Personalentwicklung in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen: Erfolgreiche Konzepte und Praxisbeispiele aus dem In-und Ausland
Von Renate Tewes
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Über dieses E-Book
Ratgeber für gelungene Personalentwicklung
Personalentwicklung ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Mitarbeiterstruktur in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen – insbesondere mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen. Weg vom „Gießkannenprinzip“ wird in vielen Einrichtungen der Nutzen eines strategischen Personalentwicklung-Konzeptes erkannt, das den einzelnen Mitarbeiter und die verschiedenen Berufsgruppen individuell fördert. Als ein Führungselement wird PE von leitenden Pflegenden gefordert. Dieses Handbuch unterstützt Sie, der Aufgabe gerecht zu werden und leitet an Personalentwicklung systematisch zu planen und nicht nur intuitiv anzuwenden. Das Herausgeberteam hat eine Vielfalt an gelungenen Personalentwicklungsmodellen für Gesundheitseinrichtungen aus dem In- und Ausland zusammengestellt und zeigt was in der Praxis wirklich funktioniert. Neben Grundlagen, Voraussetzungen für Personalentwicklung können der Entwicklungsbedarf und das Entwicklungspotenzial der Gesundheitseinrichtung bestimmt werden. Modelle und Konzepte für eine ganzheitliche Personalentwicklung werden vorgestellt. Den Hauptteil des Buches bilden die Praxisbeispiele rund um den Globus – wie z.B. aus Tübingen, Stuttgart, Australien, der Türkei und Finnland. Trends und innovative Ansätze geben einen Ausblick in die Zukunft. Eine Empfehlung für verantwortungsbewusste und vorausschauende Personalverantwortliche und Einrichtungsleitungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die langfristig und erfolgreich Personalentwicklung planen und umsetzen wollen.
Aber auch Studierende aus dem Bereich Pflegemanagement sowie interessierte Ärzte und Verwaltungsmanager mit Personalverantwortung finden in diesem Buch Inspiration für eine Personalentwicklung mit Zukunft.
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Buchvorschau
Personalentwicklung in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen - Renate Tewes
Teil 1
Nationale Einblicke und Best Practice
Renate Tewes und Alfred Stockinger (Hrsg.)Personalentwicklung in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen2014Erfolgreiche Konzepte und Praxisbeispiele aus dem In-und Ausland10.1007/978-3-642-37324-4_1
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
1. Personalentwicklung im Fokus von Kliniken und Pflegeeinrichtungen
Alfred Stockinger¹
(1)
Regensburg, Deutschland
Alfred Stockinger
Email: Alfred.Stockinger@klinik.uni-regensburg.de
Zusammenfassung
Modern human resources management and systematic HR development at hospitals and care homes is an essential task for the future. In addition to appropriate measures to combat skills shortages, the ongoing improvement of qualifications, development and promotion of employees are key aspects. The recruitment and retention of health care staff is a high priority. Consequently, the implementation of staff development at healthcare facilities is a central contribution to securing the future. It is now more important than ever to focus on binding tools for target agreements, potential assessment and career planning. A special eye must be paid to the selection and development of leaders. As managers play a crucial part in staff development, it is vital to constantly form and continue to train executives.
Modernes Personalmanagement und systematische Personalentwicklung (PE) in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ist die Aufgabe der Zukunft und beinhaltet neben geeigneten Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels die kontinuierliche Steigerung der Qualifizierung, Entwicklung und Förderung der Beschäftigten.
Verschiedene Studien und Analysen (Isfort u. Weidner 2010; PricewaterhouseCoopers 2010) haben sich eingehend mit dem zunehmenden Personalnotstand und dem wachsenden Bedarf an Pflege beschäftigt. Die Untersuchungen warnen als Folge des demografischen Wandels vor einem dramatischen Anstieg des Personalmangels in den kommenden Jahren sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich, bei Ärzten und nichtärztlichen Fachkräften.
Die steigende Anzahl älterer Menschen führt zu einer Zunahme der Patientenzahlen mit chronischen Erkrankungen und Multimorbidität. Die sich daraus ergebende erhöhte Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen stellt die Gesundheitssysteme vor neue Herausforderungen. Zusammen mit dem Strukturwandel in der Gesundheitswirtschaft führen diese Entwicklungen zu einer quantitativen Ausweitung und qualitativen Veränderung der Versorgungsbedarfe (Fendrich et al. 2010).
Im Hinblick auf die steigenden Anforderungen und den wachsenden Bedarf an Pflege gilt es, die gesundheitlichen Potenziale der Pflegenden zu bewahren und gezielt zu fördern. Wichtige Voraussetzungen sind hierfür neben angemessenen Arbeits- und Arbeitsschutzbedingungen die Schaffung eines förderlichen Betriebsklimas, in dem gegenseitige Wertschätzung und gute Arbeitsbeziehungen tragfähige Säulen darstellen, sowie ein gezieltes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM).
Mitarbeitergewinnung als kritischer Faktor
Die Gewinnung, Förderung und Qualifizierung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen wird zunehmend als kritischer Faktor für die künftige Entwicklung der Gesundheitssysteme erkannt. Dabei stellt sich die Frage, welche Qualifizierungsangebote für die Gesundheitsversorgungsberufe künftig benötigt werden, um angemessen auf demografische und epidemiologische Veränderungen zu reagieren. Die Übernahme komplexerer Aufgaben in der Gesundheitsversorgung erfordert die Fähigkeit das eigene professionelle Handeln auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis zu reflektieren und anzupassen (Wissenschaftsrat 2012).
