Schweiz) AG die bisherigen Gruppengesellschaften Swisscom Fixnet,[2] Swisscom Mobile[3] und Swisscom Solutions,[4] deren Aktivitäten neu nach Kundensegmenten in die Geschäftsbereiche Privatkunden, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Großunternehmen gegliedert wurden. Zudem wurden die bisher getrennten IT-Plattformen und die Festnetz- und Mobilfunkinfrastrukturen im Bereich «IT, Network & Infrastructure» zusammengeführt.
Swisscom wurde dynamischer und zukunftsorientierter, und das sollte auch das neue Markenbild verdeutlichen. Seit 2008 ist das Logo ein zentraler Bestandteil des Markenauftritts und verleiht Swisscom eine unverwechselbare Identität. Es setzt sich aus der Wortmarke «swisscom» und der Bildmarke, der sogenannten «Lifeform», zusammen, die sich um die eigene Achse dreht. Die bewegte Bildmarke war ein Novum für die Schweiz und für die Branche; sie visualisiert den konstanten Dialog mit dem Umfeld, die kontinuierliche Bewegung und die Notwendigkeit, sich ständig zu entwickeln.
Auch wenn der Begriff der agilen Organisation eher neueren Datums ist, wurde 2008 bereits veranschaulicht, wie die Liberalisierung aus einem eher starren Betrieb eine dynamische Unternehmung macht, die stetig in Bewegung ist und etwas bewegen will. Swisscom ist heute ein Unternehmen, das die Segmente Telekommunikation, Informatik, Multimedia und Entertainment umfasst, und dafür war eine übergeordnete Dachmarke notwendig, die alle Segmente vereint.
Logos ab 1940[5]
Die letzte Dekade stand nun ganz unter dem Stern der Digitalisierung, vorangetrieben durch den massiven Ausbau des Glasfasernetzes und den Einstieg ins TV-Geschäft. Swisscom betrieb die Mobilfunknetze der zweiten (GSM/EDGE), dritten (UMTS/HSPA+) und vierten Generation (LTE/4G+), und aktuell wird der neue Mobilfunkstandard 5G in Betrieb genommen (Stand: Oktober 2019).[6] Von einem ehemals reinen Telekommunikationsanbieter hat sich Swisscom zu einem führenden IT-Unternehmen der Schweiz entwickelt.
Mit insgesamt 19 500 Mitarbeitenden, darunter über 900 Lernenden, 10 Trainees und rund 100 Hochschulpraktikantinnen und Hochschulpraktikanten, ist Swisscom heute nicht nur eines der großen nationalen Unternehmen, sondern auch ein Global Player, was das Unternehmen nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt der Aufgaben zu einem interessanten Arbeitgeber und Ausbildungsanbieter macht (Stand: Ende September 2019). Etwa ein Drittel der Mitarbeitenden steht täglich im direkten Kontakt zu Kundinnen und Kunden, sei es im Verkauf oder im Bereich Kundenservice. Swisscom umfasst per 2019 vier Geschäftsbereiche und fünf Konzernbereiche. Der Konzern umfasst weiter den Geschäftsbereich Digital Business sowie Konzerngesellschaften wie die Fastweb S. p. A., die italienische Tochtergesellschaft in Italien.[7] Trotz eines gewissen Trends zur Globalisierung ist Swisscom bis heute ein vorrangig schweizerisches Unternehmen, denn rund 80 Prozent des Nettoumsatzes und des Betriebsergebnisses vor Abschreibungen (EBITDA) werden in der Schweiz erzielt.
Innovation als Ansporn und Passion
Das Marktumfeld von Swisscom hat sich in den letzten Jahren stark verändert. 75 Prozent des Umsatzes werden heute mit Produkten generiert, die es vor zehn Jahren noch nicht im Portfolio gab. Zu den Produkten von Swisscom gehört das Angebot von Mobilfunk, Festnetz, Internet und Digital-TV. Das Unternehmen gehört schweizweit auch zu den größten Anbietern für IT-Dienstleistungen in den Bereichen Cloud, Sicherheit (Security), Internet of Things (IoT) und Business-Applikationen. Es sorgt für den Bau und Unterhalt der Mobilfunk- und Festnetzinfrastruktur, verbreitet Rundfunksignale und ist überdies im Banken-, Energie-, Unterhaltungs-, Werbe- und Gesundheitsbereich tätig.
