Zeit- und Selbstmanagement: Ein Trainingsmanual – Module, Methoden, Materialien für Training und Coaching. Arbeitsmaterialien im Web
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Buchvorschau
Zeit- und Selbstmanagement - Silke Weisweiler
Teil 1
Theorie
Silke Weisweiler, Birgit Dirscherl und Isabell BraumandlZeit- und Selbstmanagement2013Ein Trainingsmanual – Module, Methoden, Materialien für Training und Coaching. Arbeitsmaterialien im Web10.1007/978-3-642-19888-5_1
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
1. Einleitung
Silke Weisweiler¹ , Birgit Dirscherl² und Isabell Braumandl³
(1)
LMU München, Center for Leadership and People Management, München, Deutschland
(2)
Schulpsychologische Beratungsstelle, Markdorf, Deutschland
(3)
CoBeCe, Regensburg, Deutschland
Silke Weisweiler (Korrespondenzautor)
Email: weisweiler@psy.lmu.de
Birgit Dirscherl
Email: birgit.dirscherl@web.de
Isabell Braumandl
Email: info@cobece.de
1.1 Warum dieses Buch?
1.2 An wen richtet sich dieses Buch?
1.3 Wer sind die Zielgruppen des Trainings?
1.4 Worum geht es in diesem Buch?
Zusammenfassung
Der Umgang mit Zeit spielt seit Menschengedenken eine große Rolle. Der griechische Philosoph Aristoteles erkannte schon vor über 2000 Jahren:
1.1 Warum dieses Buch?
Der Umgang mit Zeit spielt seit Menschengedenken eine große Rolle. Der griechische Philosoph Aristoteles erkannte schon vor über 2000 Jahren:
Jede Bewegung verläuft in der Zeit und hat ein Ziel.
(Nikomachische Ethik X, Kap. 4, 19f, 1174)
Sein Zeitbegriff war damals mit der Bedeutung von stetigen Veränderungen verbunden.
Heutzutage agieren viele Menschen so, indem sie sich planmäßig auf ein Ziel hinbewegen. Im Arbeitskontext hat die zeitliche Dimension aufgrund eines expandierenden globalen Wettbewerbs und steigender Erwartungen hinsichtlich der unmittelbaren Verfügbarkeit von Produkten und Service-Leistungen, aber auch Personen, immer mehr Aufmerksamkeit erfahren. Mit der gleichzeitig zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen sowie dem Beitrag von Männern zur Kindererziehung verändert sich auch die ursprüngliche Rollenverteilung von Männern und Frauen. Sich zu überlegen, wofür die eigene Zeit verwendet wird, spiegelt den gesellschaftlichen Wandel der modernen Arbeits- und Lebenswelt wider. Menschen füllen viele Rollen aus und müssen im Arbeitskontext vielfältigen und komplexen Anforderungen gerecht werden. Dies verursacht häufig einen Entscheidungskonflikt: Wie viel Zeit wird wofür und mit wem verwendet? Zeit- und Selbstmanagementfähigkeiten sind heute notwendiger Bestandteil des persönlichen Kompetenzprofils eines jeden Berufstätigen. Anders sind die heutigen Anforderungen des Arbeitsalltags im Einklang mit den privaten Wünschen kaum mehr zu meistern.
Umgang mit Zeit
Die Nachfrage nach anwendungs- und praxisorientierten Trainings- und Beratungsdienstleistungen zum Thema Zeit- und Selbstmanagement hat in den letzten Jahren extrem zugenommen. Eine Untersuchung zur Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland (beauftragt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF 2008) zeigt, dass die Nachfrage nach Weiterbildungsmaßnahmen generell steigt. Menschen sind also interessiert an Weiterbildungsmaßnahmen , unklar ist jedoch, ob die Trainingsmethoden effizient sind. Gerade dies ist aber ein wichtiges Entscheidungskriterium für die strategische Unternehmensführung. Wieso sollte Geld in die Personalentwicklung, z. B. in Trainings investiert werden, wenn der Nutzen weder sichtbar noch messbar ist? Aus welchem Grund sollte möglicherweise eine solche Ressource „verschwendet" werden? Deshalb wird in der Praxis dem nachhaltigen Transfer und der Ergebnisbewertung im Sinne einer Verhaltensänderung eine zentrale Bedeutung zukommen. Die Ergebnisse aus der Forschung im Bereich Kompetenzerwerb und Transfer dürften deshalb an Bedeutung gewinnen, weil deren angewandte Umsetzung die geforderte Transparenz und Nachhaltigkeit sichern kann.