Der Deutsche Bildungsrat für Pflegeberufe (DBR) hat in seinem Bildungskonzept (Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe 2007) die verschiedenen Entwicklungsnotwendigkeiten in der Berufsausbildung und in der hochschulischen Bildung aufgezeigt und begründet die Akademisierung der Pflegeberufe u. a. mit der Gewährleistung einer hohen pflegerischen Versorgungsqualität. In den vergangenen Jahren haben sich die Strukturen und Angebote der akademischen Pflegeaus- und -weiterbildung in Deutschland sowohl für die pflegerische Erstqualifikation im Rahmen eines dualen integrativen Bachelorstudiengangs als auch im Bereich weiterbildender Masterstudiengänge kontinuierlich weiterentwickelt. Eine Aufwertung der Pflegetätigkeiten ist erforderlich, um hoch qualifizierte Pflegende für anspruchsvolle Berufsfelder gewinnen zu können. Diesbezüglich steigt die Anzahl der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die mit Hochschulen Kooperationsverträge zur Zusammenarbeit bei der Kombination von Ausbildung und Studium in der Pflege vereinbaren und sich dabei die Chance eröffnen, von Anfang an die Akademisierung der Pflegeausbildung aktiv zu begleiten (Kooperationsbeispiele: Klinikum Ingolstadt mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt; Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel mit der Hochschule für Gesundheit Bochum (http.//www.ich-studiere-pflege.de) (Deutsche Krankenhausgesellschaft 2012).
Zweifellos haben die Diskussionen um den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen die Personalarbeit in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen mehr in den Mittelpunkt gerückt. Im Kontext der Personalentwicklung (PE) werden von den Personalverantwortlichen schwerpunktmäßig Maßnahmen zur Personalgewinnung und -bindung für den Pflegedienst erarbeitet und umgesetzt. Die Vielfalt und der Umfang unterschiedlicher Maßnahmen sind dabei abhängig vom Grad der Institutionalisierung der Personalentwicklungsfunktion im jeweiligen Unternehmen und reichen von Einzelaktivitäten im Fort- und Weiterbildungsbereich bis hin zu einer Vielzahl unterschiedlichster PE-Maßnahmen auf der Grundlage einer schriftlich festgelegen Personalmanagementstrategie.
1.1 Stellenwert von Personalentwicklung im Gesundheitswesen in Zeiten struktureller Veränderungen und Fachkräftemangel
Der Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen entwickelt sich immer mehr zu einem Arbeitnehmermarkt. Pflegefachkräfte haben mittlerweile die Wahl: Sie können sich für den Arbeitgeber entscheiden, der ihnen die besten Bedingungen bietet – denn der Konkurrenzkampf um gut ausgebildete Pflegefachkräfte ist groß. Daraus folgt unweigerlich, dass Kliniken und Pflegeeinrichtungen gezielte Anstrengungen zur Steigerung der Attraktivität und Verbesserung der Arbeitsqualität unternehmen müssen, um die richtigen Kandidaten zu gewinnen. Personalentwicklung setzt dann ein, wenn es darum geht, den gewonnenen Mitarbeiter erfolgreich in das Unternehmen einzubinden und seine fachlichen und persönlichen Kompetenzen voll zur Entfaltung zu bringen. An seiner Einarbeitung und Integration entscheidet sich, ob er sich mit seinen neuen Aufgaben sicher und im Unternehmen gut aufgenommen fühlt. Das gelingt nur mit einem strategisch ausgerichteten und alle Mitarbeiter umfassenden Personalentwicklungskonzept. Dieses wiederum setzt eine vorab festgelegte und zielgerichtete Unternehmensstrategie voraus. Neben einer eindeutigen Ziel- und Strategieformulierung für die Personalentwicklung sind ausreichende Mittel für die Aus-, Fort- und Weiterbildung notwendig.
Personalentwicklung heißt wirtschaftlich erfolgreich sein
Ausschlaggebend für den aktuellen Boom und die verstärkte Wahrnehmung der Personalentwicklung als strategische Funktion innerhalb der klassischen Personalfunktionen – Personalplanung, Personalcontrolling, Personalverwaltung – ist die Erkenntnis, dass die Umsetzung ausgewählter Instrumente und Konzepte der Personalentwicklung entscheidend sind für den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsposition eines Unternehmens.
„Investitionen in Humankapital sind notwendig, weil der Fachkräftemangel immer bedeutsamer wird. Die Weiterqualifizierung in Deutschland liegt im OECD-Vergleich an 9. Position. Die Überalterung der Belegschaft wird als Problem noch gar nicht gesehen. Von der Motivation ganz zu schweigen." (Friedrichs 2007, S. 24) Friedrichs weiter: „Customer-Relationship, innovative Produkte und auch Service, hohe Qualität in den Prozessen sind wichtig. Was ich persönlich viel wichtiger finde, ist das Thema der Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter, die Führung des Unternehmens und auch das Management." (Friedrichs 2007, S. 25)
Obwohl die Notwendigkeit von Personalentwicklung kaum bestritten wird, bleibt eine als Führungsansatz verstandene zielgerichtete Personalentwicklung im Krankenhaus eher die Ausnahme. Häufig dient Personalentwicklung nur als Sammelbegriff für unterschiedliche Aufgabenstellungen und »wird in den meisten Häusern eher punktuell betrieben, auf das gesamte Krankenhaus bezogene Planungen sind die Ausnahme« (Jung 2010, S. 67). Lediglich die fachliche Fortbildung genießt einen hohen Stellenwert, medizinisches Wissen wird rasch erneuert und schnell in den Arbeitsalltag integriert (Jung 2010).
Die Bedeutung der Personalarbeit in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ist mit den Top-Themen Kompetenzmanagement und Personalentwicklung mehr in den Fokus gerückt. Die Infrastrukturen in den Personalabteilungen haben sich diesbezüglich in den letzten Jahren kontinuierlich entwickelt. Nach Jochmann sollte ein modern aufgestellter Personalbereich etwa ein Viertel seiner Mitarbeiter den Personal- und Ausbildungsfunktionen zuordnen.
