Jump in (E-Book): Verantwortungsvoll lernen und arbeiten bei der Schweizerischen Post
Von Antje Barabasch, Anna Keller und Bruno Schumacher
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Über dieses E-Book
Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Wer einen Einblick in den Ausbildungsbetrieb der Schweizerischen Post wagt, gerät ins Staunen: Hier werden die Lernenden früh in den Arbeitsprozess integriert und dürfen selbstständig arbeiten; sie können im Rahmen eigener Projekte Erfahrungen in verschiedenen Teamrollen und dem Projektmanagement sammeln oder aber bei -kreativ werden. Von Anfang an wachsen sie hinein in die Postfamilie, die ihnen nicht nur zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch eine Perspektive bietet.
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Buchvorschau
Jump in (E-Book) - Antje Barabasch
Antje Barabasch, Anna Keller, Bruno Schumacher
Jump in
Verantwortungsvoll lernen und arbeiten bei der Schweizerischen Post Neue Lernkulturen in der Berufsbildung
ISBN Print: 978-3-0355-2019-4
ISBN E-Book: 978-3-0355-2020-0
Bilder: Die Schweizerische Post AG
1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© 2022 hep Verlag AG, Bern
hep-verlag.com
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Zum Geleit
Teil 1Die Schweizerische Post und ihre Berufsbildung
1Die Schweizerische Post – eine Erfolgsgeschichte
2Berufsbildung bei der Post
3Einblicke in die gelbe Zukunft
Teil 2Gelbes Blut – Innenansichten zur Berufsbildung bei der Post
1Schnuppererlebnis bei der Post
2Jump in
3So bunt ist Gelb – oder schöne bunte Ausbildungswelt
4Du bist nicht allein – die Rolle der Bezugspersonen
5Miteinander auskommen
6Ich kann das
7Den Umgang mit Kund*innen lernen
8Kreativität und Innovation
9Digital kompetent
10Nicht alle haben es leicht
11Die Berufsbildung aktiv gestalten und stetig weiterentwickeln
12Wie geht es weiter?
13Gelb eingefärbt
Schlusswort
Anmerkungen
Über die Autor*innen
Vorwort
«Bei der Post zu arbeiten, fühlt sich an, wie im Backstage-Bereich eines großen Theaters zu arbeiten, wo alles ganz genau geplant wird, damit auf der Bühne die Show abgeht.» Diese Aussage einer unserer Lernenden zeigt, welch spannendes Umfeld wir jungen Mitarbeitenden in 18 verschiedenen Lehrberufen bieten können.
Das Bild der großen Bühne bringt es auf den Punkt – die Schweizerische Post gehört zu den bekanntesten Marken der Schweiz. Wir alle kommen tagtäglich mit ihr in Berührung: Wenn die Zustellerin die Briefe in unseren Briefkasten legt, wenn wir Pakete bestellen oder versenden, mit dem Postauto auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule sind oder wenn wir Finanzgeschäfte tätigen. Die Post ist ein fester Bestandteil unseres Alltags, ja Teil unserer Identität. Mit ihren Dienstleistungen und Produkten bringt die Post die Schweiz zusammen, sie verbindet Menschen und Unternehmen. Und das jeden Tag seit 1849.
Bei der Schweizerischen Post sind wir davon überzeugt, dass jeder Mensch die Kraft hat, etwas zu bewegen – im Kleinen wie im Großen und auf ganz persönliche Weise. Nach diesem Grundsatz richten wir auch unsere Berufsbildung aus. Die rund 2000 Lernenden der Post werden nicht einfach «nur» ausgebildet. Sie erhalten Freiräume, um Besonderes zu schaffen. Sie können Verantwortung übernehmen, unternehmerisch handeln und Eigeninitiative zeigen. Denn SIE sind die Post von morgen und damit ein wesentlicher Treiber von Innovation und Service public.
