Kreativität und Innovation (E-Book)
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Über dieses E-Book
Wer kreativ und innovativ handeln kann, besitzt eine Kompetenz, die international schon lange als Schlüsselqualifikation für das 21. Jahrhundert gilt. Doch wie lässt sich diese Fähigkeit in Schule und Unterricht erwerben oder anwenden? Im zweiten Band der Reihe «4K kompakt» werden Modelle und Prozesse beschrieben, aus denen Kreativität entsteht. Zudem werden kreative und innovative Zukunftskompetenzen in der Berufsbildung und beim Lernen in der Berufsfachschule aufgezeigt.
Saskia Sterel
Saskia Sterel, Dr. phil., Dozentin für Fachdidaktik an der PH Zürich, unterrichtet an der Berufsfachschule Winterthur Allgemeinbildung und war mehrere Jahre Praktikumslehrerin für angehende Berufsfachschullehrpersonen allgemeinbildender Richtung. Gemeinsam mit Prof. Dr. habil. Manfred Pfiffner hat sie das 4K-Modell entwickelt: ein Studiengang, in dem angehende Lehrpersonen für «Berufskundlichen Unterricht», «Information, Kommunikation und Administration» sowie «Allgemeinbildenden Unterricht» gemeinsam ausgebildet werden.
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Buchvorschau
Kreativität und Innovation (E-Book) - Saskia Sterel
Vorwort
In der Kunst wurde man vor gar nicht langer Zeit noch von der Muse wachgeküsst.
Heute nähern wir uns den Voraussetzungen für einen kreativen Schaffensprozess deutlich sachlicher und strategischer. Die Muse wurde erforscht. Wir arbeiten mit Kreativitätstechniken und der Design-Thinking-Prozess leitet uns – es ist der ureigene «Schöpfungsprozess» jedes Kreativen, in eine Methode gegossen. Wir nutzen den innovativ gestalteten Raum oder initiieren gedankliche Freiräume durch Körperarbeit – alles, um unsere Inspiration wachzuküssen.
Interessant finde ich, dass der Wert von Kreativität jetzt im Bildungsbereich ausführlich diskutiert wird. Dort, wo Messbarkeit noch eine bestimmende Maxime ist. Kann denn Kreativität gemessen werden? Und wenn ja, wie? Wird es bald das Megafach «Kreativität» geben, das fächerübergreifend Grundlagen für kreatives Denken und somit für Innovation legt?
An der Schule für Gestaltung St. Gallen begleiten wir Jugendliche im Laufe eines Jahres im gestalterischen Vorkurs bei der Entwicklung ihres kreativen Potenzials und ihrer handwerklichen Fähigkeiten. Im Team beschäftigen wir uns tagtäglich mit den Bedingungen für Kreativität und den Ergebnissen von Kreativität. Wie muss Unterricht gestaltet sein, damit die Jugendlichen ihr individuelles und persönliches Potenzial optimal entwickeln können? Und wie lässt sich ihr Interesse und dadurch ihre Motivation für eine Sache erwecken – ein matchentscheidender Punkt für Kreativität?
Unsere Beobachtungen haben uns zu folgenden Erkenntnissen geführt:
Kreativität ist eine Haltung und somit nicht fachspezifisch. Trotzdem ist sie für alle Fächer relevant.
Kreativität als Haltung erschafft Freiräume, mischt sich aber nicht in alles ein.
Kreativität und Innovation braucht die Kraft, den Mut und die Lust, ganz neu zu denken, immer wieder.
Unsere Lernenden werden später in der Kreativwirtschaft arbeiten. Lassen wir uns als Schule konsequent vom Design-Thinking-Prozess leiten, ist dies die Basis für jedwede Innovation. In diesem Prozess geht es um den ewigen Kreislauf, Neues zu erdenken, aufzubauen, zu testen, zu verwerfen, um es weiterzudenken, aufzubauen und zu testen, um es wieder zu verwerfen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Kunstwerk entstanden oder ein Produkt oder Design entwickelt ist. Die DNA von Innovation ist doch, Denkmuster aufzubrechen, und von wem kann man das besser lernen als von den Kreativen?