„Diese Größe entspricht dem Stellenwert dieser Funktion, ihrer Hebelwirkung für Strategieumsetzung, Unternehmensprofilierung, Innovationsabsicherung und ihrem Beitrag zum erfolgreichen Kundenmanagement." (Jochmann 2008, S. 31)
Personalentwicklung am UKR
Als Pflegedirektor und Mitglied des Vorstands konnte ich die Implementierung der Personalentwicklung am Universitätsklinikums Regensburg (UKR) mit vorantreiben. Der Vorstand hat im Rahmen seiner Strategieplanung für die Jahre 2009 und 2010 die Personalentwicklung »als eines der wichtigsten Aufgabenfelder für die Zukunft« benannt. Im Jahre 2009 wurde in einer Grundsatzentscheidung beschlossen, dass die Personalentwicklung am UKR in drei Dimensionen entwickelt werden muss.
Drei Dimensionen der Personalentwicklung am UKR
1.
Dimension: »Die persönliche sowie fachliche Weiterqualifizierung und Entwicklung der Mitarbeiter muss Teil des Führungsverhaltens und der Führungskultur am UKR werden. Darüber hinaus sind bei allen strategischen Überlegungen Aspekte der Personalentwicklung mit zu berücksichtigen.
2.
Dimension: Personalentwicklung muss organisiert werden. Dazu ist ein Referat Personalentwicklung aufzubauen, das allen Führungskräften Methoden und Instrumente zur Verfügung stellt, die den Führungskräften ihre diesbezüglichen Aufgaben ermöglicht. Personalentwicklung ist Teil betrieblicher Personalarbeit.
3.
Dimension: Die Entwicklung der Methoden und Instrumente soll gemeinsam mit den Führungskräften des Klinikums realisiert werden. Auch die Priorisierung des Einsatzes ist eng mit den Führungskräften des Hauses abzustimmen« (Fischer 2010).
Maßnahmen zur Realisierung
Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurden im UKR verschiedene Maßnahmen realisiert:
Innerhalb der Personalabteilung wurde ein Referat Personalentwicklung implementiert.
Im engen Dialog mit den Klinikdirektoren und Abteilungsleitern wurden verschiedene Instrumente der Personalentwicklung entwickelt und implementiert, u. a.:
Aufbau eines Führungshandbuchs und Coaching-Angebote für Führungskräfte
Leitfäden für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Mitarbeiterjahresgespräche und für die Mitarbeiterbeurteilung (zur Zeugniserstellung)
umfangreiche Familienförderinstrumente (u. a. Kindertagesstätte, Kindergarten, Kinderferienbetreuung, familienfreundliche Arbeitszeiten)
betriebliche Gesundheitsförderung und Betriebssportgruppen
Neuausrichtung des vormals ausschließlich im Bereich der Pflege angesiedelten Bildungszentrums zu einem allen Berufsgruppen offen stehenden und den strategischen Zielen des Vorstands verpflichteten Bildungszentrum.
„Der weitere Ausbau der Personalentwicklung ist aus Sicht des Vorstands unerlässlich, um auch in Zukunft das für unsere Aufgabenerfüllung notwendige qualifizierte Personal in allen Berufsgruppen gewinnen zu können." (Fischer 2010)
Personalentwicklung wird in den Pflege- und Gesundheitseinrichtungen künftig eine zentrale Rolle spielen:
„In diesem sich dynamisch entwickelnden, komplexen Umfeld der Krankenhauslandschaft müssen Beschäftigte sich nicht nur zurechtfinden, sondern selbst permanent Motor von Innovation sein. Personalentwicklung hilft ihnen dabei und ist damit ein zentraler Baustein der Sicherung der Lebensfähigkeit der Krankenhäuser, die wiederum im Zentrum des zentralen Wirtschaftsfaktors Gesundheitswesen stehen, womit sich der Kreis an dieser Stelle schließt." (Jung 2010, S. 28)
Personalentwicklung heißt Zukunftssicherung
Die Implementierung der Personalentwicklung in den Gesundheitsbetrieben ist demzufolge ein zentraler Beitrag zur Zukunftssicherung. Eine strategische Personalentwicklung wird längerfristige Entwicklungsprozesse auslösen. Qualifizierte und gleichsam motivierte und engagierte Mitarbeiter können einen wertvollen Beitrag zum langfristigen Unternehmenserfolg leisten (Frodl 2011).
1.2 Bedeutung und Einordnung der Personalentwicklung
Der Begriff »Personalentwicklung« wird nicht einheitlich definiert, entsprechend zahlreich sind die Begriffsbestimmungen. Das Ziel der Personalentwicklung besteht darin, die Qualifikationen des Personals für die gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben der Organisation systematisch sicherzustellen. Die systematische Vorgehensweise betrifft sowohl die Planung als auch die Realisierung und Evaluation der Maßnahmen. Die Maßnahmen können auf eine Erweiterung des Wissens, den Erwerb und die Festigung neuer Verhaltensweisen oder die Entwicklung der Persönlichkeit (z. B. Steigerung des Selbstvertrauens) abzielen – im Sinne der Maxime: Stärken stärken, Schwächen schwächen! (Nerdinger et al. 2008). Die Qualifikationsentwicklung zielt darauf ab, Qualifikationslücken zu schließen und die Motive der Beschäftigten nach Karriere, Selbstentfaltung und Selbstbestimmung zu befriedigen (Dahlgaard u. Stratemeyer 2008).