Genauso wie sich der Alltag und die Bedürfnisse unserer Kundschaft laufend verändern, passt sich auch die Post diesen Veränderungen an. Als drittgrößte Arbeitgeberin und auch drittgrößter Ausbildungsbetrieb der Schweiz gestalten wir diese Entwicklung aktiv und innovativ mit, innerhalb des Unternehmens ebenso wie in der Gesellschaft als tragende Säule der Berufsbildungslandschaft Schweiz.
Wir wissen: Megatrends wie Digitalisierung, steigende berufliche Mobilität oder demografischer Wandel fordern von Fachkräften neue Kompetenzen. Mit dem dualen Bildungsweg verfügt die Schweiz bereits über eine sehr vorteilhafte und international anerkannte Ausgangslage, um auf solche Veränderungen zu reagieren. Doch auch die Ausbildungsbetriebe sind individuell gefordert, die dafür erforderlichen neuen Kompetenzen gezielt zu entwickeln, um die Jugendlichen ideal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
Ausbildungsbetrieb zu sein, ist aber auch mit einer großen Verantwortung verbunden. Wir begleiten die Lernenden während eines sehr prägenden Lebensabschnitts und leisten so auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen und beruflichen Integration der Jugendlichen. Bei der Post sollen sie die Werte unserer Unternehmenskultur – «engagiert», «vertrauenswürdig» und «kundenzentriert» – verinnerlichen. Gleichzeitig sollen sie auch Lernfreude, Team- und Konfliktfähigkeit, Verlässlichkeit sowie Integrität entwickeln und im Berufsalltag leben. Insofern ist jede Berufslehre auch eine Lebensschule und damit ein wichtiges Puzzleteil der persönlichen Entwicklung, weit über die jobspezifische Fachkompetenz hinaus.
Wir haben aber auch den Anspruch, neue Berufsbilder anzubieten, diese mitzuprägen und dadurch unseren Teil zur Wettbewerbsfähigkeit der Post und der Schweizer Wirtschaft beizutragen. Dafür kooperieren wir eng mit Hochschulen sowie mit Partnerinstitutionen aus der Wirtschaft. Aus der Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB entstand die Idee für dieses Buch als gemeinsames Projekt der Wissenschaft und Wirtschaft, damit wirksame Modelle für die Praxis entstehen.
Es ist unser Ziel, den Lernenden eine individuelle Laufbahnentwicklung zu ermöglichen und ihnen die nötigen Kompetenzen mit auf den Weg zu geben. Wir fordern Engagement und bieten im Gegenzug vielfältige und spannende Möglichkeiten zur beruflichen und persönlichen Entfaltung. Dazu gehören überbetriebliche interdisziplinäre Angebote, selbst organisierte PowerTeams, Sozialeinsätze oder auch spezifische Ausbildungsangebote für besonders sportlich oder musisch begabte Jugendliche.
Und schließlich sind wir davon überzeugt, dass die Förderung von Vielfalt und Inklusion ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Deshalb sensibilisieren wir bereits unsere Lernenden bezüglich der sozialen und ökologischen Verantwortung und bieten beispielsweise auch Ausbildungsplätze für Jugendliche an, die in die Schweiz geflüchtet sind.
All diese verschiedenen Aspekte fließen in der Berufsbildung der Post zusammen. Das Ergebnis ist eine qualitativ hochstehende, vielfältige und nachhaltige Ausbildung mit spannenden Zukunftsperspektiven – heute wie auch morgen.
Valérie Schelker
Leiterin Personal, Mitglied der Konzernleitung
Die Schweizerische Post AG
Zum Geleit
Wie können Unternehmen angemessen, engagiert, zielgerichtet und modern junge Menschen auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt vorbereiten? Diese Frage beschäftigt uns an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) seit 2017. Sie führte und führt uns in verschiedene Schweizer Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Dort suchen wir nach innovativen Ansätzen in der betrieblichen Berufsbildung, wollen wissen, wie Lernende in der Welt der Arbeit sozialisiert werden, selbstständiges Arbeiten und Mitgestalten der Arbeitswelt erlernen und sich wichtige Kompetenzen in ihrem gewählten Beruf, aber auch für das Berufsleben ganz generell aneignen. Insbesondere die großen Schweizer Unternehmen bieten hier zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie diese Aufgabe gelingen kann. So führte uns eine Fallstudie zur Schweizerischen Post.