Nachfrage nach effizienten Trainings
Auf dem Büchermarkt gibt es sehr viel Ratgeberliteratur zum Bereich Zeit- und Selbstmanagement. Tools und Tipps aus diesen Büchern sprechen viele Menschen an. Einiges davon lässt sich leicht umsetzen, und manche Menschen fühlen sich damit besser gewappnet im Umgang mit ihrer Zeit. Welche Techniken aber erfolgreicher und effizienter als andere sind bzw. welche gar nicht wirken, wird nicht überprüft.
Mit dem vorliegenden Buch werden wissenschaftliche Erkenntnisse aus der anwendungsorientierten psychologischen und pädagogischen Forschung auf die Praxis übertragen. Beide Wissenschaftszweige sind für die Trainingsgestaltung von besonderer Bedeutung: Die Psychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen. Sie hinterfragt das menschliche Verhalten und sucht nach Möglichkeiten, dieses positiv zu beeinflussen. Die Pädagogik erforscht u. a. Lern- und Lehrprozesse. Sie geht der Frage nach, wie Menschen am besten lernen und wie der Transfer von Gelerntem in die Praxis gelingen kann. Was also können Unternehmen und Trainer tun, um die Übertragung von Workshop-Inhalten in den Berufsalltag zu unterstützen? Diese Frage wird in dem vorliegenden Buch beantwortet, indem relevante wissenschaftliche Konzepte und Studienergebnisse vorgestellt sowie deren Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Alle aufgeführten Module sind von diesen Forschungsergebnissen abgeleitet und in der Praxis erprobt. Parallel dazu wurde in Studien auch der Erfolg der in den Modulen beschriebenen Maßnahmen wissenschaftlich überprüft. Deren Ergebnisse zeigen, dass die angewandten Methoden nachhaltig wirksam sind. Insofern stellen die in diesem Buch dargestellten Basis- und Aufbaumodule ein wissenschaftlich überprüftes und praxiserprobtes Lehrkonzept dar.
Verbindung von Wissenschaft und Praxis
Die Trainingsinhalte lehnen sich zum Teil an bekannte Konzepte aus dem Zeit- und Selbstmanagement an. Sie unterscheiden sich jedoch in zwei relevanten Punkten, um einem evidenzbasierten Vorgehen Rechnung zu tragen, bei dem man sich auf wissenschaftlich als wirksam erwiesene Erkenntnisse stützt:
1.
Alle Inhalte wurden angepasst, indem aktuelle und relevante Forschungsergebnisse zum Thema Zeit- und Selbstmanagement übertragen wurden und auf den folgenden Seiten transparent mit vielen Hintergrundinformationen dargestellt werden.
2.
Die angewandten Methoden und Übungen orientieren sich an den Ergebnissen aus der Lern- und Lehrforschung, speziell zur Sicherstellung von Transferprozessen. Die Methoden und Übungen wurden im Rahmen von Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft. Im Rahmen aktueller Evaluationsstudien erfolgt die weitere fortlaufende Überprüfung dieser Methoden auch im Kontext von Einzelcoaching-Prozessen.
Die Wissenschaft beschäftigt sich seit der Jahrtausendwende intensiver mit der Erforschung von Zeit- und Selbstmanagementthemen. Studien zeigen, dass zwei Hauptprobleme beim Umgang mit der Zeit dominieren – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Kultur:
1.
Ein Entscheidungsproblem (König u. Kleinmann 2004) oder die Frage: Wofür soll ich meine Zeit verwenden? Vielen Menschen fällt es schwer, Ziele und Prioritäten zu setzen, die Entscheidungen wesentlich erleichtern können.
2.
Ein Planungsproblem (Kahnemann u. Tversky 1979) oder die Frage : Wie plane ich richtig? Bei Planungen für die Zukunft orientieren sich Menschen an den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Dabei unterschätzen sie im Rückblick die für eine Aufgabe aufgewendete Zeit und verwenden diesen unterschätzten Zeitaufwand für Zukunftsplanungen.