Die Personalentwicklung im Gesundheitsbetrieb kann in unterschiedlichen Kategorien ablaufen. Dahlgaard (ebenda) unterscheidet drei unterschiedliche Gruppen von Qualifikationsentwicklungen:
Angleichung der Qualifikation an gestiegene Anforderungen
Anpassung der Qualifikation an veränderte Aufgabenstellungen
Personalentwicklungs- und Nachfolgeplanung.
Angleichung der Qualifikation an gestiegene Anforderungen
In vielen Bereichen des Gesundheitsbetriebs werden die Fähigkeiten der Mitarbeiter immer weniger von Routinetätigkeiten und immer mehr von komplexen Aufgabenstellungen beansprucht. Besonders eindrucksvoll lässt sich dies am Beispiel von Demenzerkrankungen illustrieren, deren Häufigkeit in Folge des demografischen Wandels in Zukunft stark zunehmen wird. An anderer Stelle setzt die Behandlung und Pflege von schwerkranken Patienten auf dem neuesten Stand der Medizin, Pharmakologie und Technik umfassendes Wissen voraus. Die Spezialisierung in der Medizin sowie neue Behandlungsmethoden und Technologien führen in der Pflege dazu, dass sich immer mehr hochspezialisierte Aufgabenfelder herausbilden. Aufgaben der spezialisierten »Behandlungspflege« gewinnen gegenüber Körperpflege oder Essensversorgung an Bedeutung. So übernehmen Pflegekräfte im UKR mittlerweile u. a. die Gabe von Chemotherapeutika, führen selbstständig komplexe Wundversorgungen durch und behandeln zusammen mit Ärzten Schmerzpatienten.
Anpassung der Qualifikation an veränderte Aufgabenstellungen
Betriebliche Veränderungsprozesse im Rahmen der Unternehmensentwicklung können in bestimmten Bereichen oder für bestimmte Berufsgruppen zu neuen Anforderungen und Aufgabenstellungen führen. Die Qualifikationsentwicklung hat hierbei ihren Ausgangspunkt in den betrieblichen Erfordernissen, das Eignungsprofil des Stelleninhabers auf die neuen Aufgaben hin anzupassen. Ein Beispiel ist die Implementierung von Case-Management in Krankenhäusern, in denen Pflegende als Case-Manager eine neue Rolle einnehmen, die mit veränderten Anforderungen und Tätigkeiten einhergeht. Pflegekräfte übernehmen dabei Managementaufgaben und avancieren zum Prozessmanager im klinischen Alltag (Dahlgaard et al. 2010).
Um die komplexen Aufgabenstellungen bewältigen zu können, werden den Pflegefachkräften im UKR im Rahmen einer zertifizierten Weiterbildungsmaßnahme (nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Care- und Case-Management, DGCC) die speziell für das Case-Management im Gesundheitswesen erforderlichen Kompetenzen vermittelt.
Personalentwicklungs- und Nachfolgeplanung
Oft fehlen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen systematische Laufbahnkonzepte und Förderprogramme, die sicherstellen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte zum richtigen Zeitpunkt mit den erforderlichen Qualifikationen dem Betrieb zur Verfügung stehen.
Nicht selten taucht daher das Problem auf, sehr schnell eine Person finden zu müssen, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und Persönlichkeit in der Lage wäre, eine freiwerdende Position erfolgreich auszufüllen. Selbst wenn es gelingen sollte, am externen Arbeitsmarkt eine solche Person für das Unternehmen zu interessieren, bleibt immer noch das Problem, dass der externe Anwärter mit den Sachproblemen vor Ort, den dort handelnden Personen und der Unternehmenskultur nicht vertraut ist. Andererseits gibt es möglicherweise eine Reihe von Mitarbeitern, die schon viele Jahre im Betrieb tätig sind, die betrieblichen Abläufe und die Mitarbeiter kennen, ihre Aufgaben bisher gut und zuverlässig erfüllt haben, aber fachlich auf die Übernahme der anspruchsvolleren Aufgaben nicht vorbereitet sind und auch über keinerlei Führungserfahrung verfügen. Derartige Engpässe entstehen meist nicht unvermittelt, sondern sind das Ergebnis fehlender Personalentwicklung.
1.3 Instrumente der Personalentwicklung
Gegenstand der Personalentwicklungsplanung ist die Festlegung der Soll-Qualifikationen durch laufbahnbezogene Anforderungsprofile, die Feststellung der Ist-Qualifikationen, die Bestimmung der individuellen Lernziele, die Planung der Personalentwicklungsmaßnahmen sowie die Durchführung der Maßnahmen und ihre Erfolgskontrolle (Evaluation). Führt die Evaluation zu dem Ergebnis, dass immer noch eine Ist-Soll-Abweichung vorliegt, müssen neue Maßnahmen ergriffen werden (Nerdinger et al. 2008).
Das meist genutzte Instrument des Personal-Marketings ist die systematische Personalbedarfsermittlung: 88 % der befragten Krankenhäuser in der Kienbaum-Studie (Kienbaum Management Consultants 2010) greifen hierauf zurück. Die Kliniken weisen diesem Instrument die höchste Bedeutung zu und nehmen dessen Aussagekraft als hochwertig wahr:
Wo sind Nachfolgeregelungen in den nächsten Jahren nötig?
Wo braucht es zusätzliche Stellen, die mit welchen Spezialisten zu besetzen sind?
Wo könnte ein führungsstarker Mitarbeiter oder ein Know-how-Träger dem Unternehmen den Rücken kehren?
Eine langfristige und systematische Nachfolgeplanung kann eine Antwort auf diese Fragen sein und darüber hinaus den Erhalt einer hohen Führungsqualität in der Organisation gewährleisten.