In unserem Buch zeigen wir, welche besonderen Arbeitsbedingungen die Post mit ihren Bereichen Logistik-Services, Kommunikations-Services, PostNetz, Mobilitäts-Services, Swiss Post Solutions und PostFinance kennzeichnen und wie die Berufsbildung dort organisiert ist. Zentral ist für uns die Frage: Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Unser Einblick in den Ausbildungsbetrieb Post ließ uns staunen: Hier werden die Lernenden früh in den Arbeitsprozess integriert und dürfen selbstständig arbeiten; sie können im Rahmen eigener Projekte Erfahrungen in verschiedenen Teamrollen und dem Projektmanagement sammeln oder aber bei IT-Projekten kreativ werden. Von Anfang an wachsen sie hinein in die Postfamilie, die ihnen nach Beendigung der Ausbildung Festanstellungen und zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Die Themen, die sich aus den Befragungen herauskristallisierten und uns beschäftigen, umfassen Rekrutierung und Onboarding der jungen Pöstler*innen, die vielfältige Gestaltung der Berufsbildung über verschiedene Berufe und Unternehmensbereiche hinweg oder die Betreuung der Lernenden und das Beziehungsmanagement. Auch Erfahrungen mit autonomem Arbeiten und der Kundenbetreuung, die Arbeit im Team, die Förderung der Kreativität und digitalen Kompetenz sowie der Umgang mit schwierigen Situationen werden thematisiert. Darüber hinaus sprechen wir über die Möglichkeiten der Zukunftsgestaltung und innovative Maßnahmen, die dazu beitragen, die Ausbildung zukunftsorientiert zu gestalten und an neuen Kompetenzen auszurichten. Angereichert werden unsere Schilderungen dazu durch die Aussagen der Beteiligten. Darüber hinaus erfahren Sie viel über die Geschichte des Unternehmens Post und die Gestaltung der Berufsbildung.
Die Schweiz als Land mit einer langen Tradition der dualen Berufsbildung ist seit geraumer Zeit Vorbild und Orientierung für andere Länder, die über die Gestaltung ihrer Berufsbildungssysteme nachdenken. Dabei ist längst bekannt, wie das duale System funktioniert, wer beteiligt ist, wie es finanziert wird und wie viele junge Erwachsene den Weg über diese Art der Qualifizierung einschlagen und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Viel weniger bekannt ist hingegen, warum es so gut funktioniert, eben auch völlig unabhängig von den Strukturen und Institutionen, die es tragen. Zu wenig wissen wir über den wichtigsten Teil der Ausbildung, nämlich den Teil, der im Unternehmen oder generell in der Arbeitswelt verbracht wird.
Wir Autor*innen kommen aus recht unterschiedlichen Kontexten. Antje Barabasch ist Professorin für Berufsbildung und leitet seit 2015 die Forschungsabteilung «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» und das Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik». Als Expertin für Berufsbildung hat sie zuvor unter anderem gut vier Jahre beim Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) gearbeitet sowie als Wissenschaftlerin an verschiedenen Hochschulen in Deutschland, USA und Kanada. Lange ging es ihr in der Forschung vor allem um die Analyse der Berufsbildungsstrukturen. Daraus erwuchs über die letzten Jahre ein starkes Interesse daran, mehr darüber zu erfahren, wie Berufsbildung tatsächlich in den Betrieben stattfindet und inwieweit dies auch eine Lernkulturfrage ist. Nach mittlerweile sechs großen Fallstudien in Schweizer Unternehmen ist sie fest davon überzeugt, dass Werte, Einstellungen und Überzeugungen der Akteur*innen für den Erfolg der Berufsbildung verantwortlich sind. Insbesondere in der Schweiz prägen sie die Strukturen des Systems. Deshalb scheint die Entwicklung einer modernen Lernkultur leitgebend für eine gelingende Berufsbildung.