Die zunehmende Vernetzung von Mensch und Maschine, sich verändernde Kundenbedürfnisse und die steigende Bedeutung von Sicherheit und Datenschutz bedingen, dass Unternehmen dem Zahn der Zeit immer einen Schritt voraus sein und den technologischen Fortschritt selbst weiter vorantreiben müssen. Nicht nur Endgeräte, wie zum Beispiel Smartphones, benötigen laufend neue Updates ihrer Software, auch ihre Hardware wird oft im Jahresrhythmus erneuert. Das beschleunigte Tempo der Veränderungen erzeugt einen hohen Innovationsdruck. Hier sind Kreativität und Flexibilität, Ideenreichtum und Offenheit der Mitarbeitenden in höchstem Maße gefragt, damit die Schweiz wettbewerbsfähig bleibt und weiter an der Spitze mithalten kann. Globale Internetfirmen nutzen ihre Skalenvorteile und drängen in lokale Märkte der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT, Information and Communication Technology). Als Markt-, Technologie- und Innovationsführerin will sich Swisscom auch weiterhin im umkämpften Kerngeschäft behaupten und Produkte und Preise bieten, die die technischen Entwicklungen allen Menschen zugänglich machen. Themen wie Smart Data, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Smart City, Smart Home oder eSports erfordern Einfallsreichtum und hohes technisches Know-how. Und natürlich schläft auch die Konkurrenz nicht. Neue Angebote und Produkte kommen manchmal rasend schnell auf den Markt, und Swisscom ist gefordert, erfolgreich mitzuhalten oder Vorreiterin zu sein. Kreative Ideen sollen deshalb zu kommerziell nutzbaren Innovationen führen. Überhaupt ist Innovation das, was zählt, um im Kerngeschäft relevant zu bleiben, in neuen Themenfeldern zu wachsen oder interne Arbeitsabläufe zu digitalisieren. Innovativ sein heißt deshalb, ständig am Ball zu bleiben und strategische Herausforderungen, neue Wachstumsfelder sowie künftige Kundenbedürfnisse früh zu erkennen. Dafür kooperiert Swisscom über die Unternehmensgrenzen hinaus mit Partnern wie Hochschulen, Start-ups und etablierten Technologieunternehmen. Hierfür werden verschiedene Innovations- und Entwicklungsansätze wie Open Innovation, Cooperations, Ventures oder Enabling Services verwendet.[8] Welche Innovationen schließlich daraus resultieren, ist uns als Kunden und Kundinnen oft gar nicht bewusst. Dass meine Ferienfotos unmittelbar und automatisch in der myCloud gesichert werden, dass ich praktisch überall meine E-Mails über das (mobile) Datennetz von Swisscom bearbeiten oder auf der Zugfahrt die Lauberhornabfahrt über Swisscom TV anschauen kann, ist aber nichts anderes als das Resultat innovativer Entwicklungen, an denen Menschen jeden Tag mit viel Herzblut bei Swisscom arbeiten. Und diese Mitarbeitenden gilt es für den Wandel und die damit verbundenen Veränderungen zu begeistern und auf die digitale Reise mitzunehmen.
Rahmenbedingungen einer neuen Arbeitswelt
Wandel und Veränderungen im Unternehmen erfordern, dass Mitarbeitende über immer wieder neue Kompetenzen verfügen. Dazu kommt, dass zunehmend unabhängig von Zeit und Ort gearbeitet wird. Dies ermöglicht es, Arbeit und Freizeit flexibel einzuteilen. Die neue Beweglichkeit nimmt zu und kann sehr motivierend sein. Auch neue Arbeitsmethoden schaffen Abwechslung im Arbeitsleben. Der Trend geht zurzeit in Richtung einer Zunahme von temporärer und projektbezogener Arbeit, die manchmal auf virtuellen Jobbörsen angeboten wird. Dies führt zu mehr «Patchwork»-Tätigkeitsprofilen, die herausfordernd sind, aber auch neue Entwicklungschancen bieten. Die Sharing Economy hält Einzug in Unternehmen, das heißt, verschiedene Arbeitsbereiche «teilen» sich ihre Mitarbeitenden. Und immer öfter werden Mitarbeitende, die über gesuchte spezifische Kompetenzen verfügen, auf internen oder externen Marktplätzen gefunden. Als zukunftssichere Kompetenzen gelten Kreativität und soziale Fähigkeiten. Dies zum einen, weil sie für die Ausübung vieler Aufgaben der Zukunft notwendig sein werden, und zum anderen, weil kreative Menschen mit sozialen Fähigkeiten gegenüber Maschinen im Vorteil sind beziehungsweise weil ihre Arbeit durch die zunehmende Automation nicht bedroht ist.
Die durch die Digitalisierung geforderte Flexibilität und Geschwindigkeit bezieht sich nicht nur auf technologische Entwicklungen, sie bedingt auch ein Umdenken in der Führungs- und Unternehmenskultur. Technische Neuerungen im Unternehmen allein nützen wenig, wenn nicht ein konkreter Bedarf damit verbunden ist. Technischer Fortschritt, der nur zu Spielereien führt, wird von Mitarbeitenden häufig kaum akzeptiert. Für sie zählt, wie sie sich selbst einbringen können, und dies muss in einer offenen, transparenten und partizipativen Unternehmenskultur kommuniziert werden.
Flexibles Arbeiten ist bei Swisscom ein großes Thema; Arbeitsformen wie Work-Anywhere, Homeoffice oder Teilzeitpensen sind weit verbreitet, und Mitarbeitende haben Anspruch auf bis zu fünf Weiterbildungstage im Jahr. Die flexible Arbeitszeitregelung ermöglicht es, die Bereiche Arbeit, Haushalt und Familie, Freizeit und Bildung besser zu kombinieren. Mutter- und Vaterschaftsurlaub sind familienfreundliche Angebote, die für viele das Weiterlernen und Weiterarbeiten vereinfachen oder überhaupt erst möglich machen.
Aus- und Weiterbildungen haben grundsätzlich einen hohen Stellenwert im Unternehmen und werden von vielen Mitarbeitenden in Anspruch genommen, wobei sowohl in formalen als auch in nonformalen und informellen Zusammenhängen gelernt wird. Sich kontinuierlich weiterzubilden, ist eine wichtige Voraussetzung, um im Denken und Handeln beweglich zu