Der große Vorteil einer internen Rekrutierung besteht darin, dass die Organisation die Möglichkeit hat, ihre Mitarbeiter über längere Zeit hinweg zu beobachten, und so in die Lage versetzt wird, relativ genaue Aussagen über das Leistungsverhalten und die Leistungsergebnisse von möglichen Stellenaspiranten zu machen (Nerdinger et al. 2008, S. 298). Instrumente, die bei der internen Rekrutierung zum Einsatz kommen, sind Mitarbeitergespräche, Maßnahmen der Talent- und Potenzialidentifizierung, Qualifizierungsprogramme für den Führungsnachwuchs (Trainee-Programme) sowie Förder- und Beratungsgespräche.
Tipp
Um den demografischen Wandel und dem daraus resultierenden Rückgang des Fach- und Führungskräftenachwuchses verantwortungsbewusst zu begegnen, wird es für Unternehmen in Zukunft unerlässlich sein, Mitarbeitern frühzeitig Laufbahn- und Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen.
Der Fokus ist mehr denn je auf die Bindungsinstrumente der Zielvereinbarung, Potenzialeinschätzung und Karriereplanung zu richten. Gerade die Besetzung von Schlüsselstellen muss über Konzepte der Personalentwicklung und systematischen Laufbahnplanung langfristig vorbereitet werden.
1.3.1 Entwicklungspotenzial und individuelle Entwicklungsziele des Personals
Voraussetzung für Personalentwicklung ist die Potenzialbeurteilung. Das Leistungs- und Lernpotenzial von Mitarbeitern und Gruppen von Mitarbeitern muss erkannt und entfaltet werden. Entscheidend ist nicht nur die Feststellung der Fähigkeitslücke, sondern auch ein entsprechendes Entwicklungspotenzial der Mitarbeiter. Während Trainings (u. a. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Seminare) eher auf die Vermittlung und Anwendung von Fähigkeiten und Fertigkeiten (Wissen und Können) und eng umschriebenen Regeln ausgerichtet sind, steht bei der Personalentwicklung die Potenzialförderung und Entfaltung im Vordergrund, d. h. das Erlernen allgemeiner Problemlösefähigkeiten und sozialer Handlungskompetenzen (Nerdinger et al. 2008, S. 297).
Der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther (2012) bringt es auf den Punkt:
„Alles, was Menschen hilft, was sie einlädt, ermutigt und inspiriert, eine neue, andere Erfahrung zu machen als bisher, ist gut für das Hirn und damit gut für die Gemeinschaft. Menschen, denen es gelingt, ihr Gehirn noch einmal auf eine andere als die bisher gewohnte Weise zu benutzten, bekommen ein anderes Gehirn. Menschen, die sich noch einmal mit Begeisterung für etwas öffnen, was ihnen bisher verschlossen war, praktizieren dieses wunderbare Selbstdoping für das eigene Gehirn. Die Wissenschaft nennt diesen Prozess Potenzialentfaltung. Es ist das genaue Gegenteil von dem, was die meisten Menschen gegenwärtig betreiben: bloße Ressourcennutzung."
Stärken stärken
Nach Malik (2006) kommt es darauf an, die bereits vorhandenen Stärken (Entwicklungspotenziale) zu nutzen und nicht »Schwächen beseitigen«. Der Grundsatz der Stärkennutzung beeinflusst die Auswahl von Menschen und deren Ausbildung, die Stellenbildung und Stellenbesetzung in den Unternehmen sowie die Leistungsbeurteilung und Potenzialanalyse.
Ein Trainee-Programm bietet gute Möglichkeiten, vorhandene Entwicklungspotenziale und persönlichen Entwicklungsziele auf künftige Führungsaufgaben hin zu überprüfen und weiterzuentwickeln (s. Kap. 5). Bei der Durchführung von Trainee-Programmen verpflichtet sich das Unternehmen, eigenen Mitarbeitern interessante Karriereperspektiven zu bieten.
„Die Trainee-Programme bestehen darin, dass die Nachwuchskräfte systematisch die verschiedenen Abteilungen und Bereiche einer Organisation kennenlernen und zusätzlich in Seminaren und Workshops mit den Produkten und der Arbeitsweise der Organisation weiter vertraut gemacht werden." (Neuberger 1991 zit. in Nerdinger et al. 2008, S. 300)
Auf diese Weise lernen Mitarbeiter, das Geschehen aus der Führungs- und Leitungsperspektive jenseits der Teamebene wahrzunehmen und Abläufe entsprechend zu gestalten. Diese Erfahrung mit dem Blick über den Tellerrand erleichtert den Wechsel in eine formelle Führungsposition.
Als Kernaufgabe der Entwicklung von Führungskräftenachwuchs im eigenen Unternehmen lassen sich drei Schritte identifizieren:
Potenziell geeigneten Nachwuchs für die im Unternehmen künftig zu besetzenden Führungspositionen finden
Die Nachwuchskräfte qualifizieren und in der Entwicklung ihrer Führungskompetenzen unterstützen
Nachwuchsführungskräfte in ihrer Rolle begleiten.
1.3.2 Förderung der Kompetenzentwicklung der Pflegefachkräfte
»Auf die Pflegefachkräfte in Deutschland kommt mehr Verantwortung zu«. Dies ist eine zentrale Aussage des Sachverständigenrat zur »Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen« in seinem Gutachten (2007). Die Berufsbilder in den Gesundheitsberufen wandeln sich und die Übernahme weiterer Tätigkeitsfelder erfordert hochqualifizierte und spezialisierte Pflegefachkräfte, die entsprechende Aufgabenprofile und Kompetenzen innehaben müssen. Es existiert eine Reihe von Thesen, wie sich die Strukturen verändern werden und welche Auswirkungen das auf die Tätigkeit und Berufsbilder in der Pflege haben wird. Pflegeverbände wie der DBfK wollen neue Wege gehen (Beispiele s. www.dbfk.de).
