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Entrepreneurship im Gesundheitswesen II: Geschäftsmodelle – Prozesse – Funktionen
Entrepreneurship im Gesundheitswesen II: Geschäftsmodelle – Prozesse – Funktionen
Entrepreneurship im Gesundheitswesen II: Geschäftsmodelle – Prozesse – Funktionen
eBook565 Seiten5 Stunden

Entrepreneurship im Gesundheitswesen II: Geschäftsmodelle – Prozesse – Funktionen

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Über dieses E-Book

Dieser Sammelband befasst sich mit den Phasen des Gründungsprozesses, dem Unternehmertum und dem Markteintritt von Produkten und Dienstleistungen im Gesundheitswesen. Unternehmensgründungen werden entscheidend beeinflusst durch die gesetzten Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Bedingungen in einem System. Ein tragfähiges Unternehmenskonzept ist genauso wichtig wie ein Management-, Marketing-, Finanzierungs- und Investitionsplan und eine gesicherte Investitionssumme, die in der Gründungsphase eines Unternehmens vorhanden sein muss, damit die Unternehmensgründung erfolgen kann. Die Autoren aus Wissenschaft und Praxis erläutern anhand von zahlreichen Beispielen die wesentlichen Erfolgsfaktoren für den Erfolg bei der Unternehmensgründung im Gesundheitsbereich.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum16. Apr. 2018
ISBN9783658147815
Entrepreneurship im Gesundheitswesen II: Geschäftsmodelle – Prozesse – Funktionen

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    Buchvorschau

    Entrepreneurship im Gesundheitswesen II - Mario A. Pfannstiel

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018

    Mario A. Pfannstiel, Patrick Da-Cruz und Christoph Rasche (Hrsg.)Entrepreneurship im Gesundheitswesen IIhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-14781-5_1

    1. Neue Geschäftsmodelle in der Medizintechnik – eine Branche im Umbruch

    Andreas Schmid¹   und Marie Demuth²  

    (1)

    JP Gesundheitsmanagement, Universität Bayreuth, Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth, Deutschland

    (2)

    Connollystr. 10, 80809 München, Deutschland

    Andreas Schmid (Korrespondenzautor)

    Email: andreas.schmid@uni-bayreuth.de

    Marie Demuth

    Email: marie-demuth@web.de

    1.1 Einleitung

    1.2 Einflussfaktoren für Veränderungen in der Medizintechnikindustrie

    1.3 Geschäftsmodelle in der Medizintechnik

    1.3.1 Allgemeine Definition von Geschäftsmodellen

    1.3.2 Ansätze für innovative Geschäftsmodelle in der Medizintechnik

    1.4 Kritische Würdigung

    1.4.1 Kundenperspektive

    1.4.2 Herstellerperspektive

    1.5 Schlussbetrachtung

    Literatur

    Zusammenfassung

    Medizintechnikunternehmen sehen sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass alleine eine verbesserte Ingenieurleistung für den Kunden kaum noch einen relevanten Mehrwert darstellt. Krankenhäuser stehen selbst unter einem starken wirtschaftlichen Druck und geben diesen weiter. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Industrie Geschäftsmodelle entwickeln, welche die Bedürfnisse der Kunden wieder verstärkt adressieren. Der Beitrag zeigt die zentralen Treiber für diese Entwicklung und beschreibt typische Ansätze für innovative Geschäftsmodelle, wie sie derzeit in der Industrie vorangetrieben werden. Die kritische Diskussion zeigt, dass es nicht für alle Unternehmen leicht sein wird, einen entsprechenden Mehrwert anzubieten, und auch die Kunden genau abwägen müssen, inwiefern sie von den neuen Angeboten der Industrie tatsächlich profitieren. Sind die Voraussetzungen jedoch erfüllt, sind durchaus für alle Beteiligten Vorteile realisierbar.

    Prof. Dr. Andreas Schmid

    ist Inhaber der Juniorprofessur Gesundheitsmanagement an der Universität Bayreuth. Nach seinem Studium der Gesundheitsökonomie mit längeren Auslandsaufenthalten in den USA (University of North Carolina in Chapel Hill) und England (Leeds Teaching Hospitals NHS Trust) folgte die Promotion zu Konsolidierungs- und Konzentrationsprozessen im Krankenhaussektor bei Prof. Dr. Volker Ulrich. Die Juniorprofessur Gesundheitsmanagement ist in einem interdisziplinären Vernetzungsbereich der Gesundheitsökonomie und -wirtschaft angesiedelt, der Managementfragen ebenso betrifft wie industrieökonomische Analysen oder die Evaluation von Gesundheitsleistungen. Methodisch stehen quantitative und qualitative empirische Ansätze im Vordergrund. Dies gilt beispielsweise sowohl für die Bestimmung von Erfolgsfaktoren im Kooperations- und Innovationsmanagement als auch für die Erfassung von Wohlfahrtseffekten. Unter den klassischen mikroökonometrischen Verfahren, die sich hierfür anbieten, nimmt die Analyse diskreter Wahlentscheidungen eine zentrale Rolle ein.

    Marie Demuth

    ist Gesundheitsökonomin (M.Sc.) und absolvierte sowohl ihr Bachelor- als auch ihr Masterstudium der Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth. Seit ihrem Abschluss im Sommer 2016 ist sie bei einer auf das Gesundheitswesen spezialisierten Unternehmensberatung tätig.