Hauptprobleme beim Umgang mit Zeit
Für diese und weitere Probleme im Umgang mit der Zeit gilt es im vorliegenden Buch, Lösungen anzubieten und individuelle Lösungsansätze anzuregen. Zusätzlich gibt es viele Erkenntnisse, die sich beim Transfer in die tägliche Arbeitspraxis als besonders hilfreich erwiesen haben. Diese sollten unbedingt in jedes Seminar zum Thema Zeit- und Selbstmanagement eingebunden werden. Denn die effiziente und nachhaltige Vermittlung von Wissen und dessen Umsetzung in den persönlichen Arbeits- und Lebensalltag spielen vor dem Hintergrund steigenden Kosten- und Erfolgsdrucks eine große Rolle in allen Bereichen der Wirtschaft, in Organisationen mit unterschiedlichster Ausrichtung, aber auch in den privaten Bereichen der Menschen.
Zielgruppen des Buches
1.2 An wen richtet sich dieses Buch?
Das Buch richtet sich an Personalverantwortliche in Unternehmen und Organisationen, Trainer und Coaches sowie an Manager und Führungskräfte, die nach praxiswirksamen, nachhaltigen und zugleich wissenschaftlich fundierten Methoden und Informationen zu Inhalten und zur Gestaltung von Zeit- und Selbstmanagementseminaren suchen.
Ziel dieser Suche ist die positive Einflussnahme auf die Entwicklung von Zeit- und Selbstmanagementkompetenzen der ihnen unterstellten Mitarbeiter und Kollegen, möglicherweise auch die persönliche Kompetenzentwicklung in diesem Bereich. Es richtet sich damit an Praktiker, die aus allen Berufen kommen können – u. a. aus der Betriebs- und Volkswirtschaft, der Psychologie oder Pädagogik sowie aus technisch orientierten (Ingenieur-)Berufen.
Zielgruppen des Trainings
1.3 Wer sind die Zielgruppen des Trainings?
Prinzipiell dürfte die Thematik Zeit- und Selbstmanagement für alle Berufsgruppen relevant sein, denn jeder Bereich ist inzwischen von einer Arbeitsverdichtung auf immer weniger Personen, von zunehmender Komplexität von Prozessen und von Ergebnis- und Kostendruck sowie Ressourcenbegrenzung betroffen. Aus der Erfahrung der Autoren lassen sich typische Zielgruppen wie folgt klassifizieren:
Typische Zielgruppen für Zeit- und Selbstmanagementtrainings
In der Wirtschaft:
Führungskräfte und Unternehmer
Vertriebsmitarbeiter
Projektleiter und Projektmitarbeiter
Sekretariats- und Assistenzberufe
In medizinischen Bereichen:
Humanmediziner, Veterinärmediziner und Zahnmediziner in Kliniken, Krankenhäusern und Praxen
Arzthelfer, Pflegekräfte und Studienassistenten
Sekretariats- und Assistenzpersonen, Verwaltungsmitarbeiter
In Forschung und Lehre:
Professoren
Wissenschaftliche Mitarbeiter, Habilitanden, Post-Docs und Doktoranden
Studierende
Verwaltungsmitarbeiter
Wie in den Kapiteln der einzelnen Praxismodule zu sehen ist, wird den unterschiedlichen Voraussetzungen, welche die jeweiligen Berufsgruppen mit sich bringen, durch die Berücksichtigung des beruflichen Kontexts sowie durch die Einbeziehung der persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer Rechnung getragen.
1.4 Worum geht es in diesem Buch?
Mit diesem Buch liegt erstmals eine systematische, wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisorientierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Facetten und relevanten Themen der Gestaltung von Trainings zum Thema Zeit- und Selbstmanagement vor.
Es wird ein ganzheitlicher Trainingsansatz vorgestellt, basierend auf theoretischen Grundlagen der Entwicklung von Zeit- und Selbstkompetenz, wobei dieser berufliche und private Belange und ebenso kurz-, mittel- und langfristige Perspektiven berücksichtigt. Außerdem werden konkrete Empfehlungen für die Sicherstellung der individuellen Passung zwischen den vorgestellten Methoden und den jeweiligen Zielgruppen gegeben. Diese sind für den Transfer und die nachhaltige Anwendung und Umsetzung im Arbeits- und Lebensalltag der Seminarteilnehmer besonders wichtig.
Im Buch finden sich viele Präsentationsfolien sowie Übungen, die in Einzel- oder Gruppenarbeiten im Seminar, aber auch in ein Selbstcoaching eingebunden werden können. Sie fokussieren auf die zielgerichtete, lösungs- und ressourcenorientierte Selbstreflexion der Teilnehmer. Durch die jeweiligen Zeitangaben und die Übungsübersicht für jedes Modul im Praxisteil dieses Buches soll die konkrete Themen- und Trainingsplanung erheblich unterstützt werden.