Neue Aufgabenstellungen erfordern in der Regel erweiterte Qualifikationen und Kompetenzen. Dabei ist der Ausgangspunkt für Überlegungen zur Qualifizierung die Kennzeichnung der Anforderungen, die bestimmte Aufgabenstellungen mit sich bringen. Kompetenzentwicklung geschieht durch Maßnahmen, die darauf abzielen, das potenzielle Handlungsvermögen zu erhöhen, und zwar in Relation zu einer spezifischen Aufgabe beziehungsweise Situation (North et al. 2007).
Ein grundlegendes Nebenziel der akademischen Ausbildung in der Pflege ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und der Berufsidentität (www.ich-studiere-pflege.de).
Qualitative Einarbeitung ist wichtig
Qualifikationen und erweiterte Kompetenzen müssen nicht nur für neue Aufgabenfelder und spezielle Tätigkeitsbereiche (z. B. in Bereichen des Pflegeprozess-, Wund-, Case- und Entlassungsmanagements) erworben werden. Mit fortschreitender klinischer Spezialisierung benötigen Auszubildende und Berufsanfänger eine Anleitung durch Ausbilder, die über ein sicheres Urteilsvermögen in klinischen Fragen verfügen. Die Erarbeitung von Einarbeitungsrichtlinien und deren Umsetzung durch erfahrene und qualifizierte Praxisanleiter führt dazu, dass jüngere Mitarbeiter schneller Sicherheit in ihrem Aufgabengebiet finden. Das trägt zur Kompetenzentwicklung sowie zur Mitarbeiterbindung bei und entlastet die Stammmitarbeiter, wenn sie in ihrem Arbeitsablauf durch Fragen weniger unterbrochen werden.
An deutschen Universitätskliniken werden für Berufsanfänger im OP-Bereich und auf Intensivstationen (s. Kap. 7) strukturierte Einarbeitungs- und Qualifizierungskonzepte durchgeführt. Neue Mitarbeiter erhalten dabei die Möglichkeit, in einer Lernsituation auf einer Intensivstation im Beisein eines berufserfahrenen und qualifizierten Praxisanleiters eine Einschätzung der Pflegeprobleme eines ausgewählten Patienten vorzunehmen sowie ein für den Patienten relevantes Problem ausführlich zu besprechen und eigene Pflegehandlungen zu planen.
1.3.3 Konzepte und Förderprogramme zur Karriereentwicklung
Bisher sind nur sehr wenige Weiterbildungsprogramme auf die berufliche Entwicklung von Pflegenden zugeschnitten, die über eine lange Berufserfahrung und hochentwickelte Kompetenzen verfügen (high potentials). Nach Ansicht von Benner (1994) würden verstärkte Bemühungen in diesem Bereich die Qualität der Patientenversorgung erhöhen und gleichzeitig dazu beitragen, dass hochqualifizierte Pflegende ihrem Beruf treu bleiben.
Kliniken als Magnet
Magnetkliniken in den USA zeichnen sich dafür aus, dass sie mit Karrieremodellen die Personalentwicklung in den Pflegeberufen sicherstellen. Es gibt Mentoring- und Entwicklungsprogramme für Mitarbeiter und Auszubildende. Magnetorganisationen schätzen das persönliche und professionelle Wachstum und die Entwicklung ihrer Mitarbeiter und stellen den Pflegefachkräften unterschiedliche Bildungsprogramme und Karrieremodelle jeglicher Art zur Verfügung (ANCC 2010). Das Konzept der Magnetkrankenhäuser basiert auf strukturellem Empowerment (weitere Erläuterungen zur Einführung und Umsetzung von strukturellem Empowerment, s. Kap. 16).
Die Praxis zeigt, dass eine verstärkte Ausweitung der Arbeitsinhalte und die Übernahme neuer Verantwortung zu einer Höherqualifizierung von Mitarbeitern führt (Scholz 2000). Die Anreicherung von Arbeitsinhalten (job enrichment) und die Ermächtigung zur Übernahme von Verantwortung (Autonomie) ermöglicht es, hochqualifizierte Pflegekräfte anzuwerben und zu halten (Müller-Wolf 2008).
Empowerment
Die »Übernahme von Verantwortung« und »Empowerment« gehören auch im Kompetenzmodell des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) zu den zentralen »Grundhaltungen professionellen Pflegehandelns«. Das österreichische Kompetenzmodell bietet Pflegefachkräften »einen grundsätzlichen Rahmen für die Laufbahnentwicklung von Fachentwicklung, Lehre und Management«. Die Fachentwicklung wurde für die Umsetzung mit dem höchsten Handlungsbedarf eingestuft. Diese umfasst fünf Kompetenzstufen, wovon die Unterstützungskraft die erste Stufe einnimmt, daran schließen sich aufsteigend an die Pflegeassistenz, die Generalistin in der Gesundheits- und Krankenpflege, die Spezialistin und die Advanced Nurse Practitioner (ANP). Die Stufe 5 (ANP) stellt die Leitung der Fachentwicklung dar (ÖGKV 2011).
Eine Pflegeexpertin APN (Advanced Practice Nurse) ist eine Pflegefachperson, die sich Expertenwissen, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten und klinischen Kompetenzen für eine erweiterte pflegerische Praxis angeeignet hat (s. dazu Positionspapier der Berufsverbände Deutschland »DBfK«, Österreich »ÖGKV« und der Schweiz »SBK« zu ANP – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe 2013).
Am Universitätsspital in Zürich wurde im Rahmen der Personalentwicklung ein Karrieremodell eingeführt, das dem Pflegepersonal eine Orientierung in ihrer beruflichen Laufbahn ermöglicht. Die Leitidee dieses Karrieremodells für Pflegefachpersonen ist eine »sich fortlaufend weiter entwickelnde Fachkompetenz, welche eine hohe Pflegequalität gewährleistet« (Universitätsspital Zürich 2013, www.usz.ch). (Weitere Ausführungen zu Karrieremodellen in der Schweiz, s. Kap. 14).