    1.1 Einleitung

    Die exportorientierte deutsche Medizintechnikbranche gilt als innovativer und zukunftsträchtiger Wachstumsmarkt . So erwirtschaften deutsche Medizintechnikhersteller circa ein Drittel ihres Umsatzes mit Produkten, die nicht älter als 3 Jahre sind. Die durchschnittlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben betragen etwa 9 % des Umsatzes, während beispielsweise die chemische Industrie nur rund 6 % hierfür investiert. Das Marktvolumen der deutschen Medizintechnikbranche betrug 2015 28,4 Mrd. € mit einer Steigerungsrate von 11,8 % im Vergleich zum Vorjahr. Am auf rund US-$ 364 Mrd. geschätzten Weltmarkt für Medizintechnik rangiert Deutschland mit einem Anteil von circa 8 % auf Platz 2 hinter den USA (rund 30 %) und vor Japan (rund 6 %). Der Inlandsumsatz stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 12,2 % auf 9,2 Mrd. € und der Auslandsumsatz um 11,6 % auf 19,2 Mrd. € (BVMed 2016; Verband der chemischen Industrie e. V. 2016). Die deutsche Medizintechnikindustrie ist weitgehend mittelständisch geprägt. 2012 hatten 97 % der MedTech-Unternehmen weniger als 500 Beschäftigte und waren für 41 % des Gesamtumsatzes verantwortlich (Lauer et al. 2014; Statista 2017).

    Heute erwartet die Branche, dass der positiven durchschnittlichen Umsatzwachstumsrate der deutschen MedTech-Industrie in 2015, welche vorrangig auf Mengenexpansion und neue Behandlungsverfahren zurückzuführen ist, zukünftig sinkende Margen gegenüberstehen, welche nicht über die demografisch bedingte Fallzahlsteigerung kompensiert werden können. Neben zunehmend restriktiven regulatorischen Anforderungen hinsichtlich der Erstattung innovativer Methoden und Verfahren erschweren weitere Faktoren den wirtschaftlichen Erfolg (BVMed 2016).

    Die klassischen Geschäftsmodelle von Medizintechnikherstellern waren bislang weitestgehend auf die Verbesserung der technischen Leistungsfähigkeit und den Verkauf von Produkten fokussiert (BCG 2013). Es herrschte eine klare Trennung zwischen Anbieter (Medizintechnikhersteller), Nachfrager (z. B. Krankenhaus) und gegebenenfalls Finanzdienstleister, sofern eine Kreditfinanzierung der medizinisch-technischen Geräte erforderlich war. Wartung und Instandhaltung erfolgten durch das hauseigene Facility Management des Leistungserbringer s oder durch Wartungsverträge mit den Geräteherstellern.

    Dies entspricht jedoch in weiten Teilen nicht mehr den Anforderungen der Kunden insbesondere aus dem Krankenhaussektor. Diese sehen sich weiterhin einem starken Kostendruck ausgesetzt und mit der Herausforderung konfrontiert, die neuen technologischen Möglichkeiten mit den Prozessen der Leistungserbringung in Einklang zu bringen. Um sich bei zugleich steigendem Wettbewerbsdruck behaupten zu können, müssen die Technologieunternehmen neue Geschäftsmodell e entwickeln und hierfür zu Experten in Bereichen des Krankenhaus- und insbesondere des Prozessmanagements werden, die sie bisher nur indirekt tangierten. Ziel dieses Beitrags ist es, Ansätze für innovative Geschäftsmodelle vorzustellen und einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

    Der folgende Abschn. 1.2 widmet sich hierfür zunächst ausgewählten Herausforderungen, mit denen sich die primären Kunden der Industrie – die stationären Leistungserbringer – auseinandersetzen müssen. Diese geben den Druck an die Hersteller weiter und sind somit zentrale Treiber für Veränderungsprozesse. Nur Geschäftsmodelle, welche die Bedürfnisse der Krankenhäuser reflektieren, können nachhaltig erfolgreich sein. Abschn. 1.3 zeigt fünf zentrale Ansätze, die derzeit von innovativen Medizintechnikunternehmen verfolgt werden, um entsprechende Geschäftsmodelle zu entwickeln. In Abschn. 1.4 folgt eine kritische Bewertung, Abschn. 1.5 schließt mit einem kurzen Fazit.

    1.2 Einflussfaktoren für Veränderungen in der Medizintechnikindustrie

    Die Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitswesen sorgen dafür, dass die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bei zugleich hohen Qualitätsanforderungen in den letzten 15 Jahren eines der zentralen Themen für das Krankenhausmanagement war und auch künftig bleiben wird (Oberender et al. 2016). Häufig thematisiert wird in diesem Kontext die rückläufige öffentliche Investitionsquote im stationären Sektor. In der Theorie verfolgt die duale Finanzierung den Ansatz, dass die Finanzierung von Investitionsgütern im Rahmen der Pauschal- oder Einzelförderung durch die Bundesländer erfolgt, während Betriebskosten über Erlöse aus Krankenhausleistungen von den Krankenkassen getragen werden. Faktisch kommen die Länder ihrer Pflicht seit Jahren nicht ausreichend nach, was sich in einem kontinuierlichen Rückgang öffentlicher Fördermittel manifestiert. Im Zeitraum von 1991 bis 2013 sanken die Investitionsmittel nominal um rund 28 %, während das BIP um 78 % wuchs und die bereinigten Krankenhauskosten um mehr als das Doppelte anstiegen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind dabei beachtlich (Schlüchtermann 2016; DKG 2015).