In Kap. 2 wird ausführlich dargestellt, warum Zeit- und Selbstmanagement als Kompetenzen entwickelt werden können. Darauf aufbauend wurden die hier abgebildeten Module als zentral für diese Entwicklung identifiziert. Ihre Darstellung erfolgt sowohl wissenschaftlich fundiert als auch anwendungsorientiert (Abb. 1.1).
A190800_1_De_1_Fig1_HTML.gifAbb. 1.1
Module des Trainings
Das Buch gliedert sich in die folgenden Teile:
Aufbau des Buches
Aufbau des Buches
Theorie: u. a. mit wichtigen Definitionen, lerntheoretischen und methodischen Hintergründen und wichtigen Forschungsergebnissen
Praxis: mit Basis- und Aufbaumodulen für die Planung und Durchführung eines ein- bis zweitägigen Trainings sowie Vertiefungsthemen für ausgewählte Zielgruppen
Evaluation und Ausblick: mit Hinweisen und Umsetzungshilfen für die Messung des Trainingserfolgs und des Transfers in die Praxis
Anhang:
Übungsblätter
Literaturverzeichnis
Im Praxisteil tragen eine einheitliche Gliederung für alle Basis- und Aufbaumodule sowie Abbildungen, Tabellen und Fallbeispiele zur Verständlichkeit der Ausführungen bei. Die Marginalien in der Seitenspalte erleichtern das schnelle Navigieren durch den Buchtext.
Um die Seminarplanung zu erleichtern und persönlich relevante Themenpunkte schneller zu finden, erfolgt die Themenbearbeitung für alle Module, ausgehend von typischen Problemstellungen, nach folgender Gliederung:
Aufbau der Module
1.
Allgemeines/Hintergrund
2.
Übung/Praxis
3.
Name der Übung, Zeitangabe
4.
Ziel, Bedeutung, Fokus der Übung
5.
Methodisch-didaktische Empfehlungen für den Trainer
6.
Übersichtstabelle
In den einzelnen Kapiteln sind die Präsentationsfolien zur besseren Orientierung und Transferunterstützung für die Nutzer des Buches entsprechend geordnet und thematisch eingebunden, die Übungsblätter befinden sich im Anhang des Buches. Darüber hinaus stehen alle Folien und Übungsblätter zum Download auf http://extras.springer.com bereit (mit der ISBN 978-3-642-19887-8 gelangen Sie zum entsprechenden Material).
Silke Weisweiler, Birgit Dirscherl und Isabell BraumandlZeit- und Selbstmanagement2013Ein Trainingsmanual – Module, Methoden, Materialien für Training und Coaching. Arbeitsmaterialien im Web10.1007/978-3-642-19888-5_2
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
2. Grundlagen und Hintergrundtheorien
Silke Weisweiler¹ , Birgit Dirscherl² und Isabell Braumandl³
(1)
LMU München, Center for Leadership and People Management, München, Deutschland
(2)
Schulpsychologische Beratungsstelle, Markdorf, Deutschland
(3)
CoBeCe, Regensburg, Deutschland
Silke Weisweiler (Korrespondenzautor)
Email: weisweiler@psy.lmu.de
Birgit Dirscherl
Email: birgit.dirscherl@web.de
Isabell Braumandl
Email: info@cobece.de
2.1 Zeit- und Selbstmanagement
2.1.1 Warum ist Zeitmanagement wichtig?
2.1.2 Was ist Zeitmanagement?
2.1.3 Was ist Selbstmanagement ?
2.1.4 Zeit- und Selbstmanagement als Kompetenzen
2.2 Ergebnisse aus der Forschung
2.2.1 Individuelle Zeitstrukturen
2.2.2 Zielsetzung und Planung
2.2.3 Orientierung an Ressourcen
2.2.4 Training von Zeit- und Selbstmanagement
2.3 Lerntheoretisches Fundament und methodische Gestaltung
2.3.1 Lernen und Transfer
2.3.2 Konstruktivistische Lernumgebungen
Zusammenfassung
Im Folgenden werden die Grundlagen und Hintergrundtheorien zum Zeit- und Selbstmanagement sowie zur Trainingsgestaltung vorgestellt, die die Basis für die Praxismodule bilden.