Anna Keller ist Doktorandin und arbeitet an der EHB im Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik». Sie war von Beginn an in das Projekt zur Lernkultur von Unternehmen involviert und hat sich auf die Spur neuer Trends in der betrieblichen Ausbildung begeben. Insbesondere verfolgt sie dabei das Thema Coaching und fragt sich, wie dieser neue Betreuungsansatz auch in den beruflichen Schulen mehr zum Einsatz kommen könnte. Das Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität Bern und ihre Tätigkeit als Lehrerin sorgten für das pädagogische Hintergrundwissen im Projekt.
Bruno Schumacher ist seit fünf Jahren Leiter des Berufseinstiegs bei der Schweizerischen Post. Nach der abgeschlossenen Lehre als Kaufmann EFZ arbeitete er mehrere Jahre in der Kundenberatung eines Finanzinstituts, bevor er vor 20 Jahren als Ausbildner in die Berufsbildung einstieg und seither in der Berufs- und Erwachsenenbildung in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig ist, seit 2007 beim gelben Riesen. Lebenslanges Lernen lebt er vor, und er absolvierte regelmäßig berufsbegleitende Weiterbildungen in den Bereichen Betriebswirtschaft und Bildung, zuletzt mit einem CAS «Bildung in Organisationen strategisch und interkulturell führen». Seither spielen die Förderung und das Managen von Vielfalt, Integration und Inklusion eine wesentliche Rolle in seinem Wirken. Einen Beitrag zur Entwicklung von jungen Menschen zu leisten und die Gestaltung von Rahmenbedingungen für angstfreies Lernen ist die Triebfeder. Wie dies bei der Schweizerischen Post umgesetzt wird und welche Entwicklungsgeschichte, Werte und Haltungen dahinterstehen, beschreibt er in diesem Buch.
Lernkultur als Bestandteil einer Organisationskultur manifestiert sich vor allem in sozialen Interaktionen. Deshalb interessiert uns beim Verständnis innovativer Lernkulturen vordergründig das Handeln der Organisationsmitglieder und welche Ergebnisse sie damit erzielen. Obgleich Lernkulturen im Kern aus Normen, Werten, Einstellungen und Überzeugungen bestehen, sind diese jedoch nicht statisch, sondern ändern sich meist in der Interaktion mit anderen, also als Ergebnis der täglichen Arbeitserfahrungen und des Austauschs mit Kolleg*innen. Das Bewusstwerden über die unternehmensinterne Lernkultur kann sinnstiftend und in der täglichen Arbeit leitgebend sein. Die Untersuchung einer Lernkultur ist auf die Aussagen der Akteur*innen der Berufsbildung, ihre Interpretationen und die Interpretationen der Wissenschaftler*innen angewiesen. Dabei interessieren sowohl die Lernerfahrungen der Lernenden, die Interaktion mit ihren Betreuenden, aber auch die organisationalen Strukturen und Rahmenbedingungen. Eigentlich wird die Lernkultur täglich neu ausgehandelt und gestaltet. Ihre Veränderungen richten sich nach gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen, aber auch den für die Generation Z typischen Erwartungen und natürlich auch nach den Initiativen der Organisationsmitglieder. Dieser daraus entstehende permanente Erneuerungsprozess muss für das Gelingen der Berufsbildung ebenso an Berufsschulen, in überbetrieblichen Einrichtungen, den Organisationen der Arbeitswelt (OdA) und der Politik stattfinden.
Im Rahmen des Forschungsprojekts haben wir Lernende, Berufsbildende, regionale Berufsbildungsverantwortliche und Personen aus dem Management interviewt. Wir haben uns verschiedene Arbeitsstandorte und die Arbeit in ausgewählten Projekten angesehen, an Veranstaltungen, an denen Lernende beteiligt waren, teilgenommen und uns mit der Geschichte des Unternehmens beschäftigt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Dazu