    Die daraus resultierende unzureichende Ausstattung der Krankenhäuser mit Investitionsmittel n wirkt sich negativ auf die Anschaffung von Medizintechnik, insbesondere kostspielige Großgeräte, aus. Zum Teil versuchen die Kliniken diese Lücken durch DRG-Erlöse oder andere Leistungsentgelte zu schließen. Fehlende öffentliche Fördermittel , gepaart mit nicht ausreichender Eigenkapitalausstattung, um notwendige Investitionen aus Eigenmitteln oder über Kredite zu finanzieren, führen letztendlich bei ökonomisch weniger erfolgreichen Krankenhäusern zu einer unzureichenden Ausstattung mit medizinisch-technischen Geräten (BDO/DKI 2015; Augurzky et al. 2016). Kliniken in öffentlicher Trägerschaft weisen deutlich höhere Förderbeträge in ihren Bilanzen auf als solche in privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft (Pilny 2017). Eine Interpretation dieser Ergebnisse ist es, dass die mit der öffentlichen Investitionsfinanzierung verbundenen Restriktionen sowie das langwierige Bewilligungsverfahren derart gravierende Nachteile mit sich bringen, dass insbesondere kapitalstarke private Krankenhausträger häufig vollständig auf die Förderzuschüsse verzichten. Krankenhäuser ohne hinreichende finanzielle Ressourcen geraten hingegen in einen Teufelskreis aus mangelnder Investitionsfähigkeit, ineffizienter Ausstattung und überdurchschnittlich hohen Kosten.

    Eine seit längerem zu beobachtende Reaktion der Krankenhäuser auf diese Rahmenfaktoren ist eine Reorganisation des Einkaufs. Während traditionell leitende Ärzte primäre Ansprechpartner für die Beschaffung medizinischer Produkte und Großgeräte waren, wurden diese Aufgaben weitgehend zentralisiert und sind heute bei größeren Summen direkt im Senior Management angesiedelt. In Konzernen liegt die Verantwortung häufig primär in zentralen Einheiten, die entsprechend große Stückzahlen kaufen. Einzelne Krankenhäuser oder kleinere Krankenhausträger setzen hingegen auf Einkaufsverbünde. In Summe führt dies zu größerer Verhandlungsmacht der Einkäufer und einer stärkeren Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte, was den Preisdruck auf die Medizintechnikunternehmen erhöht (Piper 2016; BCG 2016).

    Dazu kommt, dass viele medizintechnische Neuerungen im engeren Sinne (d. h. die reine Verbesserung technischer Kennzahlen), selbst wenn sie auf einer nennenswerten Forschungs- bzw. Ingenieurleistung beruhen, für viele Leistungserbringer keinen echten Mehrwert mehr darstellen, da bereits frühere Produktgenerationen alle relevanten medizinischen Anforderungen erfüllen und somit faktisch kein bzw. im Vergleich zu den Anschaffungskosten ein unverhältnismäßig geringer Zusatznutzen entsteht. Insbesondere für die zahlenmäßig in Deutschland am stärksten vertretenen Grund- und Regelversorger sind technische Verbesserungen im High-End-Bereich oftmals nicht relevant. Lediglich für Maximalversorger oder Universitätsklinika, die hochspezialisierte Leistungen anbieten, bietet dieser technische Fortschritt einen wirklichen Mehrwert (Rößing 2016). Der Nutzen bzw. Value vieler technologischer Innovationen erschließt sich erst indirekt, indem neue und effiziente Prozesse möglich werden (z. B. optimierte Auslastung durch kürzere Rüstzeiten, schnellere Auswertungen oder weniger Prozessschritte). Andererseits sind Veränderungen an bestehenden Prozessen häufig Voraussetzungen dafür, die Potenziale neuer Technologien realisieren zu können.

    Auch wenn im Krankenhausmarkt seit Einführung der DRGs eine starke Konsolidierung erfolgt ist, sind nach wie vor viele Krankenhäuser in meist kleinen Verbünden organisiert oder versuchen sich sogar alleine zu behaupten (Schmid 2012; Schmid und Ulrich 2013). Diese eher kleinen Einheiten haben häufig Schwierigkeiten, die notwendigen Managementkapazitäten zur effizienten Strukturierung von Prozessen oder auch zur Umsetzung regulatorischer Vorgaben vorzuhalten. Es fehlen Economies of Scale sowie Erfahrungs- und Vergleichswerte. Während große Krankenhauskonzerne dies intern ohne größere Schwierigkeiten erreichen können, sind freistehende Krankenhäuser und kleinere Verbünde auf externe Lösungen angewiesen.

    Das klassische Geschäftsmodell in der Medizintechnik (Verbesserung der technischen Leistungsfähigkeit und Verkauf von Produkten, BCG 2013), kann diese Gemengelage nicht adäquat adressieren. Die Hersteller laufen damit Gefahr, die eigentlich mögliche Nachfrage nicht abzuschöpfen bzw. gegenüber innovativen Wettbewerbern das Nachsehen zu haben. Die Überprüfung bestehender bzw. die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle stellt damit für alle Unternehmen der Medizintechnikindustrie einen elementaren Erfolgsfaktor dar.

    Auf diesen liegt demensprechend auch der Fokus der folgenden Auswirkungen. Unbeschadet dessen gibt es auch darüber hinaus Nachholbedarf in der Medizintechnikindustrie. Exemplarisch sei nur auf die Optimierung der internen Kostenstrukturen verwiesen. Ansatzpunkte bilden die im Vergleich zu anderen Industriezweigen z. T. ineffizienten Organisations- und Produktionsstrukturen (Nationaler Strategieprozess 2012; BCG 2013; BCG 2016).