Ich höre immer genau hin, wenn ich einen kreativen Moment habe – so finde ich immer wieder neue und meine eigene Kreativität belebende Techniken!
Viel Spaß bei der Lektüre dieses inspirierenden Buches, das so klug das Thema Kreativität und Innovation aufnimmt und analysiert.
Kathrin Lettner
Abteilungsleitung Schule für Gestaltung St. Gallen | Weiterbildung
1
Einleitung
Der vorliegende Band «Kreativität und Innovation – Kreative Kapazitäten in Schule und Unterricht nutzen und erweitern» bildet den Auftakt zur Vertiefung und Einbettung der 4K in unterrichtliche Belange, wie sie im Buch «Ausbilden nach 4K – Ein Bildungsschritt in die Zukunft» kurz skizziert wurden (vgl. Sterel, Pfiffner & Caduff 2018).
Kreativität und Innovation gelten international seit längerer Zeit als Schlüsselqualifikationen. Sie stehen im 21. Jahrhundert in vielen Ländern auf der Liste der erwünschten Kompetenzen für Lernende (vgl. Fullan, Quinn & McEachen 2019; P21 2016, S. 1; Wiater 2012; WHO 1994). Diese Schlüsselqualifikationen gelten als kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen, die sich in einem ständig komplexer werdenden betrieblichen Umfeld bewegen und erfolgreich am Markt bestehen beziehungsweise sich Wettbewerbsvorteile verschaffen wollen (vgl. Jacob 2018, S. 27). Selbst bei zukunftsweisenden Führungsqualitäten steht Kreativität an erster Stelle. So müssen sich Führungspersonen darauf einstellen, «den Status quo zu ändern, selbst wenn er erfolgreich ist. Sie müssen sich dafür einsetzen und bereit sein, ständig zu experimentieren» (IBM 2010, S. 25). Kreativität wird dabei als Disposition oder Bedingungskomplex für die Generierung von neuen und geeigneten Ideen verstanden, während nachfolgend die Innovation als Ideenumsetzung, Einführung und Verbreitung von Ideen, beispielsweise bezüglich einer wirtschaftlichen Nutzung sowie Vermarktung, angesehen wird (vgl. Laux & Schmitt 2008, S. 312).
1.1
Kreativität und Innovation als Bestandteil von 4K
Die 4K Kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation sowie Kreativität und Innovation [1] sind ein Kondensat aus einem ganzen Bündel wichtiger Kompetenzen. Sie bilden das zentrale Rüstzeug für unsere (Arbeits-)Welt. Das sich rasch verändernde globale Paradigma, nach dem anstelle der reinen Produktion eine wissensbasierte und innovative Wirtschaft tritt, erfordert in hohem Maße die Fähigkeit, Probleme kreativ zu lösen.
Heute kann ein Großteil der weltweiten Informationen jederzeit und in Sekundenschnelle über ein Smartphone abgerufen werden. Dabei wird die Fähigkeit, dieses Wissen auf kreative Weise zu nutzen, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen und komplexe Probleme zu lösen, immer wichtiger (vgl. P21 2016, S. 1). Kreativität und Innovation gehören also zu den existenziellen Fähigkeiten, die das Bestehen sowie die Weiterentwicklung der Menschheit ermöglichen. Im dritten Jahrtausend verlangen vielfältige komplexe Problemlagen in globalen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, aber auch persönlichen Bereichen nach kreativen Lösungen. Solch komplexe Fragestellungen zeichnen sich unter anderem durch Zielvielfalt, Intransparenz und durch eine hohe Dynamik aus. Für kreative Prozesse gilt Ähnliches (vgl. Vollmer 2016, S. 18). Ein kreativer Geist und Innovationskraft führen in der heutigen Welt der globalen Konkurrenz, der Digitalisierung und Aufgabenautomatisierung rasch zu persönlichem und beruflichem Erfolg. Sir Ken Robinson, ein britischer Professor für Kunsterziehung sowie maßgeblicher Denker und Fürsprecher der Kreativität, hält fest: «Creativity is as important in education as literacy and we should treat it with the same status» (Robinson 2011, TED Talks). Der US-amerikanische Professor für Psychologie Robert Sternberg (2007) verdeutlicht zusätzlich:
«Successful individuals are those who have creative skills, to produce a vision for how they intend to make the world a better place for everyone; analytical intellectual skills, to assess their vision and those of others; practical intellectual skills, to carry out their vision and persuade people of its value; and wisdom, to ensure that their vision is not a selfish one.»