Im Folgenden werden die Grundlagen und Hintergrundtheorien zum Zeit- und Selbstmanagement sowie zur Trainingsgestaltung vorgestellt, die die Basis für die Praxismodule bilden.
Grundlagen und Hintergrundtheorien zum Zeit- und Selbstmanagement
Grundlagen und Hintergrundtheorien: Themen
Zeit- und Selbstmanagement (▶ ;Abschn. 2.1)
Relevante Ergebnisse aus der Forschung (▶ ;Abschn. 2.2)
Lerntheoretisches Fundament und methodische Gestaltung (▶ ;Abschn. 2.3)
Einen Überblick über die Begriffe Zeit- und Selbstmanagement, wie sie unterschiedlich verstanden werden und sich im Laufe der Zeit gewandelt haben, bietet ▶ ;Abschn. 2.1. Zudem wird die Thematik von anderen nahe stehenden Themen abgegrenzt. In ▶ ;Abschn. 2.2 wird über verschiedene Forschungsergebnisse aus Studien mit der Thematik Zeit- und Selbstmanagement berichtet. Dabei stehen empirische Untersuchungen insbesondere aus der Psychologie und Pädagogik im Mittelpunkt. Mit Abschn. 2.3 werden der lerntheoretische Hintergrund und die didaktisch-methodische Gestaltung der im Anschluss beschriebenen Trainingselemente aufgezeigt. Wir beziehen uns dabei weitestgehend auf situierte Lehr-Lern-Arrangements mit Anleihen aus dem systemischen Kontext.
Primäres Ziel der Grundlagenkapitel ist es, dem Leser einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zu verschaffen, um darauf aufbauend die Entwicklung der Trainingsmodule in den Praxiskapiteln nachvollziehen zu können. Wir stellen bewusst evidenzbasiertes Wissen, bei dem man sich auf wissenschaftlich als wirksam erwiesene Erkenntnisse stützt, zum Thema Zeit- und Selbstmanagement sowie zur Trainingsgestaltung in den Mittelpunkt. Damit möchten wir bewährte Klassiker auf diesem Gebiet ergänzen, indem wir Modelle und Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Psychologie und Pädagogik in die Trainingsgestaltung mit aufnehmen.
Vor diesem Hintergrund stellen wir ein Zeitkompetenzmodell vor, welches die Entwicklung des eigenen Zeit- und Selbstmanagements von Personen vor dem Hintergrund einer individuellen Strategie v. a. in den Bereichen Ziel- und Prioritätensetzung, Planung und Kommunikation sieht. Neues Wissen zur Zeitkompetenz kann anschließend durch die im Praxisteil beschriebenen Module erworben werden. Der Transfer dieses Wissens in den Alltag zeigt sich dann in einer durch die Person und die Umwelt definierten Umsetzung in ein verändertes Verhalten.
Zeitmanagement als Kernkompetenz
2.1 Zeit- und Selbstmanagement
2.1.1 Warum ist Zeitmanagement wichtig?
Ein gutes Zeitmanagement gilt in unserer Gesellschaft als Ausdruck dafür , dass Menschen sich gut organisieren können und Dinge „gut im Griff haben". Seine eigene Zeit zu managen scheint enorm wichtig zu sein, wobei die Gründe hierfür vielfältig sind. Insbesondere in der modernen Arbeitsgesellschaft gehen Organisationen immer mehr dazu über, den Mitarbeitern ein bestimmtes Zeitfenster zur Erledigung von Aufgaben zu geben, dessen Struktur die Mitarbeiter jedoch selbst vornehmen müssen. Häufig sind dabei Ziele und Wege dahin unklar. Eine vordergründig groß erscheinende Flexibilität in der Arbeit führt daher vermehrt dazu, dass Mitarbeiter sich selbst strukturieren und die Zeit selbst einteilen müssen. Aus diesem Grund gilt Zeitmanagement heute als Kernkompetenz in der Arbeitswelt (König u. Kleinmann 2004).
Auch im privaten Bereich gibt es zeitbezogene Anforderungen, wenn es um Haushalts- und Familienangelegenheiten, soziale Kontakte oder Freizeitaktivitäten geht. In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff der Work-Life-Balance verwendet. Die Tatsache, dass viele Menschen sich bemühen, Arbeits- und Privatleben mit ihren unterschiedlichen zeitlichen Vorgaben und Planungsherausforderungen miteinander in Einklang zu bringen, mag zudem erklären, warum Zeitmanagement ein derart wichtiges Thema in der Öffentlichkeit ist.