    1.3 Geschäftsmodelle in der Medizintechnik

    1.3.1 Allgemeine Definition von Geschäftsmodellen

    Laut Chesbrough besitzt ein Geschäftsmodell sechs essenzielle Funktionen für seinen Anbieter:

    1)

    Darlegung des Nutzens, den das Geschäftsmodell für seine Nutzer hervorbringt (Unique Value Proposition),

    2)

    Identifikation eines geeigneten Marksegments, um das Geschäftsmodell für seine Nutzer möglichst passend zu platzieren,

    3)

    Definition der Anforderungen und Struktur der Wertschöpfungskette, um das Produkt für die Nutzer bereitzustellen,

    4)

    Spezifizierung erlösgenerierender Mechanismen des Geschäftsmodells sowie Abschätzung erwarteter Kostenstruktur und Potenziale gemäß der vorab gewählten Wertschöpfungskette,

    5)

    Beschreibung der Position des Anbieters im Wertschöpfungsnetzwerk; Verbindung von Kunden und Zulieferern sowie Identifikation von Wettbewerbern, und

    6)

    Formulierung der Wettbewerbsstrategie, die die Vorteilhaftigkeit gegenüber Wettbewerbern sicherstellt (Chesbrough 2006; Davey et al. 2010).

    Dabei stellt das Alleinstellungsmerkmal (Unique Value Proposition ) mit der damit verbundenen Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern das wichtigste Merkmal eines erfolgreichen Geschäftsmodells dar. Das Unternehmen kann dadurch mit seinen Produkten Kundenbedürfnisse im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern befriedigen und bietet den Kunden somit einen besonderen Vorteil (Davey et al. 2010).

    Auf der Suche nach innovativen Geschäftsmodellen muss sich die Medizintechnikindustrie somit insbesondere fragen, welchen Value sie ihren Kunden anbieten kann. Die oben beschriebenen Herausforderungen der stationären Leistungserbringer sind dabei ein guter Anknüpfungspunkt.

    1.3.2 Ansätze für innovative Geschäftsmodelle in der Medizintechnik

    Velamuri et al. identifizierten fünf Serviceleistungen (Beratungsleistungen, Finanzdienstleistungen, Schulungen und Trainings, Informationsmanagement sowie umfassende Servicepakete), die Hersteller klassischer, physischer Produkte zusätzlich anbieten, um ihre bestehenden Geschäftsmodelle innovativer zu gestalten (Velamuri et al. 2013). Diese lassen sich wie im Folgenden dargestellt auch auf den Medizintechniksektor übertragen und durch Beispiele aus der Praxis hinterlegen. Es zeigt sich jedoch, dass mittlerweile der Umfang und die Intensität des Serviceangebot s die fünf von Velamuri et al. 2013 skizzierten Leistungsbereich e übersteigen und eine sechste Kategorie für Betreibermodelle ergänzt werden muss. Die Kategorien sind dabei keineswegs trennscharf, da letztlich ein beliebiges Spektrum an Services vertraglich vereinbart werden kann und Unternehmen unterschiedliche Bezeichnungen für ihre Serviceprodukte verwenden. So ist der Übergang von einer umfassenden Serviceleistung, die klassisch primär den Service am Produkt (Wartung, Monitoring etc.) betrifft, hin zu einem Betreibermodell fließend. Abb. 1.1 verdeutlicht den grundsätzlichen Zusammenhang der Kooperations- bzw. Integrationstiefe zwischen Hersteller und Kunde mit den Basisformen verschiedener Serviceprodukte. Dabei sind auch je nach konkreter Ausgestaltung andere Reihungen denkbar.

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    Abb. 1.1

    Intensität der Kooperation

    (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Velamuri et al. (2013)

    Einen starken Produktbezug haben die von Herstellern als zusätzliche Serviceleistungen angebotenen Schulungen und Trainings. In diesen schulen Spezialisten des Herstellers Krankenhausmitarbeiter vor Ort im Umgang mit den Medizingeräten bzw. erweitern deren Wissen bezüglich der optimalen Bedientechnik. Zudem veranstalten einige Unternehmen auch Seminare, Kongresse und Fachvorträge zu medizinischen Themengebieten oder bieten webbasierte Trainings und Fallstudien als Weiterbildungsmöglichkeiten für das Krankenhaupersonal an und lassen damit den reinen Produktbezug hinter sich (Velamuri et al. 2013; General Electric Company 2015; Medtronic 2015; Fresenius Medical Care 2016b).

    Die Finanzierung von Investitionen für Medizintechnik erfolgt in Krankenhäusern klassischerweise durch Fördermittel, Eigen- oder Fremdkapital . Eigenkapital umfasst dabei Überschüsse, die aus Erlösen mit DRG- oder weiteren Krankenhausleistungen generiert werden. Fremdkapital wird i. d. R. in Form von Krediten oder Darlehen bereitgestellt (Schlüchtermann 2016). Als Reaktion auf die in Abschn. 1.2 beschriebene Knappheit an Investitionsmittel n bieten Medizintechnikhersteller als zusätzlichen Service eine zunehmend wachsende Produktpalette von Finanzdienstleistungen ergänzend zu medizinisch-technischen Geräten an (Velamuri et al. 2013). Diese beinhalten beispielsweise Leasing bzw. Miete der Medizingeräte oder Bezahlung pro Leistung, z. B. pro Scan, bei diagnostischen Großgeräten wie MRT oder CT.