In der Schweiz finden Bachelorabsolventen Einsatzmöglichkeiten in der Pflegepraxis mit Zusatzaufgaben in den Bereichen Pflegequalität und -entwicklung. Sie arbeiten zu 40 % in der »Überbrückungspflege« zur Unterstützung der Pflegefachpersonen und des ganzen Teams und übernehmen das Coaching bei Fachthemen wie Pflegeprozess, Schmerz, Bettlägerigkeit und Inkontinenz. Sie unterstützen das Team bei den Assessments, führen Fallbesprechungen durch und bieten interne Weiterbildungen an. Die restlichen 60 % sind sie im Qualitätsmanagement tätig, leiten und beraten Fachgruppen zu Hygiene und Wundpflege – »Themen, zu denen sie auch Konzepte erstellen« (Lüthi 2010).
1.3.4 Auswahl und Entwicklung neuer Führungskräfte in der Pflege erfolgreich gestalten
Führungskräfte in der Pflege sind vor dem Hintergrund der dynamischen Veränderungen im Gesundheitswesen einem enormen Druck ausgesetzt – und die Anforderungen wandeln sich ständig.
Bei der Nachfolgeplanung von Führungskräften für die mittlere Ebene im Pflegedienst (»Stationsleitungen«) steht an erster Stelle die Stellenanalyse mit der Beschreibung gegenwärtiger und zukünftiger Anforderungen und notwendiger Kompetenzen. Viele Neubesetzungen von Führungspositionen scheitern in vielen Fällen innerhalb eines Jahres, weil Vorgesetzte bei der internen Besetzung »ausgeprägte Fachlichkeit« mit »Führungskompetenz« gleichsetzen und die Position dann mit der fachlich besten Pflegekraft besetzen.
„Diese Mitarbeiter sind jedoch erfahrungsgemäß mit der Übernahme von Führungsverantwortung häufig überfordert, wenn sie einfach „ins kalte Wasser geworfen werden. (…) Fachliche Qualifikation ist hierfür gleichsam nur die Grundvoraussetzung. Mit jedem Schritt nach „oben
gewinnen die Anforderungen an die sozialen, methodischen und personalen Kompetenzen der Führungskräfte an Bedeutung." (Herz u. Junge 2009, S. 12)
Die Übernahme einer Führungsrolle verpflichtet zu (Führungs-)Kompetenz, und diese ist lernbar (Tewes 2011).
Auf die Frage, wie Führungskräfte in der Pflege Führungskompetenz erlernen, weist Tewes auf ein zentrales Problem und auf die Notwendigkeit einer systematischen Vorgehensweise hin, mittels derer angehende Führungskräfte Führungskompetenz erwerben sollen.
„In den klassischen Stationsleitungskursen (…), sowie im Studium Pflegemanagement werden zwar Führungsstile theoretisch besprochen, doch was fehlt, ist die eigene Reflexion und die gezielte Erweiterung der eigenen Führungsfähigkeiten. Es wird zwar in manchen Fortbildungen Supervision oder gar Coaching angeboten, doch diese sind oft nur als „Übungen am Rande und nicht als eine systematische Lernform über den ganzen Ausbildungsprozess hin organisiert.
(Tewes 2004, S. 67)
Bei der Frage, was eine erfolgreiche Führungskraft in der Pflege auszeichnet, kristallisiert sich ein Anforderungsprofil heraus, das vier Kompetenzbereiche umfasst (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2010).
Vier Kompetenzbereiche einer Führungskraft
Personale Kompetenz
Fähigkeit, sich selbst gegenüber kritisch zu sein und positive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln.
Aktivitäts- und Handlungskompetenz
Fähigkeit, alles Wissen und Können, alle Ergebnisse sozialer Kommunikation, alle persönlichen Werte und Ideale willensstark und aktiv umsetzen zu können.
Fachlich-methodische Kompetenz
Fähigkeit, mit fachlichem und methodischem Wissen gut ausgerüstet auch schwierige Probleme schöpferisch bewältigen zu können.
Sozial-kommunikative Kompetenz
Fähigkeit, sich mit anderen zusammen- und auseinanderzusetzen, kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren.
Fehlende Führungskompetenzen bei Vorgesetzten zählen zu den größten Frustfaktoren von unzufriedenen Mitarbeitern.
Daher ist es notwendig, Führungskräfte ständig weiterzubilden und zu trainieren. Doch bevor damit begonnen wird, muss daran erinnert werden, wie bedeutsam die Grundhaltung von Führungskräften ist.
„Je bewusster ihnen ihre Bilder von Führung und Macht sind, desto stärker können sie ihr berufliches Handeln selbst bestimmen. Das Bild von sich selbst als Leitung von Mitarbeitern sollte Lernen und Entwicklungsprozesse für beide Seiten ermöglichen. Auch die klare Positionierung zur Macht spielt eine wichtige Rolle. Macht haben darf und soll Spaß machen! Das Erleben von Einflussnahme und Selbstbestimmung darf nicht geleugnet werden, indem man sich beispielsweise hinter anderen versteckt." (Tewes 2011, S. 81)
Ein empfehlenswertes Führungstraining, das speziell für das Gesundheitswesen entwickelt wurde, ist das LEO-Training (Leading an Empowered Organisation, www.crown-coaching.de). Alle pflegerischen Leitungskräfte am Universitätsklinikum haben Anfang 2013 dieses Training absolviert und waren davon begeistert (O-Ton einer Teilnehmerin: »Das LEO-Training fand ich persönlich sehr gut, weil es sehr praxisnah war – ich würde es jedem empfehlen!«). Aber auch stellvertretende Leitungskräfte kommen im UKR nicht zu kurz: Sie erfahren in integrativen Führungsseminaren mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen die Bedeutung und den Umgang mit Verantwortung und lernen u. a., worauf es bei der Kommunikation mit Mitarbeitern ankommt.