Work-Life-Balance
Ohne den Begriff Zeitmanagement zu benutzen, hat Peter Ferdinand Drucker, ein US-amerikanischer Ökonom österreichischer Herkunft, seit den 1940er Jahren über dieses Phänomen gesprochen und geschrieben. Er beschäftigte sich mit der Frage, was einen Manager effektiv macht, mit der Aussage, dass Effektivität keine Fähigkeit sei, sondern ein Set von Gewohnheiten. Dieses Set an Gewohnheiten sei leicht zu verstehen, aber schwer zu erwerben, da der einzige Weg dorthin über kontinuierliche Praxis führe, bis diese zur Gewohnheit werde (Drucker 1966). Das Set an Gewohnheiten ist jedoch individuell sehr unterschiedlich, und wir werden daher in diesem Trainingsmanual ganz verschiedene Methoden anbieten, von denen wir sowohl aus der Forschung als auch aus unserer bisherigen Praxis wissen, dass sie jeweils für einige Menschen hilfreich sind. Davor möchten wir uns im Folgenden jedoch noch etwas näher mit dem Begriff des Zeitmanagements an sich auseinandersetzen.
Effektivität von Managern
2.1.2 Was ist Zeitmanagement?
Der Begriff Zeitmanagement wird unterschiedlich definiert (Claessens et al. 2009). Traditionell wird Zeitmanagement mit dem Gebrauch bestimmter Techniken, wie To-do-Listen schreiben oder Planungsaktivitäten, in Zusammenhang gebracht (Lakein 1973). Im Allgemeinen bezieht sich Zeitmanagement auch auf Verhalten, wobei manche Personen effektiv sind im Umgang mit der Zeit und andere nicht (Covey 1994). So unterscheiden sich Menschen, die Dinge in einer vorgegebenen Zeit erledigen können, sich an Fristen halten können etc. von anderen Personen, die häufig zu spät sind, Fristen verpassen und viel Zeit für unwichtige Dinge verbrauchen. In der aktuellen Literatur gibt es dazu auch eine Unterscheidung verschiedener Persönlichkeitstypen, die hinter den beschriebenen Verhaltenstypen stehen (Kaufman-Scarborough u. Lindquist 1999).
Definition Zeitmanagement
Zeitmanagement wird häufig definiert als Verhaltensweise, die darauf zielt, einen effektiven Gebrauch der Zeit zu erreichen, indem bestimmte zielgerichtete Aktivitäten ausgeführt werden (Claessens et al. 2007; Koch u. Kleinmann 2002). Damit steht die selbstregulierende Sicht menschlichen Verhaltens sehr stark im Mittelpunkt und bezieht damit bereits den Kerngedanken des Selbstmanagements (Definition s. unten) als ein wesentliches Element mit ein. Darauf aufbauend gibt es vier Verhaltensdimensionen des Zeitmanagements (Claessens et al. 2009).
Verhaltensdimensionen des Zeitmanagements
Verhaltensdimensionen des Zeitmanagements nach Claessens et al. (2009)
1.
Zeitabschätzung
Sich des Hier und Jetzt bewusst sein, ebenso wie der Vergangenheit und der Zukunft
Sich generell bewusst sein, wie die eigene Zeit genutzt wird
Aufgaben und Verantwortlichkeiten akzeptieren, die innerhalb der eigenen Leistungsfähigkeit liegen
2.
Planung
Ziele setzen
Aufgaben planen
Priorisieren
To-do-Listen erstellen
Aufgaben gruppieren
3.
Monitoring
Beobachten des Zeitgebrauchs bei der Ausführung von Tätigkeiten
Erzeugung einer Rückkopplungsschleife, die eine Begrenzung des Einflusses von Unterbrechungen durch andere erlaubt
4.