    Bei Leasingmodellen bezahlt der Leasingnehmer, in diesem Fall der Leistungserbringer, eine monatlich feste Rate für Überlassung, Nutzung, Wartung und Modernisierung medizinisch-technischer Geräte, wobei der Leasingnehmer entweder selbst Eigentümer wird (Financial Leasing) oder das Eigentum beim Leasinggeber verbleibt (Operate Leasing) (Landwehr 2016b; Schlüchtermann 2016). Im Falle des Mietkaufs findet ein Kauf der Medizintechnik in Raten statt. Das Eigentum geht dabei wirtschaftlich bereits ab Vertragsschluss auf das Krankenhaus über, zivilrechtlich jedoch erst nach Bezahlung der letzten Rate (Landwehr 2016a; Landwehr 2016b). Das erlösorientierte Modell „pay-as-you-earn bietet dem Krankenhaus eine flexible, an die individuelle Erlössituation angepasste Rückzahlung der Leasingraten für Medizingeräte. Ergeben sich überdurchschnittlich hohe Erlöse aus der Nutzung des Gerätes, ist es dem Leistungserbringer gestattet, höhere Summen als die vorab vereinbarten Leasingraten zurückzuzahlen und somit den Finanzierungszeitraum zu verkürzen. Andererseits ist es in Zeiten geringerer Erlöse jedoch auch möglich, die Rückzahlungssummen flexibel zu reduzieren (Siemens Finance & Leasing GmbH 2016b). Im Modell „pay-per-patient vereinbaren Hersteller und Leistungserbringer eine feste Rate für Gerätemiete und Wartung sowie zusätzlich vorab die erwartete Anzahl zu behandelnder Patienten. Am Ende jeden Quartals wird die tatsächliche Anzahl der behandelten Patienten ermittelt und darauf basierend die Rate pro Patient gegebenenfalls neu kalkuliert. Je nach Nutzungsintensität des Gerätes kann sie entsprechend angepasst werden. Im Finanzierungsmodell „pay-per-use wird die Rate hingegen auf Basis der erwarteten Anzahl an Leistungen, z. B. Scansekunden eines Computertomographen, kalkuliert. Analog zu „pay-per-patient wird auch hier die Rate nach Analyse der tatsächlich erbrachten Leistungen an die tatsächliche Nutzungsintensität angepasst. Ein höheres Patientenaufkommen bzw. ein höheres Leistungsvolumen implizieren somit höhere Mietzahlungen oder vice versa geringere Kosten für das Krankenhaus (Siemens Finance & Leasing GmbH 2016b).

    Beratungsleistungen umfassen die Erstellung von Bedarfsanalysen und Lösungskonzepten sowie Patientenmanagement und Prozessoptimierung (Velamuri et al. 2013; Siemens Healthcare GmbH 2016d). Hierfür stellen MedTech-Unternehmen eigene Consulting Teams zur Verfügung, die sowohl strategische Konzepte als auch operative Lösungen für ihre Kunden im Gesundheitswesen erarbeiten. Darunter fallen beispielsweise Projekte bezüglich der Prozessoptimierung klinischer Abläufe wie etwa in der Radiologie sowie die Etablierung steuerungsrelevanter KPIs und Benchmarks (Siemens Healthcare GmbH 2016d). Neben den genannten Beratungsdienstleistungen bezüglich Strategieentwicklung und Prozessoptimierung existieren auch Angebote zur Unterstützung der Kodieroptimierung sowie Schulungen für das Medizincontrolling in diesem Bereich (Medtronic 2016b).

    Neben der Bereitstellung von Hardware stellen MedTech-Unternehmen auch gleichzeitig Softwarelösungen für die jeweiligen Geräte bereit und übernehmen dadurch Teile des klinischen Informationsmanagements. Dem Grundsatz „IT follows process" folgend sollte dies jedoch erst nach einer Optimierung der Prozesse und den dafür ggf. notwendigen Beratungsleistungen erfolgen. Diese Softwarelösungen ermöglichen die Planung, Steuerung und Analyse des Workflows sowie Vermeidung und Aufdeckung von Fehlern im Behandlungsprozess. Ziel ist es dabei zudem, die Dokumentation der medizinischen Leistungen möglichst weit zu vereinfachen, zu standardisieren und zu automatisieren sowie durch Schnittstellen zum Krankenhausinformationssystem eine Verknüpfung zu weiteren klinischen Informationen des Patienten und seiner Behandlungsepisode herzustellen (Velamuri et al. 2013; Fresenius Medical Care 2016a). PACS (Picture Archiving and Communication Systems) werden beispielsweise in der Radiologie eingesetzt, um Röntgenaufnahmen digital zu verarbeiten, zu verwalten und zu archivieren (Philips 2016a).