1.4 Rolle der Führungskraft in der Personalentwicklung
In der Personalentwicklung spielen die Führungskräfte eine entscheidende Rolle. Der Vorgesetzte ist Mentor und Coach sowie unmittelbarer Beobachter in wichtigen beruflichen Situationen (Jochmann 2008). Als Beispiel einer dezentralen Personalentwicklung mit Auswirkungen, die sowohl den Mitarbeiter, die Führungskraft als auch die Organisationseinheit betreffen, sei hier das Führen von Mitarbeitergesprächen erwähnt. Die strukturierten Gespräche beinhalten u. a. die Vereinbarung von Zielen zwischen Führungskraft und Mitarbeitern, die Verständigung über Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen und die Konsensfindung über Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Damit verbunden ist die Definition von Entwicklungsperspektiven und Karrierezielen (Leitfaden Mitarbeitergespräch am UKR).
Führungskräfte müssen die Potenziale ihrer Mitarbeiter entdecken können, um sie zu fördern. Eine Voraussetzung für das Auswahlverfahren für das Trainee-Programm am UKR ist die positive Stellungnahme der pflegerischen Leitung für ihren Kandidaten. Hierin werden sie aufgefordert, die Potenziale ihrer Mitarbeiter in Hinblick auf Führungsfähigkeiten (personale und soziale Kompetenzen) zu reflektieren und in einem Referenzschreiben näher darzulegen.
Gestaltungsraum fördert Mitarbeitermotivation
Ein weiterer Aspekt, den Führungskräfte im Rahmen der Entwicklung und Förderung ihrer Mitarbeiter beachten sollten, sind die Gestaltungsmöglichkeiten für Freiräume ihrer Mitarbeiter in Projekt- und Arbeitsgruppen. Meist steht die spezifische fachliche Expertise im Vordergrund, verbunden mit dem Ziel, eine Verbesserung der Pflegepraxis zu erreichen. Erfolgreiche Mitarbeit und entsprechende Anerkennung durch Vorgesetzte kann zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins und des Selbstvertrauens führen, was sich wiederum positiv auf die Motivation und Arbeitszufriedenheit auswirkt und eine Potenzialentfaltung bei Mitarbeitern ermöglicht.
Gute Führungskräfte tragen dazu bei, die Qualifikation und Motivation ihrer Mitarbeiter zu erhalten, zu fördern und an veränderte Anforderungen anzupassen. Wie verschiedene Studien zeigen, hat das Führungsverhalten nicht nur auf die Motivation, sondern auch auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erheblichen Einfluss (Loebe u. Severing 2011). Gerade bei älteren Mitarbeitern soll das Führungsverhalten einem drohenden Motivationsverlust entgegenwirken und die Berufs- und Lebenserfahrung anerkennen. Gute und damit gesundheitsförderliche Führung beinhaltet sowohl klare Vorgaben und Ziele als auch die Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungen sowie die Nutzung ihres Fachwissens und ihre Ideen. Mitarbeiter wünschen sich Vorgesetzte, die sich nicht nur auf Vorschriften und Vorgaben Dritter berufen, sondern eigene Entscheidungen vertreten können und auch in schwierigen Situationen zu ihren Mitarbeitern stehen (Loebe u. Severing 2011).
Als Pflegedirektor und somit Personalverantwortlicher erlebe ich jeden Tag, wie wichtig die kontinuierliche persönliche und fachliche Entwicklung der Mitarbeiter für deren Motivation und die Erreichung der Ziele des Unternehmens sind. Kein externer Berater hat so viele relevante Informationen über die Fähigkeiten und die Fertigkeiten der Mitarbeiter und so viele Möglichkeiten, diese zu fördern, wie eine Führungskraft.
Je nach Leitungsspanne haben Vorgesetzte ein mehr oder weniger konkretes Bild über die Fähigkeiten, das Wissen und die Motivation Ihrer Mitarbeiter. Mit diesem Wissen und dem Einsatz praxistauglicher Instrumente (z. B. Führen von Entwicklungsgesprächen) kann die Führungskraft die Personalentwicklung ihrer Mitarbeiter aktiv gestalten. Um den Mitarbeiter bei der erstmaligen Einschätzung seiner Fähigkeiten nicht zu verunsichern, sollte die Führungskraft dem Mitarbeiter glaubhaft deutlich machen, dass Personalentwicklung keine Personalbeurteilung mit disziplinarischen Folgen für den Mitarbeiter ist.
1.5 Fazit
Wir stehen am Beginn eines großen Personalmangels in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen. Das bedeutet: Je problematischer die Situation ist, desto wichtiger ist es, dass es Pflegekräfte gibt, die sehr gut qualifiziert sind, um Steuerungs- und Lenkungsaufgaben für die einzelnen Patienten oder Pflegebedürftigen zu übernehmen. Abgesehen davon gibt es in der Pflege eine Reihe von Aufgabenfeldern mit hohen Anforderungen, für die vertiefte Qualifikationen nötig sind. Pflegekräfte können mehr Verantwortung übernehmen, wenn sie besser gebildet sind und präzise begründen können, warum eine bestimmte Pflegemaßnahme bei einem Patienten nötig ist und was sie bewirkt.
Dieses bessere Wissen führt nicht nur zu einer Verbesserung der Pflegepraxis, sondern hilft auch die Frage zu beantworten, welchen spezifischen Beitrag die Pflege zur Gesundung des kranken oder pflegebedürftigen Menschen leistet.
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