Exekutive
Aktuelle Tätigkeiten entweder direkt (z. B. durch Beschleunigung oder Verlangsamung) oder indirekt (z. B. durch die Entfernung von Ablenkungen aus der Umwelt) beeinflussen
Besonders im Bereich von Planung und Kontrolle (Monitoring) gibt es viele Tools, angefangen bei Kalendern, die eingesetzt werden, um das eigene Zeitmanagement zu regulieren. Der Bereich der Exekutive bezieht sich auf eine Reihe von Verhaltensweisen, um Ablenkungen bei der Arbeit zu vermeiden, die Effektivität von Meetings zu steigern, sich selbst durch zielgerichtetes Verhalten zu motivieren u. ä. Hier gibt es zwei Kategorien: Bei der ersten wird versucht, im Vorfeld Zeitfresser zu vermeiden (z. B. unerwartete Besucher etc.), die die geplante Ausführung der Arbeit unterbrechen. Die zweite Kategorie bezieht sich auf die Motivation und deren Beeinflussung, einen Plan auszuführen. Relativ wenig Aufmerksamkeit hat die Zeitabschätzungsdimension erhalten – hier gibt es kaum Techniken, wenn man bedenkt, wie z. B. Anforderungen aus Arbeits- und Privatleben balanciert werden können.
Damit hängt auch die im Lauf der Zeit entstandene Veränderung der Zeitmanagementkonzepte zusammen. Covey et al. (1994) bezeichnen dies mit verschiedenen „Generationen des Zeitmanagements: Während früher die Betonung auf der Effizienz und Organisation der Zeit lag, steht nun v. a. die Wichtigkeit der Dinge im Vordergrund. Dies herauszufinden, bildet den Fokus. Diese Veränderung ist auch in den zahlreichen populärwissenschaftlichen Ratgebern zu spüren, von denen sich die Exemplare des auch als „Zeitmanagement-Papst
bezeichneten Lothar Seiwert seit langem absatzstark verkaufen (z. B. Seiwert 2005). Wissenschaftlich gesehen ist das Forschungsfeld zum Thema Zeit- und Selbstmanagement jedoch noch jung, wie wir im nächsten Kapitel schildern werden.
Zeitmanagement meint somit im engeren Sinne, die anstehenden Termine und Aufgaben möglichst optimal zu planen, zu koordinieren und umzusetzen. Im weiteren Sinne wird von der für das Individuum optimalen Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit im beruflichen wie auch im privaten Sinne gesprochen (z. B. Schlote 2000). Ein optimales Zeitmanagement hängt sowohl von der beruflichen Aufgabenanforderung als auch von der persönlichen Neigung ab. Damit tritt eine individuelle Komponente in den Mittelpunkt.
Zeitmanagementkonzepte
2.1.3 Was ist Selbstmanagement ?
Ähnlich wie der Begriff Zeitmanagement wird auch der des Selbstmanagements unterschiedlich verwendet. Selbstmanagement wird häufig als Technik oder Strategie der Selbstregulation gesehen, bei der Ziele und deren Umsetzung in Verhalten zentrale Komponenten sind (z. B. Abele u. Wiese 2008). Dieser Definitionsansatz ist aus dem Selbstregulationsmodell von Kanfer (1987) abgeleitet, welches das menschliche Verhalten durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren versteht. Ansatzpunkte für Änderungsprozesse sind v. a. bei den Faktoren, die eine Person selbst in Gang gesetzt hat und aufrechterhält, zu finden.
Selbstmanagement besteht dabei aus drei Schritten (nach Klein et al. 2003):
Selbstmanagementkonzepte
1.
Selbstbeobachtung zur Feststellung des Ist-Zustands,
2.
Selbstbewertung als Klärung des Soll-Zustands,
3.
Selbstkonsequenz als Soll-Ist-Vergleich.
Damit stehen wichtige Selbstmanagement-Fertigkeiten wie Zielsetzung (als Klärung des Soll-Zustands) und -verfolgung (als Selbstkonsequenz des Soll-Ist-Vergleichs) im Mittelpunkt sowie die Aussage, dass Personen selbst durch Steuerung interner Prozesse Einfluss auf ihr Verhalten nehmen können. Dieser sogenannte kognitiv-behaviorale Ansatz ist der älteste im Bereich des Selbstmanagements.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Erklärungsansätze für das Selbstmanagement (einen guten Überblick bietet Wiese 2008). In der Praxis ist dabei insbesondere die Frage nach der Definition und Findung von Zielen relevant. Damit rückt die Zielsetzungstheorie (Locke u. Latham 1990a) in den Mittelpunkt, deren zentrale Annahme es ist, dass herausfordernde und spezifische Ziele besonders leistungsförderlich sind (Abschn. 2.2.2 und Abschn. 3.7). Eine Alternative zum behavioralen Ansatz legte Kehr (2004a) mit dem von ihm entwickelten Kompensationsmodell der Motivation und Volition vor. Dabei geht es um den Umgang mit Diskrepanzen zwischen Motiven impliziter und expliziter Art. Mit impliziten Motiven sind dabei Bedürfnisse oder emotionale Präferenzen gemeint (Metapher „Bauch) und mit expliziten Motiven kognitive Präferenzen (Metapher „Kopf
). Bei Differenzen zwischen Kopf und Bauch helfen sogenannte volitionale Strategien, wie die Kontrolle der Aufmerksamkeit, die Entwicklung positiver Phantasien und die Anpassung der Emotionen an die Situation. Das Selbstmanagement soll dann steigen, wenn Personen zu erreichende Ziele ihren impliziten Motiven anpassen und sie mithilfe der volitionalen Strategien erreichen (Kehr 2004a).