    Die größte Komplexität, aber auch gleichzeitig das im Hinblick auf die fünf bisherigen Kategorien größte Erlöspotenzial, bringen umfassende Servicepakete mit sich. Darunter versteht man z. B. fest vereinbarte Preise für Dienstleistungen über die gesamte Garantiezeit, eine Auswahl von Vertragsmodellen mit differenziertem Umfang an Dienstleistungen für die jeweiligen Kundensegmente oder Wartung der bereitgestellten Geräte (Velamuri et al. 2013). Dabei sind besonders die häufig als Technologiepartnerschaften bezeichneten Kooperationsformen von großer Bedeutung. Die MedTech-Unternehmen stellen dem Krankenhaus Medizintechnik sowie weitere technische Ausstattung zur Verfügung und übernehmen gleichzeitig Wartung, Instandhaltung, technische Betriebsführung – gegebenenfalls auch herstellerunabhängig –, Austausch der Geräte sowie Schulungen für Klinikmitarbeiter für den Betrieb der Geräte. Ziel dabei ist es, dem Krankenhaus eine moderne Medizintechnikausstattung zur Verfügung zu stellen und die Geräteauslastung sowie Arbeitsabläufe zu optimieren (Philips 2016d; Schlüchtermann 2016; Siemens Healthcare GmbH 2016b).

    Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Unternehmen, die die vorgestellten Dienstleistungen nicht nur als Einzelleistungen anbieten, sondern diese als Full-Service-Provider in einem Gesamtkonzept integrieren und dabei den Umfang von klassischen Technologiepartnerschaften weit übersteigen. Das bedeutet, dass sie Leistungserbringern ein abgestimmtes Paket an Serviceleistungen entlang der kompletten Wertschöpfungskette über einen langfristigen Zeitraum von bis zu mehreren Jahrzehnten zur Verfügung stellen. Diese beginnen zum Teil bereits damit, dass die Medizintechnikhersteller Planung und Bau von kompletten Krankenhäusern oder einzelnen Abteilungen übernehmen, um Raumanordnung und Wege für den laufenden Betrieb bereits vorab möglichst effizient zu gestalten und zugleich den passgenauen Einbau medizinisch-technischer Großgeräte zu gewährleisten. Des Weiteren stellen sie Medizintechnik und weitere technische Ausstattung zur Verfügung – inklusive Wartung, Instandhaltung, technischer Betriebsführung sowie Schulungen für Klinikmitarbeiter. Je nach Ausgestaltung der Vertragsbedingungen sind Kliniken dabei zur Abnahme von Produkten des Medizintechnikherstellers verpflichtet oder können Fremdprodukte integrieren. Die MedTech-Unternehmen stellen im Rahmen dieser Partnerschaften außerdem Mitarbeiter, die das Klinikpersonal dauerhaft im operativen Tagesgeschäft unterstützen, sowie integrierte Softwarelösungen, die die Arbeitsläufe des Krankenhauses durch abgestimmte Systeme sowie Schnittstellen zum Krankenhausinformationssystem vereinfachen und beschleunigen. Zudem beinhalten die Full-Service-Pakete kontinuierliche Analysen, Benchmarking und Optimierung der klinischen Prozesse über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg, um verbesserte medizinische Outcomes zu erreichen (Lee 2013; PwC 2013; Fresenius 2016; Medtronic 2016a; Philips 2016c; Schlüchtermann 2016; Siemens Healthcare GmbH 2016a; Siemens Healthcare GmbH 2016c).

    Das Dienstleistungsspektrum einiger Medizintechnikhersteller reicht zum Teil so weit, dass sie innerhalb einer Klinik den kompletten Betrieb von Operationssälen oder Herzkatheterlaboren übernehmen. Das Unternehmen stellt dabei neben Mitarbeitern zur Betriebsführung und technischen Geräten auch Six-Sigma-Trainings, Benchmarking-Analysen, Supply Chain Management und Softwarelösungen zur Verfügung, um die Effizienz der Abläufe zu erhöhen. Die Bezahlung erfolgt anhand eines fixen Preises pro Leistung und die daraus resultierenden Effizienzgewinne werden im Rahmen eines Risk-Sharing Modells zwischen Leistungserbringer und MedTech-Unternehmen aufgeteilt (PwC 2013).

    1.4 Kritische Würdigung

    1.4.1 Kundenperspektive

    Positiv ist zunächst ganz allgemein zu bemerken, dass die Hersteller auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagieren. Für viele bedeutet dies jedoch auch einen Lernprozess, indem es zunächst darum geht, die Kundenperspektive vollständig zu durchdringen. Umso wichtiger ist es, dass die Kunden die in den Leistungsversprechen der MedTech-Anbieter aufgeführten Chancen stets kritisch auf ihre Realisierbarkeit prüfen.

    Blickt man auf die bereits ausgeführten Einflussfaktoren, so adressieren die Hersteller sehr stark die häufig beschränkten Ressourcen für Investitionen aufseiten der Krankenhäuser. Mithilfe alternativer Finanzierungslösungen sind Krankenhäuser leichter in der Lage, ihre Medizintechnik auf dem neuesten Stand zu halten und damit auch ihren Kunden gegenüber als medizintechnisch „up to date" aufzutreten. Leasing oder mietbasierte Finanzierungskonzept e bieten im Rahmen dieser Finanzdienstleistungen für Krankenhäuser den Vorteil, dass sie individuell, je nach Projektsituation und finanzieller Leistungsfähigkeit des Krankenhauses, vereinbart werden können. Die Leasingraten stellen für das Krankenhaus planbare, gleichbleibend hohe Ausgaben dar. Zudem besteht für das Krankenhaus am Ende der Vertragslaufzeit meist eine Kauf- oder Upgradeoption der Geräte. Das Modell des Mietkaufs stellt hier eine weitere Variante dar. Das Krankenhaus als Käufer profitiert bereits ab Vertragsschluss von Steuerspar- und Abschreibungspotenzialen und verbessert dadurch seine Liquidität. Des Weiteren sind bei umfassenden Finanzierungskonzepten die Abschätzung der Total Costs of Ownership von Projektbeginn an möglich, wodurch die Kosten pro Patient besser kalkuliert werden können (Landwehr 2016a; Landwehr 2016b).