Der US-amerikanische Autor Daniel H. Pink (2005, S. 1) hält stimmig fest:
«The last few decades have belonged to a certain kind of person with a certain kind of mind – computer programmers who could crank code, lawyers who could craft contracts, MBAs who could crunch numbers. The future belongs to a very different kind of person with a very different kind of mind-creators and empathizers, pattern recognizers and meaning makers. These people […] will now reap society’s richest rewards and share its greatest joys.»
Wie eindrücklich zu sehen ist, bilden heute Kreativität und Innovation wichtige Faktoren für erfolgreiches Arbeiten in der (Welt-)Wirtschaft.
Howard Gardner weist dem «schöpferischen Geist» Zukunftspotenzial zu. Um einen solchen Geist zu pflegen, braucht es eine Bildung, die gekennzeichnet ist durch «exploration, challenging problems, and the tolerance, if not active encouragement, of productive mistakes» (Gardner 2007, S. 85). Der kreative Umgang mit komplexen Fragestellungen sollte also schon in der Schule geübt werden (vgl. Vollmer 2016, S. 18). An den Schulen herrscht grundsätzlich die Überzeugung vor, dass Kreativität erlernt und eingeübt werden kann. Allerdings können Lehrerinnen und Lehrer oft nicht genau erklären, was Kreativität überhaupt ist. Häufig werden im Schulalltag Impulsivität, Nonkonformismus und sogar störendes Verhalten mit Kreativität in Verbindung gebracht (vgl. Urban, zitiert in Vollmer 2016, S. 18). Nicht selten werden unerwartete Ideen nicht aufgegriffen, da die Sorge besteht, dass dadurch der Unterrichtsplan gefährdet ist und die Ordnung durcheinandergerät (vgl. Vollmer 2016, S. 18).
1.2
Kreativität
Die US-amerikanische Wissenschaftlerin Theresa Amabile gilt als Begründerin des Komponentenmodells der Kreativität. Es besagt, dass Kreativität an der Schnittstelle von Expertise beziehungsweise Fachwissen, Motivation und kreativen Fähigkeiten entsteht (siehe Abbildung 1). Die Grundlage der Kreativität bildet dabei die Expertise beziehungsweise das Vor- oder Fachwissen. Dieses muss allerdings durch kreative Fähigkeiten («creative thinking skills») ergänzt werden. Darunter versteht man zum Beispiel die Fähigkeit, Probleme zu erkennen, diese aus diversen Blickwinkeln zu betrachten oder umzukehren, bereits bestehende Pläne oder Ideen neu zu verknüpfen, neue Ergebnisse zu prüfen, verschiedene Wissensgebiete miteinander zu vereinen sowie abstrakt und assoziativ zu denken (vgl. Jacob 2018, S. 29).
Abbildung 1: Komponentenmodell der Kreativität (nach Amabile 1998)
Die Motivation gilt als wichtigste Voraussetzung für Kreativität. Ohne sie ist Kreativität zwar möglich, wird jedoch kaum umgesetzt. Die Motivation bildet somit die Grundlage für das Initiieren und Aufrechterhalten kreativer Prozesse. Sie ist maßgeblich für das verantwortlich, was Personen wirklich tun. Dabei sind diese nicht aufgrund eines