Unabhängig vom jeweiligen theoretischen Hintergrund steht beim Selbstmanagement immer die Bemühung einer Person im Mittelpunkt, das eigene Verhalten zielgerichtet auszurichten (Kleinmann 2010).
Definition Selbstmanagement
Selbstmanagement im beruflichen Kontext meint zudem
das Setzen arbeits- und berufsbezogener Ziele,
den Einsatz von Handlungsmitteln zur Verfolgung dieser Ziele, einschließlich
der Beobachtung und Bewertung von Zielfortschritten (Wiese 2008).
2.1.4 Zeit- und Selbstmanagement als Kompetenzen
Zeit- und Selbstmanagement haben sehr viel mit der Thematik der Zielsetzung und Planung zu tun. Bekannte Probleme sind die Prioritätensetzung und Entscheidung zwischen Handlungsalternativen sowie die realistische Planung und Umsetzung (Abschn. 1.1, Entscheidungs- und Planungsproblem). Dabei steht eine stark im Individuum zentrierte Sichtweise im Mittelpunkt mit der Frage, wie eine konkrete Person diese Probleme lösen kann. Auf der Angebotsseite im Bereich der Bücher und Trainings finden sich jedoch häufig sehr allgemein gehaltene Tools oder Checklisten. Wir wollen diese nutzen, aber zusätzlich den individuellen Charakter des Zeit- und Selbstmanagements noch stärker fokussieren und stellen daher im Praxisteil einen individuellen Methodenmix vor . Zusätzlich gehen wir davon aus, dass Menschen in fast allen beruflichen und privaten Situationen in Kontakt mit anderen Personen treten und hier sehr viel Austausch und Kommunikation stattfindet. Dieser Aspekt wird in der bisherigen Literatur unserer Ansicht nach zu wenig thematisiert.
Zeit- und Selbstmanagement als Kompetenzen
Kompetenzen sind als Wettbewerbsvorteile zu verstehen. Mit Kompetenzen sind Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen ebenso gemeint wie die Handlungsfähigkeit in komplexen Situationen (Erpenbeck u. von Rosenstiel 2007). Kompetenzen helfen uns somit, selbstorganisiert zu handeln. Während Qualifikationen Wissen, Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisbar machen, ist mit dem Begriff Kompetenzen eher das Vermögen, sich selbst zu organisieren und Wissen auch anwenden zu können, gemeint. Eine klassische Unterteilung des Kompetenzbegriffs ist diejenige in die Bereiche der fachlich-methodischen, sozial-kommunikativen, personalen sowie aktivitäts- und handlungsbezogenen Kompetenzen (Erpenbeck u. von Rosenstiel 2007). Andere Autoren betonen dagegen erfolgreiches Problemlösen als den wichtigsten Bestandteil der Kompetenzdefinitionen (Kauffeld u. Grote 2002; Westera 2001).
Wir verstehen Zeit- und Selbstmanagement als grundlegende Kompetenzen des Menschen, die selbstorganisiertes Handeln und die Anwendung von Wissen ermöglichen.
Zeit- und Selbstkompetenz
Zeit- und Selbstkompetenz – Definition
Zeit- und Selbstkompetenz umfasst das Zeit- und Selbstmanagement einer Person und meint damit die aktive und individuell nützliche Ziel-, Prioritätensetzung und Planung einer Person. Es meint auch das Setzen und die Verfolgung von Zielen durch die aktive Auseinandersetzung einer Person mit den eigenen Bedürfnissen, Stärken und Entwicklungsfeldern.