    Im Rahmen der Konzepte „pay-per-patient und „pay-per-use besteht der Vorteil für Kliniken darin, dass eine Beteiligung des Medizintechnikherstellers am Investitionsrisiko erfolgt und die Liquidität des Krankenhauses dadurch stabil bleibt, da die Rate je nach Patientenaufkommen bzw. Leistungsvolumen angepasst wird. Weitere Vorteile dieser Finanzierungsmodelle sind für den Leistungserbringer die hohe Flexibilität und Anpassung an die individuelle Erlössituation, da keine vertraglich vereinbarten starren Rückzahlungsmodalitäten existieren (Siemens Finance & Leasing GmbH 2016b).

    Die Professionalisierung des Einkaufs führt dazu, dass Leistungserbringer zunehmend auch über komplexere Leistungsbündel mit den Herstellern in Dialog treten können. Die dabei höhere Relevanz einer ganzheitlichen Perspektive auf die durch neue Produkte realisierbaren Kosten- und Erlöspotenziale muss von den Herstellern entsprechend aufbereitet und kommuniziert werden, erleichtert dann aber auch die Abschätzung der mittel- und langfristigen finanziellen Auswirkungen.

    Für die Klinik bietet diese enge Bindung an einen Anbieter den Vorteil, dass die Variabilität ihrer Supply Chain minimiert wird und diese aufgrund der geringeren Anzahl von Vertragspartnern übersichtlicher wird. Dies führt zu einer Reduktion der Transaktionskosten. Außerdem verringert sich durch die einheitliche technische Ausstattung die Komplexität der Bedienung für die Anwender sowie der Schulungsaufwand. Zudem ermöglicht die langfristige Zusammenarbeit, dass der Hersteller dem Krankenhaus Preisnachlässe gewährt, da sich dieses im Gegenzug zur Abnahme von Produkten des MedTech-Unternehmens für die Vertragslaufzeit verpflichtet und dem Hersteller dadurch langfristig gesicherte Erlöse beschert (Lee 2013; Landwehr 2016a; Landwehr 2016b).

    Können die Hersteller dem Leistungserbringer klar aufzeigen, welche Prozesse in welcher Form durch das neue Produkt beeinflusst werden oder zu überarbeiten sind, um den versprochenen Zusatznutzen zu realisieren, erhält das Krankenhaus externes Know-how. Erfahrungswerte des Herstellers mit anderen Kunden fließen in die Beratungsleistungen ein. Neben der Unterstützung durch Beratungsunternehmen oder Einkaufsgemeinschaften ergibt sich hier eine dritte Quelle für externen Input beispielsweise im Kontext von Prozessoptimierungen. Profitieren dürften davon insbesondere die kleineren Krankenhausträger, die entsprechende Kompetenzen nicht im eigenen Haus vorhalten. Dies gilt analog für die Angebote im Bereich des Informationsmanagements. Allerdings können auch größere Krankenhauskonzerne profitieren, sei es durch eine stärkere Fokussierung auf ihre Kernkompetenzen oder die Möglichkeit, auch bei eher gering erscheinende Verbesserungen auf Ebene einzelner Standorte auf den Konzern gesehen relevante Größenordnungen zu erreichen.

    Am radikalsten sind hierbei die Full-Service-Ansätze, die versuchen, alle Vorteile der anderen Serviceansätze zusammenzufassen und beispielsweise bei der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen deutlich darüber hinausgehen. Erfolgt sogar der Betrieb ganzer Abteilungen durch einen Hersteller, ist dabei abzuwägen, inwiefern hier Kernkompetenzen des Krankenhauses nach außen vergeben werden und so mittel- bis langfristig unter Umständen nachteilige Abhängigkeiten entstehen. Betrachtet man die Erfahrungen mit Zentralisierung auf Konzernebene oder Outsourcing, zeigt sich ein durchaus ambivalentes Bild. Viele der Chancen und Risiken sind hier durchaus übertragbar.

    Mit der Bindung an einen Hersteller für die Belieferung mit Medizintechnik und die Fremdvergabe von Leistungen wie Betriebsführung, Wartung und Instandhaltung der medizinisch-technischen Geräte begibt sich das Krankenhaus in die Abhängigkeit des Medizintechnikherstellers und besitzt bei wirtschaftlichen oder organisatorischen Schwierigkeiten zunächst keine Alternativen für die Ausführung der fremdvergebenen Tätigkeiten bzw. für die Bereitstellung medizinisch-technischer Geräte (Schlüchtermann 2016).

    Ebenso können Koordinationsprobleme zwischen Krankenhaus und Medizintechnikhersteller entstehen, allgemein ist bei einer Vergabe nach außen mit zusätzlichen Transaktionskosten zu rechnen. Dies beginnt vor Vertragsabschluss im Sinne der Kosten für die Informationsbeschaffung und die Abwicklung der Vertragsvereinbarung und umfasst auch die Kosten nach Vertragsabschluss, wie beispielsweise für die Anpassung von Vertragskonditionen und für Kontrollmaßnahmen. Dies ist den Einsparungen durch eine Reduktion der Zahl der Vertragspartner und der Zahl der – allerdings stärker standardisierten – üblichen Kaufverträge gegenüber zu stellen.

    Um Koordinationsprobleme während er Vertragslaufzeit zu minimieren und die vereinbarten Effizienzsteigerungen zu realisieren, ist es wichtig, bei der Gestaltung der Kooperationsbeziehungen immer auch den Einbezug der Mitarbeiter zu berücksichtigen, um passgenaue Lösung sowie hohe Akzeptanz seitens des Klinikpersonals zu erzielen (Nationaler Strategieprozess 2012). Derzeit sehen jedoch noch viele Kliniken das Key Account Management der Medizintechnikhersteller als verbesserungswürdig an (McKinsey 2015).

    Damit für das Krankenhaus durch die Fremdvergabe ein echter Mehrwert entsteht, muss sichergestellt sein, dass der Industriepartner diese Bereiche zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis abdecken kann als der Leistungserbringer selbst. Die technische sowie organisatorische Qualität der angebotenen Dienstleistungen wird von Kundenseite häufig als noch nicht ausreichend beschrieben (McKinsey 2015). Ex ante sind die Erfolgsaussichten nicht pauschal zu bewerten und auch für die Krankenhäuser zunächst nur schwer abzuschätzen, da den umfangreichen Leistungsversprechen der Anbieter bisher häufig nur eine eher geringe Anzahl hinreichend lang laufender Referenzprojekte gegenübersteht. In einer Phase, in der die Industrie versucht, sich diese Geschäftsfelder zu erschließen, ergibt sich im Gegenzug für die Krankenhäuser unter Umständen die Gelegenheit, günstige Vertragskonditionen zu realisieren.

    Das Risiko, dass die Industriepartner die Leistungsversprechen nicht realisieren können, ist auch deshalb ein relevanter Faktor, weil die Effizienz von Prozessen von Mitarbeitern, Patienten und zahlreichen weiteren Faktoren im Krankenhausbetrieb abhängt (Schlüchtermann 2016). Die Ausgestaltung der Verträge, insbesondere die Definition der Deliverables und deren Kontrolle, aber auch der Kündigungsbedingungen, erhält hier auch aufgrund der langfristigen Bindung besondere Bedeutung.

    Abschließend sei noch auf zu klärende Aspekte hinsichtlich der Bilanzierung hingewiesen. Da die Serviceleistungen sowohl Investitions- als Betriebskosten beinhalten, ist eine klare Trennung der Kosten für die Krankenhäuser nicht eindeutig möglich. Zudem divergieren die Interessen von MedTech-Hersteller und Leistungserbringer bezüglich der Bilanzierung. Kliniken würden gerne, wie auch bei Leasingverträgen, von den Vorteilen der Bilanzverkürzung profitieren und daher die Geräte in der Bilanz des Herstellers verbuchen. Dieser möchte jedoch kalkulatorische Zinsen auf sein gebundenes Eigenkapital möglichst vermeiden, um die Technologiepartnerschaft nicht zusätzlich zu verteuern (Schlüchtermann 2016). Daher gilt es vorab sorgfältig zu prüfen, wie die Erstattung und Finanzierung innerhalb der bestehenden Mechanismen je nach individueller Ausgestaltung des Geschäftsmodells erfolgen kann, da eine Verschiebung von Investitionskosten in den Bereich der Betriebskosten mit sinkender Rentabilität einhergeht (Nationaler Strategieprozess 2012). Auch ist jeweils im Einzelfall zu klären, wie sich Alternativen zum reinen Kauf auf die Förderfähigkeit im Rahmen der dualen Finanzierung auswirken.

    1.4.2 Herstellerperspektive

    Die Erkenntnis, einen Mehrwert für den Kunden bieten zu müssen, ist per se nicht neu. Neu ist jedoch die Tiefe, mit der sich der Hersteller mit dem Geschäftsmodell seiner Kunden und dessen Implementierung auseinandersetzen muss, will er sein eigenes Geschäftsmodell in die skizzierte Richtung weiterentwickeln. Hierzu sind detaillierte Kenntnisse des Krankenhausmanagements sowie der allgemeinen gesundheitsökonomischen Zusammenhänge von fundamentaler Bedeutung. Unabdingbar sind neben einem tiefgehenden Verständnis von Prozessen und dem ggf. notwendigen Change Management auch robuste Kenntnisse der Kosten- sowie der Erlösfaktoren und Vergütungssysteme. Gerade bei langfristigen Verträgen ist auch eine seriöse Einschätzung gesundheitspolitischer Trends unentbehrlich. Die hohe Frequenz gesetzgeberischer Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Form und Struktur der Leistungserbringung sind dabei eine zusätzliche Herausforderung. Die dahingehenden Kompetenzen werden von vielen Medizintechnikunternehmen mittlerweile aufgebaut. In der Breite besteht hier in den oft noch stark ingenieurgetriebenen Unternehmen jedoch nach wie vor Nachholbedarf.

    Sehr unterschiedliche nationale Gesundheitsmärkte mit unterschiedlichen Vergütungssystemen und Strukturen der Leistungserbringung sind für die stark exportorientierte Medizintechnikindustrie ein schwerer zu bearbeitendes Feld, je weitere man sich vom rein technischen Produkt entfernt. Eine länderübergreifende Standardisierung ist hier nur mit Einschränkungen möglich.

    Ohne ein gut funktionierendes Wissensmanagement, das dazu beiträgt, dass die bei verschiedenen

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